Algen

  • Ein Portrait
  • von Miek Zwamborn
  • Originaltitel: »Zeewier«
  • Aus dem Niederländischen von Bettina Bach
  • mit farbigen Illustrationen von Falk Nordmann
  • Verlag Matthes & Seitz 2019, http://www.matthes-seitz-berlin.de
  • NATURKUNDEN Nr. 51 http://www.naturkunden.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Kleinoktav-Format: 12 x 18 cm
  • ISBN 978-3-95757-696-5
  • 20,00 € (D), 20,60 € (A)

Ü B E R L E B E N S K Ü N S T L E R

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Von den winzigen Kieselalgen, die einen „Großteil des Sauerstoffs in der Erdatmosphäre erzeugen“ (Seite 13), bis zu den riesigen Algenteppichen, aus der gold-braunen Algenart „Sargassum“, in denen sich in früheren Zeiten viele Schiffe buchstäblich verstrickten und die der Sargassosee ihren Namen gegeben haben, stellt uns die Autorin eine anschaulich-spannende Auswahl von Algen vor. 

Meeresalgen sind schon seit 1,7 Milliarden Jahren auf der Welt. Der botanisierende Mensch zählt sowohl die Mikro- als auch die Makroalgen zu den niederen Pflanzen. Algen finden sich in allen Klimazonen, und sie sind wahre Überlebenskünstler. Ausge- trocknete Algen lassen sich durch Bewässerung leicht reanimieren, was u.a. daran liegt, daß jede einzelne Zelle einer Alge sich autark mithilfe von Fotosynthese ernährt.   

Es gibt eine Grünalgenart (CCCryo 101-00), die nachweislich kosmische und ultraviolette Strahlung und das Vakuum im Weltall überlebt hat, da sie sechzehn Monate an der Außenseite der ISS mitgereist war. Aus den UV-Licht absorbierenden Pigmenten dieser Alge soll nun eine Sonnenschutzcreme für Menschen entwickelt werden.

Algen bieten vielen Meerestieren Nahrung und Schutz. Doch auch für Menschen sind Algen Nahrungsmittel und Heilmittel, sie eignen sich als natürlicher Dünger und als Tierfutter. Mischt man Algen unter das Viehfutter, so „mindert das den schädlichen Methanausstoß der Kühe“ (Seite 112). Manche Algenarten wie beispielswiese der Meer-salat eignen sich wegen ihrer großen Stickstoffbindekapazität zur Abwasserreinigung. Die Algenzucht könnte – regional und ökologisch betrieben – einige Probleme der Menschheit lösen, möglicherweise läßt sich sogar ein Kraftstoff aus Algen gewinnen.

Doch neben dem praktischen Algennutzen fehlt es der Autorin keineswegs an Bewun-derung und Achtung für die wellenwiegenden Wasserwesen. Sie berichtet von persön-lichen Tauchgängen und eigenen Beobachtungen, von Entdeckungsfreude, Sammellust, natürlicher Schönheit und Anmut.

Die sinnliche Farb- und Formenvielfalt der Algen findet Widerhall in künstlerischen Darstellungen vom Ausdruckstanz bis zu Stoffentwürfen. Wir finden hier Algengedichte, ja, sogar ein irisches Wiegenlied, in dem der irische Seetang den wiederkehrenden Refrain bildet.

Die Autorin berichtet vom filigranen Algenherbar der Algologin Eliza M. French (1809 – 1889) sowie vom ältesten Fotobuch der Welt, das mit erstaunlich lebendigen Cyano- typien von Algen aufwartet.

Botanische Erklärungen, historische und künstlerische Algenaspekte treffen sich in diesem Buch mit Hinweisen auf medizinische und kosmetische Verwendungsmöglich-keiten. Auch einige Algenkochrezepte, u.a. Pfeffertang-Joghurt, Knotentangbrot und Seejungfrauen-Konfetti, werden serviert.

Die Einzelporträts ausgewählter Algen (Federtang, Drahtalge, Meersalat, Trichteralge, Blasentang, Zuckertang, Fingertang, Sägetang, Purpurtang, Lappentang, Korallenmoos und Knorpeltang) beschreiben die botanischen Eigenschaften, den Nährstoffgehalt und kulinarische Verwendungsmöglichkeiten; so wird beispielsweise aus Knorpeltang das vegetarische Gelier- und Filtermittel Agar-Agar hergestellt. Ebenso botanisch-präzise wie künstlerisch-ästhetische Illustrationen von Falk Nordmann ergänzen und bereichern jede vorgestellte Algenart.

Und zum Abschluß kann ich hier wieder meinen lobeshymnischen Refrain zur buch- gestalterischen Materie der Reihe NATURKUNDEN singen. So ist auch der Band „Algen“ (NATURKUNDEN Nr. 51) aus schmeichelgriffigem Papier für Einband, Vorsatzblätter und Buchseiten hergestellt. Die Typographie ist satt und lesefreundlich, der Kopfschnitt und die Fadenheftung in dunkelgrün farblich fein abgestimmt mit der Farbgebung des Buch-einbandes, und die zahlreichen alten und neuen Illustrationen sind ebenso schön wie aussagekräftig.

Hier finden wir den harmonischen Einklang zwischen substanzieller innerer und äußerer Buchqualität, wie sie für die von Judith Schalansky herausgegebene Reihe NATURKUNDEN Standard ist. Da kommt Sammellust auf!

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der  Verlagswebseite:
https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/algen.html?lid=7

 

Die Autorin:

»Miek Zwamborn, geboren 1974 in Schiedam, ist bildende Künstlerin, Autorin und Übersetzerin von Arno Camenisch. Nach dem Studium der Bildenden Kunst in Amsterdam arbeitete sie 15 Jahre als Schleusenwärterin. Sie arbeitet und lebt auf der Isle of Mull, Schottland.«

Der Illustrator:

»Falk Nordmann, Zeichner und Illustrator, lebt und arbeitet in Berlin. Ab 2007 Umschlaggestaltungen und Autorenportraits, seit 2013 Tierillustrationen der Reihe Naturkunden für Matthes & Seitz Berlin.«

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/

28 Kommentare zu “Algen

    • Algen finden sich in der Tat nicht allzu häufig zwischen zwei Buchdeckeln, obwohl sie so weit verbreitet sind. 😉
      Sie sind einfach zu klein für die öffentliche Wahrnehmung, außer sie vermehren sich überschäumend und verunstalten Strände.

      Like

  1. In diesem Verlag gibt es nur wunderschöne Bücher oder? Ich sah sie hier mal auf einer kleinen Buchmesse und man möchte eigentlich alles mitnehmen. Hört sich toll an und ruft danach, in einer Natur-Buch-Galerie untergebracht zu werden. Schau ma mal. Danke für die schöne und appetitanregende Buchvorstellung 🙂

    Gefällt 2 Personen

    • Liebe Almuth,
      Deiner Feststellung über die wunderschöne Begehrenswertigkeit der NATURKUNDEN-Bücher kann ich nur lebhaft zustimmen.
      Vielen Dank für Deine zugeneigte Resonanz und Deinen ausdrücklichen Algenappetit. 🙂

      Gefällt 2 Personen

  2. Ich liebe die kleinen ‚Naturkunden-Bücher‘. Es stehen schon einige in meinem Regal. Nach Deiner wunderbaren Buchvorstellung finden vielleicht auch die Algen einen Platz in meinem Regal. Danke!!!

    Gefällt 1 Person

  3. Liebe Ulrike,
    nachdem ich letzte Woche schon keine Ahnung hatte, dass Korallen Tiere und keine Pflanzen sind, bin ich auch hier wieder vom neuen Wissen überwältigt.
    Ich wusste nur, dass ich mich immer von Algen fern halten sollte. Der hohe Jodgehalt wird nicht so gut von jeder Schilddrüse vertragen.
    Aber durch dieses Buch könnte eine Annäherung wieder erfolgen.
    Herzliche Grüße an Dich, Barbara

    Gefällt 4 Personen

  4. Liebe Ulrike,

    Bei Algen denke ich ja gleich erst einmal ans Futtern: zum Beispiel Sushi, denn Algen sind Vitamin- und Mineralienhochleistungslieferanten und es gibt sogar Kleidung aus Algen. Dabei ließ ich ihre Schönheit noch außen vor- und natürlich können sie auch giftig sein. Es gibt viel über sie zu lernen und in diesem Buch kommt sie auch künstlerisch umgesetzt zur Geltung. Klingt wie Bio-Unterricht von der Sorte, wie er mir so richtig gefallen könnte.

    Danke und liebe Grüße

    Amélie

    Gefällt 4 Personen

    • Liebe Amélie,
      verbindlichen Dank für Deine köstliche Resonanz. 😉
      Mit der ganzheitlichen Darstellung, die zum grundsätzlichen Markenzeichen der Buchreihe NATURKUNDEN gehört, wird in der Tat Bio-Unterricht angeboten, der dem Feengeschmack entspricht.
      Bücherfeen-Herzensgruß von mir zu Dir

      Gefällt 3 Personen

  5. Das ist nun mal ein Buch, das ich „zufälligerweise“ „kenne“. 😉 Dabei habe ich allerdings Glück, dass die Abenddämmerung naht. Denn bei Tageslicht beschaut ist es weder mit dem Kennen noch mit dem Zufall sehr weit her. Es ist nur so, dass ich mich nach deiner letzten Rezension etwas genauer in der Reihe „Naturkunden“ umgeschaut habe. Und da fand ich, dass das Algenbuch doch recht eigentlich eine spannende Angelegenheit sein dürfte. Und das bestätigst du hier nun ganz eindrücklich. Im Gegensatz zu den Korallen, denen man selten über den Weg läuft 😉 sind Algen ja buchstäblich allgegenwärtig (wie man sogar diesem Wort ansieht). In etlichen Flechten treffen wir sie sogar in einer Art WG mit Pilzen.
    Ganz besonders gefällt mir auch die Poesie dieser Naturkunden-Reihe. Das ist ja bei der Naturbeobachtung ganz wichtig. Denn wer nur „sachliche“ Informationen sammelt, schaut ja letztlich ganz scheuklappig am WESENtlichen vorbei. Wenn von „flamboyanten Rüschen“ die Rede ist und die Sinnlichkeit einer Algenart gepriesen wird, kommen wir faszinierenden Lebewesen auf wunderbare Weise nahe…

    Gefällt 4 Personen

    • Es freut mich sehr, daß Du Dich auf meine rezensorische Anregung hin selbständig auf die Leseforschungsreise zu weiteren NATURKUNDEN-Bänden gemacht hast. 😉
      Herzlichen Dank für Deine Ausführungen zu Algen und die Erwähnung ihrer an Land häufigen Symbiose-Verflechtungs-WG mit Pilzen.
      Ja, die Reihe NATURKUNDEN legt inhaltlich und stilistisch ausdrücklich Wert auf naturpoetische Facetten und Darstellungen der Themen. Ich finde außerdem, daß sich Wissen, das in einer Kombination aus Sinnlichkeit und Verstand angeboten wird, WESENtlich tiefer einprägt und auch nachhaltiger begeistert und fasziniert.

      Gefällt 4 Personen

  6. Herzlichen Glückwunsch zum Buch, die Leser werden sicherlich sehr daran interessiert sein, die historischen und künstlerischen Aspekte von Algen kennenzulernen. Vor allem in Bezug auf seine medizinischen und kosmetischen Anwendungen, die heute sehr gefragt sind.
    Ihr Buch wird sicherlich begrüßt,
    Meine Grüße
    Manuel (Chile-Südamerika)

    Gefällt 3 Personen

    • Hab‘ Dank, liebe Nina,
      für Dein positives Leseecho!
      Angesichts der weiträumigen Verbreitung von Algen und der vielfältigen – auch kulinarischen – Nutzungsmöglichkeiten bietet es sich durchaus an, diese Lebewesen auch für Otto-Normal-Verbraucher lesbar aufzublättern. 🙂
      Sonnige Grüße von Ulrike

      Gefällt 4 Personen

Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!