Respekt geht anders

  • Betrachtungen über unser zerstrittenes Land
  • von Gabriele Krone-Schmalz
  • C.H. Beck Verlag, Oktober 2020  www.chbeck.de
  • Klappenbroschur
  • 176 Seiten
  • ISBN 978-3-406-75486-9
  • 14,95 € (D), 15,40 € (A)


DIALOG  STATT  DIFFAMIERUNG!

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Eine gelungene Diskussion erweitert den Horizont, läßt wechselseitig tiefer blicken und vermittelt, daß unterschiedliche Perspektiven eine ergänzende Bereicherung sind und daß Differenzen nicht absolut unüberbrückbar sein müssen und somit Kompromisse möglich sind. Eine echte und respektvolle Streitkultur könnte zudem für unterschied- liche Lebenswirklichkeiten und anders geartete  Anliegen, Bedürfnisse und Interessen sensibilisieren.

Leider ist das Miteinanderreden häufig zu einem unduldsamen Gegeneinanderreden verkommen. Pauschalisierende Ausgrenzung, Rechthaberei, Besserwisserhaltung, moralisierende Selbstherrlichkeit und unselbständige, aber bequeme Mitläufer- meinungen sind sowohl massenmedial als auch privat weitverbreitet.

Gabriele Krone-Schmalz geht differenziert und gelassen auf einige aktuelle Themen ein, die sich seit einiger Zeit auf absolute Entweder-oder-Positionen reduzieren. Streiflich- ternd betrachtet sie u.a. diktatorische Gender-Sternchen-Auswüchse, die deutsche Schuld, die Flüchtlingskrise, Antisemitismus, Populismus, Klimawandel, alte und neue Ost-West-Konfrontation, den inszenierten und aufgebauschten Generationenkonflikt, die mehr als fragwürdige Neigung der Massenmedien zu skandalisierender und polari- sierender Zuspitzung und volkserzieherischer Berichterstattung, ideologischer Konfor- mität und moralischer Manipulation einschließlich eines neuerlichen journalistischen Selbstverständnisses als haltungsstarker «Meinungskämpfer» für die einzig gültige Wahrheit.

Sie kritisiert die gängigen Methoden, Andersdenkende – egal welcher Couleur –  mit pauschalisierenden Schimpf- oder Schlagworten abzuwerten, ohne sachlich-inhaltlich  hinzuhören und sich zumindest gedankenspielerisch auf eine fremde oder abgelehnte Perspektive einzulassen. Hätten wir wirklich noch einen weiten, erkenntnisoffenen Debattenraum, statt eines engstirnigen Debattentunnels, wäre der Austausch von Argumenten und Erfahrungswerten eigentlich selbstverständlich. Zu häufig ersetzen inzwischen Vorteile, grobe Vereinfachungen und scheinbare moralische Überlegenheit  (die richtige „Haltung“) eine mündige und selbsterfahrene sowie selbsterarbeitete Urteilsbildung.

Eine dialogbreite demokratische Debattenkultur ist unbequem, sie verlangt vielmehr eigenes Nachdenken und Nachforschen, den Willen und den Mut, für den eigenen Stand-punkt Argumente und Informationen parat zu haben und die Fähigkeit, andere Welt- bilder und Meinungen schlicht und einfach auszuhalten und nicht aus der Diskussion auszuschließen. 

„Wenn «andere Gedanken» wahlweise als Majestätsbeleidigung oder psychische Defor-mation desjenigen, der sie äußert, empfunden werden, wenn Abwehrschlachten nur mit ausgrenzenden Etiketten wie Nazi, Rassist, Sexist, Volksverräter, Klimaleugner etc. stattfinden, dann führt das sowohl dazu, dass Menschen nicht mehr miteinander reden, als auch dazu, dass man sich sehr genau überlegt, was man in wessen Anwesenheit sagt. Beides hat in unserem politischen und gesellschaftlichen System nichts zu suchen.“ (Seite 125)

Meinungsvielfalt und -Freiheit lassen sich am besten verteidigen, wenn bei der Entschei-dung zwischen verbalem Florett oder Säbel eher das Florett gewählt und der Gegner nicht entwürdigt wird.

Die Leitmedien, die auch „Aufmerksamkeitshändler“ sind und um Einschaltquoten, Auf-lagenstärke und Klicks ringen, um sich durch Werbeeinnahmen querzufinanzieren, haben durch entsprechend aufmerksamkeitsheischende, konfliktbetonte, konfronta- tive Berichterstattungen ebenfalls Teil an gesellschaftlicher Spaltung sowie politischer und thematischer Polarisierung und Ausgrenzung.

„Ich würde mir manchmal etwas mehr Realismus wünschen und etwas weniger Pathos.“ (Seite 67)

„Respekt geht anders“ bietet eine ausgewogene kritische Analyse der deutschen Medienlandschaft und empfehlenswerte Anregungen für eine konstruktive Gesprächs- und Streitkultur. Besonders hervorheben möchte ich das Kapitel „Die Würde des Andersdenkenden“, dessen Lektüre ich nur jedem ans Herz bzw. an die Vernunft legen kann.

Mir sei als Anmerkung gestattet, daß die Autorin im Hinblick auf das Thema Armutsrisiko die Grenze zur Verharmlosung aus meiner Sicht überschritten hat.

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.chbeck.de/krone-schmalz-hysterikerland/product/30917921

Die Autorin:

»Gabriele Krone-Schmalz war von 1987 bis 1991 Russland-Korrespondentin der ARD und moderierte anschließend bis 1997 den ARD-Kulturweltspiegel. Seit 2011 ist sie Professorin für TV und Journalistik an der Hochschule Iserlohn. Bei C.H. Beck sind von ihr erschienen „Russland verstehen“ (2017)
https://www.chbeck.de/krone-schmalz-russland-verstehen/product/14291912
und „Eiszeit“ (2018) https://www.chbeck.de/krone-schmalz-eiszeit/product/20530822 «

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Fünf Meditationen über den Tod und über das Leben

  • von François Cheng
  • Aus dem Französischen von Thomas Schultz
  • C.H.Beck Verlag  August 2015   http://www.beck.de
  • Gebunden, mit Schutzumschlag
  • 169 Seiten
  • 16,95 € (D), 17,50 € (A)
  • ISBN 978-3-406-68319-0
  • E-Buch 13,99 €
  • Umschlagabbildung © Hanka Steidle / plainpicture
    Fünf Meditationen über den Tod und das Leben

LEBENSWACH  UND  TODESMUTIG

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

In weiser Gelassenheit, schicksalserprobter Demut und mit großer kultureller Flügelspannweite umkreist François Cheng in seinem Buch Leben und Tod aus. Das Werk entstand aus philosophischen Gesprächen mit Freunden, und so wird auch der Leser stets zu Beginn jeden Kapitels mit in den Freundeskreis eingeladen, um zu leselauschen, hinzuspüren und sich dem Thema zu stellen.

Vertraut mit fernöstlichen sowie westlichen poetisch-philosophischen Traditionen stellt François Cheng beispielsweise Rilke-Gedichte sowie Tagebucheinträge von Etty Hillesum neben Weisheiten Laozis und weist auf ihre korrespondierenden Sichtweisen bezüglich Sein und Werden, Ewigkeit und Vergänglichkeit, Gott und Religion, Gut und Böse, Leben und Tod hin.

Es geht dem Autor in seiner Darstellung keineswegs um Todessehnsucht, sondern um eine achtungsvolle Akzeptanz der Sterblichkeit, die eine zugewandte Haltung zur kostbaren Einmaligkeit des Lebens verstärkt. Anstatt vom Leben aus ängstlich auf den Tod zu blicken, schaut François Cheng vom Tode aus mutig auf das Leben.

„Den Tod in unsere Sicht eingliedern, heißt, das Leben als ein Geschenk von unschätzbarer Großzügigkeit zu empfangen.“
(Seite 37)

Des weiteren wird in den insgesamt fünf Kapiteln über Körper, Geist und Seele, Eros und Liebe, Leere und Fülle, Kunst und Transzendenz, Trost und Verantwortung sowie Zeit und Augenblick reflektiert. Dabei bezieht sich der Autor u.a. auf Stendhal, Michelangelo, Marcel Proust, Simone Weil, Victor Hugo, Teilhard de Chardin, Pascal, Meister Eckhart, Friedrich Nietzsche, auf den Daoismus und Konfuzianismus sowie auf viele Dichter, u.a. Keats, Shelley, Wang Wei und immer wieder Rilke.

„Jedes Kunstwerk ist in seinem erhabensten Zustand Einklang der Seele mit der Seele der anderen und mit dem SEIN. Auf diese Weise sucht jeder Schöpfer Raum und Zeit zu überwinden, Trennung und Tod zu transzendieren. Er strebt nicht nach Kommunikation, sondern nach Kommunion.“
(Seite 89)

Gerade die Schmerzempfindlichkeit und Vergänglichkeit des Lebens taucht seine Schönheit und Einmaligkeit in ein besonders intensives Licht. Erst das Bewußtsein des Todes lehrt uns die Kostbarkeit des Lebens.

Im Verlaufe der ersten vier Kapitel ergänzen und illustrieren zitierte Verse und Gedicht- strophen sowie Tagebucheinträge den philosophisch-meditativen Diskurs. Das fünfte Kapitel indes enthält eine Auswahl von François Chengs eigenen Gedichten und verläßt sich schließlich ganz auf die Poesie, als das Instrument, das sich am besten für ein letztes Wort eignet.

So wähle ich zum poetischen Ausklang auch ein paar Verse von François Cheng aus und übergebe sie dem Augenblick.

„ … Inmitten der überwältigenden Sternenunermesslichkeit?
Aufblitzen dieses winzigen Herzens, das da schlägt,
An diesem Nachmittag einer Sommersonnenwende …
Dank sei dem Wunder, das bewirkt, dass dies ist…“      (Seite 159)

François Cheng ©

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.chbeck.de/cheng-fuenf-meditationen-ueber-tod/product/14942043

Der Autor:

»François Cheng, geb. 1929 in China, siedelte bereits mit 19 Jahren nach Frankreich über. Er hat zahlreiche Romane, Gedichtsammlungen sowie Arbeiten über das chinesische Denken und die chinesische Kunst verfasst und ist darüber hinaus ein berühmter Kalligraph. Seit 2002 ist er Mitglied der Académie française.
Bei C.H. Beck ist 2013 vom ihm außerdem erschienen: Fünf Meditationen über die Schönheit.«

 

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Blaue Blumen

  • von Carola Saavedra
  • Roman
  • Aus dem Portugiesischen
  • von Maria Hummitzsch
  • C.H. Beck Verlag, März 2015 https://www.chbeck.de/
  • 222 Seiten
  • gebunden, mit Schutzumschlag
  • 18,95 € (D)
  • ISBN 978-3-406-67567-6
    BLAUE BLUMEN_cover

B L A U E   F L E C K E N

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Schauen wir uns erst einmal die äußere Gestaltung dieses Buches an: Da liegen mit einer Hanfschnur gebündelte Briefe auf einer Tischplatte, mit abblätterndem türkis- farbenen Anstrich. Die Briefumschläge sind blaßblau und die leicht hervorlugenden handbeschriebenen Seiten verblichen-cremefarben. Die vier zitierten Sätze auf dem hinteren Buchdeckel klingen melancholisch-sehnsuchtsvoll und verheißen eine poetische Liebesgeschichte:

Liebster, eine Trennung, sagt man, ist nie abgeschlossen, kommt nie plötzlich. Man sagt, eine Trennung beginnt mit ihrem Gegenteil. Sie beginnt genau im sanftesten Moment, bei der ersten Begegnung, mit dem ersten Blick. Ich möchte glauben, eine Trennung kennt kein Ende, und der letzte Tag, die letzte Nacht wiederholen sich unaufhörlich, mit jedem Warten, jeder Wiederkehr, immer dann, wenn du mir fehlst, immer dann, wenn ich deinen Namen sage.“ (Seite 5)

Ich sage es direkt und deutlich: Eine Liebesgeschichte werden Sie in diesem Buch beim besten Willen nicht entdecken. Der Verlag preist zwar an, dies sei „Ein kluger, intensiver und leidenschaftlicher Roman über Gefühle und Sprache, über Liebe und ihre Macht, über Trennungen und Neuanfänge.“

Indes empfinde ich gänzlich anders. Um es polemisch auszudrücken: Ein kopflastiger, liebeskümmerlicher und schmerzverherrlichender Roman über Liebesunfähigkeit, Machtspiele und Manipulation, Gewalt und leblose Herzensleere.

Eine Frau, die namenlos bleibt, ist verlassen worden und schreibt dem Mann, der sie offenbar wortlos verlassen hat, Briefe, die sie lediglich mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens unterschreibt.

Ein anderer Mann zieht nach der Trennung von Frau und Tochter in eine neue Wohnung und erinnert sich an die Beziehungsgeschichte seiner Ehe und die wachsende Entfrem- dung zwischen sich und seiner Frau. Die Briefe der verlassenen Briefschreiberin landen in seinem Briefkasten. Den ersten Brief öffnet und liest er nur, weil er sich Auskunft über die Absenderin erhofft, da eine Absenderadresse fehlt, und er überlegt auch schon, sich nach der Adresse seines Vormieters zu erkundigen, da er diesen als den korrekten Adressaten annimmt.

Doch die Geschichte der unbekannten Frau, die offenbar auch eine Trennung zu verkraften hat, beschäftigt ihn von Brief zu Brief zunehmend, so daß er sogar seine Arbeit vernachlässigt und erwartungsvoll auf den nächsten Brief hofft.

Darüber hinaus beginnnt er mit einer amateurdetektivischen Suche nach der Absenderin. Dabei reflektiert er über sein Verhältnis zu Frau und Tochter und entpuppt sich als ein Mann von mangelnder Authentizität und Willenskraft, der sich Frauen gegenüber unterlegen fühlt. Zugleich ist er wütend und findet, daß die Frauen in seinem Leben zuviel von ihm verlangen und immer in der Nehmerrolle sind und ihm nichts geben. Er hegt die diffuse Hoffnung, daß die unbekannte Briefschreiberin hingebungsvoller sei.

Bei der Lektüre des ersten Briefes kann der Leser noch glauben, daß die Frau mit dem Verlust des Mannes etwas verloren hat, das der Trauer wert sei. Auch deutet sie ein Geschehen an, das zur Trennung führte, was selbstverständlich einige Neugier weckt.

Doch von Brief zu Brief erfahren wir in sich steigernden, sadomasochistischen Mißhand- lungsstufen von einer ausgesprochen lieblosen, grausamen Beziehung. Schon nach der ersten „Liebesnacht“ ist der Körper der Frau von blauen Flecken übersäht, die sie sich im Spiegel anschaut und die sie als Verschönerung ihres verletzlichen Körpers betrachtet sowie als Beweis und Andenken der Aufmerksamkeit des „Liebhabers“.

Der in jedem von insgesamt neun Briefen wiederholte Refrain der frei- willigen Unterwerfung, des selbstquälerischen, co-abhängigen Verletztseins, Verletztwerdens und Verletztenwollens, dieses angestrengten Schmerz mit Schmerz Betäubens und der Verwechslung von grobmotorischem Körper- kontakt mit Sinnlichkeit und innerer Nähe ist nervtötend und öde.

Der Höhepunkt der Unterwerfung kommt im vorletzten Brief zur Sprache: Die Frau, nur bekleidet mit hochhackigen Pumps, wird zum Tisch befohlen, über den sie sich zu beugen hat, damit der Herr sie von hinten … Weitere schmerzliche Einzelheiten erspare ich Ihnen hier gerne. Dieses abgedroschene Klischee wurde schon mit hinreichender Penetranz von Helmut Newton fotografiert.

Der Höhepunkt der Lesequal wird schließlich im letzten Brief erreicht: Die Bereitschaft der Frau, diesem „Liebhaber“ zu vergeben, ihr ausdrücklicher Wunsch, ihn zurückzu- bekommen, ihre unsinnige Sehnsucht, endlich von ihm wahrgenommen zu werden, ihn gefühlsmäßig zu erreichen, ihre kläglich wiederholte Leidensleier und pseudophilo- sophische Haßliebe und Schmerzverherrlichung sind eine arge Zumutung.

Der rote Faden der Brief-Geschichte ist der vergebliche Versuch ein brutales Beziehungsmuster und äußerst verletzende Verhaltensweisen SCHÖNzu- schreiben und geradezu religiös zu idealisieren. Der erzählerische Zwischenraum von Brief zu Brief wird von den blassen Befindlichkeiten des Briefempfängers gefüllt, der durch die Briefe ein winziges bißchen aus seiner Seinstaubheit geweckt wird. Doch kann das ganze Buch nur herzensverarmte Figuren buchstabieren.

Dieses mogelverpackte Romänchen ist sprachstilistisch nicht explizit pornographisch, sondern kitschig-möchtegernlyrisch. Die sexuellen Handlungen werden durch die dezente Wortwahl intellektualisiert und aus der emotionalen Distanz erzählt.

Die weichzeichnerische, zarte Empfindsamkeit des Titelbildes steht in eklatantem Widerspruch zu der schmerzverzerrten Geschichte einer Frau, die ins Leiden verliebt ist. Welche ZIELGRUPPE schwebte dem Verlag eigentlich bei dieser romantischen Titelbild- wahl vor? Empfindsame Erwartungen werden in diesem Buch keineswegs erfüllt.

Das Mindeste, was man von einer vernünftigen und nachhaltig werbewirksamen Buchgestaltung erwarten können sollte, ist ein EHRLICHES Titelbild, das dem Inhalt ENTSPRICHT. Dies ist hier auf der ganzen Linie mißlungen.

Ich rege einen nachträglich aufzubringenden WARNHINWEISAUFKLEBER an:

Achtung: Mißbräuchlicher Einsatz eines romantischen Motivs sowohl beim Titelwortlaut wie beim Titelbild. Bei der Lektüre drohen schmerzliche Enttäuschung und qualvoller Überdruß.

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.chbeck.de/saavedra-blaue-blumen/product/14347906

Die Autorin:

»Carola Saavedra, geboren 1973, lebt als Schriftstellerin und Übersetzerin in Rio de Janeiro. Sie hat in Deutschland Kommunikationswissenschaft studiert. 2013 erschien bei C.H.Beck ihr Roman „Landschaft mit Dromedar“. Für diesen erhielt sie den Rachel de Queiroz-Preis und war unter den Finalisten für die renommierten Literaturpreise Jabuti und São Paulo de Literatura. Mit „Toda Terça“ (2007) gewann sie den APCA-Preis in der Kategorie „Bester Roman“. Die Zeitschrift „Granta“ zählt sie zu den zwanzig besten jungen Autoren und Autorinnen Brasiliens. „Blaue Blumen“ erschien zuerst 2008. «

Die Übersetzerin:

»Maria Hummitzsch, 1982 geboren, übersetzt aus dem Englischen und Portugiesischen,
u. a. Helen Walsh, Beatriz Bracher und Shani Boianjiu, für C.H.Beck Carola Saavedras „Landschaft mit Dromedar“ und von Jessica Keener „Schwimmen in der Nacht“ (2014).«

Querverweis:

Dieser Verriß ergänzt sich schamlos mit meinen Verriß der »Feuchtgebiete« von Charlotte Roche  Feuchtgebiete
sowie mit meiner therapeutischen Abrechnung mit  »Alle meine Wünsche« von Grégoire Delacourt  Alle meine Wünsche
und mit der liebesleeren Eiszeitlektüre »Dieses klare Licht in den Bergen«
Dieses klare Licht in den Bergen

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Artgerecht ist nur die Freiheit

  • Eine Ethik für Tiere oder
  • Warum wir umdenken müssen
  • von Hilal Sezgin
  • C.H. Beck Verlag, Januar 2014  https://www.chbeck.de/
  • 304 Seiten
  • Klappenbroschur
  • 16,95 €
  • ISBN 978-3-406-65904-1
    9783406659041_cover.jpg Artgerecht ist nur die Freiheit

DER  VEGANE  IMPERATIV

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Eine Ethik, die sich nur auf menschliche Lebewesen und deren Interaktion unter- einander bezieht, ist nur eine halbe Ethik, bzw. eine speziesistische Ethik, die tierische Lebewesen bestenfalls als dem Menschen nach- und untergeordnet einstuft und schlimmstenfalls, wie z.B. bei Descartes, „als gefühllose Maschinen, die man ungerührt beilebendigem Leib sezieren könne“(Seite 86) klassifiziert.

Hilal Sezgin bietet uns mit ihrem Buch eine ganzheitlichere Ethik an, eine mitge- schöpfliche Moral, die Tiere als empfindungsfähige Lebewesen mit schützenswerten Lebensrechten betrachtet und ACHTET. Sie schildert zwar sehr dezent die Grausam- keiten gegen Tiere, die sich unsere angeblich zivilisierte Gesellschaft erlaubt, aber doch aussagekräftig genug, um deutlich zu machen, in welch ungeheurem Ausmaß Tiere menschlicher und wissenschaftlicher Gewalt ausgesetzt sind.

Wenn man Tiere nicht als Objekte marktwirtschaftlicher Interessen und menschlicher Ernährungsgewohnheiten wahrnimmt, sondern als Subjekte ihres eigenen Lebens, erscheint es  abstoßend und befremdlich, ja, geradezu unerträglich, Tiere art-ungerecht und qualvoll gefangen zu halten, krank zu züchten, zu foltern (Tierversuche) und im wortwörtlichen Sinne auszuschlachten.

„Genau betrachtet nehmen wir den Tieren zwei Mal das Leben: Nicht erst am Ende, wenn wir sie töten, sondern bereits vorher, weil wir sie all dessen berauben, was ein Leben ausmacht.“
(Seite 160)

Die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit und Verdrängung dieser Natur- und Tierausbeutung, wird zunehmend fragwürdig, aber es ist noch sehr viel zu tun und – gerade in Bezug auf Tierversuche und Tierhaltung – auch zu lassen.

„Wenn wir mit unseren moralischen Überzeugungen ernst machen und unser Geld nicht weiter in wirtschaftliche Systeme stecken wollen, die unethisch arbeiten, sollten wir vegan leben und so weit wie möglich auf tierische Produkte verzichten.“ (Seite 161)

Hilal Sezgin setzt sich in ihrem Buch mit unterschiedlichen tierethischen Betrachtungen auseinander und bezieht eindeutig Stellung für eine Ethik, in der Tiere in einem – zwar nicht absolut, aber doch weitgehend  –  gleichberechtigten Verhältnis zum Menschen stehen.

Dabei bleibt die Autorin nicht beim philosophischen Theoretisieren stehen, sondern sie selbst ernährt sich vegan, und sie pflegt einen kleinen Gnadenhof mit Schafen und Hühnern. Das ist noch viel überzeugender und animierender als die durchdachteste Moralphilosophie.

Ihre Ansichten, Infragestellungen, Gedanken und Ideen sind kühn, ungewohnt, unbe- quem, radikal, vielleicht utopisch, vielleicht aber auch der Vorbote einer wesentlich mitfühlenderen und heilsameren Lebensart sowie einer neuen menschlichen Bewußtseinsstufe – einer Bewußtseinsstufe, auf der sich der Mensch nicht überheblich als Krone der Schöpfung definiert, sondern als Diener der Schöpfung.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.chbeck.de/sezgin-artgerecht-freiheit/product/13040850

 

Die Autorin:

»Hilal Sezgin, geboren 1970, studierte Philosophie in Frankfurt am Main undarbeitete mehrer Jahre lang in der Feuilletonredaktion der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Journalistin und Buchautorin in der Lüneburger Heide, wo sie einen kleinen Gnadenhof mit Schafen und Hühnern betreut. Sie schreibt u.a. für DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung und taz. Zuletzt erschien von ihr das Buch „Landleben. Von einer, die raus zog“.«   www.hilalsezgin.de 

 

Querverweis:

Wer über ethische Aspekte der vegetarischen und veganen Ernährung hinaus noch medizinische und ernährungswissenschaftliche Anregung, Motivation, Nachhilfe und Informationen braucht, dem seien noch folgende Bücher empfohlen:

ERNÄHRUNG  FÜR  EIN  NEUES  JAHRTAUSEND
von John Robbins
Hans-Nietsch-Verlag 1995
416 Seiten
gebunden
19,90 €
ISBN 978-3-929475-08-1
Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite: https://nietsch.de/ernhrung-neues-jahrtausend-p-541.html

PEACE FOOD
Wie der Verzicht auf Fleisch und Milch
Körper und Seele heilt
von Ruediger Dahlke
Gräfe und Unzer Verlag
vollständig überarbeitete Neuausgage, August 2020
336 Seiten
gebunden
Format: 14,5 × 21,7 cm
19,90 €
ISBN 978-3-8338-2286-5
Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.gu.de/produkte/kochen-verwoehnen/vegetarische-und-vegane-kueche/peace-food-dahlke-2020/

Ausgesprochen anschaulich, wissenswert und möglicherweise lebensrettend ist außerdem die DVD:
GABEL STATT SKALPELL
Eine fundierte Filmrezension findet sich hier:
https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/gabel-statt-skalpell-filmbesprechung

 

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