RUMI

  • Dichter der Liebe
  • Text und Illustrationen von Rashin Kheiriyeh
  • Originaltitel: »RUMI Poet of joy and love«
  • Aus dem Englischen von Thomas Bodmer
  • NordSüd Verlag, September 2023 https://nord-sued.com
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • 40 Seiten
  • Format: 21,5 x 28 cm
  • 18,00 € (D), 18,50 € (A), 23,90 sFr.
  • ISBN 978-3-314-1653-8
  • Bilderbuch ab 5 Jahren

L I E B E S A T E M

Rezension von Ulrike Sokul ©

„Sich mit allen Menschen der Erde anzufreunden, ist die beste Religion der Welt.“
– Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī  (1207 -1273) –

Heute, am 17. Dezember 2023, jährt sich der 750. Todestag des persischen Dichters, Islamgelehrten und Sufi-Mystikers Rumi. Die iranische Illustratorin Rashin Kheiriyeh erzählt und zeichnet im vorliegenden Bilderbuch auf kindgemäß einfache und leicht zugängliche Art Rumis Lebensweg und Wirken nach.

Wir sehen Rumi als glückliches Kind, hineingeboren in eine Familie von großen Gelehrten. Er liebt die Natur und hegt eine besondere Vorliebe für Vögel und den sagenumwobenen Vogel SīMURGH. Freudig tanzt das Kind im Blumengarten – was man durchaus als Vorstufe zum späteren Sufi-Tanz auffassen kann. Außerdem liest Rumi gern und viel, und er hat verschiedene weise Lehrmeister, die ihn unterrichten. Im zarten Alter von Anfang zwanzig ist Rumi bereits selbst ein berühmter Gelehrter, der zahlreiche Schüler anzieht.

Eines Tages begegnet er dem persischen Mystiker Schams (Schams ist das persische Wort für Sonne). Mit Schams verbindet Rumi eine seelentiefe, innige und sehr inspirie-rende Freundschaft, die von Rumis Schülern mit Mißgunst betrachtet wird. Die neidischen Schüler vertreiben Schams aus der Stadt, und Rumi trauert lange um den verlorenen Freund.

Im Traum erscheint Rumi seine verstorbene Mutter, die ihn dazu auffordert, die Geschichte seiner Freundschaft mit Schams aufzuschreiben. Und so schreibt Rumi Vers um Vers von der Liebe zum Freund, von der Liebe zum Leben und von der Liebe zu Gott.
Außerdem erzählt er Kindern gerne Geschichten.

»Nichts auf der Welt ist für mich so kostbar wie ein echtes Lächeln, besonders das Lächeln eines Kinds.«  – Rumi –

Rumi findet Trost und Vergebung in seinem Schreiben und durch den praktizierten Sufi-Tanz, der eine Form der Meditation und ein getanztes Dankgebet ist. Die persönliche Liebeserfahrung führt Rumi schließlich zu seinem spirituellen Credo allumfassender Liebe.

In ausdrucksvollen, orientalisch-farbenfrohen, schönen Bildern vermitteln die Illustra-tionen einen lebendigen Eindruck von Rumis Lebenswelt und seiner warmherzigen, lebensbejahenden Wesensart und Geistesweite.

Ob sich die Aufmerksamkeit fünfjähriger Kinder lange mit dieser Bilderbuchbiographie fesseln läßt, sei einmal dahingestellt. Doch für etwas ältere Kinder im Grundschulalter bietet dieses Bilderbuch, eingebunden in Religions-, Geschichts- oder Kunstunterricht, gewiß eine interessante, interkulturelle Horizonterweiterung.

Rumi ist eine wissenswerte historische Persönlichkeit und ein feinsinniger Poet, und er ist hierzulande nur wenig bekannt. So ist dieses Bilderbuch durchaus auch für Erwachsene eine gute Gelegenheit zum Erstkontakt mit Rumi, und es vermag, Neugier und Wissenslust auf Rumis beachtliches poetisches und mystisches Werk  zu wecken.

»Dein Herz kennt den Weg. Lauf in diese Richtung.« – Rumi –

Hier entlang zum Buch und zur großzügigen Leseprobe auf der Verlagswebseite: https://nord-sued.com/programm/rumi/

Die Autorin und Illustratorin:

»Rashin Kheiriyeh wurde im Iran geboren. Sie studierte Grafikdesign an der Universität Teheran. Die vielfach ausgezeichnete Illustratorin arbeitet für Zeitungen wie die »New York Times« und »Le Monde diplomatique«. 2011 gewann Rashin den Goldenen Apfel der Biennale der Illustration Bratislava. Heute lebt sie in Washington, D.C. https://www.rashinart.com/«

Rumi – Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī

«Rumi (1207 – 1273) war ein Dichter, islamischer Gelehrter und Sufi-Mystiker. Er schrieb sein umfangreiches Werk meist in persischer Sprache. Bis heute erfreut sich seine Lyrik weltweit großer Beliebtheit und erscheint in neuen Übersetzungen.«

Wer etwas mehr über Rumi erlesen mag, kann unter den nachfolgenden Links fündig werden: https://de.wikipedia.org/wiki/Rumi_(Dichter)
https://chalice-verlag.de/rumi-masnawi-mathnawi-deutsche-uebersetzung/

PS: Gerne möchte ich noch meine beiden Lieblingszitate von Rumi hier anschließen:

»Ich starb als Mineral und wurde Pflanze;
als Pflanze starb ich und wurde Tier.
Ich starb als Tier und wurde Mensch.
Warum also sich fürchten, im Tod zu Nichts zu werden?
Bei meinem nächsten Tod
werde ich Schwingen hervorbringen und Federn wie Engel;
dann, mich höher noch aufschwingend als Engel –
was ihr nicht erdenken könnt, ich werde es sein.«

– Rumi –

»Die Seele empfängt aus der Seele das Wissen,
und nicht aus Büchern noch vom Reden.
Erwächst das Wissen der Geheimnisse aus der Leerheit des Geistes,
so ist das Herz erleuchtet.«

  – Rumi –

Wolken, Luft und Sterne

  • Von der Erde bis ins All
  • Text in Zusammenarbeit mit Juliette Einhorn
  • Illustrationen und Scherenschnitte von Hélène Druvert
  • Originaltitel: »Le Ciel«
  • Aus dem Französischen von Ursula Bachhausen
  • Gerstenberg Verlag, Juli 2021  www.gerstenberg-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • 40 Seiten, durchgehend farbig
  • mit Ausklappseiten und Lasercut-Scherenschnitten
  • Format: 25,5 x 36,5 cm
  • ISBN 978-3-8369-6133-2
  • 26,00 € (D), 26,80 € (A), 33,40 sFr.
  • Sachbilderbuch ab 8 Jahren

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VON  WINDGESCHWIND  BIS  LICHTGESCHWIND

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Das Sachbilderbuch „Wolken, Luft und Sterne“ spannt einen weiten Wissensbogen von den mythologischen Himmelsvorstellungen der alten Ägypter, Griechen und Maya bis zu moderner Weltraumerkundungstechnik.

Neben der anschaulichen Beschreibung der unterschiedlichen Erdatmosphären- schichten (Troposphäre, Stratosphäre, Mesosphäre, Thermosphäre, Exosphäre) werden viele Themen, die mit den „Luftetagen“ unseres Lebensraumes in Zusammenhang stehen, dargestellt; so u.a. die Wolkenarten und Niederschlagsformen (Eiskristalle, Regen, Schnee), die Entstehung des Windes und verschiedene Windarten bis hin zum Tornado, Gewitter, Blitz und Donner sowie das Phänomen des Regenbogens, die Windbe-stäubung von Pflanzen und der Vogel- und Insektenflug.

Wolken, Luft und Sterne Wolkentypen mit Sonne

Illustration von Hélène Druvert © Gerstenberg Verlag 2021

Wolken, Luft und Sterne Wolkentypen

Illustration von Hélène Druvert © Gerstenberg Verlag 2021

Ein Kapitel widmet sich der Eroberung des Luftraumes durch den Menschen ab dem Jahr 1783 mit Hilfe diverser Luftschiffe (Montgolfière, Zeppelin), der Erfindung von Fallschirm und Gleitfallschirm (Parafoil), des ersten motorisierten Flugs der Brüder Wright 1903 bis hin zum Flyboard Air aus dem Jahr 2016.

Weitere Kapitel befassen sich mit dem Mond, der Entstehung von Mond- und Sonnen-finsternissen, den Polarlichtern, Sternschnuppen, dem Sonnensystem, den Sternbildern und der astronomischen Kartierung des Himmels, dem natürlichen Treibhauseffekt und dem durch menschlich-industrielle Einwirkung verstärkten Treibhauseffekt und möglichen Gegensteuermaßnahmen durch erneuerbare Energiequellen.

Die didaktische Darstellung dieser durchaus komplexen Themen ist sehr eingängig und kindgemäß verständlich. Als gutes Beispiel möge nachfolgendes Zitat dienen, in dem erklärt wird, warum uns Sonne und Mond gleich groß erscheinen.

»Der Mond ist 400-mal kleiner als die Sonne, aber auch 400-mal näher an der Erde. Daher wirken Sonne und Mond von der Erde aus gesehen gleich groß.«

Die ebenso attraktiven wie aussagekräftigen Illustrationen mit ihren aufklappbaren Seiten und filigranen Scherenschnitten unterstützen den Lerneffekt durch klare Struk- turierung und den optischen Eindruck räumlicher Perspektive. Bemerkenswert ist zudem die großformatige, hochwertige Ausstattung und sehr reizvolle visuelle Gestaltung aller angesprochenen Themen, die ein gelungenes Beispiel analoger Bilderbuchanimation im Papierformat bieten.

Über den reinen Informationsgehalt hinaus vermittelt dieses Sachbilderbuch eine recht anschauliche Ahnung von der Weite des Himmelsraumes, von faszinierenden natür- lichen Kreisläufen und Wechselwirkungen, aber auch vom empfindlichen Gleichgewicht der Erdatmosphäre, die uns unser Leben erst ermöglicht.

Es ist ein Vergnügen, dieses wissenswerte Sachbilderbuch zu betrachten und zu lesen und daran erinnert zu werden, welch ausgewogene Architektin Mutter Natur ist. Es bleibt zu hoffen, daß der hier ebenfalls beeindruckend dargestellte technische Fort- schritt hinsichtlich Raumfahrt und Raumerforschung geistig nicht den irdischen Boden unter den abgehobenen Füßen verliert.

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.gerstenberg-verlag.de/Kinderbuch/Sachbuch/Wolken-Luft-und-Sterne.html?noloc=1

Querverweis:

Hier entlang zu drei weiteren beachtenswerten Sachbilderbüchern, die Hélène Druvert illustriert hat:

ANATOMIE: Anatomie
EIN NEUES LEBEN ENTSTEHT: Ein neues Leben entsteht
OZEANE: Ozeane

Die Illustratorin:

»Hélène Druvert, ausgebildetet Textil-Designerin, ist seit ihrem Abschluss an der Ècole Duperreé, Paris, freiberuflich tätig. Sie lebt in Paris und im Baskenland, wo sie ihre Siebdruckwerkstatt hat. Perspektivische Scherenschnitte sind ein Schwerpunkt ihrer vielfältigen Tätigkeit.«

Die Autorin:

»Juliette Einhorn ist Dozentin für redaktionelles Schreiben an der Hochschule für Informationsberufe in Paris. Als freischaffende Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten Kindersachbuch und Lifestyle ist sie für verschiedene Zeitschriften und Buchverlage tätig.«

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Sommer

  • von Jihyun Kim
  • Verlag Urachhaus, Februar 2021 www.urachhaus.com
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 21 x 29,7 cm
  • 56 Seiten
  • 16,00 € (D), 16,59 € (A)
  • ISBN 978-3-8251-5275-8
  • Bilderbuch ab 5 Jahren

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S O M M E R A T E M

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Dieses Bilderbuch wird ohne Worte alleine in Bildern erzählt. Diese Bilder sprechen gleichermaßen ausdrucksvoll wie unaufdringlich für sich selbst und erschließen dem Betrachter das Geschehen.

Ein kleiner Junge macht mit seinen Eltern und seinem Hund einen Ausflug zu den Groß-eltern. Sie fahren mit dem Auto aus dem dichten Häusermeer der Stadt hinaus aufs Land. Bäume, Sträucher, Felder und Wiesen säumen ihren Weg, bis sie am beschaulichen Haus der Großeltern ankommen und von ihnen herzlich in Empfang genommen werden.

Während die Erwachsenen sich unterhalten, betrachtet der Junge eine Wand mit vielen Familienfotos, auf denen seine Eltern und auch er selbst als Kleinkind zu sehen sind. Beim Blick aus dem Fenster sieht er einen Pfad, der sich durch den Garten schlängelt. Zusammen mit seinem Hund folgt er diesem geheimnisvoll-reizvollen Weg, der sie in den Wald führt.

SOMMER (Jihyun Kim)Pfad

Illustration von Jihyun Kim © Verlag Urachhaus 2021

Die Bäume im Wald sind sehr groß, und alle sind auf ihre Art schön. Der Wald lichtet sich, und durch eine Ansammlung von Birken schimmert ein See. Der Junge und der Hund verweilen ein wenig auf dem Ufersteg. Dann springt der Junge kopfüber in den See, taucht,  spielt vergnügt mit einem kleinen Fischschwarm, taucht wieder auf und sonnt sich auf dem Holzsteg. Das schwebend-zeitlose Gefühl des entspannten Sonnen-badens wird sehr gelungen dargestellt durch eine doppelseitige Illustration, welche nur die Sonne und ihr alles umfassendes Strahlen zeigt.

SOMMER (Jihyun Kim)Sprung

Illustration von Jihyun Kim © Verlag Urachhaus 2021

Am Abend – die Schatten werden sichtlich länger – kehrt der Junge mit seinem Hund zum Haus zurück. Die Familie ißt gemeinsam zu Abend, und anschließend sitzen der Junge und der Hund einträchtig zusammen auf den Stufen der Holzveranda und schauen hoch in den nächtlichen Himmel, der in funkelnder Sternenfülle erstrahlt.

Die Farbgebung der stimmungsvollen Bilder ist zurückhaltend, graublaue und sepia- sanfte Töne überwiegen, die Farbe Weiß vermittelt attraktive Lichteffekte besonders hinsichtlich der Wasserspiegelungen und -Reflektionen. Alle Illustrationen verfügen über eine zarte Transparenz, die den Szenen eine atmende Lebendigkeit und spürbare Körperlichkeit verleihen.

SOMMER (Jihyun Kim)Unter Wasser

Illustration von Jihyun Kim © Verlag Urachhaus 2021

Das Kind bewegt sich in stiller Harmonie mit der Natur, blüht freudig in ihr auf. Die kind-liche Fähigkeit, sich ganz auf den Augenblick einzulassen und das alltägliche JETZT wirk-lich zu erleben, wird hier anschaulich dargestellt.

Da kein Text vorgegeben ist, bietet es sich an, anstelle des Vorlesens entweder frei bildinterpretatorisch zu erzählen oder das Kind erzählen zu lassen, was es wahrnimmt und wie es die Bilder begreift. So oder so ergibt sich daraus eine interessante selbstent-deckerische kommunikative Betrachtung und Beschäftigung.

In einem kurzen poetischen Nachwort erklärt Jihyun Kim, daß es ihre Absicht war, mit diesem Bilderbuch die tiefe Lebendigkeit und Naturverbundenheit, die sie in ihrer Kindheit erfahren habe, wiederzugeben und mitzuteilen.

Sommer“ ist eine gelungene Bilderbuchmeditation, die nicht nur Kinder anspricht, sondern auch jene Erwachsenen, die sich ihren Sinn für den Zauber der Natur und kindlich-achtsame Präsenz erhalten haben.

Hier entlang zum Buch, zur LESEPROBE und zum sehenswerten Buchwerbefilm auf der Verlagswebseite: https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Bilderbuch/Sommer.html
Der sehenswerte Buchwerbefilm wurde im Januar 2021 mit dem Deutschen Buchtrailer Award in der Kategorie »Kinder- und Jugendbuch« ausgezeichnet. Für die filmische Umsetzung ist Jochen Schlöder, filmfollowsform, verantwortlich. Falls der Link auf der Verlagswebseite nicht funktioniert, geht es nachfolgend auch direkt über YT: https://www.youtube.com/watch?v=LqHAUyYUU-M

Die Illustratorin und zeichnerische Erzählerin:

»Jihyun Kim, geboren 1985, studierte Human Environment and Design in Seoul und Illustration in Birmingham. Seit 10 Jahren ist sie als Illustratorin und Grafikerin tätig und hat bereits mehrere nationale und internationale Preise gewonnen. In ihren Geschichten schöpft sie aus eigenen Erfahrungen als Kind, Schwester und seit kurzem auch Mutter. „SOMMER“ ist ihr erstes Bilderbuch ohne Worte, mit dem sie sofort internationale Anerkennung erlangte. Sie lebt mit ihrer Familie in Seoul. «

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Wenn mein Mond deine Sonne wäre

  • von Andreas Steinhöfel
  • Eine musikalische Lesung
  • mit dem Autor und dem Duo Salzbauer
  • Silberfisch, Oktober 2019  https://www.hoerbuch-hamburg.de/
  • 1 CD in Pappklapphülle
  • Laufzeit: ca. 63 Minuten
  • 12,00 € (D), 13,50 € (A)
  • ISBN 978-3-7456-0138-1
  • Hörbuch ab 8 Jahren

WEISST  DU  NOCH?

Hörbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Der neunjährige Max vermißt schmerzlich seinen Großvater. Zwar besucht er ihn regel- mäßig im Altenheim, aber das ist nicht die gewohnte innige Nähe, und da der Großvater dement wird, befürchtet Max zudem, daß er ihn eines Tages nicht mehr erkennen und liebhaben könne.

Eines Morgens ist Maxens Sehnsucht nach dem Opa so überwältigend, daß er be- schließt, heimlich einen Ausflug mit ihm zu unternehmen. Von seinen Besuchen im Heim kennt Max den Zahlencode, mit dem man die Türe nach draußen öffnen kann, und so spaziert er einfach ganz selbstverständlich ins Altenheim und findet den Großvater in guter Verfassung in seinem Zimmer (bei Dementen gibt es bessere und schlechtere Tage hinsichtlich des Erinnerungsvermögens). Der Opa erkennt Max sofort und fragt, warum er denn schon so früh zu Besuch käme. Max sagt, daß er einen Überraschungsausflug mit ihm machen möchte, und der Großvater ist dieser Idee sogleich zugeneigt.

Max geht, vom Pflegepersonal unbemerkt, mit seinem Opa zur Außentür, tippt den Zahlencode ein, und schon sind die beiden draußen – allerdings in Begleitung einer weiteren Heimbewohnerin, des feingliedrigen Fräuleins Schneider, einer ehemaligen Tanzlehrerin, die einfach mit durch die Tür geschlüpft ist.

Zu dritt eilen sie zur Bushaltestelle und fahren aus der Stadt hinaus zum „Blumental“. Max hat einen Ort gewählt, der seinem Opa etwas bedeutet. Im Blumental gibt es eine besonders schöne Blumenwiese; auf dieser Wiese hatte der Großvater einst die Groß- mutter zum ersten Mal geküßt und ihr einen Heiratsantrag gemacht.

Die drei Ausreißer genießen die Atmosphäre, die die Sommerwiese ausstrahlt. Max unterhält sich mit seinem Großvater, und beide beobachten Fräulein Schneider bei ihrem spontanen anmutigen Sonnentanz.

Max gesteht seinem Großvater, daß er Angst davor habe, daß er ihn eines Tages ver-gessen könne. Der Großvater erinnert Max daran, was er ihm über den Mond erklärt habe: Der Mond ist immer da, aber je nach Stellung zur Sonne ist er für uns unsichtbar – darauf solle Max vertrauen.

Daran hält sich Max auch tapfer, nachdem der Suchtrupp aus Maxens Mutter, zwei Pflegern und zwei Polizisten die Ausreißer schließlich zurück gebracht hat.

Andreas Steinhöfel findet in diesem Hörbuch immer den richtigen Ton. Dies dürfen wir hier sogar buchstäblich nehmen. Am Anfang dieser Geschichte standen nämlich zwei klassische Musikstücke: „Ein Sommertag, op. 65a“ von Sergej Prokofjew und „Jeux d’en-fants, op. 22“ von Georges Bizet. Zu den dreizehn Einzelstücken dieser Musik entwickelte Andreas Steinhöfel die dreizehn Kapitel von „Wenn mein Mond deine Sonne wäre“.

Jedem Kapitel folgt ein Musikabschnitt, der das Handlungstempo und die emotionale Gestimmtheit spiegelt. Die Musik illustriert das Geschehen akustisch und vertieft das weite Spektrum der zuvor angesprochenen Empfindungen und Beobachtungen. Je häufiger man dieser Kombination aus Text und Musik lauscht, desto „mitsprechender“ erscheint die Musik. Musik und Worte geben sich hier wechselwirksam Raum zum Nachklingen und Nachspüren.

An die Geschichte schließt sich ein erhellendes Gespräch zwischen Andreas Steinhöfel und den Musikern des Duos Salzbauer an. Der Autor erzählt, wie sich für ihn die Ge-schichte von Max und seinem Großvater aus dem Hören der Musikstücke entwickelt hat, und die Musiker erklären, wie sie die Musikstücke, die für ein großes Orchester komponiert wurden, angemessen auf zwei Instrumente (Klavier und Saxophon) reduzieren mußten und gleichwohl dem Original weitgehend treugeblieben sind.

„Wenn mein Mond deine Sonne wäre“ ist eine warmherzige Geschichte mit berührend-authentischen Charakteren, lebendigen Dialogen, virtuoser Dramaturgie und einem ebenso schelmischen wie zärtlichen Blick auf Alter und Kindheit, Erinnern und Vergessen. Die gelungene Kombination von klassischer Musik und Text wahrt eine tänzerische Balance zwischen Leichtigkeit und Schwere und träufelt Trost in die Melancholie. Andreas Steinhöfels poetisch-literarisches Sprachniveau befindet sich auf feinfühlig-zugeneigter Herzenshöhe mit Kindern, was zudem auch durch seine einfühlsame Vorlesestimme und seine gelassen-klare Vortragsweise zum Ausdruck kommt.

 

»Und während du erzählst, Sommer um Sommer, Jahr um Jahr, liegen deine kleinen jungen Hände in großen alten Händen, und wenn du schweigst, spüren deine Augen den Venen und Sehnen dieser fleckigen Hände nach, die über dich gewacht, die dich behütet und getröstet haben – Sommer um Sommer, Jahr um Jahr, seit du denken kannst.«

 

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.hoerbuch-hamburg.de/hoerbuecher/steinhoefel-wenn-mein-mond-deine-sonne-waere-5043/

Der Autor:

»Andreas Steinhöfel gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. Insbeson-dere für seine Kinderbücher, die Steinhöfel oftmals selbst fürs Hörbuch liest, wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit der Corine, dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie dem Erich Kästner Preis für Literatur. Andreas Steinhöfel arbeitet zudem als Übersetzer, Rezensent und Drehbuchautor.«

Die Musikanten:

»Silvia Salzbauer hat an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim Musik studiert und arbeitet als Klavierlehrerin und Pianistin. Ihr Mann Thomas Salzbauer ist Saxofonist und belegte 2018 den 2. Platz beim 36. Deutschen Rock & Pop Preis in der Kategorie »Bester Instrumentalsolist«. Gemeinsam leitet das Ehepaar die »Integrative Musikwerkstatt« in Biedenkopf. Seit 20 Jahren treten sie als Duo Salzbauer auf und spielen meditativen und intensiven Jazz. «

 

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Wie laut war eigentlich der Urknall ?

  • Wie sich die Menschen unser Universum vorstellen
  • Text & Illustrationen von Guillaume Duprat
  • Wissenschaftliche Beratung: Jean-Philippe Uzan
  • Originaltitel: »Univers. Des mondes grecs aux multivers«
  • Aus dem Französischen  von Susanne Schmidt-Wussow
  • KNESEBECK Verlag 2018 www.knesebeck-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 26 x 27 cm
  • 48 Seiten mit zahlreichen Illustrationen
  • 20,00 €
  • ISBN 978-3-95728-208-8
  • Sachbilderbuch ab 8 Jahren (laut Verlag)

KOSMISCHE  PERSPEKTIVEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Nachdem Guillaume Duprat in seinem vorherigen Buch das Erdenrund betrachtet hat, siehe meine Besprechung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/04/21/seit-wann-ist-die-erde-rund/ widmet er sich in seinem neuen Buch dem Weltall. Mit diesem Werk gelingt es ihm, uns einen Zipfel der Unendlichkeit des Universums in die Hand zu geben.

Die Faszination für den gestirnten Himmel und die Frage, wie das Universum entstanden sei, hat die Menschheit immer schon beschäftigt. Das Sachbilderbuch „Wie laut war eigentlich der Urknall?“ beschreibt und illustriert verschiedene Vorstellungen vergangener Zeiten sowie moderne wissenschaftliche Erkenntnisse und spekulative Vermutungen aus der aktuellen Astrophysik, Kosmologie und Quantenphysik.

Im antiken Griechenland (Aristoteles, Ptolemäus) etwa stellte man sich den Kosmos ebenso kugelförmig vor wie die Erde. Die Erde bildet den unbeweglichen Mittelpunkt und wird umkreist von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn, und die Fixsterne sind an der geschlossenen Kugel des Kosmos (der sogenannten Fixstern- sphäre) befestigt.

Arabische und europäische, mittelalterliche Gelehrte kultivierten diese geozentrische Vorstellung des Universums weiter, bis der Astronom Nikolaus Kopernikus mit seiner heliozentrischen Vorstellung des Kosmos, die Sonne in den Mittelpunkt stellte und die Erde damit „nur“ zu einen Planeten unter anderen Planeten wurde. Die Fixsternsphäre blieb dabei jedoch erhalten.

1576 löste sich der britische Astronom Thomas Digges von der Vorstellung einer ge-schlossenen Fixsternsphäre und ersetzte sie durch einen grenzenlosen Raum. Der Philosoph Giordano Bruno wurde für die revolutionäre Idee eines unendlichen Weltalls 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, und Galileo Galilei wurde für die Auffassung, daß die Erde um sich selbst kreise und daß das Universum – im Gegensatz zur Kirchen-lehre – unendlich sei, 1633 zu lebenslangem Hausarrest verurteilt, und er mußte seinem „Irrglauben“ abschwören.

Es gab immer schon Menschen, die ihrer Zeit weit, weit, weit voraus waren. So gab es im antiken Griechenland eine „Schule der Atomisten“, die der Auffassung war, daß unsere Erde nur eine von unendlich vielen Welten sei, und Nikolaus von Kues (14. Jahrhundert) stellte sich ein Universum ohne Mittelpunkt mit einer beweglichen Erde vor.

1671 revolutioniert Isaak Newton mit seinem Gravitationsgesetz nachhaltig unsere Betrachtungsweise des Universums.

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt Albert Einstein die Relativitätstheorie, in der er einen Zusammenhang zwischen Raum und Zeit herstellt und die Vorstellung einer elastischen Raumzeit in die berühmte Formel E = mc² faßt. Das Universum selbst betrachtet Einstein jedoch noch als statisch.

Der Russe Alexander Friedmann und der Belgier Georges Lemaître schlußfolgern aus Einsteins Relativitätstheorie, daß das Universum dynamisch sei. 1927 kann der amerikanische Astronom Edwin Hubble mit Hilfe des leistungsstärksten Teleskops seiner Zeit die Expansion des Universums beobachten und die Existenz anderer Galaxien beweisen. Die Urknalltheorie ist nicht mehr aufzuhalten und wird 1964 durch die Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung bewiesen.

Die moderne Physik vergleicht die Gesetzmäßigkeiten von Makro- und Mikrokosmos und findet  im Inneren der Materie auffällige Teilchen, die zur Theorie der Quanten- mechanik führen. Von hier aus betreten wir Leser das Reich der wissenschaftlichen Spekulation und betrachten Schwarze Löcher, Wurmlöcher, Multiversen und sogar Räume mit mehr als unseren gewohnten vier Dimensionen …

„Wie laut war eigentlich der Urknall“ ist eine intergalaktisch gute, kom- pakte Darstellung der naturwissenschaftlichen Ausdehnung des mensch- lichen Wissenshorizonts über die Struktur und Entstehung des Universums. Der Wissensstoff  ist in übersichtliche, klar konzentrierte Textportionen eingeteilt. Die ebenso ästhetisch wie anschaulich-präzisen Illustrationen fördern und vertiefen das Verständnis der durchaus anspruchsvollen Thematik, und die zahlreichen integrierten Aufklappseiten wecken und stillen die kindliche Forscherneugier. Ein Glossar erklärt zusätzlich kurz und bündig Fachbegriffe von Dunkler Materie bis Urknall.

Die Gestaltung dieses Sachbilderbuches ist äußerst animierend, wahrlich faszinierend und eröffnet buchstäblich neue Wissensräume. „Wie laut war eigentlich der Urknall“ ist eine wissensfunkelnde Buch-Sternschnuppe, die wenig zu wünschen übrig läßt, außer vielleicht der lichtgeschwinden Anschaffung eines sehr, sehr guten Teleskops …

Indes erscheint mir die Altersangabe des Verlages (ab 8 Jahren) in Hinsicht auf das hohe sprachliche und inhaltliche Niveau dieses beeindruckenden Buches recht gewagt.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.knesebeck-verlag.de/wie_laut_war_eigentlich_der_urknall/t-1/710

Hier entlang zu Guillaume Duprats Sachbilderbuch „Seit wann ist die Erde rund?“:
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/04/21/seit-wann-ist-die-erde-rund/

 

Der Autor & Illustrator:

»Guillaume Duprat wurde 1973 in Paris geboren und arbeitet als Illustrator und Autor. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Kinderbücher geschrieben. Bei Knesebeck erschienen zuletzt seine erfolgreichen Bücher Seit wann ist die Erde rund? und Was sieht eigentlich der Regenwurm?«
http://www.cosmologik.wordpress.com

 

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Ein Weiser, ein Kaiser und viel Reis

  • Text und Bilder von Paolo Friz
  • Atlantis Verlag, Februar 2017   http://www.ofv.ch/kinderbuch/atlantis/
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 29,7 x 20 cm
  • 32 Seiten
  • 14,95 €, 24,90 sFr.
  • ISBN 978-3-7152-0724-7
  • Bilderbuch ab 5 Jahren

V E R S C H Ä T Z T

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Wenn Sie sich unter der Zahl 264-1  bzw. unter der Zahl 18,45 Trillionen nicht wirklich etwas vorstellen können, sind Sie schon auf dem besten Wege, die Geschichte zu begreifen, die in diesem Bilderbuch erzählt wird. Exponentielles Wachstum überfordert halt unsere Vorstellungskraft, und deshalb wird es meist gefährlich unterschätzt.

Laut einer alten Legende befüllen die Reisbauern alljährlich ihre Boote, um ihrem Kaiser eine beträchtliche Reisabgabe zu liefern, die sie selbst und ihre Familien an die Grenze zum Verhungern bringt, während sich die höfischen Vorratskammern füllen und füllen.

Ein Bauer wagt es, diesen existenziellen Sachverhalt vor dem Kaiser zur Sprache zu bringen. Doch der Kaiser ist arrogant, selbstherrlich und uneinsichtig. Geknickt kehren die Bauern in ihr Dorf zurück und suchen nach einer Lösung. Die Tochter des Dorfältesten regt an, „den alten Weisen auf dem Hügel“ um Rat zu bitten.

Der alte Weise hört sich die Klagen der Bauern an und verspricht, ihnen zu helfen. Nach einer schlaflosen Nacht hat er eine raffinierte Idee, wie er diplomatischen Einfluß auf den Kaiser gewinnen könne. Die Vorliebe des Kaisers für spannende Brettspiele ist allgemein bekannt, und so denkt sich der Weise ein ganz besonderes Brettspiel mit Bauern, Läufern, Springern, Türmen, König und Königin (Dame) aus.

Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Nichte werden die Spielfiguren aus Holz geschnitzt und ein Spielbrett mit 8 x 8 quadratischen, abwechselnd schwarz-weißen Spielfeldern hergestellt.

Der Weise besucht den Kaiser, führt ihm sein neues Brettspiel vor und erklärt die Spielregeln. Sie spielen einige Runden, und der Weise läßt selbstverständlich immer den Kaiser gewinnen. Das Entzücken über dieses neuartige Brettspiel ist für den Kaiser so groß, daß er verspricht, dem Weisen jeden Wunsch zu erfüllen.

Ganz bescheiden sagt der Weise, er wolle ein Reiskorn für das erste Spielfeld, zwei Reiskörner für das zweite Feld, für das dritte vier, für das vierte acht und immer so weiter bis zum 64. Feld. Zwar wundert sich der Kaiser, daß der Weise keine Kostbar-keiten verlangt, sondern nur – wie er meint – einen Sack Reis, aber versprochen ist versprochen. Sogleich wird der Hofmathematiker damit beauftragt, die exakte Reismenge zu berechnen …

Schon bald zeigt sich, daß der Kaiser die gewünschte Reismenge dramatisch unterschätzt hat. Selbst als die kaiserlichen Vorratskammern geleert sind, ist die versprochene Menge noch längst nicht erreicht. Der Hofmathematiker erläutert dem Kaiser, daß sie Milliarden von Frachtschiffen beladen müßten, und die Aneinander- reihung der Schiffe wäre länger als der Weg von der Erde bis zur Sonne.

Illustration von Paolo Friz aus „Ein Weiser, ein Kaiser und viel Reis“ © Atlantis Verlag 2017

Demütig bittet der Kaiser den alten Weisen um Gnade und fleht ihn an, sich etwas anderes als diese astronomische Anzahl von Reiskörnern zu wünschen. Daraufhin erbittet sich der Weise, daß niemand mehr im Lande hungern müsse und daß die Reisernte gerecht zwischen Bauern und Hofstaat geteilt werden solle. Erleichtert stimmt der Kaiser zu, und die Bauern haben allen Anlaß, im Dorf ein Freudenfest zu feiern und Schach zu spielen …

Das angefügte Nachwort erklärt die Reisberechnung in Worten und Zahlen und weist darauf hin, daß die Legende von der Erfindung des Schachspiels auch alternativ anhand von Weizenkörnern erzählt sowie wahlweise in Indien, im arabischen Raum oder in China verortet wird. Mit dem vor- liegenden Bilderbuch befinden wir uns in einer ostasiatischen Umgebung. Die feinsinnigen Illustrationen von Paolo Friz zeigen asiatische Land- schaften und detailreiche, stilvolle Interieurs, die mit ausdrucksvollen, charakterstarken Figuren bevölkert sind, deren Mimik und Körpersprache deutlich mitwirken.

„Ein Weiser, ein Kaiser und viel Reis“ erteilt uns eine kluge und augen- zwinkernde Lektion über die typisch menschliche Unterschätzung exponentiellen Wachstums und über den Wert des gerechten Teilens. Es ist ein vielschichtiges Bilderbuch und bietet nachhaltigen Stoff zum Denken, zum Mitfühlen, zum Nachrechnen, zum Philosophieren und zum Staunen.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://ofv.ch/kinderbuch/detail/ein-weiser-ein-kaiser-und-viel-reis/102858/

 

Der Autor und Illustrator:

»Paolo Friz studierte Illustration an der Hochschule Design & Kunst Luzern und an der Hochschule für angewandte Kunst in Prag. Nach seinem Abschluss machte er ein Masterstudium an der Central Saint Martins School of Art in London in Communication Design. Heute ist Paolo Friz Designer, Illustrator mehrfach ausgezeichneter Arbeiten und Dozent an der Hochschule Design & Kunst Luzern. Mit Norbert Raabe veröffentlichte er 2010 sein erstes Bilderbuch Sydney und Nelson im Atlantis-Verlag.«

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Die Intelligenz der Bienen

  • Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können
  • von Randolf Menzel und Matthias Eckoldt
  • Albrecht Knaus Verlag   März 2016  www.knaus-verlag.de
  • gebunden, mit Schutzumschlag
  • 368 Seiten
  • 24,99 € (D), 25,70 € (A)
  • ISBN 978-3-8135-0665-5

BIENENFLEISSIGE  BIENENKUNDE

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Der Zoologe und Neurobiologe Randolf Menzel hat sein Forscherleben den Bienen gewidmet und zusammen mit dem Schriftsteller und Rundfunkautor Matthias Eckoldt sein gesammeltes Bienenwissen in ein profundes populärwissenschaftliches Buch gepackt. In fünf Jahrzehnten Bienenforschung hat Randolf Menzel die Bienen innig kennengelernt und eine Fülle an neuen Erkenntnissen zu ihren erstaunlichen Fähigkeiten gewonnen.

Während der Lektüre ist man sowohl fasziniert und beeindruckt von den Bienen und ihren komplexen Wahrnehmungs-, Denk-, Kommunikations- und Verhaltensweisen als auch von den ausgeklügelten Experimenten und Mikromeßmethoden, die Randolf Menzel und seine Mitarbeiter für die Erforschung der Bienensinne und des nur etwa sandkornkleinen Bienengehirns entwickelt haben.

Die noch verhältnismäßig allgemein gehaltenen Informationen des ersten Kapitels dienen der einführenden Annäherung an die Biologie der Bienen und der Selbstreflexion der experimentellen Fragestellungen und Forschungsmethoden.

Das zweite Kapitel führt uns in den Aufbau des Bienengehirns ein, Kapitel drei bündelt das aktuelle Wissen über die sieben Sinne der Bienen, Kapitel vier vertieft neurologische Feinheiten über Lernvorgänge und Gedächtnisleistungen der Bienen und beschreibt komplexe neuronale Reaktionsketten, in Kapitel fünf erfahren wir Einzelheiten über die Navigation, Kommunikation und Organisation des Superorganismus des Bienenvolks, und Kapitel sechs befaßt sich mit Bienen und Umweltschutz und warnt eindringlich vor den massiven Gefahren durch Nervengifte in sogenannten Pflanzenschutzmitteln, die in der industriellen Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

Aus der Wissensfülle dieses Sachbuches kann ich nur kurze Streiflichter hervorheben:

Viele neue – und zum Teil vorherige Lehrmeinungen umstürzende – Entdeckungen wurden alleine dadurch möglich, daß den beforschten Bienen winzige Nummernschilder appliziert wurden. Erst so konnte man sie als Individuen im Schwarm identifizieren und ihren Lebenslauf, Lernvorgänge sowie ihr facettenreiches Verhalten in einem größeren zeitlichen und sozialen Zusammenhang beobachten und auswerten.

Bienen sehen die Welt anders als wir. Ihre Komplexaugen haben keine Rezeptoren für die Farbe Rot, nehmen jedoch ultraviolettes Licht sowie die Polarisation des Lichts wahr. Dies führt zu einer von uns Menschen abweichenden Farbwahrnehmung – so erscheint beispielsweise die Sonne in Bienenaugen grün, und der für uns einfarbig blaue Himmel weist für Bienen ein kontrastreiches Muster auf, das ihnen bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung hilft. Zusätzlich können sie das Erdmagnetfeld wahrnehmen und in ihre räumliche Zuordnung einbeziehen.

Ihr Geruchsvermögen ist äußerst präzise: »Bienen können Substanzen auseinander-halten, die sich chemisch in einem einzigen Kohlenstoffatom unterscheiden!« Und mit Hilfe ihres »topochemischen Sinns« können sie räumlich riechen. Dies dient der schnellen Nektarfindung und den organisatorischen Abläufen sowie der sozialen Duftnotenein-ordnung innerhalb des Bienenstocks.

Bienen vermitteln über den Schwänzeltanz nicht nur die Fluganweisung zu Nektarquellen, sondern auch die Lage von Wasser- und Harzstellen sowie von potenziellen neuen Niststellen. Die Bienen, die beim Schwänzeltanz in der zweiten Reihe stehen, können die getanzte Information über elektrostatische Felder, die von den Tänzerinnen ausgehen, ablesen.

Im Bienengehirn befindet sich eine Struktur, die wegen ihrer Form Pilzkörper genannt wird. Der Pilzkörper könnte – vergleichbar mit dem präfrontalen Kortex des menschlichen Hirns – »eine reflektierende Funktion im Bienenhirn« repräsentieren.

Bienen verfügen über Instinkt und Intelligenz, sie sind lernfähig, sie planen und treffen Entscheidungen, sie erkennen Muster und Regeln, und sie brauchen Schlaf, um Gelerntes im Gedächtnis zu verankern. Sie können eine kognitive Karte ihrer Umgebung erstellen und merken sich Landmarken. Dabei kombinieren sie egozentrische und allozentrische Navigationsaspekte. Bienen zeigen beim Schlafen Schwänzeltanzbewegungen, was zumindest die Vermutung nahe legt, daß sie träumen und ihren Tagesablauf neuronal rekapitulieren.

Apropos Pflanzenschutzmittel bzw. Pestizide: Neonicotinoide sind Gift fürs Gehirn! Neonicotinoide sind langlebig und haben chronische Wirkungen. Leider kommen sie immer noch in Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz und bereits wenige Nanogramm führen bei Bienen zu »massiven Schäden der Gedächtnisbildung und des Gedächtnisabrufs … und zur Einstellung des Schwänzeltanzes«. (Seite 325) Randolf Menzel hat dies beispielsweise in Lernexperimenten mit dem Neonicotinoid Thiacloprid nachgewiesen – bereits 64 Nanogramm (64 Millardstel Gramm!) führen zu den oben genannten neurologischen Schäden.

Menzel kritisiert die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (Julius-Kühn-Institut, Braunschweig), die das Sprühmittel »Calypso« (von Bayer CropScience), welches Thiacloprid enthält, als »nicht bienengefährlich« eingestuft hat, und fordert staatliche Prüfstellen mit juristischer Autorität, die von finanziellen Zuwendungen aus der Wirtschaft unabhängig sind.

Funktionierte unsere Gesellschaft wie ein Bienenstaat, dann wäre eine Entscheidung für partikuläre finanzielle Interessen auf Kosten der allgemeinen und natürlichen Lebensgrundlage unmöglich. »Der Superorganismus ist nicht über hierarchische Befehlsketten strukturiert, sondern organisiert sich durch permanente Rückkoppelung von Informationen selbst.« (Seite 293)

»Die Intelligenz der Bienen« ist eine in naturwissenschaftlicher Hinsicht anspruchsvolle Lektüre, bei der ich gelegentlich nur an die Schwelle des durchdringenden Verstehens kam – meine lückenhafte naturwissen- schaftliche Schulbildung ließ grüßen – gleichwohl habe ich viel und gerne über Bienen dazugelernt.

Zahlreiche anatomische Zeichnungen, Fotos sowie Graphiken und Dia- gramme zu Versuchsanordnungen illustrieren und bereichern den gehaltvollen Text. Die wissenschaftliche Stoffülle ist umfänglich und detailreich und verknüpft Wissen aus Anatomie, Biologie, Biochemie, Elektrophysiologie, Neurologie, Psychophysik und Verhaltensforschung zu einer hochkomplexen Darstellung der neurobiologischen Gegebenheiten der Bienen.

Was dieses bemerkenswerte Buch zusätzlich auszeichnet, ist eine Grundhaltung des Staunens und des achtungsvollen Respekts gegenüber Bienen, wie sie beispielsweise im folgenden Zitat zum Ausdruck kommt:

»So wird noch einmal besonders deutlich, dass jeder Organismus in einer anderen Wirklichkeit lebt und andere Bilder von der Welt konstruiert. Dass wir unsere menschlichen Wirklichkeitskonstruktionen für verbindlich halten und nur allzu gern mit der Welt selbst verwechseln, scheint aus dieser Perspektive ziemlich eitel.« (Seite 38)

„Die Intelligenz der Bienen“ ist ein ebenso anspruchsvolles wie faszinierendes Sachbuch und bietet hochkonzentrierten Wissensnektar für Bienenschwärmer.

 

Hier gibt es eine 3D-Darstellung des Bienengehirns:
http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/beebrain/

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Buch/Die-Intelligenz-der-Bienen/Randolf-Menzel/Knaus/e473541.rhd

 

Querverweise:

Zum Thema Bienen und Mitweltschutz empfehle ich zusätzlich dringend das Büchlein von
Ute Scheub: »Ackergifte? Nein danke! Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft«: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/03/12/ackergifte-nein-danke/

Wer es auch einmal belletristisch mit den Bienen versuchen möchte, möge an Laline Paulls Roman »Die Bienen« naschen. Dieser Roman ist ein speziesübergreifender erzählerischer Annäherungsversuch an die komplexe Lebensform eines Bienenschwarms, übersetzt in menschliche Gefühlskategorien. https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/05/16/die-bienen/

Und für kindliche Bienenschwärmer kann ich noch das wunderbar illustrierte und bienenkundige großformatige Sachbilderbuch »Bienen« von Piotr Socha empfehlen:

Bienen

 

Die Autoren:

»Randolf Menzel, 1940 in Marienbad geboren, beschäftigt sich seit fünf Jahrzehnten mit Bienen. Der Zoologe und Neurobiologe ist eine Autorität der tierischen Intelligenz-forschung, über 30 Jahre lang leitete er das Neurobiologische Institut der Freien Universität Berlin. Es kann auf eine Fülle spektakulärer Erfolge verweisen, dort gelang unter anderem erstmals die elektrophysiologische Ableitung von Sehneuronen im Bienengehirn und die weltweit erste Anwendung eines bildgebenden Verfahrens am lernenden Gehirn. Außerdem konnte der Leibniz-Preisträger die wohl im Tierreich einmalige Navigationsweise der Bienen aufklären. „Die Intelligenz der Bienen“ ist seine erste populäre Veröffentlichung.«

»Matthias Eckoldt, 1964 in Berlin geboren, studierte Philosophie, Germanistik und Medientheorie. Er veröffentlichte Romane, Fachbücher und Essays, zuletzt Die Intelligenz der Bienen (zusammen mit dem Neurowissenschaftler Randolf Menzel) sowie den Gesprächsband Kann das Gehirn das Gehirn verstehen? über die Hirnforschung und die Grenzen unserer Erkenntnis. Des Weiteren verfasste Eckoldt mehr als fünfhundert Radiosendungen zu kulturphilosophischen und naturwissenschaftlichen Themen. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem idw-Preis für Wissenschaftsjournalismus ausgezeichnet. Zurzeit lehrt Eckoldt als Schreibdozent an der FU Berlin.«

 

Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen

  • llustrationen: Marc Boutavant
  • Text: Toon Tellegen
  • Übersetzung aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler
  • Carl Hanser Verlag 2015 www.hanser-literaturverlage.de
  • gebunden,  Fadenheftung
  • Format: 19 x 27 cm
  • 80 Seiten
  • durchgehend farbig illustriert
  • 14,90 € (D), 15,40 € (A), 21,90 sFr.
  • ISBN 978-3-446-24677-5
  • Kinderbuch ab 6 Jahren zum Selbsterlesen
  • ab 4 Jahren zum Vorlesen
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MUT  ZUR  WUT

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Wut hat viele Gesichter und Ausdrucksformen, einige davon werden in den zwölf Geschichten des Bilderbuches „Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen“ anschaulich vorgeführt.

Da können sich Käfer und Regenwurm nicht darüber einigen, wer von ihnen am wütendsten ist, und geraten darüber so richtig feurig-wetteifernd in Rage. Doch nachdem sie sich ausgetobt haben, können sie sich auch wieder miteinander vertragen.

Die Grille nimmt beim Käfer Nachhilfeunterricht im Wütendsein. Sie lernt den intensiv funkelnden Blick, die passende Mimik und Körperhaltung, aber sie kann sich einfach keine bösen Gedanken ausdenken. Schließlich provoziert der Käfer die Grille, indem er sie und ihr Grillenzirpen als häßlich bezeichnet. Da wird die Grille wirklich wütend und verpaßt dem Käfer eine Ohrfeige, die ihn umwirft. Freundlich hilft die Grille dem Käfer wieder auf, denn ihre bösen Gedanken sind schon wieder verflogen, und sie ist nicht nachtragend. Allerdings ist jetzt der Käfer beleidigt …

Der Elefant ist wütend auf sich selbst, weil er bei seinem Konflikt zwischen Gefühl und Verstand eine schmerzliche Erfahrung – wider besseres Wissen – wiederholt …

Der Igel hingegen wundert sich, daß er das Gefühl der Wut noch nie selbst empfunden hat und es nur aus der Beobachtung anderer Tiere kennt …

Der Klippschliefer ist wütend auf die Sonne, die jeden Abend untergeht und nicht wenigstens einmal für den Klippschliefer eine Ausnahme macht. Doch egal wie sehr er tobt und schimpft: Die Sonne macht, was sie will, und kümmert sich nicht um den Wunsch des Klippschliefers. Ja, wahrscheinlich hört sie ihm noch nicht einmal zu, gleichgültig wie böse er auf sie wird …

Das Eichhörnchen läßt sich von den Unverschämtheiten der wütenden Spitzmaus nicht zu einer Wutreaktion verleiten. Trotz der heftigen Wortattacken und Beleidigungen bleibt es  gelassen, was die Spitzmaus zum enttäuschten Rückzug veranlaßt.

Nilpferd und Nashorn begegnen sich auf einem schmalen Weg, und keines von beiden will ausweichen und den anderen vorbeilassen. Nachdem sie drohend klargestellt haben, daß keines von ihnen nachzugeben bereit ist, setzen sie sich erst einmal hin und schweigen. Dann teilen sie ihren Proviant, schließlich tanzen sie sogar miteinander, und am Abend verabschieden sie sich freundlich und versprechen sich gegenseitig gutgelaunt, einander beim nächsten Treffen auf keinen Fall aus dem Wege zu gehen.

Der Krebs kommt mit einem Musterkoffer voller Wut zur Maus ins Maleratelier und bietet seine Ware an. Die Maus entgegnet, daß sie ganz gut von alleine wütend sein könne, wenn sie das wolle, aber sie läßt sich dennoch das ganze Sortiment zeigen: „leichte, hellrote Wut, runzliger grauer Ärger, grünlicher Zorn und schneeweiße Raserei“.

Ganz unten im Koffer zieht etwas Hellblaues die Aufmerksamkeit der Maus auf sich. Das sei Wehmut, sagt der Krebs, und diese sei eigentlich unverkäuflich. Die Wehmut schaut aus wie ein halbdurchsichtiger Schal, und den wickelt sich die Maus um den kleinen Hals, und schon sagt sie seufzend „Ach…“

Die Ameise erklärt der wütenden Kröte, was sie mit ihrer Wut machen könne. Sie könne die Wut wegpusten, begraben, vergessen, aufessen, ins Meer werfen, sie wegsingen, übermalen, mit ihr tanzen, aber sie könne sie auch hegen und pflegen – doch am besten würfe sie die Wut einfach weg. Also wirft die Kröte die Wut weg, und danach unterhalten sich die beiden über die Zufriedenheit, mit der man nämlich „nie etwas tun müsste.

Die in diesem Kinderbuch versammelten Wutepisoden zeigen, daß Wut (oder sogenannte böse Gefühle und Gedanken) zum Empfindungsspektrum des Daseins gehören. Die vorgestellten Wutszenarien sind nicht todernst, sondern lustig, selbstironisch und leise philosophisch. Die Wut ist keine unausweichliche Naturgewalt, sondern sie ist beherrschbar, dosierbar und sogar verwandelbar.

Die  ausdrucksvollen Zeichnungen von Marc Boutavant geben den Figuren und ihren wechselvollen Gefühlen glaubwürdige Gestalt.

Der Autor Toon Tellegen plaudert nicht alles plakativ aus, sondern deutet an, läßt offen und weckt ein psychologisch-poetisch-philosophisches Nachspürecho, das der Reflexion und Akzeptanz eigener Wuterfahrungen dienlich sein kann. Mit diesem Bilderbuch können Kinder lernen, der eigenen und der fremden Wut mitfühlend zu begegnen und sie etwas schelmischer zu betrachten. Die zwölf Wutgeschichten eignen sich auch als Impuls, um mit Kindern über Wut und Wutanfälle zu sprechen, deren Ursachen zu entdecken und konstruktive Umgangsformen mit der Wut zu finden.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/man-wird-doch-wohl-mal-wuetend-werden-duerfen/978-3-446-24677-5/

 

Der Illustrator:

»Marc Boutavant, 1970 im französischen Dijon geboren, lebt und arbeitet in Paris. Er zählt zu den stilprägenden Illustratoren seiner Generation und ist insbesondere für seine farbenfrohen Werke für Kinder bekannt. Die Geschichten um seinen Bären Mouk und den Esel Ariol wurden beide für das Fernsehen verfilmt. Im Hanser Kinderbuch erschien nach Die große Reise des kleinen Mouk (2008) das von ihm illustrierte Kinderbuch „Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen (2015).«

Der Autor:

»Toon Tellegen, am 18.11.1941 in Den Briel, Niederlande geboren, studierte Medizin in Utrecht, arbeitete als Arzt in Kenia und ließ sich als Lyriker in Amsterdam nieder. Heute ist er einer der bekanntesten Schriftsteller der Niederlande. 1997 erhielt er den Theo Thijssenprijs für Literatur, 2004 den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur, den Goldenen Griffel bekam er 1988 und 1994, den Silbernen Griffel 1990, 1994, 1997 und 1999. Im Hanser Kinderbuch erschienen sind Josefs Vater (1994), Richtig dicke Freunde (1999) sowie Briefe vom Eichhorn an die Ameise (Hanser 2001). 2015 folgte das von Marc Boutavant illustrierte Kinderbuch „Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen“.«

Querverweis:

Hier geht es zu einem weiterem Kinderbuch von Toon Tellegen: Ein Garten für den Wal

Ein Garten für den Wal

PS:
Da der konstruktive Umgang mit Gefühlen ein wesentlicher Bestandteil  heilsamer kindlicher Herzensbildung ist, reihe ich meine Rezension von „Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen“ gerne bei  Petra Pawlowskys Projekt KINDER IM AUFWIND ein. Die Künstlerin Petra Pawlowsky hat auf ihrer Webseite „da sein im Netz“ https://pawlo.wordpress.com/ das Projekt KINDER IM AUFWIND initiiert:
»Fragt Ihr Euch auch manchmal, wie unsere Kinder all das verkraften, was an Nachrichten auf sie einstürzt?  Wie sie mit dem anspruchsvollem Leistungsdruck, der Hetze im Alltag, den Medien, den stumpfen Blicken vieler Erwachsener um sie herum zurechtkommen? Wie wir ihnen eine Basis geben können, gelassen, selbstsicher und hoffnungsvoll zu leben und in die Zukunft zu schauen? Eben im Aufwind zu bleiben…«

https://pawlo.wordpress.com/2016/08/18/kinder-im-aufwindchildren-upwind/

Sie lädt weitere Blogger dazu ein, thematisch passende Texte, Bilder, Fotos, Musik, Gemälde, digitale Kunst, Gedichte, Lieder, Zitate usw. per Linkhinweis ergänzend hinzuzufügen. Die bisherigen gesammelten Beitragslinks der anderen aufwindigen Teilnehmer finden sich – thematisch geordnet – hier: https://pawlo.wordpress.com/home-2/fundgrube-fuer-kinder-im-aufwind/

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Der Glühwürmchensommer

  • von Gilles Paris
  • Übersetzt von Carina von Enzenberg
  • Roman
  • Bloomsbury Berlin Verlag   März2015        http://www.berlinverlag.de
  • 224 Seiten
  • Gebunden, mit Schutzumschlag und LESEBÄNDCHEN
  • 16,99 € (D), 17,50 € (A), 22,90 sFr.
  • ISBN: 978-3-8270-1229-6
    Glühwürmchensommer

ELTERN  WAREN  AUCH  MAL  KINDER

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

„Der Glühwürmchensommer“ ist ein sonniges Buch, in dem es zwar durchaus um Leben und Tod geht, aber auf eine so nonchalante Art, daß es berührt, aber nicht bedrückt. Es handelt zudem von der Liebe und ihren Spielarten und von unaufdringlich-übersinnlichen Wahrnehmungen, zu denen empfindsame Kinder leichter Zugang finden als Erwachsene.

Der neunjährige Victor Beauregard ist der Ich-Erzähler des „Glühwürmchensommers“. Seine Familienverhältnisse sind recht unkonventionell: Seine Eltern leben getrennt, wollen aber verheiratet bleiben, sein Vater arbeitet als Fotograf für Reiseführer und reist dementsprechend viel, seine Mutter hat eine Buchhandlung und liest dementsprechend viel.

Seine hübsche vierzehnjährige Schwester verliebt sich öfter als ihr guttut, und seine sogenannte zweite Mama ist die argentinische Malerin Pilar, die sich nach der ersten Buchempfehlung sofort in Victors Mama verliebt hat und seitdem zur Familie gehört.

Victors Vater scheint ziemlich negligeant zu sein, er öffnet seine Post nicht, versäumt Rechnungstermine und weigert sich, das Urlaubsdomizil, das er von seiner verstorbenen Schwester Félicité geerbt hat, jemals wieder zu betreten, da dieser Ort für ihn mit einem Kindheitstrauma belastet ist. Die Mutter behauptet, der Vater weigere sich, erwachsen werden.

Dennoch ist er ein liebevoller, großherziger Vater und offenbar auch nicht eifersüchtig auf Pilar, die er einfach akzeptiert, da sie seiner Ansicht und auch Victors Ansicht nach eine wohltuende Zugabe zum „normalen“ Familienleben ist, auf Mama Nr. 1 aufpaßt und den Alltag mit einer Prise Magie bereichert: z.B. legt sie Tarotkarten und schmuggelt den Kindern kleine Feengeschenke unters Kopfkissen.

Victor sehnt sich sehr nach seinem Vater und nach seiner ganz alltäglichen Anwesenheit. Es ist sein größter Wunsch, daß sie wieder alle zusammenleben, und es wäre auch wunderbar, wenn sein Vater mit an die Côte d‘Azur käme.

Weder die Mutter noch der Vater haben jemals Victors Fragen nach dem belastenden Ereignis aus der Vergangenheit des Vaters beantwortet. Er wird mit der Bemerkung abgespeist, seine Tante Félicité sei kein guter Mensch gewesen und er sei noch zu klein für weitere Informationen.

Doch die Geister der Vergangenheit lassen sich nicht totschweigen, und sie werden noch großen – erlösenden – Einfluß auf den Verlauf dieses Sommerurlaubs haben.

So fährt nun die gesamte Familie – ohne den Vater – auch in diesem Sommer wieder nach Roquebrune-Cap-Martin bei Nizza in die vornehme Résidence, in der sich das geerbte Vier-Zimmer-Appartement befindet.

Victor hat dort einen guten Freund, Gaspard. Außerdem freundet er sich endlich mit Justine an, für die er schon seit dem vergangenen Sommer schwärmt. Die drei Kinder gehen gemeinsam schwimmen und erkunden die Umgebung.

In der Résidence residiert schon seit Jahrzehnten eine Baronin, und auch mit dieser freundet sich Victor an, denn er ist ein warmherziger, höflicher und durchaus schon charmanter Charakter, der offenbar auch bei älteren Damen Sympathie weckt. Von der Baronin erfährt er, daß die ungewöhnlich große Anzahl Glühwürmchen, die in diesem Sommer die Nächte beleuchten, eine besondere, wunscherfüllende Magie mitbrächten, der er Vertrauen schenken solle.

Es zeigt sich, daß die Baronin Tante Félicité kannte; und ihre Beschreibung von Félicités Wesensart schließt für Viktor einen Teil der Wissenslücken über die Kindheit seines Vaters und dessen Verhältnis zur eigenen Schwester.

Bei einem Spaziergang lernt Victor dann noch die Zwillinge Tom und Nathan kennen, die zwar sehr wasserscheu sind, indes aber über einen geheimnisvollen Schlüsselbund verfügen, mit dem sie sich Zugang zu den schönen Gärten und zeitweise unbewohnten Villen vor Ort verschaffen können. Freundlich laden sie Victor zu diesen heimlichen Besichtigungstouren ein und haben auch nichts dagegen, daß Gaston und Justine mitkommen.

Begeistert, entdeckungsfreudig und achtungsvoll dringen die Kinder in verwunschene Gärten und sehr schöne Villen ein und genießen den Reiz des Verbotenen. Tom und Nathan wissen zu jedem Gebäude interessante Hintergrundgeschichten zu erzählen, was die Faszination erhöht.

Indes ist es die Absicht der Zwillinge, Victor die Wahrheit über das tragische Ereignis aus der Kindheit des Vaters zu vermitteln und Victors Vater auf Umwegen dazu zu bringen, sich seinen Ängsten zu stellen.

Dies gelingt ausgesprochen spektakulär und hat viele positive Nebenwirkungen …

„Der Glühwürmchensommer“ ist ein Buch mit viel Sonne, Wind und Meer und bunten Schmetterlingen zwischen den Zeilen. In einem ruhigen, unaufgeregten Tonfall legt Victor Zeugnis ab von einem Sommer voller neuer Lebensweichenstellungen und läßt uns teilhaben an seiner kindlichen Perspektive voller Lebensneugier, Poesie, Feingefühl und Liebesspürsinn.

Außer Zwergen kann jeder groß werden, körperlich jedenfalls. Das ist das, was man mit den Augen sehen kann. Aber innerlich groß werden, das ist schon komplizierter.“
(Seite 27)

„Aber ich möchte mit meiner Traurigkeit allein sein und warten, bis ein weißer Schmetterling sie mit seinem Flügelschlag verscheucht.“
(Seite 57)

„Schöne Worte sind wichtig, wenn man jemanden liebt, aber sich berühren und miteinander eins werden ist wie ein Schlüssel, der alle Türen aufschließt.“
(Seite 68)

Das Titelbild und das sonnengelbe LESEBÄNDCHEN korrespondieren harmonisch mit dem Buchinhalt: Licht, Luft, Meeresglühen, kindliche Unbeschwertheit, kindlicher Mut, frischer Lebensschwung und sonnige Herzenswärme.

Der Autor:

»Gilles Paris wurde 1959 in Suresnes geboren und verdingte sich nach seinem Abitur als Kellner, Medikamententester und Bürohilfe. Er war im Ministerium für Jugend und in verschiedenen Buchverlagen tätig, gründete eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und schrieb für mehrere Zeitungen als freier Journalist. „Der Glühwürmchensommer“ ist sein vierter Roman.«

 

QUERVERWEIS:

„Der Glühwürmchensommer“ ergänzt sich gut mit dem Roman „TEO“ von Lorenza Gentile, den ich im Mai 2015 besprochen habe : https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/05/20/teo/

In beiden Geschichten geht es um die kindliche Perspektive auf erwachsene Lebensbedingungen, um die kindliche Sorge um den familiären Zusammenhalt und das kindliche Bedürfnis, die eigenen Eltern in Liebe vereint zu sehen.
TEO ist etwas philosophischer und schwerer im Vergleich zum etwas „leichtsinnigen“
GLÜHWÜRMCHENSOMMER.