Lasse findet einen Schatz

  • Text  von Frank Hartmann
  • Illustrationen von Irina Bruder
  • Verlag Urachhaus, 2. Auflage Februar 2016   www.urachhaus.com
  • Format: 24,5 cm x 24,5 cm
  • 40 Seiten
  • gebunden, Fadenheftung
  • 14,90 € (D), 15,40 € (A)
  • ISBN 978-3-8251-7668-6
  • Bilderbuch ab 4 Jahren
    Lasse findet einen Schatz Titelbild

W O R T W A H L

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

„Lasse findet einen Schatz“ ist sehr gut geeignet, Kindern (und Erwachsenen ebenso!) den Gestaltungsspielraum der Sprache deutlich zu machen und für die VerantWORTung, die mit der Wortwahl einhergeht, zu sensibilisieren. Außerdem läßt sich das Bilderbuch als kommunikativer Vermittler zur Streitschlichtung zwischen Kindern nutzen.

Lasse sitzt geknickt am Abendbrottisch; selbst der Schokoladeneisnachtisch kann seine betrübte Stimmung nicht aufhellen. Er hat sich mit seinem besten Freund Vincent gestritten und ihn in seiner aufwallenden Wut als Blödmann bezeichnet. Vincent hat sich daraufhin einfach schweigend von ihm abgewandt. Lasse ist sich durchaus bewußt, daß Worte verletzen können, inzwischen schmerzt ihn das Schimpfwort selbst, und er bedauert, daß er es überhaupt ausgesprochen hat.

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Illustration Irina Bruder © Verlag Urachhaus 2016

Nachdenklich schläft er ein und landet im Traum weich in einem großen Netz voller Wörter. Verwundert schaut sich Lasse um und sieht, daß ununterbrochen neue Wörter nachkommen. Ein freundlicher, bebrillter Mann hilft ihm aus dem Netz heraus. Er stellt sich als Hieronymus Wortreich vor und erklärt Lasse, daß er alle Wörter – gesprochene, geschriebene, gelesene, gehörte und ungehörte Wörter sammle.

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Illustration Irina Bruder © Verlag Urachhaus 2016

Auf Lasses Frage, was er denn mit all diesen zahllosen Wörtern mache, antwortet Hieronymus, daß er sie thematisch sortiere, ihrem Klang nachspüre und sie zu neuen Wortschöpfungen, Sätzen, Geschichten und Liedern zusammenfüge. Es gibt auch eine große Kiste mit vereinzelten Buchstaben; diese Überbleibsel sind die vielen, vielen gelöschten Buchstaben, die seit der Nutzung des Computers von den schreibenden Menschen „produziert“ werden. Mit den Einzelbuchstaben repariert Hieronymus beschädigte Wörter und Wortfetzen.

Fasziniert betrachtet Lasse die Regale voller Kisten und Schubfächer für alle möglichen Arten von Wörtern. In der AUSREDEN-Kiste findet er einige nützliche Sätze, die Wörter aus der Kiste mit dem MEDIZINISCHEM WORTSCHATZ sind ihm indes etwas zu lang und zu kompliziert, leichter sind die LACHWORTE und die WIDERWORTE, und eine der größten Kisten enthält die NAMENWORTE, ja, es gibt sogar eine Kiste mit der Bezeichnung OHNE WORTE.

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Illustration Irina Bruder © Verlag Urachhaus 2016

Etwas verschämt sucht Lasse nach den SCHIMPFWORTEN, und als Hieronymus fragt, welches Schimpfwort er denn genau suche, da bringt er ihm eine Kiste mit der Aufschrift: WORTE, DIE WEHTUN. Lasse findet seinen ausgesprochenen „Blödmann“ ganz obenauf liegend, er greift das Wort buchstäblich heraus, und es liegt scharfkantig, hart und schwer in seiner Hand. Lasse fühlt sich nicht wohl damit und will es in die Abfall- kiste werfen und loswerden.

Hieronymus macht ihn freundlich, aber bestimmt darauf aufmerksam, daß er auf diesem Wege das einmal Gesagte nicht ungeschehen machen könne, sondern er solle sich aus der Kiste der WIDERGUTMACHWORTE etwas aussuchen, das er seinem Freund zum Ausgleich und zur Versöhnung sagen könne.

Aufmerksam lauscht Lasse solchen Sätzen nach wie „Es tut mir leid!“, „Ich wollte dir nicht wehtun!“ oder „Verzeih mir …“, „Ich hab dich lieb!“ usw., und er wählt nun diejenigen aus, die ihm passend erscheinen.

Dankbar verabschiedet sich Lasse von Hieronymus Wortreich, und als er am nächsten Morgen erwacht, freut er sich schon darauf, Vincent zu besuchen und ihm mit Worten, die sich gut anfühlen, entgegenzukommen.

Worte haben nicht nur eine klare Bedeutung, sie haben eine spürbare Anfühlung. Lasses Erkenntnis „… manche Worte tun weh wie ein Fußtritt. Aber es gibt auch welche, die fühlen sich an wie eine Umarmung!“ dürfte wohl jedem Kind einleuchten.

Die alltägliche und leicht nachzuempfindende Ausgangssituation und die in einfachen, doch gleichwohl einfühlsamen Worten erzählte Traumbelehrung illustrieren buchstäblich die unermeßliche Fülle und Reichhaltigkeit des Wortschatzes. Die kindlich-schlichten Buntstiftzeichnungen bieten der Geschichte ein unaufgeregtes Bühnenbild, und sie geben beiläufig manchen zu entdeckenden Worten synästhetische Gestalt.

Dieses Bilderbuch eröffnet Sprachspielräume, und es wundert mich keineswegs, daß es bereits mehrfach für die Bühne adaptiert wurde.

Die in der Geschichte vorgegebenen Wortkisten können spielerisch um eigene Varianten ergänzt werden, und vielleicht mag das eine oder andere Kind sogar selber eine Schachtel mit persönlichen Lieblingswörtern füllen. Kinder können Worte malen, ihnen Farben geben, sich Worte auf der Zunge zergehen lassen …

Auch direkt beim Vorlesen bieten sich viele situative Anknüpfungspunkte, um Kinder mitreden und mitträumen zu lassen und auf Worterforschungsreise zu gehen.

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Bilderbuch/Lasse-findet-einen-Schatz.html

Der Autor:

»Frank Hartmann, Jahrgang 1964, studierte Religionspädagogik und arbeitete 9 Jahre als Gemeindediakon in der Nähe von Celle. Von 2002 bis 2009 leitete er einen Kindergarten in Hamburg. Seit 2010 ist er freiberuflicher Autor, schreibt Kinder- und Kurzgeschichten, Lyrik und religionspädagogische Fachliteratur. Außerdem bietet er Seminare für Erzieherinnen im Großraum Hamburg an und arbeitet auf einem Demeter-Gemüsehof. Frank Hartmann hat einen Sohn und lebt in Nienwohld.« http://www.autor-frankhartmann.de

Die Illustratorin:

»Irina Bruder, 1981 geboren, studierte Kunsttherapie und –pädagogik in Ottersberg. Das Interesse für die Illustration entdeckte sie während des Studiums und traf 2007 Frank Hartmann. Zusammen mit ihm sind bis heute zwei Kinderbücher entstanden. Derzeit lebt sie mit ihren beiden Söhnen in Offenburg und arbeitet als Kunstpädagogin an einer Waldorfschule sowie im therapeutischen Bereich mit Kindern und Jugendlichen. http://www.irinabruder.de

Querverweis:

Lasse findet einen Schatz“ ergänzt sich thematisch sehr gut mit den sprachsensiblen und wörterkreativen Bilderbüchern:
Die große Wörterfabrik https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/07/08/die-grose-worterfabrik/
und Der Bär und das Wörterglitzern https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/10/04/der-baer-und-das-woerterglitzern/

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