- Text und Illustration von Tom Gauld
- Originaltitel: »The Little Wooden Robot and the Log Princess«
- Aus dem Englischen von Jörg Mühle
- Moritz Verlag, August 2022 www.moritzverlag.de
- gebunden
- Fadenheftung
- 40 Seiten
- Format: 23,5 x 28,7 cm
- 18,00 € (D)
- ISBN 978-3-89565-430-5
- Bilderbuch ab 4 Jahren

H O L Z G E S C H W I S T E R
Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©
Tom Gauld erzählt in „Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin“ ein originelles und warmherziges Märchen. Dabei gelingt ihm sowohl sprachlich als auch illustratorisch eine amüsante Synthese aus klassischen und modernen Zutaten.
Was fehlt einer Königin und einem König zum vollkommenen Glück? Kinder! So schleicht sich eines Nachts der König zur königlichen Erfinderin, und die Königin sucht eine alte Hexe im Walde auf. Beide geben ein Kind in Auftrag.
Die Erfinderin konstruiert einen kleinen, feinmechanischen Holzroboter, und die Hexe verwandelt einen Holzklotz zauberhaft in eine kleine Baumstumpfprinzessin. Die solcherart bekinderten Eltern sind hocherfreut, und alle haben „einander sofort lieb“.

Text und Illustration von Tom Gauld © 2022 Moritz Verlag
Die Baumstumpfprinzessin verwandelt sich nach dem Einschlafen stets wieder in einen Baumstumpf und muß mit einem speziellen Zauberspruch geweckt werden, um ihre Prinzessinnengestalt wieder zu erlangen. Ihr freundlicher hölzerner Bruder macht dies allmorgendlich, und anschließend spielen sie den ganzen Tag miteinander.
Da nur die königliche Familie in das Geheimnis der prinzeßlichen Verwandlung einge-weiht ist, kommt es zu einem verhängnisvollen Mißverständnis. Denn dem kleinen Holzroboter geschieht es eines Morgens, daß er wegen des im Schloßhof gastierenden Wanderzirkus so abgelenkt ist, daß er vergißt, seine Schwester mit dem Zauberspruch zu wecken. Die Zofe wundert sich über den Holzklotz im Bett der Prinzessin und wirft ihn kurzerhand aus dem Fenster.
Kaum kullert der Holzklotz den Schloßhügel hinunter, da fällt dem kleinen Holzroboter wieder seine Schwester ein, und er macht sich auf in ihr Zimmer, um sie zu wecken. Dort erfährt er, daß die Zofe den Holzklotz weggeworfen hat.
Unverzüglich nimmt er die Verfolgung auf und findet am Flußufer einen mit unzähligen Holzklötzen beladenen Kahn. Der Kapitän erlaubt dem Holzroboter, mitzufahren und nach dessen speziellem Holzklotz zu suchen. Obwohl die Reise in den Norden viele, viele Tage währt, kann er seine Schwester nicht finden. Die Seeleute entladen schließlich den Kahn und bieten dem Roboter die Rückfahrt an, aber der sucht lieber in dem abge- ladenen Holzhaufen weiter nach dem richtigen Baumstumpf. Bevor die Mannschaft wieder zurück-segelt, schenken sie dem Holzroboter noch eine Landkarte, etwas Proviant und einen Handkarren.
Endlich findet er in der Nacht den richtigen Holzklotz, beschließt aber, seine Schwester lieber nicht zu wecken, sondern sie erst nach Hause zu bringen. Er packt also den Holz-klotz in den Handkarren und zieht los.

Text und Illustration von Tom Gauld © 2022 Moritz Verlag
Auf dem langen, langen Wege erlebt und besteht er sechs Abenteuer, die im Buch jeweils nur mit einem Bild und einer Überschrift angedeutet werden. Dies ist der pädagogisch-interaktive Teil des Märchens, bei dem Kinder sich später selber ausdenken und ausmalen können, was der kleine Holzroboter wohl alles erfährt.
Nach all den bestandenen Abenteuern leidet der kleine Holzroboter an Material- ermüdung und Gelenksteife, und er weiß, daß er bald nicht mehr weitergehen kann. Also weckt er nun seine Schwester, erklärt die Situation und bittet um Verzeihung. Selbstverständlich verzeiht die Prinzessin ihrem Bruder, macht sich nun ihrerseits auf den Weg nach Hause und zieht ihren eingeschlafenen Bruder mit seinem kaputten Getriebe im Handkarren hinter sich her.
Auch die Baumstumpfprinzessin übersteht sechs Abenteuer, die ebenso wie zuvor beim kleinen Holzroboter nur mit einem Bild und einer Überschrift angedeutet werden. Nach all den anstrengenden Abenteuern wird die Prinzessin müder und müder. Schließlich schläft sie unvermeidlich ein und steht als Holzklotz neben dem Handkarren mit ihrem hölzernen Bruder.
Doch Rettung naht von unvermuteter Stelle. Die Käferfamilie, die im Getriebe des Holz-roboters wohnt, bemerkt den Stillstand und klettert ins Freie. Die Käferchen erkennen das Problem und bitten eine Maus um Hilfe. Die Maus holt weitere Tiere hinzu, und gemeinsam ziehen sie den Holzklotz und den Holzroboter mit dem Handkarren zum Haus der alten Hexe.
Die Hexe erkennt die Kinder, bringt alles wieder in Ordnung und fliegt den kleinen Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin auf dem Hexenbesen zurück zu den Eltern. Alle freuen sich unbändig, liegen sich innig in den Armen, und es wird ein langes Fest gefeiert.
Tom Gauld erzählt dieses Märchen in einfachen, leichten Worten und Sätzen, mit gleich-wohl gefühlvoller Substanz. Die beiden Hauptcharaktere sind sehr sympathisch, und ihre Beziehungsdynamik ist ebenso märchendramaturgisch spannend wie kindgerecht.
Die Illustrationen Tom Gaulds sind comicartig, der mimische und körpersprachliche Ausdruck der Figuren ist stimmig, und auf einigen der ganzseitigen Illustrationen gibt es viele interessante Details zu entdecken. Die Handlung wird nicht mit Sprechblasen er- zählt, sondern die Bilderabfolgen werden von Textabsätzen unter- oder überschrieben.
Dank der vom Autor eingebauten Anregungen mit den angedeuteten Abenteuern, kann dieses Märchen von Kindern und Vorlesern beliebig weitergesponnen und mit eigener Geschichtenphantasie ergänzt werden.
„Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin“ bietet Kindern märchenhafte Unterhaltung, Herzensbildung und Phantasieimpulse sowie einen außergewöhnlichen, liebenswert-schrägen Illustrationsstil.
Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.moritzverlag.de/Alle-Buecher/Der-kleine-Holzroboter-und-die-Baumstumpfprinzessin.html
Der Autor & Illustrator:
»Tom Gauld, geboren 1976 in Aberdeen, ist ein schottischer Cartoonist und Illustrator. Über Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin, sein erstes Kinderbuch, schreibt er: »Ich habe versucht, ein Buch zu machen, das sich an drei unterschiedlichen Arten von Büchern orientiert: die Bücher, die mir als Kind gefallen haben, die Bücher, die meinen Töchtern gefallen haben, und die Bücher, die ich jetzt als Erwachsener mag. Ich wollte, dass das Buch seine eigene, schrullige Note hat, aber auch wie eine klassische Gute-Nacht-Geschichte funktioniert.«
PS:
Diversitätsfetischisten kommen bei diesem Bilderbuch übrigens beiläufig voll auf ihre Kosten: Wir finden hier eine weibliche Erfinderin (oder sollte ich gendergaga-gemäß besser Siefinderin schreiben?), die alte Hexe ist nicht häßlich, sondern naturverbunden-grünhäutig und schlau, der König ist europäisch-hellhäutig, die Königin eine hübsche, bräunlich-farbige Dame mit Afrolook-Frisur, und die zauberhaften Kinder sind in heller und etwas dunklerer Ausführung holzfarben und vermutlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft. 😉