Vor den 7 Bergen

  • Davon, wie Schneewittchens Enkel in die Berge wollen und alles schiefgeht
  • Bilderbuch
  • Illustrationen von Mareike Engelke
  • Text von Annette Feldmann
  • KUNSTANSTIFTER Verlag  März 2017       https://kunstanstifter.de/
  • Format: 30 x 22 cm
  • 36 Seiten
  • gebunden, mit Fadenheftung
  • 22 € (D), 22,70 € (A), 26 sFr.
  • ISBN 978-3-942795-48-7
  • ab vier Jahren

KINDERSEGEN,  BERGSEHNSUCHT  &  APFELKUCHEN

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Eine alleinerziehende Mutter mit sieben Kindern und einem kleinen Hund – das kann turbulent werden. Zunächst wird auf einer Doppelseite jedes Kind mit einem kleinen Steckbrief charakterisiert, und dann beginnt die Geschichte.

Es ist Winter, und statt Schnee gibt es Regen, Regen, Regen. Die Kinder beschließen, ihre Oma, die hinter den sieben Bergen wohnt, zu besuchen – denn „im Gebirge liegt immer Schnee“. Sie rufen ihre Oma an, und diese ist begeistert und backt schon mal einen Apfelkuchen.

Mama kommt von der Arbeit an ihrem Marktstand für Äpfel nach Hause und wird von den Kindern sogleich mit der freudigen Aussicht begrüßt, daß sie bald zur Großmutter in die Berge führen. Mama findet die Idee ebenfalls gut. Alle sind voller Vorfreude, doch dann bekommen die Zwillinge Windpocken, und ein Geschwisterkind nach dem anderen steckt sich an. Der Ausflug in die Berge muß auf den Herbst verschoben werden.

Den Sommer versüßen sich Mama und die Kinder mit Eis vom attraktiven, freundlich-zugewandten Eisverkäufer Bo. Der reparierfreudige, kleine Hanno begutachtet vorsorglich schon die familiären Skier- und Schlittenbestände.

„© Mareike Engelke & Annette Feldmann / kunstanst!fter verlag“

Endlich ist der Herbst da, aber Mama kann sich keinen Urlaub nehmen, da die Apfelernte so übermäßig reich ausgefallen ist, daß Mama den Marktstand nicht schließen kann. Die Kinder sind schwer enttäuscht. Die Mama verkauft Äpfel über Äpfel, der Eiskäufer Bo besucht sie am Marktstand und bekommt sogar einen Apfel geschenkt.

„© Mareike Engelke & Annette Feldmann / kunstanst!fter verlag“

Endlich ist wieder Winter, eifrig packen sieben Kinder, eine Mama und ein kleiner Hund ALLES ein, was unbedingt mit auf die Reise zur Oma muß – inklusive siebzehn Bilderbücher, zwölf Kuscheltiere, fünf Kilogramm Äpfel, sechzehn warme Stiefel und sieben Geschenke für die Oma.

Kaum sind sie mit dem vollgepackten Kombi losgefahren, da macht es PENG, und ein Motorschaden zwingt zum unfreiwilligen Parken mitten auf der Kreuzung. Zum Glück kommt Bo zufällig vorbei  und bietet großzügig an, sie mit seinem Eiswagen über die sieben Berge zu ziehen. Ein passendes Abschleppseil ist auch schnell zur Hand, und schon geht die serpentinenreiche Fahrt los.

Nach den üblichen Fragen („Ist es noch weit?“ und „Sind wir bald da?“) sowie dem allseits bekannten, universellen Kindergequengel auf langen Reisen kommen alle wohlbehalten in den Bergen an.

Oma hat schon Apfelkuchen gebacken und den Kamin befeuert und empfängt alle Gäste mit einer herzenswarmen Umarmung…

Die Illustrationen von Mareike Engelke wirken wie Kinderzeichnungen. Dies erzeugt für kindliche Betrachter eine ganz unmittelbare, suggestive Nähe zur kindlichen Perspektive. Die Bildkomposition ist gleichwohl gekonnt, zudem unkonventionell und verspielt und bietet diverse witzige Details. Die farbig gestalteten handschriftlichen Textanteile mit ihren variablen Schriftgrößen untermalen ausdrucksvoll die eigenwillige Bilddramaturgie und bereichern den in einheitlich schwarzer Typographie gedruckten Fließtext um zusätzliche Gefühlsnoten.

Der Text von Annette Feldmann ist in einer freundlich-unverblümten Sprache geschrieben und erfreut mit kinderleichten Dialogen, die eindeutige Gefühlsansagen vermitteln.

In dieser Geschichte bewegen sich Schneewittchens Enkel in einer bodenständigen Alltagswelt, in der die einzige Zaubermacht zwischenmenschliche Nähe und Geborgenheit ist. Doch wie wir hoffentlich alle wissen und erfahren haben, ist dies ein Zauber, der sehr lange wirkt …

Und es spricht absolut nichts dagegen, daß der Märchenprinz Eisverkäufer ist.

Sehr ansprechend sind auch die Vorsatzblätter gestaltet, auf denen sich bekannte und unbekannte Apfelsortennamen tummeln: Aprilschöner, Dickapfel, Hausmütterchen, Milchapfel, Schafsnase, Schlotterapfel, Seidenhemdchen, Weißer Eisapfel – da weiß man gar nicht, wo man zuerst reinbeißen soll, und es ist eine schöne Anregung, sich mit den eigenen Kindern auf die Suche nach diesen Apfelsorten zu machen und sie zu kosten.

 

Hier entlang zum Bilderbuch auf der Verlagswebseite:

Vor den 7 Bergen

PS:
Als kleine Randbemerkung möchte ich gerne noch erwähnen, daß der unabhängige KUNSTANSTIFTER Verlag alle Bücher mit mineralölfreien Farben in Deutschland drucken läßt und die Kurt-Wolff-Stiftung zur Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene unterstützt.

 

Die Illustratorin:

»Mareike Engelke wurde 1979 am Niederrhein geboren. Sie studierte Kommunikations-design in Essen und Krefeld und machte ein Bilderbuch-Diplom. Sie arbeitet als freie Illustratorin für Magazine und Verlage und zeichnet in ihrem Duisburger Atelierhaus mit Blick auf einen großen blauen Kran. Ansonsten geht sie gerne auf Unsinnsuche und schätzt sich glücklich, eine Gärtnerenkelin, Katzenmutter und Lieblingstante zu sein. Sie lebt mit ihrem Mann in Duisburg.«      http://www.mareikeengelke.de

Die Autorin:

»Annette Feldmann, geboren 1975 am Niederrhein, studierte Kanadistik und Vergleichende Literaturwissenschaften in Augsburg und Vancouver. Sie arbeitete zunächst bei der Rheinischen Post und seit 2008 als freie Journalistin und Autorin sowie als Texterin in einer Werbeagentur. 2014 wurde sie mit dem dritten Platz beim Moerser Literaturpreis ausgezeichnet. Ihr erstes Jugendbuch „Nichts sagen“ (Divan Verlag, 2015) wurde für den Goldenen Pick nominiert. Annette Feldmann lebt mit ihrem Mann in Kempen.«   http://www.netttext.de

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25 Kommentare zu “Vor den 7 Bergen

  1. Erstmal: Sorry für mein langes Schweigen. Aber ich wollte mir Deine Rezensionen in aller Ruhe zu Gemüte führen. Das werde ich jetzt nach und nach tun.
    Dieses Buch scheint wieder herzallerliebst zu sein. Irgendwie reizte es mich, gleich einen Blick hinzuwerfen.
    Liebe Grüße
    Belana Hermine

    Gefällt 1 Person

    • Liebe Belana Hermine,
      Du warst schließlich unterwegs, Dein Schweigen erklärte sich mir dadurch ganz selbstverständlich.
      Es freut mich, daß Du die sich inzwischen angesammelten Buchbesprechungen wohlportioniert konsumieren magst.
      Herzlichen Dank für Deine Neugier auf das Bilderbuch „Vor den 7 Bergen“, das auf eine schräge Art herzallerliebst ist.

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  2. ach, wiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeee schön, mein kindliches Gemüt bekommt Futter, obwohl ich so hinterdrein träufele mit meinem Kommentar, liebe Ulrike 🙂
    Gefällt mir sehr gut, was ich lese und bei der einzigen lang anhaltenden Zaubermacht zwischenmenschlicher Nähe und Geborgenheit stimme ich vorbehaltlos zu, denn gäbe es sie nicht, wäre es um die Welt noch schlechter bestellt!

    Liebe Grüße von Bruni

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  3. Na, det is ja n Ding. Da habe ich mir doch sooo den Hintern aufgerissen, um möglichst windesgeschwinde vier Jahre alt und damit reif für dieses Buch zu werden. Und was ist passiert? Ich musste ein halbes Jahrhundert darauf warten. 😧
    Aber immerhin. Das Warten scheint sich gelohnt zu haben. Endlich gibt es mal eine Antwort darauf, was es mit dem märchenstereotypischen „…so leben sie heute noch“ in einem ganz konkreten Fall auf sich hat (obwohl ja jedes Kind weiß, dass es mit „noch leben“ allein nicht getan ist). Und als Sahnehäubchen sind die Illustrationen einfach klasse. Bereits die Zwillinge auf der Titelseite haben mich sehr für sich eingenommen. ⛄️ Überhaupt sind diese Zeichnungen wunderbar beredte Gesamtkunstwerke. Da passt es auch ganz gut, dass die Texte sich souffleurdiskret im Hintergrund halten. 🌟

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    • Bei guten (Wein)-Jahrgängen soll es der Reifungsverfeinerung angeblich dienlich sein, ein halbes Jahrhundert zu warten … 😉
      Es freut mich, daß Dir diese alltagstaugliche Schneewittchenfortsetzung in Bild und Wort zusagt.
      Herzlichen Dank für Deine kinderreife Resonanz! *ggg*

      Gefällt 4 Personen

      • Ach, ja, was sich da so im Lauf der Jahrzehnte alles reifungsverfeinert hat. 😉 Und zum Glück sind ja die von dir präsentierten Kinderbücher in der Regel auch für das „reife Kind“ seehr geeignet. 🙂

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