FLUSSRAUSCHEN

  • Roman
  • von Lilian Muscutt
  • erschienen im Selbstverlag Dezember 2017 http://www.flussrauschen.de
  • Taschenbuch
  • 314 Seiten
  • 13,99 €
  • ISBN Buchausgabe    978-3-9818878-0-8
  • ISBN E-Buchausgabe 978-3-9818878-1-5 (8,99 €)

SCHICKSALS  SCHLÄGE

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Es gibt Romane, die zwar bei einem Verlag erschienen sind, bei denen man sich jedoch wundert, wie sie jemals die Schwelle vom Lektorat zum Druck überschreiten konnten. Dann gibt es selbstverlegte Romane, bei denen es einen keineswegs wundert, daß das Manuskript keine Gnade vor einem Verlag fand. Lilian Muscutts Roman „Flussrauschen“ hingegen gehört zu der Sorte Roman, bei der man sich tatsächlich beim Lesen die Augen reibt und kaum glauben mag, daß sich kein Verlag für ihn fand und die Autorin selbst- verlegerisch aktiv werden mußte.

Der Journalist Udo Moosbach knabbert bitter an seinem Karriereknick: Nach einund- dreißig engagierten Dienstjahren wird seine Lokalredaktion geschlossen, und da er angesichts weitreichender medialer Personalschrumpfungen nicht der einzige arbeits- lose Journalist ist, sind seine beruflichen Aussichten trübe. Miserabel bezahlte Aufträge als sogenannter freier journalistischer Mitarbeiter hellen diese Aussichten nicht wirklich auf.

Da kommt ihm eine kleine Auszeit zur Besinnung und Neuorientierung ganz gelegen. Sein guter alter Freund Jan hat ihn dazu eingeladen, während einer längeren reisebe-dingten Abwesenheit in sein Backsteinhäuschen an der Wupper zu ziehen, seinen Hund Zorro zu hüten und sich in der guten Luft des Bergischen Landes und der kleinen Groß-stadt Solingen zu erholen. Im nahegelegenen Ausflugslokal „Am Wupperstrand“ hat Moosbach schon bald einige Bekanntschaften geschlossen und während einer geselligen Runde ein bißchen zu viel vom selbstgebrauten Bier des Wirts genossen.

Am nächsten Tag geht Udo Moosbach – wegen der Nachwehen seines Katers noch etwas ungelenk – mit Zorro im Wald Gassi und bestaunt die üppig wuchernde Pflanzenwelt der Wupperberge. Prompt stolpert er und läßt dabei die Hundeleine los, Zorro prescht zum Wupperufer vor und bleibt laut bellend an einem umgestürzten, in den Fluß hinein- ragenden Baumstamm stehen.

Moosbach folgt dem umtriebigen Hund und erkennt beim Näherkommen, daß Zorro eine Frauenleiche entdeckt hat, die sich in den Ästen des im Wasser liegenden Baum- stamms verfangen hatte. Das ist schon schlimm genug, aber Moosbach sieht zudem, daß es sich um die Leiche der schüchternen jungen Frau handelt, die er am Tag zuvor beim Gespräch mit Lore Berkenkötter, der Wirtin des Wupperstrands, flüchtig kennen- gelernt hatte.

Er informiert die Polizei, und nachdem die üblichen Formalitäten erledigt sind, unterhält sich Moosbach bei Kaffee und Brötchen lange mit Lore Berkenkötter über die junge Tote. Magda Albrecht, so erfährt er, lebte zusammen mit ihrer Großmutter unauffällig in einem kleinen, heruntergekommenen, feuchten und einsam gelegenen Fachwerk- haus im Wald. Sie war ebenso wie ihre Großmutter äußerst ängstlich, verschlossen, scheu und streng religiös. Vor einigen Monaten war die Großmutter an Krebs gestorben, und Magda hätte sich daraufhin fast von einer Brücke in die Wupper gestürzt.

Zufällig war Lores Mann wegen des drohenden Hochwassers zu einem Kontrollgang unterwegs gewesen, und so hatte die junge Frau gerettet werden können. Magda verbrachte einige Monate in der Psychiatrie und war an dem Tag entlassen worden, als Moosbach sie im Gespräch mit Lore am „Wupperstrand“ gesehen hatte. Als Moosbach anmerkt, wie extrem schüchtern ihm die junge Frau erschien, meint Lore, daß Magda an diesem Tag so aufgeschlossen und gesprächig, ja fast heiter, gewesen sei wie nie zuvor.

Das paßt nicht zur kriminalistischen Selbstmordvermutung, und Moosbachs journalisti-scher Spürsinn regt sich. Am nächsten Tag taucht Sanna auf, eine junge Frau, die sich in der Psychiatrie mit Magda das Zimmer geteilt hatte und die ebenfalls bestätigt, daß es Magda wesentlich besser gegangen und sie bei ihrer Entlassung voller Zuversicht war.

Moosbach und Sanna recherchieren gemeinsam weiter und bringen Licht in eine sehr, sehr dunkle Vergangenheit, in der die grausamen Kindesmißhandlungen in kirchlichen Waisenhäusern aus den 50er- und 60er-Jahren und die familiäre Weitergabe trauma-tischer Erfahrungen und Schuldkomplexe eine unheilvolle Rolle spielen. Wenn Magda also ermordet wurde, hängt dies offenbar mit gefährlichen Geheimnissen und früheren, vertuschten Verbrechen zusammen …

Der Kriminalroman „Flussrauschen“ von Lilian Muscutt hat viele Facetten, er ist spannend, er ist sozialkritisch, er bietet einfühlsame, kontrastreiche, zwischenmenschliche Milieustudien und schöne Beschreibungen der wild- romantischen, teilweise urwaldähnlichen Natur des Wupper-Flußlaufs. Besonders hervorzuheben sind die lebensechten Charaktere – was bei den Psychogrammen der sympathischen Figuren angenehm ist und bei den Psychogrammen der unsympathischen Figuren, den „Muffzoppen“, durchaus schmerzlich.

Die Romanstruktur ist abwechslungsreich, der Haupterzählstrang wird durch Magdas Tagebucheinträge sowie diverse Erinnerungsrückblenden verschiedener Figuren polyperspektivisch erweitert und sinnvoll ergänzt.

Das ernste Thema bekommt durch die warmherzig-mütterliche Wirtin Lore, die mit ihrem ausgeprägten Solinger Platt bei Moosbach und bei der ermit- telnden Kriminalkommissarin für amüsante Sprachverwirrung sorgt, eine vergnüglich-behagliche Note. Es dauert eine Weile, bis sich Moosbach in den Solinger Zungenschlag eingehört hat. Für die nicht ortskundigen Leser werden die schwer verständlichen Ausdrücke in Fußnoten übersetzt. Für mich als gebürtige Solingerin löst gelesenes Solinger Platt stets Schmunzeln aus, da ich seinen Klang sogleich mithöre.

 

Das Taschenbuch „Flussrauschen“ kann beim lokalen Buchhändler bestellt werden, sofern dieser mit dem Großhändler Libri zusammenarbeitet, weitere Bestellmöglich- keiten – auch für die elektronische Variante – finden sich auf der Webseite der Autorin: https://www.flussrauschen.de/roman/

Hier entlang zum Buchtrailer:

Die Autorin bietet außerdem musikalisch untermalte Lesungen aus „Flussrauschen“ an:
»Während die Solinger Autorin Lilian Muscutt liest, untermalen Robin Graff (Gesang, Gitarre) & Andreas Merten (Gitarre) die Passagen musikalisch. Die beiden Musiker – seit September 2017 als „The Roan River Project“ unterwegs – präsentieren Songs, die in den Flussrauschen-Proben entstanden. Die englischsprachigen Texte handeln von den Charakteren und wurden überwiegend von der Autorin verfasst. Auch die Musiker kommen beim Lesen zum Einsatz: So erlebt das Publikum ein faszinierendes „Hörbild“ mit verteilten Rollen.«

Aktuelle Termine (26.5.2019 Wuppertal und 7.6.2019 BÜCHERBUMMEL/Düsseldorf) finden Sie hier:  https://www.flussrauschen.de/termine/

Foto von Roman Holtwick ©

Die Autorin:

»Lilian Muscutt (*1977) studierte an der Universität von Sussex, England. Danach arbeitete sie über zehn Jahre als Journalistin. Sie lebt in Solingen. »Flussrauschen« ist ihr zweiter Roman.«  http://www.flussrauschen.de

 

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Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen

  • von Peter Daniell Porsche
  • Hanser Verlag, August 2012     www.hanser-literaturverlage.de
  • gebunden, mit Schutzumschlag
  • 232 Seiten
  • 19,90 €
  • ISBN 978-3-446-42918-5
  • Die gebundene Ausgabe ist inzwischen vergriffen.
  • Die Taschenbuchausgabe ist bei DTV erschienen.
  • 11,90 € (D), 12,30 € (A)
  • ISBN 978-3-423-34815-7

AUTO   BIO   GRAPHIE

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Um es gleich klarzustellen: Ich interessiere mich nicht die Bohne für Autos, ich kann gerademal eine Ente von einem Jaguar unterscheiden, und ich habe auch keinen Führerschein. Auch Autorennen oder Wettbewerbssportarten – egal ob rein körperlich oder unter Beteiligung von Fahrzeugen – erregen nicht das geringste Interesse bei mir.

Ich bin also die denkbar unwahrscheinlichste, aber auch unbestechlichste Rezensentin für ein „AUTObiographisches“ Buch.

In meiner Heimatstadt Solingen will es der berühmte Zufall, daß ein modernes, architektonisch-aerodynamisch abgerundetes Porsche-Zentrum direkt neben dem Sozial-Kaufhaus steht. Das Sozial-Kaufhaus wird von verschiedenen sozialen Trägern unterstützt und bietet zu wirklich kleinen Preisen gebrauchte Kleidung, Hausrat, Möbel, Bücher, CDs und Spielsachen an. Ökonomisch Bedürftige bekommen zusätzlich noch 20 Prozent Preisnachlaß. Jeder kann dort Sachspenden abgeben – eine sinnvolle Entsorgung z.B. unerwünschter Geschenke und sonstiger Überflüssigkeiten, die einem Anderen gewiß noch von Nutzen sein können.

Beide Kaufhäuser teilen sich eine Auffahrt und einen gemeinsamen Parkplatz, so daß der Sozialkontrast eine räumliche Nähe erreicht, die Seltenheitswert hat. Diese Über- schneidung gesellschaftlicher Parallelwelten führt zum Thema des Buches: „Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen“.

Peter Daniell Porsche ist ein Urenkel aus der Familie Porsche und zu einem Achtel Anteils- eigner an der Firma Porsche, und überraschenderweise ist er nicht Betriebswirt, Ingenieur, Rennfahrer oder gar Liegestuhlmillionär, sondern Musiktherapeut und Waldorfpädagoge. Damit hat er zunächst einmal gründlich einige meiner Vorurteile zerstreut und mich zur Lektüre seines Buches angeregt.

Es ist ein autobiographisches Buch, dabei sympathisch authentisch sowie dezent persönlich und keinesfalls peinlich enthüllerisch. Peter Daniell Porsche stellt eher seinen eigenwilligen Standpunkt zu bestimmten familiären, gesellschaftlichen und autotechnischen Themen dar und beschreibt, wie er seine Wertekoordinaten entwickelt hat.

Da sich sein Vater, über gesellschaftsschichtliche Unterschiede hinweg, in eine Angestellte aus dem eigenen Unternehmen verliebt und sie auch geheiratet hatte, war Daniell Porsche von Anfang an in bzw. zwischen zwei Welten zu Hause, was gleichermaßen emotionale Herausforderung und bereichernde Vielfalt für ihn bedeutete.

Seine Mutter interessiert sich sehr für Anthroposophie, und bewirtschaftete ihren Garten selbst und baute biodynamisch Gemüse an. Das waren für ihn erste Lern- und Erfahrungs- schritte in Nachhaltigkeit und Mitweltverantwortung. Die Eltern ließen ihr einziges Kind sehr naturverbunden aufwachsen, und sie unterstützten seine technische Entdeckungs- und Erfindungslust.

Peter Daniell Porsche porträtiert seine Eltern, die beiderseitigen Großeltern und deren Beziehungen untereinander sowie auch den jeweiligen Umgang mit Geld sehr mitmenschlich und anschaulich. Darüber hinaus streift er auch verschiedene Aspekte der Firmengeschichte.

„Während ich heranwuchs, gab es zwei Pole, die ich vereinen musste, das Soziale und das Wirtschaftliche, um es grob auf einen Nenner zu bringen.“ (Seite 160)

Die Lehren Rudolf Steiners bleiben ein roter Faden im Leben von Daniell Porsche. Er unterrichtet an der Paracelsus-Schule in Salzburg und unterstützt diese „Bildungsstätte für seelenpflege-bedürftige Kinder und Jugendliche“ großzügig aus seinen Porsche-Dividenden. Obwohl die Firma Porsche Bestandteil des Aktienmarktes ist, übt er zurückhaltende Kritik am modernen Finanz- und Aktienmarkt und beklagt den Mangel an Firmentreue bei den Aktien- haltern. Er verfaßt keine umfassende antikapitalistische Systemkritik, aber es ist ihm ein wichtiges Anliegen, die Wirtschaft sozial zu verpflichten.

„Zwar bin ich ein Porsche und gehöre damit einer Industriedynastie an, aber ich versuche zu zeigen, dass man Geld erwirtschaften und sozial ausgeben kann.“ (Seite 207)

Daniell Porsche macht sich auch Gedanken zur Nachhaltigkeit von Automobilen, zu alter- nativen Antriebstechnologien, zu technischen, akustischen und optischen Autoraffinessen, die autoaffine Leser gewiß ansprechen. Er ist autobegeistert, aber nicht auto-autistisch. Während der Lektüre gewinnt man den Eindruck, daß „der Herr Porsche“ ein familiärer und zuverlässiger Mensch ist, vielseitig interessiert sowie ernsthaft und freudig engagiert in und für die Sozialprojekte, die er betreut und finanziell begleitet.

Mitglied eines weltberühmten und sehr reichen Familienclans zu sein hat nicht nur Sonnen- seiten; eine Schattenseite und zwischenmenschliche Hürde ist z.B. die verständliche Unge- wißheit, ob die Öffentlichkeitwirksamkeit der eigenen Person und der finanzielle Spielraum oder die persönlichen, individuellen Qualitäten ausschlaggebend für eine Kontaktaufnahme sind – ganz zu schweigen von der unfreiwilligen öffentlichen Projektionsfläche, die man allen menschenmöglichen Vorurteilen bietet.

Würde man mich nicht in die Kategorie »Porsche« pressen, sondern könnte man mich als Musiktherapeut, als Eigentümer einer sozialen Einrichtung, als Streitschlichter, als Naturkost-ladenunterstützer etc. sehen, würde ich den Reichtum, der mir von Geburt an mitgegeben wurde, auch als etwas Schönes ansehen können. Dieser Reichtum wäre dann nicht mehr etwas, das mich ständig einholt, mich in die Ecke treibt, mir permanent ein schlechtes Gewissen auf die Brust oder Stirn schreibt, mich schlichtweg belastet. Ganz im Gegenteil. Dann wäre Reichtum etwas, von und mit dem ich gut leben könnte und von dem ich auch viele andere Menschen gut leben lassen könnte. Mit dem ich noch viele soziale Dinge initiieren kann, sozusagen als Zündkerze und Starter, die in späterer Folge Selbstläufer werden und auf eigenen Beinen stehen können. … Und die dann in der Welt etwas bewirken können.“ (Seite 223)

Die persönlichen Einnahmen aus dem Verkauf des Buches fließen zur Gänze an die Paracelsus-Schule. Das ist sehr stimmig, erfreulich und glaubwürdig, und genauso empfinde ich auch sein Buch. Peter Daniell Porsches Definition von Luxus gefällt mir ebenfalls, aber ich werde sie hier nicht zitieren – schließlich sollen Sie ja das Buch lesen.

 

Da die gebundene Ausgabe von HANSER vergriffen ist, folgt der Link zur Taschenbuchausgabe, die bei DTV erschienen ist:
https://www.dtv.de/buch/peter-daniell-porsche-es-gibt-noch-mehr-im-leben-als-autos-bauen-34815/

Der Autor:

»Peter Daniell Porsche wurde 1973 in Stuttgart geboren. Er ist Musiktherapeut und Waldorfpädagoge. Seit 2003 ist er mit der Paracelsus-Schule Salzburg eng verbunden, die seit 2005 Teil des Kulturzentrums St.Jakob am Thun ist.
Er ist Förderer zahlreicher sozialer, pädagogischer und künstlerischer Projekte. Der leidenschaftliche Ballonfahrer lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern am Gaisberg, wo er ein Grundstück mit Pferden, Ponys, Eseln, Hunden, Hühnern, einer Ziege, Schafen und zwei Katzen teilt

 

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