Füchse

  • Ein Portrait von Katrin Schumacher
  • Verlag Matthes & Seitz, 2020 http://www.matthes-seitz-berlin.de
  • NATURKUNDEN Nr. 60 www.naturkunden.de
  • Illustrationen: Falk Nordmann
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • 159 Seiten
  • Kleinoktav-Format: 12 x 18  cm
  • 20,00 € (D), 20,60 € (A)
  • ISBN 978-3-95757-855-6

F U C H S F A S Z I N A T I O N

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Katrin Schumacher umkreist den Fuchs, betrachtet ihn aus biologischer, literarischer, mythologischer und sozialer Sicht. So entsteht ein facettenreiches Bild, das den Fuchs nicht zähmt, sondern ihn in seiner natürlichen Wildheit respektiert und parallel dazu auch ein historisches und aktuelles Streiflicht menschlicher Projektionen auf den Fuchs wirft.

Bereits vor 15.000 Jahren wurden Füchse auf die Höhlenwände von Lascaux und Altamira gemalt und zahlreiche archäologische Fuchsknochenfunde weisen darauf hin, daß er auch als Opfertier für die Götter vewandt wurde.

Füchse sind Überlebenskünstler; sie sind sehr anpassungsfähig und finden als Nahrungsgeneralisten in fast allen Landschaftsgebieten Futter und Unterschlupf, was auch ihre weite Verbreitung erklärt sowie ihren Erfolg als Kulturfolger. Dabei ist zudem interessant, daß sich Stadtfüchse nicht mehr mit Landfüchsen paaren und Stadtfüchse weniger Scheu an den Tag legen.

Die sinnliche Wahrnehmungsspannbreite des Fuchses ist beeindruckend. „Ein Fuchs hört, wenn sich in anderthalb Kilometern Entfernung zwei Feldmäuse um einen Sonnen-blumensamen zanken, und er riecht detailliert die zwei Winter, die in dem alten Laub stecken, das vielleicht so alt ist wie er selbst.“ (Seite 29)

Der Fuchs lebt verborgen, und seine Finten und Raffinnessen, um Beute oder Jäger zu täuschen, sind legendär. Angeblich kann er sich totstellen, um sich gegebenenfalls bessere Flucht- oder Beutechancen zu verschaffen. Obwohl sich sein Fell in unseren Augen auffällig rötlich aus der Umgebung hervorhebt, bekommen wir ihn nur selten zu sehen.

Wieviele Füchse tatsächlich in Deutschland leben, ist nicht bekannt – sicher ist nur, daß pro Jagdsaison fast eine halbe Million Füchse getötet werden und daß im städtischen Raum etwa zehnmal mehr Füchse leben „als auf einer vergleichbaren Fläche im Wald“ (Seite 14). Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, daß die Bejagung der Füchse zu einer erhöhten Anzahl von Fuchsjungen führt. Und auch in Hinsicht auf das vorhandene Nahrungsangebot reguliert der Fuchs seine Populationsdichte bedarfsgerecht durch Vermehrung oder Verminderung der Anzahl von Jungtieren pro Wurf selbst.

Die Autorin wagt eine beachtlich differenzierte, kulturgeschichtliche Darstellung zum Thema Fuchsfellverarbeitung und zum Kürschner-Handwerk. „Jedes Pelztragen ist ein schamanischer Akt. Eine unheimliche und fadenscheinige Simulation der Unsterblich- keit, die davon erzählt, dass das Leben immer schon mit dem Tod infiziert ist.“ (Seite 88) Inzwischen werden Fuchsfelle sogar biologisch gegerbt und als nachhaltiger „Stoff“ vermarktet, sogar ressourcen-schonendes Pelzrecycling liegt im Trend.

Nach einem kurzen Abstecher zum japanischen Fuchsgeisterglauben, der dem Fuchs übernatürliche Gaben und märchenhafte Verwandlungsfähigkeiten zuschreibt, folgen wir den Spuren der Fabelfüchse von Aeosop, Jean de La Fontaine, Leonardo da Vinci, Gellert und Lessing.

Die Spur des Fuchses reicht weiter bis ins Kinderlied und Kinderbuch. Erscheint er im Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ von Ernst Anschütz und in den Geschichten von Selma Lagerlöf (Nils Holgerssohn) und Carlo Collodi (Pinocchio) listig, hinterhältig, als böses Hindernis und zu besiegender Feind, so wandelt sich seine Rolle mit dem Erschei-nen des Buches „Der kleine Prinz“ von Saint-Exupéry. In diesem Buch wird der Fuchs als kluger, philosophischer Gesprächspartner imaginiert und in der gegenwärtigen Kinder-literatur setzt sich diese charmante, freundlich-sympathisierende Vorstellung nachhaltig fort.

Die Kurzportraits verschiedener Fuchsarten mit sehr attraktiven, beinahe foto- realistischen Illustrationen von Falk Nordmann stellen folgende Füchse lexikalisch vor: Rotfuchs, Fennek (Wüstenfuchs), Polarfuchs (Eisfuchs), Schwarzsilberfuchs, Löffelfuchs, Korsak, Insel-Graufuchs, Marderhund (Obstfuchs), Bengalfuchs und Kapfuchs.

ROTFUCHS Illustration © Falk Nordmann, Verlag Matthes & Seitz 2020


Katrin Schumacher stellt den Fuchs ebenso als biologisch definierbares Lebewesen dar wie als mythologische Figur und poetische Projektion. Wir nähern uns dem Fuchs – und doch bekommen wir ihn nie ganz zu fassen. Der elegant-mäandernde Schreibstil der Autorin folgt gleichsam dem ungreifbaren, seltsam changierenden Wesen des Fuchses.

Und zum Abschluß kann ich hier wieder meinen lobeshymnischen Refrain zur buch- gestalterischen Materie der Reihe NATURKUNDEN singen. So ist auch der Band „Füchse“ (NATURKUNDEN Nr. 60) aus schmeichelgriffigem Papier für Einband, Vorsatzblätter und Buchseiten hergestellt. Die Typographie ist satt und lesefreundlich, der Kopfschnitt und die Fadenheftung in einem fuchsigen rotbraunrostorangenen Ton farblich fein abge- stimmt mit der Farbgebung des Bucheinbandes, und die zahlreichen alten und neuen Illustrationen sind ebenso schön wie aussagekräftig.

Hier finden wir den harmonischen Einklang zwischen substanzieller innerer und äußerer Buchqualität, wie sie für die von Judith Schalansky herausgegebene Reihe NATURKUNDEN Standard ist. Da kommt Sammellust auf!

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/fuechse.html?lid=3

 

Die Autorin:

»Katrin Schumacher, 1974 in Lemgo geboren, ist Literaturwissenschaftlerin und Journalistin. Sie lebte in Bamberg, Antwerpen, Hamburg, ist derzeit in Halle/Saale zu Hause und Redaktionsleiterin beim MDR Kultur. «


 

Querverweis:

Ergänzend bietet sich das ausführlich fotografisch bebilderte Buch von Silje Elin Matnisdal und Leiv Magnus Grøtte „Ayla. Meine ungewöhnliche Freundschaft mit einem Fuchs“ an, das vom vergeblichen Versuch handelt, einen Fuchs zu zähmen.
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/10/17/ayla/

Zusätzlich nun noch eine kleine Auswahl von Kinderbüchern mit sympathischen Fuchsfiguren:

»Nur ein Tag«
von Martin Baltscheidt (Text) und Wiebke Rauers (Illustration)
Die Geschichte vom warmherzigen Wildschwein und vom feschen Fuchs, die eine kleine, lebensfrohe Eintagsfliege mit einer Notlüge über die kurze Dauer ihres Daseins hinweg-täuschen, führt an einem einzigen Tag durch ein ganzes Leben.
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/10/13/nur-ein-tag/

»Der Tod auf dem Apfelbaum«
von Katrin Schärer (Text & Illustration)
„Der Tod auf dem Apfelbaum“ ist ein Bilderbuch, das zu Herzen geht und tief berührt. Es ist von einer sanftmütigen Intensität und ruhigen Klarheit, die leise lächelnd dem natürlichen Kreislauf von Leben und Tod die Ehre gibt.
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/03/20/der-tod-auf-dem-apfelbaum/

»Kleiner Fuchs großer Himmel«
von Brigitte Werner (Text) und Claudia Burmeister (Illustration)
Das Bilderbuch „Kleiner Fuchs Großer Himmel“ ist erfüllt von einer tiefen, zärtlichen Lebenszugewandtheit und heiteren Demut. Mit dieser Flügelspannweite gelingt hier das Kunststück, die kleine Endlichkeit tröstlich mit der großen Unendlichkeit zu verbinden. So gehören wir dem Leben, ohne es zu besitzen. https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/11/23/kleiner-fuchs-grosser-himmel/

»Der kleine Prinz – Bilderbuch«
von Agnès de Lestrade
(Text & Illustration)
„Der kleine Prinz“ erlebt eine Form der bibliophilen Reinkarnation, die sich in unter- schiedlichen Nacherzählungen und/oder Fortsetzungen manifestiert. Die hier nun vorliegende Nacherzählung von Agnès de Lestrade wendet sich an Kinder, denen vorgelesen wird. Die Autorin hat Antoine de Saint-Exupérys Klassiker kindgerecht abgekürzt und vereinfacht, ohne dabei den weiten Herzenshorizont und die emotionale Vielschichtigkeit von Saint-Exupérys Vorlage zu vernachlässigen. https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/11/27/der-kleine-prinz-bilderbuch/


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