Der Fluch des Wüstenwolfs

  • von Paul Biegel
  • Mit farbigen Illustrationen  von Carl Hollander
  • Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
  • Verlag Urachhaus, Februar 2016   http://www.urachhaus.de
  • 189 Seiten
  • gebunden, Halbleinen
  • 17,00 € (D), 17,40 € (A)
  • ISBN 978-3-8251-7965-6
  • Kinderbuch ab 10 Jahren
    Der Fluch des Wüstenwolfs-Titelbild

G O L D R A U S C H

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Mit der Geschichte vom unbestechlichen, vernunftbetonten Doktor Kroch, seinem treuherzigen Gehilfen Valet, den beiden dummheitsbegabten, gierigen Räubern Bunk und Unk, der anmutig-heiteren Sylvia und dem düster-tragischen Herzog von Wüstenwolf präsentiert Paul Biegel eine witzige Abenteuergeschichte, in der es zwischen den Zeilen so manchen tiefsinnigen, lebensweisen Schatz zu entdecken gibt.

Doktor Kroch rührt in seinem Laboratorium ein Gebräu zusammen und zitiert dabei die Anfangszeilen von Vergils Aeneis – notabene auf Latein, damit wir hier gleich wissen, wer hochgebildet ist. Valet, sein Knecht und Gehilfe, unterbricht die Konzentration des Doktors mit der Nachricht, daß eine schwere Kiste als Geschenk abgegeben worden sei.

Fluch des Wüstenwolfs Laboratorium

Illustration Carl Hollander © Verlag Urachhaus 2016

In der Kiste befindet sich ein veritabler Goldschatz: funkelnde, edelsteinbesetzte Arm- reifen, Ketten, Ringe, Becher, Schalen …  Valet ist sprachlos, und der Doktor fragt unwillig, was er mit dem Plunder solle und wer ihm solchen Kram schicke. Dann liest er den dazugehörigen Brief, in dem der Herzog von Wüstenwolf den „sehr geehrten Meister der Heilkunst“ um einen Hausbesuch bittet. Er möge ihn doch bitte vom Goldfieber, an dem er schon seit Jahrhunderten leide, kurieren und das mitgeschickte Gold als Anzahlung für deine Dienste akzeptieren.

Gleichgültig und kopfschüttelnd schiebt der Doktor das Gold in eine Ecke und widmet sich seinen Patienten, denn seine Sprechstunde hat begonnen. Weniger gleichgültig hat der Räuber Bunk die Inspektion der Kiste heimlich durchs Fenster beobachtet und schmiedet kurz darauf mit seinem Arbeitskollegen Unk raffinierte Pläne, wie sie sich diese vielversprechende Beute aneignen könnten.

Diese Pläne gehen grandios schief, führen jedoch Doktor Kroch zu der Erkenntnis, daß es mit dem Golde etwas Magisches auf sich hat; denn beim Blick in die goldene Schale wird das Gold durchsichtig und offenbart einen Blick auf die Burg Wüstenwolf. Nun ist des Doktors wissenschaftlicher Ehrgeiz geweckt, und er macht sich mit Valet, der den Schatz schleppen darf,  auf den Weg zur Burg. Die Räuber Bunk und Unk verfolgen sie in gewohnter Manier.

Fluch des Wüstenwolfs Bufett

Illustration Carl Hollander © Verlag Urachhaus 2016

Unterwegs rasten sie in einem Kloster und erfahren dort vom Fluch des Wüstenwolfs. Eindringlich werden sie vor den unheimlichen Kräften des Herzogs von Wüstenwolf gewarnt. Für den Doktor sind das abergläubische Lappalien, und die Reise geht weiter, nebst weiteren erfolglosen Raubversuchen der tollpatschigen Räuber.

Fluch des Wüstenwolfs Aufwachen

Illustration Carl Hollander © Verlag Urachhaus 2016

Sie begegnen Sylvia, einer schönen, jungen Frau, die von einem Tanzfest auf einer prächtigen Burg zu berichten weiß und ihnen erklärt, daß sie mit Hilfe eines goldenen Ringes dorthin gelangt sei. Sie könne sich jedoch nicht erinnern, wie sie zurückgekehrt wäre, und überhaupt erschiene ihr das Ganze inzwischen etwas traumhaft. Sylvia schließt sich Doktor Kroch und Valet an, um das Geheimnis um Burg Wüstenwolf und ihre seltsamen nächtlichen Tanzausflüge zu lüften.

Die nächste Stadt, die sie erreichen, verfügt über eine Burgruine, und die Nachfor- schungen der Helden zur Person des Wüstenwolfs ergeben langsam einen verborgenen Sinn. Gleichwohl müssen sie alle miteinander noch einige spannende, sinnverwirrende und gefährliche Herausforderungen meistern, da die Ruine des Nachts zu gespenstisch- em Leben, illusionären Räumen, Geheimgängen, Wendeltreppen und unheimlichen Zeitverschiebungen erwacht. Und auch Bunk und Unk pfuschen mit ihren ständig mißlingenden diebischen Künsten dazwischen herum.

 

Fluch des Wüstenwolfs Über den Dächern

Illustration Carl Hollander © Verlag Urachhaus 2016

Doch mit den vereinten Kräften von Kopf (Doktor Kroch) und Herz (Sylvia und Valet) gelingt es, den Fluch unschädlich zu machen. Das heißt zwar auch, daß das Zaubergold sich gewissermaßen in Luft auflöst; aber wer braucht schon Gold, das ihm ohnehin nicht gehört?

Die Illustrationen von Carl Hollander begleiten und bereichern die phantasievolle Erzählung mit geheimnisvoll-atmosphärischen und amüsanten Bildern, wobei die Zeichnungen der unterschiedlichen architektonischen Kulissen ganz besonders romantisch gelungen sind.

Auch in diesem Kinderbuch zeigt sich Paul Biegels einfühlsam-augenzwinkernde und lebhaft-spannende Erzählerqualität, die ganz beiläufig schatzkistenweise Herzensbildung verteilt, ohne jemals zeigefingerig daher zu kommen.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch/Der-Fluch-des-Wuestenwolfs.html

Querverweis:

Ich habe alle deutschsprachigen Bücher von Paul Biegel rezensiert, thematisch schließen sich hier am trefflichsten Der Räuber Hupsika und Die Prinzessin mit den roten Haaren an:
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/11/21/der-rauber-hupsika/
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/11/20/die-prinzessin-mit-den-roten-haaren

Der Autor:

»Paul Biegel (1925 – 2006) – der niederländische Michael Ende – gehört mit Tonke Dragt, Thea Beckmann und Annie M.G. Schmidt zu den ganz Großen der niederländischen Kinderliteratur. Er verfasste über 50 Bücher, sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach mit dem Silbernen  und  Goldenen Griffel.«

Der Illustrator:

»Carl Hollander (1934 – 1995) studierte an der Kunstakademie in Den Haag. Nach dem Examen erhielt er schnell erste Illustrationsaufträge. Seine Zeichnungen und Aquarelle erfreuten sich einer solchen Beliebtheit, dass er sich neben den Arbeiten für die Bücher Paul Biegels auch über die Kinderbücher Annie M.G. Schmidts und Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf einen Namen machen konnte.«

 

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Der Herr der Wolken

  • von Andreas Hartmann
  • Rowohlt rotfuchs, Oktober 2008  https://www.rowohlt.de/verlage/rowohlt-rotfuchs
  • 317 Seiten
  • gebunden
  • 12,95 €
  • 978-3-499-21460-8
  • Kinderbuch ab 10 Jahren
  • Leider, leider vergriffen, aber antiquarisch suchen lohnt sich unbedingt!
    412DQz4PawL._SL500_AA300_.jpg Der Herr der Wolken

Eine Abenteuergeschichte, die ohne Blutvergießen auskommt!

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Tolig, ein Bauernjunge aus dem Land Matar, ruht sich auf einer Lichtung im Wald aus und träumt davon, mit einem Schiff übers Meer zu fahren, fremde Länder zu bereisen und Abenteuer zu erleben. Dieser Traum wird schneller und ganz  anders wahr, als er es sich ersehnt hat.

Plötzlich ergreift ihn ein riesiger rotgefiederter Vogel und trägt ihn weit übers Meer, über Gebirgsketten und Täler bis in sein Nest in der Krone eines hohen Baumes. Dort läßt er den Jungen fallen und fliegt weiter.

Tolig ahnt, daß er als Vogelfutter enden wird, wenn er nicht schnell das Weite sucht. Intuitiv nimmt er, vor seinem Abstieg von Nest und Baum, eine der dort herum- liegenden roten Federn mit. Erschöpft schläft er auf dem Waldboden ein und erwacht am nächsten Morgen durch die Geräuschkulisse, die fünf tollpatschige Soldaten auf ihrem Weg durch den Wald veranstalten.

Tolig versteckt sich zunächst und lauscht den Worten der Soldaten, die ängstlich darum streiten, wer von ihnen in das gefürchtete Riesenvogelnest klettern soll, um für die Königin eine rote Feder zu holen. In der Hoffnung, daß die Soldaten ihm den Weg nach Hause zeigen können, kommt Tolig aus seinem Versteck hervor.

Nach einem kleinen Verhör sind die Soldaten hoch erfreut zu erfahren, daß dieser kleine Junge bereits eine der begehrten roten Federn besitzt. Er verhandelt mit den Soldaten, die beschließen, ihn mit in die Hauptstadt zur Königin zu nehmen. Auf dem Weg in die Stadt  erfährt Tolig, daß das fremde Land, in dem er ausgesetzt wurde, Bilan heißt und daß ein Held für einen geheimnisvollen Auftrag der Königin  gesucht wird.

Nach einigen lustigen bürokratischen Umständlichkeiten wird Tolig freundlich von der Königin Bilans empfangen. Eigentlich möchte der Junge nur ganz schnell wieder nach Hause, doch da er so tapfer und unverletzt dem roten Vogel entkommen ist , bittet die Königin Tolig, einen lebenswichtigen königlichen Auftrag auszuführen.

Seit geraumer Zeit hat das Volk der Bilaner den Wissenschaften gegenüber der Magie den Vorzug gegeben, und die meisten Magier leben einsam, unerkannt und ungeehrt im Lande und betreiben heimlich ihre magischen Studien.

Rigul, einer dieser Magier, ist so machtsüchtig und eitel, daß er sich für die mangelnde Wertschätzung der Magie im Allgemeinen und seiner Magierpersönlichkeit im Beson- dernen böse rächt. Er hat die Mündung des Wolkensees geöffnet, die einst von Magiern mit einem großen  Felsbrocken verschlossen worden war. Und nun drohen ewiger Regen und die Überflutung des ganzen Landes.

Tolig soll einen guten Magier finden, der dem bösen Magier gewachsen ist und den Wolkensee wieder verschließt. Von einem neutralen Vermittler, wie Tolig, der aus einem fernen Land gekommen ist, erhofft sich die Königin eine günstigere Aufnahme für ihre königliche Bitte.

Tolig findet den Magier Moguwol, der sich als mürrisch, aber hilfsbereit erweist. Das ungleiche Paar macht sich auf den weiten Weg zum Wolkensee. Begleitet werden sie von  zwei magischen Weggefährten Moguwols, die er sich als junger Magier angezaubert hat: ein plauderhaftes Teekesselchen und ein nicht minder gesprächiger Wanderstab. Teekesselchen und Wanderstab kommentieren gerne, ausgiebig und ungefragt die laufenden Ereignisse, wissen immer alles besser und sind unfreiwillig komisch.

Unterwegs erklärt und demonstriert der Magier dem Jungen die streng uneigennützigen und friedlichen Magiergesetze, an die sich die guten Magier zum Wohle aller Lebewesen halten.

Tolig und Moguwol wandern durch Wälder und Wüsten, erleben freundliche und feind- liche Begegnungen, sie wecken eine schlafende Riesin, die ihnen nun hilft, den Felsen vor die Mündung des Wolkensees zu schieben, und sie besiegen mit den magischen Kräften Moguwols  und mit dem menschlichen Mut Toligs den bösen Magier Rigul.

Zum Dank für die Rettung Bilans verspricht die Königin, in Zukunft den Fähigkeiten der Magier wieder die gesellschaftliche Bedeutung und Achtung zukommen zu lassen, die sie in früheren Zeiten genossen hatten. Und sie erfüllt auch Toligs  Wunsch, wieder nach Hause zurückkehren zu dürfen.

Beim Abschied sind sich Moguwol und Tolig darüber einig, daß ihre gemeinsame Reise und die daraus erwachsene Freundschaft sie sehr reich gemacht haben. Außerdem haben sie einen ehrenvollen Eintrag im Buch der Zeit bekommen, wo nur die Dinge aufgeschrieben werden, die den Lauf  der Welt beeinflußt haben.

Und damit Teekesselchen und Wanderstab hier auch mal zu Wort kommen, serviere ich zum Abschluß ein typisches Gespräch dieser beiden Schlauberger:

„Wie mir Abschiede immer zu Herzen gehen“,  schluchzte das Kesselchen.
„Mir tut es in der Seele weh, den Burschen gehen zu lassen“, weinte  der Stab.  „So einen mutigen und klugen Gefährten findet unser Meister nie wieder.“
„Dabei wolltest du ihn erst gar nicht mitnehmen“, fauchte das Kesselchen.
„Was?“, schnappte der Stab zurück.  „Wäre ich nicht gewesen, hätte unser Meister vielleicht auf dich gehört und Tolig gleich wieder nach Hause geschickt.“

 

Der Autor:

»Andreas Hartmann wurde 1973 in Berlin geboren. Nachdem sich das Ingenieurswesen für ihn rasch als Irrweg entpuppte, studierte er Erziehungswissenschaften. Er arbeitete in verschiedenen Bereichen – nur nicht in der Sozialarbeit. Auf verschlungenen Pfaden verschlug es ihn schließlich zum Schreiben und Übersetzen. Das tut er heute noch. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Berlin. In seiner freien Zeit übt er sich ernsthaft in Taiji und Ninjutsu.«  https://www.klippenschreiber.de/


Der Autor, Andreas Hartmann, gewann übrigens im Jahre 2007 mit „Der Herr der Wolken“ den ersten rotfuchs-Fantasy-Schreibwettbewerb und im Jahre 2009 den „Goldenen Bücherpiraten“.

PS:
Auch dieses Kinderbuch ist ein Beispiel für ein leises und wertvolles Buch, das sich leider auf dem marktschreierischen Buchmarkt nicht lange gehalten hat. Ich kann meine wärmste Empfehlung dennoch nur wiederholen und auf die Möglichkeit, den Titel auf antiquarischem Wege zu finden, hinweisen.

Ich „adoptiere“ ja gerne Titel, die in der Buchmarktmasse untergegangen sind (siehe : https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/02/14/hurz-burz-und-seine-freunde/  meine Besprechung von „Hurz Burz und seine Freunde“), die – wundersamerweise  – die bisher am  am häufigsten aufgerufene Rezension auf meinen Leselebenszeichen ist.

 

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Lee Raven

  • von Zizou Corder
  • Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
  • dtv Reihe Hanser  Februar 2011   http://www.dtv.de
  • 336 Seiten
  • 8,95 € (D), 9,20 €(A)
  • ISBN  978-3-423-62475-6
  • Kinderbuch ab 11 Jahren
    lee_raven_im_bann_des_magischen_buches-9783423624756

EIN  BUCHSTÄBLICH  VIELSAGENDES  BUCH

Buchbesprechung von Ulrike Sokul  ©

„Für alle, die schon einmal Schwierigkeiten mit dem Lesen hatten.“

Diese Widmung führt direkt zu Lee Raven, dessen Analphabetismus nur eine von vielen Schwierigkeiten ist, mit denen er zu kämpfen hat. Lee Raven stammt aus einer großen Familie von Kleinkriminellen und schlägt sich in London als Straßenkind und Taschen- dieb durch. Er hält sich von seiner Familie fern, um seinem gewalttätigen Vater aus dem Weg zu gehen. Eigentlich ist er nur Legastheniker und bräuchte etwas mehr geduldige Förderung, aber seine Familie ist nicht gerade das, was man als  bildungsnah bezeich- net. Dennoch ist er ein kluges Kerlchen mit  einer guten Auffassungsgabe, und trotz des diebischen Lebensunterhaltes hat er einen sozialkompetenten Gerechtigkeitssinn und bestiehlt möglichst Leute, die überflüssiges Geld haben.

 „Wären sie gute Menschen, hätten sie etwas davon für Bedürftige gespendet, für arme kleine Straßenkinder wie mich, aber so wie es stand, musste ich mich selbst bedienen. Außerdem ersparte ich ihnen die Kopfschmerzen von dem extra Bier und Schnaps, für das sie das Geld, das ich ihnen abknöpfte, andernfalls ausgegeben hätten. Genau genommen erwies ich sogar der Öffentlichkeit einen Dienst, indem ich den Wohlstand umverteilte und aktiv gegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit eintrat.“

Eines Nachts entwendet er die Handtasche einer offensichtlich sehr reichen Frau, deren privaten Leibwächtern er nur knapp entkommt. Er verbringt eine Nacht im Park, und am nächsten Morgen sieht er  zu seinem Schrecken auf der Titelseite der Tageszeitung ein Foto, das ihn inflagranti bei diesem Taschendiebstahl zeigt. Außerdem patrouillieren immer noch Sicherheitskräfte im Stadtviertel.

Lee Raven klingelt beim erstbesten Haus und findet Einlaß beim Antiquar Mister Maggs, der ihn für einen Boten hält. In diesem Haus voller wertvoller Bücher entdeckt Lee Raven ein Garfield-Jahrbuch, das einzige Buch, aus dem seine Mutter ihm und seinen Brüdern früher vorgelesen hat. Eher beiläufig läßt er den Garfield-Band mitgehen und verkrümelt sich im Abwasserkanalsystem der Stadt.

In seinem ungemütlichen Versteck schläft Lee Raven mit dem Garfield-Jahrbuch auf dem Schoß ein und am nächsten Morgen findet er ein in Pergament gebundenes Buch vor. Verwundert berührt er das Buch, das ihm irgendwie lebendig erscheint, schlägt es erwartungsvoll auf, betrachtet buchstabenleere Seiten und hört eine Stimme: Es war einmal…“  sagen.

Das Buch liest ihm die Herkules Sage aus der griechischen Antike vor. Dankbar und begeistert hört Lee Raven außerdem, daß er der erste Mensch ist, dem das Buch aus seinem Geschichtenschatz vorliest. Lee Raven lauscht wissensdurstig der 12000-jährigen Lebensgeschichte des Buches, bei dem es sich um das sagenumwobene Buch des Nebo“  handelt, das jedem, der es aufschlägt, genau die Geschichte schenkt, nach der er sich sehnt.

„Lieber Junge! Ich wurde aus dem Lehm geformt, aus dem der Mensch erschaffen wurde! Der Gott, der Adam das Leben eingehaucht hat, hat auch mir das Leben eingehaucht! Der Gott, der die Schrift erfunden hat, hat sie auf mir erfunden!“

Das „Buch des Nebo“ verwandelte sich von der Tontafel zum Papyrus, vom Papyrus zum Pergament, und bei Bedarf kann es sich auch in jede erwünschte Buchgestalt der Neuzeit verwandeln. Der biographische bzw. libriographische Weg begann mit der Erschaffung des Buches in Mesopo- tamien, setzte sich im alten Ägypten fort, wo es den Brand der Bibliothek von Alexandria überlebte, es überstand auch die Bücherverbrennungen des Christentums und erlebte seitdem wechselhafte Aufenthalte bei einge- weihten und uneingeweihten Büchersammlern.

Lee Raven findet im „Buch des Nebo“ einen Freund und Vaterersatz und will es unbe- dingt behalten und vor der machtgierigen Nigella Lurch beschützen. Nigella Lurch ist zufällig die Frau, die er um ihre Handtasche erleichtert hat und sie ist mit gnadenloser Geschäftstüchtigkeit hinter dem Buch her, um es für ihre schriftstellerischen Ambitionen auszuschlachten.

Janaki, die Pflegetochter des Buchhändlers Mister Maggs, verfolgt ebenfalls Lee Ravens Spur, wird jedoch, nachdem ihm einer seiner großen Brüder wegen der ausgesetzten hohen Belohnung das Buch abgenommen hat, zur seiner Verbündeten bei der Befreiung des Buches aus Nigella Lurchs Besitz.

Sie retten das Buch und sind wieder auf der Flucht und dann sorgt das Buch – durch eine ganz neue Verwandlung – für die Rettung der Kinder und die Vernichtung der Verfolger.

„Frau!“ donnerte Nebo mit mächtiger Stimme. „Du lächerlicher Mensch! Ich gehöre Dir nicht und werde Dir nie gehören! Ich bin nicht käuflich! Weder Geld noch Gier können die Früchte, die ich schenke, ernten!“

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht Lee Ravens, Mister Maggs‘‚ Janakis, des Buches und Nigella Lurchs erzählt und jeder Charakter kommt mit seinem eigenen Sprachstil zu Wort.

Lee Raven verbindet, durch die mythische Figur des „Buches des Nebo“ eine spannende äußere Handlung mit einer nicht minder spannenden Vermittlung von Schriftkulturgeschichte. Über die Abenteuergeschichte hinaus regt es sehr sympathisch dazu an, den geistigen Reichtum der Menschheit zu erkennen und wertzuschätzen.

„Nebo gab der Menschheit das Mittel, sich an alles zu erinnern, das sie je gelernt hatten, und ihr Wissen weiterzugeben, von Generation zu Generation, und die Weisheit der Vorfahren weiterzuentwickeln.“

Eine  wortwörtliche Buchbegegnung, die Lesefolgen haben kann.

Leider, leider ist dieses Buch inzwischen vergriffen, aber Sie können es vielleicht auf antiquarischem Wege noch erjagen.

 

Die Autorinnen:

»Zizou Corder ist ein Synonym für die 1960 geborene Schriftstellerin Lousia Young und ihre Tochter Isabel Adomakoh. Mit der „Lionboy„-Trilogie schrieben die beiden einen Bestseller, der in 35 Länder verkauft wurde.«

 

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