Respekt geht anders

  • Betrachtungen über unser zerstrittenes Land
  • von Gabriele Krone-Schmalz
  • C.H. Beck Verlag, Oktober 2020  www.chbeck.de
  • Klappenbroschur
  • 176 Seiten
  • ISBN 978-3-406-75486-9
  • 14,95 € (D), 15,40 € (A)


DIALOG  STATT  DIFFAMIERUNG!

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Eine gelungene Diskussion erweitert den Horizont, läßt wechselseitig tiefer blicken und vermittelt, daß unterschiedliche Perspektiven eine ergänzende Bereicherung sind und daß Differenzen nicht absolut unüberbrückbar sein müssen und somit Kompromisse möglich sind. Eine echte und respektvolle Streitkultur könnte zudem für unterschied- liche Lebenswirklichkeiten und anders geartete  Anliegen, Bedürfnisse und Interessen sensibilisieren.

Leider ist das Miteinanderreden häufig zu einem unduldsamen Gegeneinanderreden verkommen. Pauschalisierende Ausgrenzung, Rechthaberei, Besserwisserhaltung, moralisierende Selbstherrlichkeit und unselbständige, aber bequeme Mitläufer- meinungen sind sowohl massenmedial als auch privat weitverbreitet.

Gabriele Krone-Schmalz geht differenziert und gelassen auf einige aktuelle Themen ein, die sich seit einiger Zeit auf absolute Entweder-oder-Positionen reduzieren. Streiflich- ternd betrachtet sie u.a. diktatorische Gender-Sternchen-Auswüchse, die deutsche Schuld, die Flüchtlingskrise, Antisemitismus, Populismus, Klimawandel, alte und neue Ost-West-Konfrontation, den inszenierten und aufgebauschten Generationenkonflikt, die mehr als fragwürdige Neigung der Massenmedien zu skandalisierender und polari- sierender Zuspitzung und volkserzieherischer Berichterstattung, ideologischer Konfor- mität und moralischer Manipulation einschließlich eines neuerlichen journalistischen Selbstverständnisses als haltungsstarker «Meinungskämpfer» für die einzig gültige Wahrheit.

Sie kritisiert die gängigen Methoden, Andersdenkende – egal welcher Couleur –  mit pauschalisierenden Schimpf- oder Schlagworten abzuwerten, ohne sachlich-inhaltlich  hinzuhören und sich zumindest gedankenspielerisch auf eine fremde oder abgelehnte Perspektive einzulassen. Hätten wir wirklich noch einen weiten, erkenntnisoffenen Debattenraum, statt eines engstirnigen Debattentunnels, wäre der Austausch von Argumenten und Erfahrungswerten eigentlich selbstverständlich. Zu häufig ersetzen inzwischen Vorteile, grobe Vereinfachungen und scheinbare moralische Überlegenheit  (die richtige „Haltung“) eine mündige und selbsterfahrene sowie selbsterarbeitete Urteilsbildung.

Eine dialogbreite demokratische Debattenkultur ist unbequem, sie verlangt vielmehr eigenes Nachdenken und Nachforschen, den Willen und den Mut, für den eigenen Stand-punkt Argumente und Informationen parat zu haben und die Fähigkeit, andere Welt- bilder und Meinungen schlicht und einfach auszuhalten und nicht aus der Diskussion auszuschließen. 

„Wenn «andere Gedanken» wahlweise als Majestätsbeleidigung oder psychische Defor-mation desjenigen, der sie äußert, empfunden werden, wenn Abwehrschlachten nur mit ausgrenzenden Etiketten wie Nazi, Rassist, Sexist, Volksverräter, Klimaleugner etc. stattfinden, dann führt das sowohl dazu, dass Menschen nicht mehr miteinander reden, als auch dazu, dass man sich sehr genau überlegt, was man in wessen Anwesenheit sagt. Beides hat in unserem politischen und gesellschaftlichen System nichts zu suchen.“ (Seite 125)

Meinungsvielfalt und -Freiheit lassen sich am besten verteidigen, wenn bei der Entschei-dung zwischen verbalem Florett oder Säbel eher das Florett gewählt und der Gegner nicht entwürdigt wird.

Die Leitmedien, die auch „Aufmerksamkeitshändler“ sind und um Einschaltquoten, Auf-lagenstärke und Klicks ringen, um sich durch Werbeeinnahmen querzufinanzieren, haben durch entsprechend aufmerksamkeitsheischende, konfliktbetonte, konfronta- tive Berichterstattungen ebenfalls Teil an gesellschaftlicher Spaltung sowie politischer und thematischer Polarisierung und Ausgrenzung.

„Ich würde mir manchmal etwas mehr Realismus wünschen und etwas weniger Pathos.“ (Seite 67)

„Respekt geht anders“ bietet eine ausgewogene kritische Analyse der deutschen Medienlandschaft und empfehlenswerte Anregungen für eine konstruktive Gesprächs- und Streitkultur. Besonders hervorheben möchte ich das Kapitel „Die Würde des Andersdenkenden“, dessen Lektüre ich nur jedem ans Herz bzw. an die Vernunft legen kann.

Mir sei als Anmerkung gestattet, daß die Autorin im Hinblick auf das Thema Armutsrisiko die Grenze zur Verharmlosung aus meiner Sicht überschritten hat.

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.chbeck.de/krone-schmalz-hysterikerland/product/30917921

Die Autorin:

»Gabriele Krone-Schmalz war von 1987 bis 1991 Russland-Korrespondentin der ARD und moderierte anschließend bis 1997 den ARD-Kulturweltspiegel. Seit 2011 ist sie Professorin für TV und Journalistik an der Hochschule Iserlohn. Bei C.H. Beck sind von ihr erschienen „Russland verstehen“ (2017)
https://www.chbeck.de/krone-schmalz-russland-verstehen/product/14291912
und „Eiszeit“ (2018) https://www.chbeck.de/krone-schmalz-eiszeit/product/20530822 «

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