Kann ich bitte in die Mitte?

  • Text und Illustration von Susanne Straßer
  • Peter Hammer Verlag, Juli 2021 www.peter-hammer-verlag.de
  • 24 Seiten
  • Format: 20,5 x 21,5 cm
  • 14,90 € (D), 15,40 € (A)
  • ISBN 978-3-7795-0665-2
  • Pappbilderbuch ab 2 Jahren

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V O R L E S E V O R B E R E I T U N G E N

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

In dieser Bilderbuchgeschichte möchte ein Kind mit seinen „Haustieren“ ein Buch lesen, wobei die Formulierung „Haustier“ hier großzügig ausgelegt werden sollte.
 
Nun, das Kind sitzt auf dem Sofa und kündigt an: „Kommt, wir lesen ein Buch!“ Freudig stimmt der Hamster zu und bringt noch das Zebra, die Katze und den Löwen mit. Doch der Storch fehlt noch, außerdem ein Kuschel- kissen und der Fisch.

So füllt sich von Seite zu Seite das Sofa, es wird sich gemütlich zurechtgelegt und gesetzt, schließlich kommt auch noch das Nashorn, das seine Haus- schuhe sucht und dafür mal eben das vollbesetzte Sofa hochkippt. Alles purzelt durcheinander, wird improvisiert wieder aufgebaut, und endlich kann es losgehen mit der Lektüre.

Der immer wieder verzögerte Vorlesebeginn wirkt erheiternd und spannungssteigernd. Dank des anschaulichen Szenenaufbaus und der regelmäßigen Aufzählwiederholung der anwesenden Tiere können kleine Kinder diese Geschichte nach dem ersten Vorlesedurchgang leicht mit- und nacherzählen. Die Bilder sind farbenfroh und sehr klar umrissen. Es gibt einige zu entdeckende dramaturgische Details, aber keine optische Überfüllung.

„Kann ich bitte in die Mitte“ bietet leichte, lustige Unterhaltung für Kinder ab zwei Jahren. Die stabilen Pappseiten mit abgerundeten Ecken werden problemlos viele, viele Vorleserunden aushalten, selbst wenn gelegentlich ein ungestümes Nashornkind umblättert.

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.peter-hammer-verlag.de/buchdetails/kann-ich-bitte-in-die-mitte

Die Autorin & Illustratorin:

»Susanne Straßer, geboren 1976 in Erding, studierte Kommunikationsdesign in München und London. Ihre Arbeiten wurden international ausgezeichnet und ausgestellt, u. a. auf der Biennale für Illustration in Bratislava. Ihr Bilderbuch Das Märchen von der Prinzessin, die unbedingt in einem Märchen vorkommen wollte (Hinstorff Verlag, 2010), wurde 2013 fürs Kino verfilmt. Ihre Papp-bilderbücher So weit oben und So leicht so schwer und Fuchs fährt Auto wurden für den Leipziger Lesekompass ausgewählt. Das Pappbilderbuch Der Wal nimmt ein Bad erhielt 2019 den Troisdorfer Bilderbuchpreis. Susanne Straßer lebt mit ihrer Familie in München.« http://susannestrasser.de/

Susanne Straßers Preise und Auszeichnungen:

Troisdorfer Bilderbuchpreis für Der Wal nimmt ein Bad
White Raven, Empfehlung der Internationalen Jugendbibliothek
für Fuchs fährt Auto
Leipziger Lesekompass für Fuchs fährt Auto
Leipziger Lesekompass für So leicht so schwer
Leipziger Lesekompass für So weit oben

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Die Spuren Deines Lebens

  • Der Wegbegleiter zu Deiner Biografie
  • von Stephan Gabriel 
  • mit farbigen Illustrationen von Jens-Oliver Robbers
  • Buch mit vielen hundert freien Seiten für biografische Einträge
  • jbriels Verlag GbR, 1. Auflage Oktober 2019
  • in grünes Leinen gebunden
  • abgerundete Ecken
  • Fadenheftung
  • Format: 24,60 cm x  18,00 cm
  • Gewicht: 1,5 kg
  • 564 Seiten
  • aus gestrichenem 115g FSC®-Papier
  • zwei LESEBÄNDCHEN
  • 29,95 € (D), 30,95 (A)
  • ISBN 978-3-948481-02-5

 

DAS  WORT  ERGREIFEN

Buchbesprechung  von Ulrike Sokul ©

Dieses Buch ist dafür gedacht, daß Sie es mit Ihrem Leben füllen. Der Autor und Herausgeber Stephan Gabriel gibt lediglich eine einleitende thematische Ober- und Unterkapitelstruktur vor und einige Anregungen sowie gelegentlich bespielhafte kurze Episoden aus seiner eigenen Biographie, um Sie zum Schreiben zu ermuntern.

Die meisten der 564 Seiten in diesem Buch sind leer und unbeschrieben und lassen Ihnen – angestupst durch die vorgegebenen Stichworte und Fragestellungen – groß- zügigen Freiraum, Ihren persönlichen Erinnerungen zu folgen und jene, die Ihnen besonders beachtenswert und prägend erscheinen, aufzuschreiben.

Die ersten gut 200 Seiten, die der Überschrift „Werdegang“ folgen, skizzieren den klassischen Lebenslauf von Geburt, Kindheit, Familie, Kindergarten, Schule, Berufsaus-bildung, Studium, Berufserfahrung, Berufswechsel, Karriere oder Karriereknick bis zum Ruhestand, ergänzt um wichtige Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister, Freunde, Kollegen, Lehrer usw.

Das Kapitel „Phasen und Orte“ fragt nach Reisen, Fernweh und Heimweh, Ländern und Orten, glücklichen und schwierigen Lebensabschnitten, Gesundheit und Krankheit und auch hier immer wieder nach wichtigen Bezugspersonen.

Es folgen die Kapitel „Liebe“, „Begleiter“, „Sinnliches“, „Inspiration“, „Perspektiven“, „Krisen“, „Familie“, „Lebensende“ und „Wünsche“ sowie „Fortführungen“.

In jedem Abschnitt werden Fragen gestellt, sei es ganz alltäglich nach Lieblingsspeisen und -Getränken oder nach Wertvorstellung und Weltanschauung, nach Gefundenem und Verlorenem, Höhe- und Tiefpunkten, nach Glücksbringern oder Stolpersteinen, nach cineastischen, künstlerischen, literarischen und musikalischen Vorlieben und politisch- er Einstellung, nach Vorbildern, religiöser Orientierung, nach Vorstellungen für die Gestaltung der eigenen Trauerfeier, nach Lieblingsorten, dem Verhältnis zur Natur und zu (Haus)tieren, nach ersten und letzten Lieben, Kindern, Enkeln, Großeltern, Eltern, Förderern, Vertrauten, Weggefährten und besonderen Begegnungen …

Das Kapitel „Fortführungen“ enthält fast fünfzig leere Seiten, die man nutzen kann, wenn der Platz in den vorhergehenden Rubriken für manche Ausführungen nicht aus- reicht. Dort läßt sich zudem übersichtlich eintragen, auf welche vorhergehende Seite sich die jeweilige Ergänzung bezieht.

Dieses Buch wird, wenn Sie es beschreiben, von Ihrem Leben erzählen. Es steht Ihnen frei, welche Kapitel sie füllen, mit welchen Sie vielleicht sofort beginnen möchten, mit welchen später oder nie. Das wird Ihr Buch! Und Sie bestimmen seinen Inhalt. Vielleicht legen Sie zusätzlich noch Fotos hinein oder nostalgische Konzertkarten. Seien Sie mutig und aufgeschlossen und stellen sich Ihrem gelebten Leben mit seinen Licht- und Schattenseiten. Wer sich seinem Leben solcherart autobiographisch widmet, bringt auch Wert-schätzung und Dankbarkeit für sein Leben und sein individuelles Gewor- densein zum Ausdruck und hinterläßt seinen gegenwärtigen Lieben und nachfolgenden Generationen ein charakteristisches handschriftliches Dokument seines Daseins. 

Dieses Buch führt denjenigen, der es beschreibt, zunächst nach innen und – auf den Spuren der Details und wesentlichen Weichenstellungen des eigenen Lebensweges – in Herkunft und Vergangenheit, zu konzentrierter Selbstreflektion und hoffentlich auch Selbsterkenntnis, aber auch zum Begreifen von Lebensmustern und Zusammenhängen, bestenfalls sogar zu einer deutlichen Lebenssinngebung und zu einer ergiebigen Entdeckungs- reise und Schatzfindung im eigenen Leben und Wirken.

Das gestrichene 115g FSC®-Papier ist mit Füller, Faserschreiber, Tinten- roller oder Kugelschreiber gut und angenehm beschreibbar. Das großzügige Seitenformat und die umfangreiche Seitenzahl bieten befreiend viel Platz zum Schreiben. Die hochwertige Ausstattung mit Leineneinband, Faden- heftung und zwei Lesebändchen ist ebenso attraktiv wie strapazierfähig.

Dieses Eintragbuch eignet sich hervorragend für das wertschätzende, schriftliche Einfangen großer Augenblicke und kleiner Ewigkeiten.
 

Hier entlang zum Erwerb im lokalen Buchhandel:
https://www.buchhandel.de/buch/Die-Spuren-Deines-Lebens-9783948481025

Hier entlang zur Webseite zum Buch: www.die-spuren-deines-lebens.com

 

Der Autor und Herausgeber:

»Stephan Gabriel lebte viele Jahre in Berlin, bevor es ihn zu seinen Wurzeln ins Rheinland zurückzog. Die Arbeit mit Menschen machte ihm schon immer am meisten Spaß. Während seiner Schulzeit beschäftigte er sich als Tennistrainer mit Jugendlichen und Erwachsenen und später als Berater und Fotograf mit unterschiedlichen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben. In seiner Zeit als Zivildienstleistender war er Fahrer im ärztlichen Notdienst. Dort drehte sich alles um die Liebe zum Menschen, das Leben und den Abschied vom Leben. Eine Lungenembolie im 18. Lebensjahr zwang den Autor, sich bereits in jungen Jahren mit dem Thema Tod zu beschäftigen. Er setzte sich dadurch schon früh und intensiv mit den zahlreichen Phasen und Farben der Existenz auseinander. Einige Wochen nach dem schweren Verlust des eigenen Vaters kam ihm am Tag vor Heiligabend die Idee, ein Buch zum Aufschreiben der eigenen Lebensgeschichte zu entwickeln.«

Querverweis:

Ergänzend bietet sich das Buch LEBEN SCHREIBEN ATMEN Eine Einladung zum Schreiben“ von Doris Dörrie an: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/09/18/leben-schreiben-atmen/ Diese Einladung zum autobiographischen Schreiben vermittelt eine ansteckende Schreiblust und Schreibneugier. Sie schreibt uns nichts vor, gibt nur Emp- fehlungen für Bedingungen und Geisteshaltungen, die den Schreibprozeß fördern. Es geht dabei nicht um Rezepte für erfolgreiches schriftstellerisches Schaffen, sondern vielmehr um Schreiben als ganz alltägliches Medium, um das eigene Leben zu erkennen, sich selbst tiefer auf die Spur zu kommen, Erinnerungen zu reanimieren und infolge- dessen dem ganzen Gefühlsspektrum des eigenen Erlebens Raum und Ausdruck zu geben und diese persönlichen Geschichten gegebenenfalls auch mit anderen Menschen zu teilen.

 

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Das Antiquariat der Träume

  • von Lars Simon
  • Roman
  • DTV Verlag, Mai 2020  www.dtv.de
  • gebunden
  • 320 Seiten
  • 12,00 € (D), 12,40 € (A)
  • ISBN 978-3-423-21931-0

LITERARISCHE  HALLUZINATIONEN

Buchbesprechung  von Ulrike Sokul ©

Im „Antiquariat der Träume“ geht es um wahre Liebe, unsterbliche Hoffnung und um die zeitlose Magie von Büchern und Geschichten sowie um die Einwirkungskraft von Büchern auf die Wahrnehmung und Gestaltung von Welt und Wirklichkeit.

Der Stockholmer Verleger Johan Andersson hat bei einem durch einen Orkan verursach-ten Schiffsunglück in der Ostsee die große Liebe seines Lebens verloren. Lina hatte Johan, der ein Liebhaber der Klassiker ist, kurz zuvor ein ganz besonderes Geschenk überreicht: eine handsignierte Erstausgabe der „Singoalla“ von 1864, die sie bei einem geheimnisvollen und schrulligen Antiquar erworben hatte. Dieser Roman von Viktor Rydberg ist ein berühmtes Werk der schwedischen Spätromantik. Kurz nach der Geschenkübergabe verlor Johan im panischen Durcheinander des leckgeschlagenen Schiffs Lina aus den Augen und das Buch aus der Hand.

Für Johan ist Linas Verlust Grund genug, in seinem Leben als Überlebender nun andere Schwerpunkte zu setzen. Er verkauft seine Anteile am Verlag, zieht sich aufs Land zurück und eröffnet im kleinen Örtchen Hedekas ein Antiquariat mit angeschlossenem Literaturcafé.

Er freundet sich mit dem örtlichen Pfarrer an, und Agnes, die früh verwitwete Schwester des Pfarrers, backt für Johans Café köstliche Kuchen und Torten mit wechselnden litera-rischen Motti, und sie hilft auch beim Bedienen aus. Eine gewisse freundschaftliche Ver-trautheit und Zuverlässigkeit bieten diese zwischenmenschlichen Kontakte; dennoch pocht die schmerzliche Leerstelle in Johans Herzen auch vier Jahre nach dem Verlust Linas weiter.

Immer wieder hatte Johan versucht, Angehörige von Lina zu finden, aber sie scheint nicht nur ertrunken zu sein, sondern auch nirgendwo hingehört zu haben. Seine Nach-forschungen zu Linas Identität führen jedoch zu keinem Ergebnis. So rätselt er weiterhin herum, hadert mit dem Schicksal und kann seine Sehnsucht nicht loslassen.

Trost und auch Inspiration bieten indes die Gespräche, die er mit den Figuren aus seinen Lieblingsbüchern führt. Diese Figuren erscheinen ihm leibhaftig, und sie stehen Johan – stets gemäß ihrem fiktiven Charakter – mit klugem Rat und anteilnehmender Reflexion zur Seite. So spricht er ebenso mit William von Baskerville aus „Der Name der Rose“ wie mit Pippi Langstrumpf oder dem weißen Kaninchen aus „Alice im Wunderland“. Und auch Harry Haller aus „Der Steppenwolf“, Gregor Samsa, Doktor Dolittle und Sherlock Holmes sowie Cyrano de Bergerac erscheinen in passenden und gelegentlich auch unpassenden Situationen und geben ihren Betrachtungen des echten Lebens und Einschätzungen zu Problemlösungen lebhaften Ausdruck.

Manchmal, wenn zufällige Ohrenzeugen Johan bei seinen „Selbstgesprächen“ mit in deren Augen unsichtbaren Dialogpartnern ertappen, gerät Johan in den Verdacht geistiger Verwirrung. Doch Johan genießt diese buchstäblichen Literaturgespräche und empfindet sie als Bereicherung. Den von seinen Freunden gelegentlich angeratenen professionellen psychologischen Beistand lehnt er ab. 

Eines Tages trifft Johan beim Einkaufsbummel für sein Antiquariat auf einen alten Antiquar, der ihn in ein interessantes Gespräch verwickelt und der ihm erklärt, daß er wichtige Bücher nur an jene Menschen verkaufe, die sie auch verdienten. Schließlich verkauft er Johan ein verpacktes Buch, das seiner Ansicht nach zu ihm gehöre – allerdings unter der Bedingung, daß auch Johan dieses Buch innerhalb einer bestimmt- en Frist weiterverkaufen solle – ebenfalls ausdrücklich nur an eine Person, bei der dieses Buch in den richtigen Händen sei.

Fasziniert und verwundert läßt sich Johan auf diesen eigenwilligen Handel ein, und als er zu Hause das Buch auspackt, ist es exakt die Ausgabe der „Singoalla“, die er einst von Lina bekommen hatte …

Wie sich nun daraus ein klassisches Happy-End entwickelt, werde ich hier selbstver- ständlich nicht verraten. Die lange offen bleibende Frage nach Linas Verbleib und Herkunft ist spannend, zumal man nicht umhinkommt, diverse eigene Vermutungen zu ihrer realen oder vielleicht doch fiktiven Existenz anzustellen.

Der größte Reiz dieses Romans geht jedoch nicht so sehr von der Liebes- geschichte, sondern viel mehr von den Gesprächen zwischen Johan und seinen literarischen Lieblingsfiguren aus. Es ist sehr amüsant, wie diese jeweils im Habitus und in der sprachlichen Tonlage ihres fiktiven Charakters in Johans Leben treten und ihn beraten, mit ihm philosophieren und ihn auch ein wenig in die richtige Richtung lenken, ohne ihm dabei das eigene Denken, Erkennen, Suchen und Finden abzunehmen. 

 

»Alte Bücher sind die Essenz des Lebens, der Quell aller Freude und manchmal sogar der Ursprung revolutionärer Strömungen. Sie konservieren Gedanken und Emotionen, und setzt man sie in Bezug zur Zeit ihrer Entstehung und hat den Mut, sich darauf einzu- lassen, so wird man genau das bei sich selbst erleben, was derjenige beabsichtigte, der das Werk einst verfasst hat,  ganz gleich wie viele Jahre später man es zur Hand nimmt. Eine gute Geschichte, eine brillante Idee und ein tiefempfundenes Gefühl haben immer-währende Gültigkeit, sie verlieren nichts, sie sind wie exquisiter Wein und werden mit der Zeit immer reifer und wertvoller, allerdings – und das ist der Unter- schied zu gutem Wein – erst sobald man sie genossen hat. Sie reifen im Herzen und nicht in Fass und Weinkeller, wenn Sie verstehen.«  (Seite 239/240)

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.dtv.de/buch/lars-simon-das-antiquariat-der-traeume-21931/

Der Autor:

»Lars Simon, Jahrgang 1968, hat nach seinem Studium lange Jahre in der IT-Branche gearbeitet, bevor er mit seiner Familie nach Schweden zog, wo er als Handwerker tätig war. Heute lebt und schreibt der gebürtige Hesse wieder in der Nähe von Frankfurt am Main. Bisher sind von ihm bei dtv eine dreibändige Comedy-Reihe, das Weihnachtsbuch ›Gustafssons Jul‹ sowie die Urban-Fantasy-Reihe um Zauberlehrling Lennart Malmkvist und seinen sprechenden Mops Bölthorn erschienen. Lars Simon ist ein Pseudonym.«

Querverweis:

Hier entlang zu Lars Simons zauberlehrlingsmagischer Trilogie über Lennart Malmkvist, seinen geerbten Zauberzubehörladen und seinen sprechenden Mops.

Band 1: Lennart Malmkvist und der ziemlich seltsame Mops des Buri Bolmen
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/05/31/lennart-malmkvist-und-der-ziemlich-seltsame-mops-des-buri-bolmen/
Band 2: Lennart Malmkvist und der ganz und gar wunderliche Gast aus Trindemossen
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/11/28/lennart-malmkvist-und-der-ganz-und-gar-wunderliche-gast-aus-trindemossen/
Band 3: Lennart Malmkvist und der überraschend perfide Plan des Olav Tryggvason

Lennart Malmkvist und der überraschend perfide Plan des Olav Tryggvason

 

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Ein Mädchen namens Willow

  • von Sabine Bohlmann
  • mit Illustrationen von Simona Ceccarelli
  • PLANET! Verlag, Januar 2020 www.planet-verlag.de
  • gebunden
  • 256 Seiten
  • Format: 148 x 210 mm
  • 13,00 € (D), 13,40 € (A), 19,50 sFr.
  • ISBN 978-3-522-50664-9
  • Kinderbuch ab 10 Jahren

VON  HEXE  ZU  HEXE

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Dieses Kinderbuch wahrt eine zauberhafte Balance zwischen Magie und Wirklichkeit und vermittelt eine positive Vorstellung von Hexen als weisen und heilkundigen Frauen. Naturbeziehungsfähigkeit und elementare Zauberkräfte gehen hier Hand in Hand mit kindlicher Lebensfreude, Entdeckungslust, Freundschaftsfindung und Humor.

Das Mädchen Willow zieht mit ihrem Vater in ein altes Haus, das er von seiner Tante Alwina geerbt hat. Willow hatte schon als kleines Kind in diesem Haus gelebt; doch nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Mutter zog es der Vater vor, an anderen Orten zu leben, da ihn dieser heimatliche Ort auf Schritt und Tritt an seine verstorbene Frau erinnerte. Die Arbeit als Auslandskorrespondent brachte es mit sich, daß er und Willow häufig den Wohnort wechselten. Nun will er jedoch an diesen vertrauten Ort zurückkehren und der inzwischen elfjährigen Willow ein beständiges Zuhause bieten.

Tante Alwina hat den zum Haus gehörigen Wald ausdrücklich ihrer Nichte Willow vererbt, und diese erkundet mit aufgeschlossenem Herzen für die Schönheit der Natur ihr neues Reich. Unterwegs bemerkt sie einen Fuchs, der sie neugierig beobachtet. Nach und nach erinnert sie sich auch wieder an ihre Tante, an bestimmte Bäume und an ihre kindlichen Spiele in diesem Zauberreich. Am nächsten Tag setzt Willow die Inspektion ihres Erbes fort und begegnet wieder dem zutraulichen Fuchs. Diesmal führt er sie zu einem verborgenen, von Efeu und Heckenrosen umrankten kleinen Holzhaus.

In diesem malerischen Hexenhäuschen findet Willow u.a. geheimnisvolle alte Bücher, die sich unerklärlicherweise nicht öffnen lassen, und ein Foto, das ihre noch junge Tante zusammen mit drei weiteren jungen Frauen zeigt, sowie eine kleine abgeschlossene Holztruhe, in die Willows Name hineingeschnitzt wurde.

Im Inneren der Truhe liegt ein dickes, ledergebundenes Buch, das auf seiner Buch-deckelmitte ein Muster aus ineinander verwobenen Spiralen trägt und in den vier Ecken des Buchdeckels vier unterschiedliche Symbole für die vier Elemente. Die Truhe enthält außerdem eine Glaskugel, eine Kupferschale, einen Flacon und vier Ketten mit Amu- letten, die vier Symbole zeigen, welche denen vom Dekor des Buches entsprechen. Die größte Überraschung ist für Alwina allerdings der an sie adressierte Brief ihrer Tante.

Aus diesem Brief erfährt Willow, daß sie die Hexenkraft ihrer Tante geerbt habe. Der Brief enthält präzise und liebevoll formulierte Anweisungen, wie diese Kraft – sofern Willow willens ist, sie anzunehmen und konstruktiv zu nutzen – auf sie übertragen werden kann. Als zuverlässiger Ratgeber fungiert das Buch mit den Symbolen. Dieses Buch mit dem Namen „Grimmoor“ beschriftet sich selbst – in federleichter Schönschrift – und beantwortet auf diese buchstäbliche Weise Willows Fragen, gibt Hinweise auf die nächsten magischen Schritte, erklärt Rituale und gemahnt freundlich und bestimmt, immer wieder daran, daß Willow für Problemlösungen, Beurteilungen und Entschei- dungen aufmerksam ihr Herz befragen solle.

So erfährt Willow beim Hexenkraftübertragungsritual, daß ihr Element das Feuer ist und ihr Krafttier der Fuchs. Um die volle Hexenkraft zu erreichen, muß sie drei weitere Mäd-chen finden, die ebenfalls über eine familiäre Hexenbegabung verfügen und die den drei Elementen Luft, Wasser und Erde zugehörig sind.

Die Suche nach diesen Hexenmädchen führt zu einigen Mißverständnissen, da Willow anfangs noch allzu vordergründig und naiv vorgeht. Doch sie lernt aus den Fehlern und Komplikationen und findet nach und nach die richtigen Hexentalente: Die luftige Valentina ist die erste Verbündete, dann folgt Gretchen, die das Wasser beherrscht, und schließlich Lotti, die für das Element Erde zuständig ist. Von Vollmondritual zu Voll- mondritual wachsen die vier Elemente zusammen, und auch die Freundschaft und Vertrautheit zwischen den Mädchen vertieft sich. 

Die Bündelung der Kräfte kommt genau zur rechten Zeit, denn geschäftstüchtige Immobilieninvestoren wollen Willows Vater das Waldgrundstück abkaufen und den Wald abholzen, um dort ein Einkaufszentrum zu bauen. Doch dank Hexenbuchweisheit und vereinter Hexenkraft wachsen in Willows Wald gleich vier seltene und gefährdete Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen. Somit wird der Wald zu einem privaten Naturschutzgebiet, und ein Verkauf und eine Abholzung kommen keinesfalls mehr in Frage. Diese gute Nachricht nehmen die Junghexen sogleich zum Anlaß, ein kleines Freudenfest mit Mondlicht-Picknick zu feiern.

Sabine Bohlmann erzählt eine spannende und herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, Naturverbundenheit und Magie. Sie wartet ebenso mit phantasievollen Details und attraktiven Zauberrequisiten auf wie mit scha- manischen Anfängerkenntnissen, Mondphasen- und Heilpflanzenwissen.  

Die verwendeten Anrufungen, Hexensprüche und Zauberformeln erscheinen in einfachen Reimen. Auch wenn das Versmaß manchmal etwas hinkt und stolpert, so trägt die Reimform dennoch wesentlich zu einer magischeren Sprachklangebene bei.

Die Illustrationen von Simona Ceccarelli geben den Charakteren und ele- mentaren Saiten der vier Hexenmädchen, den magischen Requisiten und den Krafttieren anschaulich Gestalt. Bemerkenswert sind zudem die illustrierten Buchseiten mit den nächtlichen Szenen, auf denen der Text weiß auf schwarz gedruckt ist, und deren „Lichteffekte“ ganz besonders geheimnisvoll wirken.

Der rote Faden dieser Geschichte ist keineswegs die aggressive Machtaus- übung mit Hilfe von Magie, sondern zwischenmenschliches sowie natur- verbundenes Feingefühl und Miteinander und eine ausgeprägte Herzens- orientierung, die das Werkzeug Magie gleichermaßen in den Dienst des persönlichen menschlichen Lebens wie in den des umfassenderen natürlichen Lebens stellt.

»Es gibt Wissende, Unwissende, glaubende Wissende und wissende Wissende, und dann sind da noch die hoffenden Unwissenden, Scharlatane und Möchtegern-Magier, aber die echten, wissenden wissenden Magier, die Hexen, Hexer, Zauberer und Zauberinnen, arbeiten alle mit der Energie der Erde.« (Seite 173)

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.thienemann-esslinger.de/planet/buecher/buchdetailseite/ein-maedchen-namens-willow-isbn-978-3-522-50664-9/

Hier entlang zum zweiten Band: WALDGEFLÜSTER 2. Band Willow: Waldgeflüster
Hier entlang zum dritten Band: FLÜGELRAUSCHEN 3. Band Willow: FLÜGELRAUSCHEN

Die Autorin:

»Geboren wurde Sabine Bohlmann in München, der schönsten Stadt der Welt. Als Kind wollte sie immer Prinzessin werden. Stattdessen wurde sie (nachdem sie keinen Prinzen finden konnte und der Realität ins Auge blicken musste) Schauspielerin, Synchronsprecherin und Autorin und durfte so zumindest ab und zu mal eine Prinzessin spielen, sprechen oder über eine schreiben. Geschichten fliegen ihr zu wie Schmetterlinge. Überall und zu allen Tages- und Nachtzeiten (dann eher wie Nachtfalter). Sabine Bohlmann kann sich nirgendwo verstecken, die Geschichten finden sie überall. Und sie ist sehr glücklich, endlich alles aus ihrem Kopf rausschreiben zu dürfen. Auf ein blitzeblankes, weißes – äh- Computerdokument. Und das Erste, was sie tut, wenn ein neues Buch in der Post liegt: Sie steckt ihre Nase ganz tief hinein und genießt diesen wunderbaren Buchduft.« https://www.sabinebohlmann.com/

Die Illustratorin:

»Nach einem halben Leben als Medizinalchemikerin hat Simona Ceccarelli den Laborkittel gegen den Bleistift eingetauscht, um ihrem Kindheitstraum nachzugehen. Ausgerüstet mit einem Diplom in Illustration und Concept Art der Academy of Arts University in San Francisco illustriert sie seit 2016 Bücher, Spiele und andere Produkte für Kinder. Simona Ceccarelli lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern, drei Nationalitäten und vier Sprachen in Basel.« https://www.smceccarelli.com

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Der Bücherdrache

  • von Walter Moers
  • Ein Roman aus Zamonien von
  • Hildegunst von Mythenmetz
  • Aus dem Zamonischen übertragen
  • und illustriert von Walter Moers
  • PENGUIN Verlag März 2019 www.penguin-verlag.de
  • gebunden mit Schutzumschlag
  • Format: 17 x 24 cm
  • 192 Seiten
  • mit LESEBÄNDCHEN
  • ISBN 978-3-328-600064-0
  • 20,00 € (D), 20,60 (A), 28,90 sFr.

VON BUCHLINGEN, ORMLINGEN UND DRACHEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Um auch den noch nicht mit der faszinierenden Welt Zamoniens vertrauten Lesern das Verständnis dieser Buchbesprechung zu erleichtern, erkläre ich zunächst einige zamo-nische Spezialitäten.

Zamonien zeichnet sich durch vielschichtig-abwechslungsreiche ober- und unterirdische Lebenswelten und noch vielfältigere botanische, zoologische und märchenhafte Daseinsformen aus. Einige dieser Daseinsformen sind der Literatur in besonderer Weise zugeneigt, und zwar die Lindwürmer, zu denen Hildegunst von Mythenmetz gehört, und die Buchlinge, die in den Katakomben von Buchhaim leben.

Hildegunst stammt von der Lindwurmfeste und lernt bei einem Besuch der Katakomben unter der Stadt Buchhaim unfreiwillig einen Teil der zamonischen Untenwelt kennen – dies wird im vierten Zamonien-Roman „Die Stadt der träumenden Bücher“ ausführlich ausgemalt.

Die Buchlinge sind kleine, kluge, kultivierte und friedliebende Zyklopen, die in einem gut verborgenen Teil der Katakomben von Buchhaim, in der Ledernen Grotte, zu Hause sind. Sie leben buchstäblich vom Lesen und brauchen ansonsten nur noch Wasser, sauerstoff-arme Luft und Kerzenlicht. Jeder Buchling sucht sich einen lebenden oder toten Schrift-steller aus, lernt dessen Werke auswendig und nimmt unwillkürlich auch ein wenig die Charakterzüge des von ihm verinnerlichten Schriftstellers an.

Als Hildegunst von Mythenmetz einst in den Katakomben unterwegs war, fand er bei den freundlichen Buchlingen Zuflucht und Gastfreundschaft. Eines Tages präsentierten sie ihm einen kleinen Nachwuchsbuchling, der gerne Hildegunstens Werke auswendig lernen wollte – ein Angebot, das Hildegunst zutiefst anrührte, zumal er zu diesem Zeit- punkt noch garkein Buch geschrieben hatte, aber die Buchlinge waren damals schon von seinem Schreibtalent überzeugt.

„Der Bücherdrache“ handelt nun von einem Abenteuer, welches dem Buchling, Hilde- gunst Zwei, in seiner Jugend widerfahren ist. In der Buchlingsschule wurde Hildegunst Zwei während der Katakombenmythologiestunde über die Legende von Nathaviel, dem Bücherdrachen, unterrichtet. Nathaviel, der in anagrammischer Variation auch Eliva- than, Thanaviel, Levanthia oder Ilathevan genannt wird, solle seit Jahrhunderten im Ormsumpf hausen.

Im Ormsumpf sind durch den Untenweltfluß Magmoss unzählige alte, wertvolle Bücher gestrandet bzw. versumpft. Der riesige Drache, der einst auf der Flucht vor drachen-jagenden Rittern Schutz im Ormsumpf gefunden hatte, legte sich zum Schlafen also unvermeidlich auf einen Untergrund aus Büchern, und diese blieben nach und nach in seiner Schuppenhaut hängen und wuchsen dort fest.

Zunächst vergrößerte diese ganzkörperliche Bücherverschalung nur Umfang und Gewicht des Drachens, doch im Laufe der Jahre drangen die Sprache, das Wissen, der Geist und das Orm (das Orm ist ein zamonischer Fachbegriff für die substanzielle Inspirationsqualität eines literarischen Werkes) dieser Bücher in den Blutkreislauf des Drachen, und er konnte plötzlich denken und lesen.

Nathaviel verwandelte sich vom instinktgesteuerten Tier zu einem literarisch, philo-sophisch und wissenschaftlich hochgebildeten, polyglotten, weisen und gütigen Drachen, der keine sprechenden Lebewesen mehr fraß und auf jede Frage ein Antwort wußte. Zwar neigte er dazu, diese Fragen auf etwas kryptisch-orakelhafte Weise zu beantworten, doch dies mehrte nur seinen Ruhm bei den zahlreichen Ratsuchenden.

Der Lehrer weist seine Buchlingsschüler schließlich darauf hin, daß der Bücherdrache selbstverständlich nur eine Metapher für den Wunsch sei, alles Wissen ohne die Mühen des Lernens, wiederholten Übens, Memorierens und Schlußfolgerns zu erlangen. Als Hausaufgabe gibt er den Buchlingen gleichwohl auf, sich eine gute Frage für den Bücherdrachen auszudenken.

Hildegunst Zwei unterhält sich nach dem Unterricht mit einigen älteren Mitschülern, der sogenannten „Klassikerbande“, denn diese sechs Buchlinge tragen die Namen antiker Klassiker: Estrakos, Arkaneon, Eliastrotes, Eideprius, Steraphasion und Klosophes.

Beiläufig erwähnt Hildegunst Zwei, daß er eine gute Frage für den Bücherdrachen wisse. Estrakos hört sich aufmerksam diese Frage an und ist beeindruckt, und auch die anderen Klassiker bescheinigen Hildegunst Zwei eine erstaunliche Geistesreife. Deshalb weihen sie ihn in ihren Geheimbund der „Ormlinge“ ein und erzählen ihm, daß es den Bücherdrachen wirklich gebe und daß sie ihn selbst schon gesehen hätten.

Als Aufnahmeprüfung in den Bund der „Ormlinge“ soll Hildegunst Zwei den Bücherdra-chen im Ormsumpf aufsuchen, ihm seine Frage stellen und eines der ormgetränkten Schuppenbücher mitbringen. Sie geben ihm noch eine vage Wegbeschreibung mit, und dann überlassen sie den zukünftigen Ormling seinem Schicksal.

Als Leser merkt man selbstverständlich, daß die Klassiker den naiv-unerfahrenen Hildegunst Zwei veräppeln, aber jeder Buchling muß seine eigenen Erfahrungen machen – da können wir als Lesezeugen dem Jungbuchling nur die Daumen drücken.

Hildegunst Zwei macht sich tapfer auf den Weg in den Ormsumpf, und alleine dieses Bio-bibliotop mit seinem morastigen Boden, seinen seltsamen Gewächsen, seinen Bücher-blätterkompostschichten, gefräßigen Bücherwürmern und vielbeinigen größeren und kleineren Insekten und seinem die Weitsicht begrenzenden Bodennebel bietet mehr als genug Gefahren und Fallen für wenig wehrhafte Geschöpfe, wie Buchlinge es von ihrer schöngeistigen Wesensart her sind.

Nach einer stundenlangen mühsamen und zähflüssigen Wanderung, kurz bevor Hilde-gunst Zwei in Erwägung zieht, besser den Rückweg anzutreten, trifft er auf den Bücher-drachen Nathaviel. Dieser beginnt die launige Konversation mit dem unerwarteten Besucher zunächst einmal mit einem Diskurs zur Abstammung der Drachen von Vögeln.

Hildegunst empfindet angesichts des Bücherdrachens tatsächlich mehr Respekt als Angst, und das Gespräch zwischen Buchling und Drachen entwickelt sich recht ange- nehm. Der Bücherdrache ist wirklich enorm groß: Walter Moers verteilt die anschau- liche Illustration des langen Drachenleibes auf dreizehn Buchseiten hintereinander (Seite 93 – 106)!

Nathaviel erzählt Hildegunst Zwei bereitwillig seine Lebensgeschichte und reichert sie mit spannenden Details und amüsanten, persönlichen Drachenbefindlichkeiten an. Wir erfahren von der Verehrung und Verfolgung, die ihm wechselweise im Verlauf der zamonischen Historie widerfahren sind, sowie von den durchaus verständlichen Gründen für seine drastischen Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen Bücherschuppen- räuber und seinem sich daran anschließenden Rückzug ins ungestörte – aber auch einsame – Reich der Legende.

Er beantwortet sehr weise und selbsterkenntnisfördernd die Frage des Buchlings, warum er selber kein Buch schreibe, und schwadroniert eloquent über die mühselige Arbeit, ängstliche Besorgnisse und inspirationsbedingte Schlafstörungen des Schrift- stellerdaseins im Vergleich zum unbeschwerten, freudig-gemütlichen Genuß des Lesers. Die Liebe des Bücherdrachens zur Sprache und zu kostbaren Wortschätzen ist dem Buchling (und der Rezensentin) höchst sympathisch und vertraut.

Doch nun weiß unser kleiner Buchling zuviel über die Stärken und Schwächen des Bücherdrachens, und Nathaviel kündigt an – nicht ohne ehrliches Bedauern –, Hildegunst Zwei leider töten zu müssen, denn er könne nicht riskieren, wieder von Scharen von Bücher- und Drachenjägern belästigt zu werden, wenn sich herumspräche, daß es den Ormdrachen wirklich gäbe.

Eine kurze Gnadenfrist bleibt Hildegunst Zwei, weil der Bücherdrache zunächst dringend ein Nickerchen machen muß. Damit der Buchling nicht fliehen kann, sperrt der Drache ihn einfach in seinem großen Maul ein. Er legt den Kopf auf den Boden, damit Hildegunst Zwei nicht in den Drachenmagen herabrutscht, und zieht die Lefzen hoch, damit der kleine Gefangene Luft bekommt.

Da sitzt also Hildegunst Zwei hinter einem Zahngitter, während der Drache seelenruhig und selbstgewiß seinem Drachenschlaf frönt. Indes, Rettung naht, denn die Klassiker-bande hat sich nach dem Verschwinden von Hildegunst Zwei fürsorglich und mit Gewissensbissen auf die Suche nach ihrem Klassenkameraden gemacht.

Wie und ob und mit welchen Folgen es den kleinen Helden gelingt, dem Bücherdrachen und dem Ormsumpf zu entkommen, werde ich jedoch nicht verraten …

Hildegunst von Mythenmetz beschert uns mit „Der Bücherdrache“ einen sprachverlieb- ten, spannenden, phantasievollen, geistreich-unterhaltsamen Roman, mit sehr leben- digen Charakteren, wohldurchkomponierter Handlungsdramaturgie und meisterhafter Dialogroutine. Schelmische literarische Anspielungen und selbstreferenzielle Zitate aus vorhergehenden Zamonienromanen zeigen Hildegunst von Mythenmetz ganz auf der Höhe seines ebenso ruhmreichen wie einfallsreichen und bücherliebhaberischen Könnens.

Dank Maestro Moers‘/Mythemetz‘ Doppelbegabung als Schriftsteller und Zeichner ist dieses Buch mit vielen filigranen, detailreichen Schwarz-weiß-Zeichnungen geschmückt. Jeder Kapitelanfang wird von einer feinen Initiale eingeleitet und mit einer Vignette abgeschlossen. Die Vorsatzblätter wimmeln vor vielgemusterten Bücherschuppen, daß dem Betrachter die Augen flimmern, und die ersten zehn Seiten des Romans sind als Graphik-Novelle gestaltet, sozusagen als Geschichte in der Geschichte, die nur ein Traum in einem Traum oder ein Buch in einem Buch ist …

Köstlich sind auch wieder die von Moers formulierten Anagramme berühmter Schrift-steller. Während sich die Mitglieder der Klassikerbande leicht entschlüsseln lassen: Estrakos ist Sokrates, Arkaneon ist Anakreon, Eliastrotes ist Aristoteles, Eideprius ist Euripides, Steraphasion ist Aristophanes und Klosophes ist Sophokles, verlangt die Buchstabenrekombinatorik angesichts einiger anderer erwähnter Schriftsteller etwas mehr Tüftelei. Oder wissen Sie auf Anhieb, wer sich hinter „Dölerich Hirnfiedler“, Ojann Golgo van Fontheweg“ und „Perla La Gadeon“ verbirgt ???

ACHTUNG!!! Jetzt gibt es hier ein GEWINNSPIEL:

Also, welche berühmten Schriftsteller verbergen sich hinter „Dölerich Hirnfiedler“, „Ojann Golgo van Fontheweg“ und „Perla La Gadeon“ ??? Wer diese drei Anagramme oder wenigstens eines davon löst, kann seine Gripsfindigkeit gerne in der Kommentarsektion kundtun und dabei sogar etwas gewinnen. Leider kann ich keine Bücherdrachenschuppen zur Belohnung verteilen, aber der PENGUIN Verlag war so großzügig, mir ein Verlosungsexemplar des „Bücherdrachens“ sowie drei Buchlings-Broschen zur Verfügung zu stellen. Wem es also gelingt, alle drei Anagramme zu lösen, der bekommt den Roman, und wer nur eine Anagrammlösung schafft, bekommt als Trostpreis eine Buchlings-Brosche. Bei mehreren richtigen Antworten, werde ich unter ormonös-notarieller Aufsicht, die Gewinner auslosen.

Ich werde die korrekte Lösung 48 Stunden nach der Publizierung meiner Rezension bekannt geben.

Nun ist es soweit und die richtige Lösung lautet:

  • Dölerich Hirnfiedler ist Friedrich Hölderlin
  • Ojann Golgo van Fontheweg ist Johann Wolfgang von Goethe
  • Perla La Gadeon ist Edgar Allen Poe

Die glückliche Gewinnerin wurde durch unbestechliches Auslosen ermittelt, und ich werde sie auf dem Kommentarwege benachrichtigen.

»Eine gute Frage erkennt man daran, dass sie das Rätsel erkannt hat, welches einer befriedigenden Erklärung bedarf.« (Seite 27)

Möge das Orm mit Ihnen sein!

 

Hier entlang zum Buch und zum Buchtrailer auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Buecherdrache/Walter-Moers/Penguin/e541770.rhd

 

„Der Bücherdrache“ empfiehlt sich auch vorzüglich als Auditüre! Der Sprecher Andreas Fröhlich erweist sich auch im Ormsumpf als virtuoser Interpret von Hildegunst von Mythenmetz und verstimmlicht den kleinen Buchling Hildegunst Zwei, die Mitglieder der Klassikerbande und den belesenen und kommunikativen Bücherdrachen mit ebenso viel spielerischem Tiefsinn wie mit einfühlsamen und feinsinnig-schelmischen Klangnuancen einschließlich ausgesprochen überzeugender drachenspezifischer Atemakustik.

Der Bücherdrache
von Walter Moers
Gelesen von Andras Fröhlich
Produktion: Der Hörverlag März 2019 http://www.hoerverlag.de
Vollständige Lesung
Laufzeit: 4 Stunden, 25 Min.
4 CDs im Pappklappschachtel
ISBN 987-3-8445-3323-1
20,00 € (D), 20,60 € (A), 28,90 sFr.

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Hoerbuch/Der-Buecherdrache/Walter-Moers/der-Hoerverlag/e553301.rhd

 

Hier entlang zur Zamonien-Webseite: http://www.zamonien.de/

 

Der Autor:

»Der Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz ist der bedeutendste Großschriftsteller Zamoniens. Berühmt wurde er durch seine 25-bändige Autobiographie «Reiseerinnerungen eines sentimentalen Dinosauriers», ein literarischer Bericht über seine Abenteuer in ganz Zamonien und vor allem in der Bücherstadt Buchhaim.
Sein Schöpfer Walter Moers hat sich mit seinen phantastischen Romanen weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus in die Herzen der Leser und Kritiker geschrieben. Alle seine Romane wie «Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär», «Die Stadt der Träumenden Bücher», «Der Schrecksenmeister» und zuletzt «Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr» sowie «Weihnachten auf der Lindwurmfeste» waren Bestseller.«

 

Der Vorleser:

»Andreas Fröhlich wurde 1965 geboren und hatte bereits mit sechs Jahren seinen ersten Hörspielauftritt. Seine wohl bekannteste Rolle ist die des Bob Andrews für die Hörspiel-serie „Die drei Fragezeichen“. Andreas Fröhlich lebt in Berlin und arbeitet als Schau-spieler, Synchron- und Hörspielsprecher, Synchronregisseur sowie Dialogbuchautor.«

 

Querverweis:

Hier entlang zu meinen vorhergehenden Moers-Mythenmetz Rezensionshuldigungen:

Zum ersten Zamonien-Roman: Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/12/25/die-13½-leben-des-kaptn-blaubar/
zum zweiten: Ensel & Krete
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/02/05/ensel-und-krete/
zum dritten: RUMO
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/05/28/rumo/
sowie zum siebten Streich: Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/11/01/prinzessin-insomnia-der-alptraumfarbene-nachtmahr/
zum achten Lesehäppchen: Weihnachten auf der Lindwurmfeste

Weihnachten auf der Lindwurmfeste

 

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Der kleine Prinz feiert Weihnachten

  • von Martin Baltscheit
  • mit Zeichnungen des Verfassers
  • Nach einer Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry
  • Karl Rauch Verlag  September 2018   www.karl-rauch-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format:17 x 24 cm
  • 96 Seiten
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A)
  • ISBN 978-3-7920-0155-4

© 2018 Martin Baltscheit, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf

MAN  LIEST  NUR  MIT  DEM  HERZEN  GUT

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Kein geringes Wagnis ist es, zu einem Kultbuch wie dem kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry eine Fortsetzung zu schreiben.

Doch ganz ehrlich: Warum sollte es so unwahrscheinlich sein, daß der kleine Prinz noch einmal die Erde besucht und einen Schriftsteller inspiriert? Immerhin bleiben am Schluß des „Kleinen Prinzen“ genug Fragen offen, die einer weiteren Betrachtung und Entwick-lung wert sind.

So reist also der kleine Prinz erneut auf die Erde und landet ausgerechnet zu Weihnacht-en auf dem Hinterhof einer Bäckerei. Er will unbedingt seinen Freund aus der Wüste wiederfinden, der ihm damals das gewünschte Schaf gemalt hat, das die Schößlinge der Affenbrotbäume auf seinem kleinen Planeten auffressen sollte. Dem Maulkorb, den der Freund ebenfalls gemalt hatte, fehlte allerdings ein Riemen, und so geschah es, daß das Schaf eines Nachts die geliebte Rose des kleinen Prinzen auffraß. 

Der Hinterhof gehört zum Futterrevier einer Krähe, die auf Plätzchenreste vom Bäcker hofft. Der kleine Prinz bittet die Krähe, ihm eine Rose zu zeichnen, und die Krähe ver- spricht Hilfe, wenn der kleine Prinz Plätzchen aus der Bäckerei organisieren könne.

Tatsächlich ist der eifrige und geschäftstüchtige Bäcker von der naiv-zugewandten Aufmerksamkeit des seltsam gekleideten Jungen, der ihn da am frühem Morgen in seiner Backstube aufsucht, gerührt, und er schenkt ihm, da er keine Zeit hat, eine Rose zu malen, eine Tüte feiner Rosenkekse mit Marzipan und Zuckerguß.

Die Krähe ist entzückt und gewissermaßen auch schon gezähmt, und sie hilft dem kleinen Prinzen bereitwillig und lebenserfahren bei der Suche nach seinem Freund. Da der kleine Prinz jedoch nicht den Namen seines Freundes kennt, gestaltet sich die Suche schwierig. Um einige Nachhilfelektionen in die Lebensbedingungen der Neuzeit, Herzensirritationen, Hindernisse, Umwege und christkindliche Mißverständnisse sowie eine enttäuschende Wunschzettellotterie kommt der kleine Prinz nicht herum.

Erst als dem kleinen Prinzen das Buch „Der Kleine Prinz“ in die Hände fällt, erfährt er den Namen seines Freundes und daß ihre gemeinsame Geschichte in einem Buch aufgeschrieben wurde. Nun gibt es kein Halten mehr für die Sehnsucht des kleinen Prinzen. Der behutsame Einwand der Krähe, daß Antoine de Saint-Exupéry im Zweiten Weltkrieg mit seinem Flugzeug abgeschossen worden und im Meer zwischen Korsika und Frankreich versunken sei, entmutigt ihn nur vorübergehend.

Denn der kleine Prinz wäre nicht der kleine Prinz, wenn der Tod keine unüberwindliche Schwelle für ihn bedeutete …

Martin Baltscheit hat den Charakter des kleinen Prinzen einfühlsam und gänzlich unverändert in diese Fortsetzung transportiert. Man erkennt den kleinen Prinzen beim Lesen sofort wieder und fremdelt kein bißchen. Seine kindliche Herzensunmittelbarkeit, seine Beharrlichkeit, seine Naivität, seine Einsamkeit, seine Wehmut und Empörung sowie seine lächelnde Zuversicht und sein sonniges Lachen – alles ist da, um ihn seinen Weg durch die neue Geschichte meistern zu lassen.
  
In den Erklärungen der Krähe über die Gepflogenheiten der Menschenwelt bringt der Autor zeitgemäße gesellschaftskritische Facetten unter, und auch der kleine Prinz ist befremdet, daß alles mit Geld bemessen und bezahlt wird: »Alles kostet hier auf diesem Planeten. Kekse, Geschichten, Freundschaft – die Freiheit oft ein ganzes Leben. Wenn sie immer nur für alles bezahlen, werden sie eines Tages dafür bezahlen – mit ihrer Menschlichkeit!« (Seite69)

Bemerkenswert ist auch die Verwunderung des kleinen Prinzen über die große Anzahl der Leser seines Buches und die Masse der Buchnebenprodukte zum „Kleinen Prinzen“; ihm wird ganz schwindelig angesichts der unzähligen Tassen, Teller, Spieluhren, Stifte, Spardosen, Nachtlichter, Püppchen, Schneekugeln, Postkarten und Vitaminbonbons, die mit ihm illustriert sind. Das ist einerseits ein gelungener metafiktiver Seitenhieb auf die Markenvermarktungsmaschinerie und andererseits ein Beispiel für des Prinzen unheil- bare Naivität in Hinsicht auf die Größenordnungen und Menschen- sowie Waren- mengenverhältnisse der modernen Welt.

Selbstverständlich unterscheidet sich Martin Baltscheits Schreibstil von dem Antoine de Saint-Exupérys, gleichwohl aber trifft er weitgehend den dichterischen Ton und den seelischen Klang, die der schriftstellerische Vorgänger vorgegeben hat. Auch die Illustrationen von Martin Baltscheit schmiegen sich harmonisch an ihr Vorbild an.

»Ich bin ein Dichter, kleiner Prinz. Dichter erfinden das Lachen und Weinen in Büchern. Du bist die Idee meines Verstandes, der viel im Verstand anderer Menschen gelesen hat. Denn das ist Lesen, wir denken mit fremden Gehirnen und leben in anderen Leben. So bauen wir uns jeden Tag eine neue Wahrheit.« (Seite 91)

Wer Antoine de Saint-Exupérys kleinen Prinzen liebt, wird sich mit Martin Baltscheits Fortsetzung guten Lesegewissens zumindest anfreunden können.

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://karl-rauch-verlag.de/buecher/baltscheit-weihnachten-mit-dem-kleinen-prinzen/

© 2018 Martin Baltscheit, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf

Der Autor & Illustrator:

»Martin Baltscheit zählt zu den großen Talenten zeitgenössischer Kinder-und Jugend- literatur. Für die Geschichte des kleinen Prinzen, der an Weihnachten auf die Erde zurückkehrt, hat er die Illustrationen selbst angefertigt und auch das Buch gestaltet. Für ein halbes Jahr lebte der Prinz in seinem Atelier und hat ihm die Geschichte diktiert und die Ausfertigung der Bilder streng überwacht. Ob es eine weitere Geschichte geben wird, steht noch in den Sternen.«  http://www.baltscheit.de

»Antoine de Saint-Exupéry war schon zu seinen Lebzeiten ein anerkannter und erfolgreicher Autor und wurde ein Kultautor der Nachkriegsjahrzehnte, obwohl er selbst sich eher als einen nur nebenher schriftstellernden Berufspiloten sah. Seine märchenhafte Erzählung ›Der kleine Prinz‹ gehört mit über 140 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Büchern der Welt.«

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Das schlaue Buch vom Büchermachen

  • Text und Illustration von Daniel Napp
  • Gerstenberg Verlag  Januar 2016   http://www.gerstenberg-verlag.de
  • 40 Seiten
  • Format: 25 cm x 21,5 cm
  • gebunden, Fadenheftung
  • durchgehend farbig illustriert
  • ISBN 978-3-8369-5882-0
  • 13,95 € (D), 14,40 € (A), sFr. 18,00
  • Sachbilderbuch ab 5 Jahren

B Ü C H E R G E B U R T

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Wer Bücher mag und gerne liest, interessiert sich auch früher oder später einmal dafür, wie Bücher gemacht werden. „Das schlaue Buch vom Büchermachen“ zeigt und erläutert anschaulich und kindgemäß den Prozeß des Büchermachens von der ersten Idee bis zum greifbaren Buch.

In diesem Bilderbuch wird das Autoren-, Illustratoren-, Verlags-, Herstellungs- und Vertriebspersonal zeichnerisch in diverse, lustige Tierfiguren verkleidet. Dies ermöglicht amüsante Arbeitsabläufe – so hüpfen beispielsweise im Auslieferungslager „Hörnchen GmbH“ eifrige Eichhörnchen mit Lieferscheinen von Regal zu Regal und befüllen die Lieferwannen mit Büchern.

Die Kinderbuchautorin Petra Fuchs hat ihre besten Schreibideen auf ihrer Lieblingsbank im Park. Diesmal schwebt ihr die Geschichte eines Hasen vor, der Astronaut werden möchte. Mit dem Illustrator Julius Dachs spricht sie über den Text und seine möglichen Illustrationen. Julius Dachs beginnt mit Probezeichnungen und Petra Fuchs formuliert sorgfältig die Geschichte aus.

Auf der Frankfurter Buchmesse treffen sie sich mit vielen Verlagsleuten und stellen ihren Bilderbuchentwurf vor. Die Lektorin Renate Reh vom Paul Igel Verlag begeistert sich für den „Astronautenhasen“; nach diversen verlagsinternen Verhandlungen zwischen Lektorat, Herstellungsabteilung und Programmleitung bekommen Petra Fuchs und Julius Dachs einen Verlagsvertrag.

Illustration von Daniel Napp © Gerstenberg Verlag 2016

Von Seite zu Seite begleiten wir nun die Fertigstellung des „Astronautenhasen“ –  zu besichtigen sind dabei: das Lektorat, Text- und Bildkorrekturen, die Titelbildwahl, die Verwandlung der Bilderbuchblätter in Computerdaten, Probeausdrucke, Druckdaten-korrekturen, Bildretuschierungen, Farbechtheitsprüfung, das Drucken der Druckbögen, das Auslieferungslager …  Erwähnung finden zudem die Verlagsvertreter, welche die lokalen Buchhandlungen besuchen, um das fertige Buch vorzustellen, damit man es, vorausgesetzt der Buchhändler hat es auch beim Verlag bestellt, dort als Kunde entdecken und kaufen kann.

Eine kleine Mäusefigur namens Konrad Maus erscheint auf jeder Buchseite, kommen- tiert per Sprechblase das Geschehen und gibt informative Zusatzerklärungen ab. Das fängt buchstäblich schon bei den Vorsatzblättern an, deren Funktion als Verbindung zwischen Buchdeckel und Buchblock sogleich beschrieben wird.

Eine separate Seite stellt interessante Buchrekorde, vor u.a. den, daß es in Deutschland über 10 000 öffentliche Bibliotheken und 6000 Buchhandlungen gibt.

Nach diesem heiter-informativen Blick hinter die Kulissen des Büchermachens weiß jedes Kind, daß hinter einem Buch nicht nur ein Schriftsteller und ein Illustrator stehen, sondern eine ganze Reihe von Menschen mit unterschiedlichen Berufen, die alle dazu beitragen, daß es nun ein solches Buch betrachten und lesen kann.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=detailansicht&url_ISBN=9783836958820&highlight=b%C3%BCchermachen

Der Autor und Illustrator:

»Daniel Napp, geb. 1974, studierte in Münster Grafikdesign. Schon während seines Studiums wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er arbeitet als freier Illustrator in einer Ateliergemeinschaft in Münster und hat bereits zahlreiche Bilder- und Kinderbücher illustriert.« www.daniel-napp.de

 

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Die Geschichte des Buches in 100 Büchern

  • 5000 Jahre Wissbegier der Menschheit
  • von Roderick Cave & Sara Ayad
  • Originaltitel: »A History of the Book in 100 Books«
  • aus dem Englischen von Anke Albrecht
  • Gerstenberg Verlag, Juni 2015   www.gerstenberg-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 21 x 26 cm
  • 288 Seiten
  • 34,00 € (D),  35,00 € (A), 41,50 sFr.
  • ISBN 978-3-8369-2104-6

B Ü C H E R R E I C H

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Von der mesopotamischen Tontafel, die in Keilschrift das Gilgamesch-Epos erzählt, bis zum fast körperlosen elektronischen Buch der Gegenwart war es ein langer und in Hinsicht auf die Gestalt des medialen Datenträgers abwechslungsreicher Weg.

„Die Geschichte des Buches in 100 Büchern“ stellt in elf chronologisch und geographisch geordneten Kapiteln Bücher aus fast aller Welt und unterschiedlicher Genres vor. Diese Bücher werden inhaltlich, stilistisch, buchbinderisch, schreib- und drucktechnisch, typo-graphisch und bezüglich der verwendeten Materialien ausführlich beschrieben sowie in den jeweiligen historischen Kontext eingeordnet und auf zahlreichen, oft ganzseitigen Fotos gezeigt.

Dieses Bücherbuch ist wissensvoll, dabei unterhaltsam und spannend. Den Autoren gelingt es, uns zeitlich und kulturell fremde Perspektiven sehr anschaulich zu vermitteln.

Wer hat sich nicht schon gelegentlich gefragt, warum chinesische Schriftzeichen von oben nach unten in schmalen Reihen geschrieben werden? Hat man erst einmal die Guodian-Bambustexte gesehen, die um 300 v.Chr. auf schmale Bambusleisten geschrie-ben wurden, begreift man unwillkürlich, wie bestimmte Schreib- und Lesegewohnheiten entstanden sind.

Die Wechselwirkung zwischen dem vorhandenen ursprünglichen Beschriftungsmaterial und der Gestaltung der Textbotschaft ist offensichtlich. Obwohl in China später auch Papier und Seide als Textträger verwendet wurden, blieb die Spaltenform der Texte bis heute erhalten.

Ich kann hier nur streiflichternde Einblicke gewähren:

Da geht die Lesereise vom kostbaren Manuskript mit feinsten Buchillustrationen im Book of Kells aus dem 8. Jahrhundert und dem ältesten gedruckten Buch, einer Schrift- rolle mit dem buddhistischen Diamant-Sutra, das 868 in China gedruckt wurde, bis zum preisgünstigen Fortsetzungsroman, der im 19. Jahrhundert von Charles Dickens und seinem Verleger erfunden wurde, vom islamischen Standardwerk der Astronomie, dem handgeschriebenen und –gezeichneten „Buch der Fixsterne“ von Al-Sufi aus dem 10. Jahrhundert bis zum Meisterwerk der Bibelforschung aus dem frühen 16. Jahrhundert, der sechsbändigen, polyglotten Complutense-Bibel, welche die Bibeltexte spaltenweise in Aramäisch, Hebräisch, Griechisch und Latein wiedergibt und deren Herstellung und Druck insgesamt fünfzehn Jahre in Anspruch nahmen, von Newtons Principia, das die moderne Wissenschaft beflügelte, bis zur Nano-Thora, für die der gesamte Text in 0,0002 mm „großen“ Buchstaben per Ionenstrahl auf einen goldbeschichteten, nur einen halben Quadratmillimeter kleinen Silizium-Chip eingraviert wurde.

Ein ausführliches Glossar erhellt die verwendeten Fachbegriffe zu den angesprochenen Themen Buch- und Papierherstellung, Druckverfahren, Papierformaten, Schriftarten und Typographie. Interne Querverweise helfen bei der thematischen Verknüpfung.

Während der Lektüre dieses Raum und Zeit durchstreifenden Bücherbuchs wächst die Bewunderung und Dankbarkeit für die Schriftkultur, für die Bewahrung des kulturellen und wissenschaftlichen Gedächtnisses und für die Vielfalt und den Einfallsreichtum der Schreiber und Büchermacher, die auf Bambus, Palmblättern, Papyrus, Pergament und Rindenpapier bis in die Gegenwart zu uns sprechen.

„Liber insularium archipelagi“ MANUSKIRPT-Seite aus dem Reisebericht/Reiseführer von Cristoforo Buondelmonti aus dem Jahre 1420 © Gerstenberg Verlag 2015

So begegnen uns im Verlaufe der Geschichte des Buches viele zeitlos aufgeschlossene, tolerante Wissenshüter, aber auch religiös-fanatisierte, wahlweise christlich oder islamisch motivierte Wissensverhüter und Bücherverbrenner. Angesichts der zer- störten antiken Bibliothek von Alexandria und der Zerstörung des Bait al-Hikma (Haus der Weisheit), das im 9. Jahrhundert vom Kalifen Harun al-Raschid als Bibliothek, Forschungszentrum und Observatorium in Bagdad gegründet wurde, fragt man sich unwillkürlich, ob wieviel wir noch von dem wissen, was wir schon einmal wußten.

Doch manchmal findet man Verlorenes wieder, und zwar als Palimpsest auf alten Pergamenten. Pergament ist verhältnismäßig dick, und da es ein sehr kostbarer Beschreibstoff ist, hat man früher häufig alten Text abgeschabt, abgekratzt (vom griech. palimpsēstos) oder abgewaschen und anschließend neu beschrieben. Doch es bleiben Spuren der vorherigen Schrift erhalten, die buchstäblich durchschimmern.

Palimpseste faszinieren und bewahren so manchen vielleicht noch unentdeckten Manu-skriptschatz. So wurden etwa sieben Traktate des Archimedes als Palimpsest unter den im 13. Jahrhundert neu beschrifteten Seiten eines Byzantinischen Gebetbuches entdeckt und durch moderne Bildgebungsverfahren wieder ans Leselicht geholt.

„Die Geschichte des Buches in 100 Büchern“ empfiehlt sich allen Bibliophilen und Wißbegierigen. Es blättert ungeahnte Bücherhorizonte auf, bereitet informatives und hochinteressantes Lesevergnügen und lehrt uns immer wieder das Staunen.

Wußten Sie beispielweise, daß man im antiken Griechischen und Etruskischen die Schreibweise Bustrophedon pflegte? Bustrophedon leitet sich ab von „wenden wie pflügende Ochsen“ und bedeutet, daß ein Text zeilenweise die Schreibrichtung wechselt, also ein von links nach rechts verlaufender Text in der nächsten Zeile von rechts nach links fortgesetzt wird.

Vertraut mit der vergleichsweise simplen Schreibrichtung von links nach rechts ist gerade noch die semitische Schreibweise von rechts nach links vorstellbar, aber die Vorstellung des bustrophedonischen Schreibstils ist wohl eine herausfordernde Denkgymnastik.

Doch genau dafür waren und sind Bücher doch gut, nicht nur um Blätter zu wenden, sondern auch um das Denken zu wenden, zu bewegen und damit zu belüften.

 

PS:
Leider ist dieses schöne Buch inzwischen vergriffen. Sie müssen sich auf antiquarischem Wege darum bemühen.

 

Die Autoren:

»Roderick Cave ist Bibliothekar und Spezialist für historische Bücher. Er berät Bibliotheken, Museen und Universitäten in den USA, Australien und Ostasien sowie die British Library in England.«

»Sara Ayad beschäftigte sich ihr ganzes Leben lang mit Büchern; als Bibliotheksassistentin, Buchhändlerin, Lektorin und zuletzt als Forscherin für Abbildungen. Seit 2001 ist Ayad eine gefragte Bildrechercheurin für renommierte britische Kunstinstitute«

 

Querverweis:

Das Kinderbuch „Lee Raven“ von Zizou Corder inszeniert auf faszinierende Weise die Freundschaft eines analphabetischen Straßenkindes mit einem charakterstarken, geheimnisvoll-mythischen Verwandlungsbuch und reflektiert damit anschaulich und kindgerecht die Entwicklungsgeschichte und den Wertgehalt des Buches.
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/02/25/lee-raven/

Für erwachsene Leser, die das Thema PAPIER gerne vertiefen möchten, bietet sich Erik Orsennas Sachbuch „Auf der Spur des Papiers“ an. Es ist das imponierend-abenteuerliche Sachbuch eines Autors, dem man die Liebe zu seinem Stoff anmerkt und der bei seinen Recherchen wahrlich keine Mühen gescheut hat, um einen weltumspannenden Bogen lebendigen Papierwissens für uns Leser zu erreisen.

Auf der Spur des Papiers

 

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Zwitschernde Fische

  • von Andreas Séché
  • Roman
  • ars vivendi verlag  2012   www.arsvivendi.com
  • gebunden
  • mit Schutzumschlag
  • 168 Seiten
  • 16,90 € (D), 17,40 € (A)
  • ISBN 978-3-86913-106-1

ZWISCHEN  DEN  ZEILEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Bereits das Wort LekTÜRE enthält eine Türe, gewissermaßen eine Portalüberschrift, die den aufmerksamen Betrachter darauf hinweist, daß Lesen buchstäblich in eine Geschichte – oder bei Sachbüchern in ein Wissensgebiet – hineinführt.

Buchhändler empfehlen und verkaufen ihren Kunden demnach ein papiernes Mischwesen aus Dauereintrittskarte und Tür, und das Lesen ist dabei der Universalschlüssel; eine Vorstellung, die mir als Buchhändlerin schon immer sehr gefallen hat.

„Zwitschernde Fische“ ist ein federleichtes und herzenstiefes Buch, das wach macht für die Wegweiser der Inspiration, die, wenn man aufgeschlossen dafür ist und gerne hinter die Dinge schaut, sogar im Alltag wohnen und auf Entdeckung und Würdigung warten.

Yannis, unser Romanheld, ist ein junger Mann, der Bücher und Buchhandlungen liebt und für den jeder neue Buchkauf ein Festakt ist, den er zunächst gebührend mit einem guten Frühstück beginnt: „ … Lesen ist ja nichts anderes als Essen mit den Augen.“
(Seite 9)

Buchhandlungen und Stadtparks, findet Yannis, bieten eine ideale Kulisse, um der Traumfrau zu begegnen. Er hat einige wunderschöne, ebenso romantische wie verwegene Gesprächseröffnungsideen (die übrigens ausgesprochen unwiderstehlich- empfehlenswert sind) in seiner Sehnsuchtsvorratskammer gestapelt, aber er ist bisher zu schüchtern gewesen, um seine Worte und Gesten auch in die Tat umzusetzen.

Auf dem Weg zum Buchladen macht er Rast auf seiner Lieblingsparkbank im Athener Stadtpark und denkt darüber nach, ob die Kellnerin aus seinem Lieblingscafé, in die er still, leise und heimlich verliebt ist, ihn aus Zuneigung oder aus professioneller Grund-haltung stets so freundlich anlächele. Diese Frage bleibt unbeantwortet, und Yannis macht sich gedankenversunken wieder auf den Weg.

Doch er verläuft sich und findet sich plötzlich vor einem altmodischen Buchladen mit beinahe undurchsichtigem Schaufenster wieder, in einer Gasse, die seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Yannis kommt es fast vor, als sei diese Buchhandlung ein Überbleibsel aus dem Athener Buchhändlerviertel, das vor zweittausendfünfhundert Jahren existiert hat.

Neugierig berührt Yannis den silbernen Drehknauf der verwitterten, hölzernen Eingangstür, die daraufhin langsam und bedächtig aufschwingt. „Es sind schon Kinder durch Türen gegangen und als Erwachsene zurückgekehrt. Hinter Türen können Narren zu Weisen werden, Ziellose zu Menschen mit einer Bestimmung und Ungläubige zu Gläubigen.“ (Seite 17)

Yannis begegnet in den Räumen hinter dieser Türe der geheimnisvollen und sehr attraktiven Lio, und in Verbindung mit Lio kommt es zu zauberhaften neuen Lebens-weichenstellungen…  „Die Haut um ihre Augen offenbarte ein gelachtes Leben und einen Menschen, der sich wenig um die feinen Falten der Erkenntnis scherte.“ (Seite 27)

Der Roman „Zwitschernde Fische“ handelt davon, wie das Leben in Geschichten einfließt und wie gelesene Geschichten das Leben beeinflussen, ja, wie für den inspirations-empfänglichen Menschen in der Tat alles miteinander in geheimnisvoller Korrespondenz steht.

Neben seinem eigenen Geschichtenverlauf weckt dieser Roman beiläufig Leselust auf zahlreiche weitere Bücher. Die angeregten Gespräche, die Lio und Yannis über Klassiker der Weltliteratur führen, die Betrachtungen interessanter bis krimineller schriftstellerischer Hintergrundgeschichten sowie die berühmten Anfangssätze, die sie sich wechselseitig vorlesen, machen abwechslungsreich Appetit auf mehr. „Geschichten sind das Gewürz der Wirklichkeit.“ (Seite 168)

Andreas Séchés Sprache hat einen besonderen melodischen Klang, eine zärtlich-atmende, lebendige Anziehungskraft, die den geneigten Leser sogleich in die Geschichte hineinverführt. Die dramaturgisch geschickt eingewobenen, schimmernd-changierenden Schnittstellen und Reflexionen zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie leibhaftige literarische Anspielungen bewirken – den Musen sei Dank – eine außergewöhnlich traumwandlerische LekTÜRE.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://arsvivendi.com/Buch/Search/9783869131061-Zwitschernde-Fische

 

Wer gerne die wunderbaren Gesprächseröffnungsideen nachlesen möchte, schaue bitte unter folgendem Link nach, dort auf CHRINOLOS Webseite habe ich mich nämlich auf den ersten Leseblick in dieses Buch verguckt: https://seelenglimmern.com/2018/02/11/hier-konnte-in-einsamkeit-zweisamkeit-erbluehen/

 

Hier entlang zum Buchtrailer:

 

Der Autor:

»Andreas Séché, geboren 1968, schrieb als Journalist für Tageszeitungen und war zwölf Jahre lang Redakteur bei einer Zeitschrift in München, bevor er in seine Heimat, das Rheinland, zurückkehrte. Heute lebt er als Schriftsteller am Niederrhein. Bei ars vivendi sind bisher seine Romane Namiko und das Flüstern (2011), Zwitschernde Fische (2012) und Zeit der Zikaden (2013) erschienen.« http://andreas-seche.de

 

Querverweis:

Wechselwirkungen zwischen Literatur und Leben sind ein unermüdliches und spannendes Thema für Romane. Von einer solchen literarischen Spurensuche, ihren heiter bis wolkigen zwischenmenschlichen Verstrickungen, nebst schelmischen Bezügen zu verlegerischen Buchvermarktungsstrategien, handelt auch „Das geheime Leben des Monsieur Pick“ von David Foenkinos: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/05/01/das-geheime-leben-des-monsieur-pick/

 

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Das Buch

  • Eine Hommage
  • von Burkhard Spinnen
  • Mit Illustrationen von Line Hoven
  • Verlag Schöffling & Co.  2016    www.schoeffling.de
  • gebunden, mit Schutzumschlag
  • schwarzes LESEBÄNDCHEN
  • 144 Seiten
  • ISBN 978-3-89561-046-2
  • 15 € (D), 15,50 € (A)

BUCHBESINNUNGEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Als bibliophiler Mensch hält man es für unmöglich und undenkbar, daß gedruckte Bücher jemals aussterben könnten. Burkhard Spinnen serviert dem geneigten Leser jedoch schon gleich zu Beginn seines Bücherbuches einen bedenkenswerten, spannen- den historischen Vergleich. Einst waren Pferde und pferdebetriebene Fahrzeuge all- gegenwärtig und selbstverständlich. Mit der Erfindung und Verbreitung des Automobils verschwanden nach und nach Pferdefuhrwerke und berittene Berufe. Heutzutage führen Pferde und gar von echter Pferdestärke angetriebene Fahrzeuge ein seltenes und luxuriöses Nischendasein.

Nachdem uns der Autor solcherart alarmiert hat, widmet er sich seiner Liebe zum gedruckten Buch und erzählt anekdotisch, biographisch und reflektierend, was ihm Bücher bedeuten.

Er erinnert sich an seine weltenerschließenden kindlichen und jugendlichen Erfah- rungen mit den gepflegten Buchbeständen der örtlichen Stadtbibliothek und an Bücher- käufe in Buchhandlungen, in Antiquariaten und auf dem Flohmarkt, er schwärmt von alten Büchern mit Widmungen, Randbemerkungen und Eselsohren ebenso wie von neuen, unberührten Büchern, er betrachtet teure und billige Bücher, Buchgeschenke, Leseexemplare, den Reiz von Erstausgaben, Lieblingsbücher, Lesebücher, Lexika, Buchkunst, er folgt Lesespuren und Leserspuren, er sinniert über Bücherregaltypen und Bibliotheken und berichtet von Lust und Last der Büchersammelleidenschaft.

Burkhard Spinnen hat sich vom Schreiner einen begeh- und besteigbaren Bücherturm bauen lassen, der auf einer Grundfläche von nur zwei Quadratmetern Platz für achtzig Regalmeter bietet – zu gerne würde ich seinen Bücherturm einmal besuchen …

„Das Buch“ ist eine eloquente, geistreiche, variationsreiche Bücherplauderei, die auf unterhaltsame und informative Weise Burkhard Spinnens Sympathie für das gedruckte Buch aufblättert. Die feinen Schwarz-weiß-Illustrationen von Line Howen bereichern den Text um stimmungsvolle Leseszenen.

Dieses Bücherbuch ist nostalgisch nah für ältere Leser (ab Jahrgang 1950) und nostalgisch fern für jüngere Leser (ab Jahrgang 2000) – leselohnenswert ist es indes generationenübergreifend für Bibliophile jeden Alters.

Außerdem regt es dazu an, sich eigene Gedanken darüber zu machen, warum wir gedruckte Bücher gegenüber Textdateien bevorzugen, wie unsere lebens- längliche Leseerfahrung uns geprägt und kultiviert hat, welche Geschenke, Erkenntnisse, Rettungen und Ermutigungen und welch erfreulich-freund- schaftliche Vertrautheit wir mit sinnlich-greifbaren Büchern immer wieder erlesen und erleben.

Ich persönlich gehe zuversichtlich davon aus, daß gedruckte Bücher und elektronische Bücher gut und gerne nebeneinander leben können. Schließlich hat die elektrische Zahnbürste auch nicht die manuelle Zahnbürste verdrängt, sondern jeder kann sich aus der Fülle der Produkte das Instrument wählen, das ihm angemessen scheint.

Gleichwohl erschließe ich mir geistige Nahrung bevorzugt aus einem gedruckten Buch mit einem Körper aus Papier, Tinte, Leim und Leinen, begleitet von Blätterrascheln, beseelten Buchstaben und Sätzen, die ich streicheln kann.

 

» In der Welt der Texte sind die Bücher die Häuser.
Sie geben ihren Bewohnern Obdach und Schutz, verorten sie,
machen sie auffindbar und wiedererkennbar.
Aus seinem festen Haus schaut der gedruckte Text heute noch mitleidig,
vielleicht sogar ein wenig herablassend nach draußen
auf seine ungedruckten Brüder und Schwestern,
die als Manuskripte, Typoskripte oder Dateien frei flottieren,
obdachlos und in der ständigen Sorge spurlos zu verschwinden.
«

(Seite 17)

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.schoeffling.de/buecher/burkhard-spinnen/das-buch

 

Der Autor:

»Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Erzählungen, Romane, Kinderbücher. Essays, Glossen und Rezensionen. Für seine Werke wurde er vielfach ausgezeichnet. Er lebt in Münster.«

Die Illustratorin:

»Line Hoven lebt und arbeitet als Comiczeichnerin und Illustratorin in Hamburg. In Zusammenarbeit mit Jochen Schmidt entstanden die Bücher Dudenbrooks und Schmythologie. Ihre Arbeiten sind vor allem aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekannt.«

 

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