Das Taschenmesser

  • 50 geniale Knife-Hacks
  • von Matt Collins
  • mit Illustrationen von Maria Nilsson
  • Originaltitel: »50 Things to Do with a Penknife«
  • Aus dem Englischen von Anja Kootz
  • Knesebeck Verlag, Juni 2018 www.knesebeck-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 13,5 x 18,4 cm
  • 144 Seiten
  • 12,00 € (D), 12,40 € (A)
  • ISBN 978-3-95728-217-0

M E S S E R M Ö G L I C H K E I T E N      

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Dem Taschenmesser haftet immer schon der Ruf des Abenteuers und eines allzweck- tauglichen Wildnis-Überlebenswerkzeugs an.

Matt Collins gibt in seinem Buch praktische Anleitungen zum Schnitzen mit dem Taschenmesser. Dabei wird hauptsächlich mit Holz gearbeitet, aber auch mit Kork sowie mit Obst und Gemüse. Die Schnitzanweisungen sind kurz und bündig und werden von präzisen Schritt-für-Schritt-Zeichnungen begleitet.

Einführend beschreibt der Autor die wesentlichen Funktionen eines brauchbaren Taschenmessers, seine sachgemäße Handhabung und Pflege sowie sinnvolle Schutz- maßnahmen (Daumenschutz, Schnitzhandschuhe) für schwierigere Schnitzarbeiten.

Das A und O eines guten Taschenmessers ist seine Klingenschärfe und – besonders in Hinsicht auf Schnitzarbeiten – ein gerader Klingenrücken sowie eine scharfe Messer- spitze. Das Messer sollte nicht zu schwer sein und der Griff möglichst bequem und angenehm in der Hand liegen.

Es werden fünf Schnitztechniken (Stoppen, Schälen, Schieben, Ziehen, Spalten) erklärt und Hinweise zur Wahl des Holzes (Faserverlauf, Holztrockenheit, Holzarten) gegeben. Stets weist Matt Collins nachdrücklich darauf hin, achtsam mit Holz und schonend mit Bäumen umzugehen und möglichst nur bereits abgefallenen Äste und Zweige zu verwenden.

Im ersten Kapitel geht es um leichte und schnelle Schnitzarbeiten, wie beispielsweise das korrekte Anspitzen eines Bleistifts, das Schnitzen eines Türstoppers oder die Verar-beitung eines hölzernen Eisstieles zu einem Brieföffner.

Illustration von Maria Nilsson © Text von Matt Collins/Knesebeck Verlag 2018

Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die Herstellung von Campingzubehör wie Zelt-heringe, Löffel, Gabel, Anzündhilfe, Pfannenwender, Angelhaken, Wanderstock usw.

So schnitzen wir uns von der hölzernen Häkelnadel zu Eßstäbchen, vom Knopf zur Haar-nadel und von Gardinenringen zu Kleiderhaken. Auch die Schnitzerei dekorativer und spielerischer Objekte wie Mobiles, Schiffchen, Blüten, Kreisel und Lesezeichen wird erläutert.

Eine Abzweigung zu Schnitzarbeiten mit Kork leitet an zu Tischkartenhaltern, Kopf- hörerspulen, Minipflanztöpfchen, Korkstempeln und Korksternen. Und eine weitere Abzweigung zeigt köstliche Schnitzereien aus Gemüse und Obst, u.a. eine Flöte aus Karotten, eine Blüte aus einer Zwiebelhälfte und ein Pfauenrad aus einer halbierten Zucchino.

Illustration von Maria Nilsson © Text von Matt Collins/Knesebeck Verlag 2018

Einige gärtnerische Hinweise zur Obstbaumveredelung und Gehölzvermehrung durch Stecklinge informieren über die richtigen Schnittstellen und Schnittmethoden.

Wildnisüberlebenstips wie beispielsweise die Herstellung einer Anzündhilfe aus „Holz-locken“, um ein Lagerfeuer zu entfachen, das richtige Ausnehmen und Säubern eines Fisches und das Anzapfen von Birkensaft runden die Messer- und Schnitzkunde angemessen pfadfinderisch ab.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.knesebeck-verlag.de/das_taschenmesser/t-1/724

 

Der Autor:

»Matt Collins machte eine Ausbildung beim Botanischen Garten in Wales, bevor er eine beratende Stelle im Garden Museum in London antrat. Als Chefgärtner eines privaten Anwesens konnte er schließlich seine Schnitzkünste trainieren und gab auch ein Magazin heraus.«  https://orangetip.wordpress.com/

 

Illustration von Maria Nilsson © Text von Matt Collins/Knesebeck Verlag 2018

 

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Alte Sorten

  • von Ewald Arenz
  • Roman
  • Dumont Buchverlag   März 2019  www.dumont-buchverlag.de
  • gebunden
  • LESEBÄNDCHEN
  • 256 Seiten
  • ISBN 978-3-8321-8381-3
  • 20,00 € (D)

WACHSENDES  VERTRAUEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Literarische Figuren, die eine solch atmende Wahrhaftigkeit ausstrahlen wie in Ewald Arenz‘ Roman „Alte Sorten“ haben Seltenheitswert.

Es ist Spätsommer, und die siebzehnjährige Sally wandert einen Weinberg hinauf. Sie verfolgt kein Ziel; sie will einfach nur weg, weg von der Klinik, in der ihre Magersucht geheilt werden soll, weg von den Menschen, die sie nicht in Ruhe und nicht so sein lassen wollen, wie sie ist, und Sallys Wut mit ihrer therapeutischen Sanftmut erst recht zur Weißglut treiben. Noch scheint ihre Flucht nicht aufgefallen zu sein, und Sally überlegt, ob sie sich zutraut, draußen in der Natur oder vielleicht in einer Scheune im Heu zu übernachten.

Die Landwirtin Liss ist zwischen ihren Weinstöcken mit dem Anhänger ihres Traktors in einer Rinne stecken geblieben und fragt Sally, ob sie ihr kurz helfen könne, das Rad zu befreien. Sally ist von dieser direkten Frage und einfachen Bitte angenehm überrascht und packt unwillkürlich mit an. Nachdem der Wagen wieder an den Traktor angekuppelt ist, bietet Liss Sally spontan eine Übernachtung auf ihrem Hof an.

Sally wundert sich, aber sie nimmt das Angebot mit mißtrauischer Dankbarkeit an. Am nächsten Morgen – Liss ist längst mit Hofarbeiten beschäftigt – findet Sally auf dem Küchentisch eine abgedeckte Schale mit kleingeschnittenem Obst, Nüssen und Honig sowie eine Kanne mit schwarzem Tee. Als Sally vorsichtig vom Obst nascht, schmecken ihr die Birnenstückchen überraschend gut.

Sally, das Stadtkind, bleibt auf dem Bauernhof und findet schnell Gefallen am Land- leben. Sie hilft Liss bei der Kartoffel- und Obsternte, beim Holzstapeln, bei der Bienen- pflege und beim Brotbacken. Liss ist Mitte bis Ende vierzig, sie ist groß und stark und bewirtschaftet ihren Hof alleine; offensichtlich leisten ihr außer einer Schar Hühnern nur noch unzählige Bücher Gesellschaft. Sallys Fragen nach ihrer Vergangenheit weicht sie aus.

Beide Frauen haben enttäuschende, schlechte, verletzende Erfahrungen mit zwischen-menschlicher Nähe gemacht, beide lieben ihre Freiheit, reagieren allergisch auf Manipu-lationsversuche und verhalten sich gewohnheitsmäßig eher spröde bis abweisend. Aus regelmäßigen Erinnerungsrückblenden erfahren wir nach und nach von ihren jeweiligen biographischen und emotionalen Werdegängen.

Naturerfahrungen, die körperlich anstrengende, gleichwohl sichtbar-sinnerfüllte Arbeit, die einfachen Speisen und die Freiheit, die Liss Sally läßt, führen dazu, daß Sally wieder Geschmack am Leben findet, daß sie besser geerdet ist und zu sich findet. Liss, die sich in ihrer Einsamkeit eingerichtet hat und eingeschmiegt in die Gesetzmäßigkeiten der Jahreszeiten alle notwendigen Landarbeiten mit meditativer Präzision erledigt, empfindet zaghafte Freude an der Gesellschaft und an der lebhaften Mithilfe und Wißbegier von Sally.

Die Entwicklung des für beide Frauen ungewohnten zwischenmenschlichen Vertrauens verläuft keineswegs reibungslos. Die beiden Außenseiterinnen ringen oft um Worte und Erklärungen, bewegen sich aufeinander zu und entfernen sich wieder. Es gibt Mißver-ständnisse und unbeabsichtigte Verletzungen, und besonders Sallys jugendlicher Zorn ist vorschnell, oft maßlos und durchaus anstrengend, doch auch Liss‘ besonnene, lebenserfahren-selbstreflektierte Wesensart hat – in Anbetracht ihrer nicht undrama- tischen Lebensgeschichte – Grenzen, die nicht überstrapaziert werden dürfen.

Hier begegnen sich zwei Seelenverwandte, deren vorsichtige Öffnung und wechsel- seitige Zuneigung sich durch alte Wunden, Krusten, Narben, Ängste und Vermeidungs- strategien kämpfen müssen. Liss rettet Sally das Leben, indem sie ihr den Raum läßt, wirklich zu werden und ein ungezwungenes Miteinander zu erfahren.

Es bleibt nicht aus, daß andere Menschen sich störend einmischen, denn Sally wird ja polizeilich gesucht … Diese Einmischung und die damit verbundenen Konsequenzen stürzen Liss in eine existenzielle Sinnkrise, aus der sie wiederum von Sally gerettet wird.

Am Ende steht eine sturmerprobte Freundschaft, die für Liss und Sally deutlich kon- struktivere und zuversichtlichere Lebensweichenstellungen möglich macht.

Ewald Arnez gelingen in diesem Roman nicht nur sehr überzeugende, einfühlsame Psychogramme und feinsinnige Sprachbilder für alle Gefühlslagen, sondern er schafft dabei auch eine greifbar sinnliche, ebenso poetische wie handfest-elementare ländliche Atmosphäre. Man spürt den Sommer auf dem Lande beim Lesen, man riecht, schmeckt, hört und fühlt mit. Eine Textpassage aus einer Szene im Obstgarten, in der Sally ver-schiedene Birnensorten verkostet, möge diese ansprechende literarische Sinnlichkeit illustrieren:

„Sally schnitt sich diesmal ein größeres Stück ab. Sie wollte das Rot und das Weiß schmecken. Es war schwer, ein Wort für diese Mischung aus fest und zergehend zu fin-den, die das Fleisch im Mund hatte. Und sie meinte, das Rot süßer zu schmecken und im Weiß eine winzige Spur Bitterkeit, und zusammen war es ein Geschmack, der … vielleicht würde Sonnenlicht so schmecken, wenn es nach einem langen Sommer durch das weite Blau des Himmels und dann durch das alte Grün hoher Bäume direkt auf die Zunge fiele.“ (Seite 114)

Die buchgestalterische Aufmachung des Romans korrespondiert optisch und haptisch mit der Sinnlichkeit des Textes. Das leicht angeraute an grobes Leinen erinnernde Ein- bandpapier und die mit glänzendem Prägedruck aufgebrachte botanische Illustration eines fruchtenden Birnbaumzweiges sowie der zarte Sonnenstrahl des leuchtend gelben Lesebändchens geben einen stimmigen Vorgeschmack auf die Lektüre.

„Alte Sorten“ ist ein bemerkenswerter Roman voller lebenszärtlicher Betrachtungen, inniger Naturverbundenheit und beiläufiger, gleichwohl eindrucksvoller Weisheit und berührender Herzenstiefe.

„Es war so selten, dass die Dinge im Gleichgewicht waren. Ohne Glück und ohne Trauer. Oder anders: dass Glück und Traurigkeit in einem so in der Schwebe waren, in so einer perfekten Balance, dass man sich nicht bewegen wollte. Vielleicht fühlten sich Seil- tänzer so, wenn sie hoch oben waren, in dem einen Moment, in dem eine gerade Linie genau durch die Mitte des Körpers geht und genau durch die Seele des Seils und bis zum Boden und dann bis zum innersten Kern der Erde; in dem einen bewegungslosen Moment der Mitte.“ (Seite 127)

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der  Verlagswebseite:
http://www.dumont-buchverlag.de/buch/arenz-alte-sorten-9783832183813/
Hier entlang zur inzwischen erschienenen Taschenbuchausgabe:
https://www.dumont-buchverlag.de/buch/tb-arenz-alte-sorten-9783832165307/

Hier entlang zu Bris Rezension, die mich dankenswerterweise als erste auf Ewald Arenz‘ Roman aufmerksam machte: https://feinerbuchstoff.wordpress.com/2019/05/19/der-eine-bewegungslose-moment-der-mitte/

Der Autor:

»Ewald Arenz, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.«

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