Einfach anziehend

  • Der Guide für alle, die Wegwerfmode satthaben
  • von Kirsten Brodde und Alf-Tobias Zahn
  • Oekom Verlag  Oktober 2018   www.oekom.de
  • Klappenbroschur
  • 144 Seiten
  • Format: 16,5 x 22,5 cm
  • ISBN 978-3-96238-054-0
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A)

KLEIDUNG  FÜRS  LEBEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Es gibt nichts Teureres als billig – dieser kluge Rat gilt nicht nur für Lebensmittel, Werk-zeuge, Möbel, Geschirr, Besteck, Schuhe usw. sondern auch für Textilien.

Das hochinformative Buch „Einfach anziehend“ von Kirsten Brodde und Alf-Tobias Zahn liefert nützliche Hinweise, wie man aufdringlicher Fast-Fashion entkommen kann, und überzeugende Argumente, warum man der nur scheinbar billigen Wegwerfmode wider-stehen sollte. Mit fundierter Materialkunde, Orientierung über glaubwürdige Textil- siegel, Hintergrundinformationen zu den mitwelt- und mitmenschschädlichen Neben- wirkungen der konventionellen Textilproduktion, anschaulicher Freude an eigenwilli- gem Kleidungsstil und zahlreichen Hinweisen auf einfallsreiche, kreative, nachhaltige Alternativen zur Massenware werden wir buchstäblich zu dem Stoff geführt, aus dem eine ökologische und fair produzierte sowie individuell-stilvolle Garderobe besteht.

Wußten Sie, daß jeder Deutsche im Jahr durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke kauft?

Wußten Sie, daß bei der Herstellung eines Kleidungsstücks bereits 25 % „Abfall“ übrig bleiben und namhafte Billig-Modemarken, aber auch Edelmarken alljährlich tonnen- weise unverkäufliche Ware verbrennen?

Wußten Sie, daß die Textilindustrie zwar Arbeitgeber für weltweit 75 Millionen Menschen ist, diese aber miserabel und keineswegs existenzsichernd bezahlt? Arbeit- nehmerrechte, Arbeitsschutzmaßnahmen und geregelte Arbeitszeiten kommen ebenfalls nicht vor.

Sie wollen noch mehr wissen? Nachfolgend liste ich nur noch drei Nebenwirkungen der massenhaften Billigmode auf:

Die Textilindustrie ist verantwortlich für 20 % der weltweiten Wasserverschmutzung und für den Einsatz von 1,7 Millionen Tonnen Farbstoffen und vielen weiteren Chemi- kalien. Die Herstellung einer einzigen Jeans beansprucht etwa 7.000 Liter Wasser.

Für den konventionellen Baumwollanbau kommen 16 % der weltweit genutzten Pestizide zum Einsatz.

Über 60 % der Stoffe enthalten Polyester. „Die billige Kunstfaser ist der große Treiber der Fast-Fashion-Industrie – und entpuppt sich als Desaster für die Ozeane. Denn Kleidungsstücke fusseln bei jeder Wäsche: eine einzige Fleecejacke kann bis zu einer Million Fasern pro Waschgang freisetzen, die dann in Flüsse und Meere gelangen.“
(Seite 13)

Und nun zum Hoffnungsschimmer: Es gibt inzwischen eine Menge kleiner Textilher-steller, die ökologisch und fair produzieren und eine große modische Geschmacks- und Designvielfalt aufweisen. Selbstverständlich hat diese Kleidung einen höheren Preis, da sowohl bei der Qualität der verarbeiteten Materialien als auch bei der Bezahlung der Näherinnen nicht gespart wird.

Bei einem konventionellen Kleidungsstück schlägt die Kalkulationsmarge für  die soge-nannte Konfektion, in der der Arbeitslohn enthalten ist, mit lediglich etwa 1,6 Prozent des Verkaufspreises zu Buche. Produziert man mit fairen Löhnen, dann muß diese Marge deutlich höher sein. Dafür bekommt man jedoch ein Textil, das langlebiger ist und meist problemlos recycelt werden kann.

Und wer sagt denn, daß Kleidung immer neu sein muß? Wie wäre es mit Kleidertausch unter Freunden und Freundinnen, mit Kleidung aus zweiter Hand, mit Selbernähen oder pfiffigen Ausbesserungen und kreativem Upcycling? In Berlin gibt es mit dem Verein „Bis es mir vom Leibe fällt“ ein Atelier für „den kreativen Umgang mit gebrauchten Textilien in einer reparaturbedürftigen Welt“ https://bisesmirvomleibefaellt.com/. Dort findet man interessante Anregungen, um aus alt neu zu machen.

Auch Modehersteller bieten Ausbesserungen an, so wie die deutsche Männermode-Firma Brainshirt, bei der man verschlissene Kragen und Manschetten austauschen lassen kann, um die Lebensdauer der Hemden zu verlängern.

Ja, sogar Leihkleidung ist inzwischen eine Alternative, um Abwechslung in den Klei- dungsstil zu bringen, ohne ein Mehr anzuhäufen. So kann man etwa bei »Kilenda«, »Kindoo« oder »Räubersachen« Kinderkleidung mieten. Erwachsene werden fündig bei »Kleiderei« oder »myonbelle.de«

Die Autoren regen dazu an, zunächst einmal den Inhalt des eigenen Kleiderschranks genau zu inspizieren und zu sortieren. Was nicht gefällt, nicht mehr paßt usw. wird wahlweise verschenkt, getauscht oder gespendet. Kleidungsstücke, die einer Ausbesser-ung bedürfen, werden entweder selbst oder vom Schneider des Vertrauens in Ordnung gebracht. Dies führt zu einem übersichtlichen, ja, bestenfalls sogar minimalistischen Kleiderschrankinhalt, der nur noch die Textilien enthält, die man auch wirklich anzieht und mag und die sich gut miteinander kombinieren lassen. Ergänzend bietet sich zudem eine Klamottenkur an: https://jetztrettenwirdiewelt.de/aktionen/klamottenkur/

Man sollte seinen eigenen Stil finden und kultivieren, um sich von flatterhaften Mode-diktaten zu befreien. Anstatt dem neuesten Trend nachzueifern, lohnt es sich, in Secondhand- und Vintage-Läden hochwertige, preisgünstige oder einfach originelle Kleidung zu finden. Und wenn es denn unbedingt etwas Neues sein soll, dann geht man dank der Informationen aus dem vorliegenden Buch wesentlich bewußter und textil- sachkundiger einkaufen und fällt nicht auf Wegwerfmode herein.

Seien Sie wählerisch in Hinsicht auf Qualität und ethischen Anspruch, und auch wenn Sie biologisch angebaute Naturfasern wählen, behalten Sie gleichwohl folgendes im Sinn: „Das umweltfreundlichste Kleidungsstück ist dasjenige, das ich schon seit zehn Jahren trage.“ (Seite 114)

Die Autoren listen die geläufigsten Textilfasern auf, beginnend mit Naturfasern (Baum-wolle, Leinen, Hanf, Wolle, Seide, Daunen), über Synthetikfasern (Polyester, Polyacryl, Polyamid, Elastan) und Cellulose-Regeneratfasern (Viskose, Modal, »EcoVero«, Lyocell, Bambusfaser) bis hin zu unterschiedlichen Recyclingfasern. Dabei erläutern sie Vor- und Nachteile, Trageeigenschaften, die ökologischen Konsequenzen sowie die mögliche oder unmögliche Wiederverwertbarkeit der jeweiligen Faser. Die Kombination von Natur- fasern mit Kunstfasern ist übrigens problematisch: Nur 1 % Elasthan erschwert die Wiederverwertung eines Stoffes bereits drastisch.

Interessante, vielversprechende neue Fasern werden ebenfalls vorgestellt – wie beispielsweise die aus Milchabfällen hergestellte Milchfaser »Qmilk«, »Orange Fiber«, die aus Schalen und Pressrückständen der Orangensaftproduktion erzeugt wird, und »Piñatex«, ein lederartiges Textilvlies aus gepreßten Ananasblattfasern.

Eine kurze Abschweifung zu Schmuck aus fair gehandelten Edelmetallen und Recycling-Gold und -Silber erweitert den Nachhaltigkeitsaspekt ganzheitlich auch um dekorative Accessoires.

Im umfangreichen Serviceteil von „Einfach anziehend“ finden sich zahlreiche Hinweise, Adressen und Links auf weiterführende Modeblogs, wissenswerte Dokumentationen, Kampagnen und Organisationen, Buchempfehlungen zum Thema Öko-Textilien und Minimalismus sowie eine deutschlandweite, nach Städtealphabet geordnete Adressenliste mit über 130 Geschäften, die sich auf nachhaltige Mode spezialisiert haben.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.oekom.de/nc/buecher/gesamtprogramm/buch/einfach-anziehend.html

Hier entlang zum Blog zum Buch:
https://www.einfach-anziehend.de/

Die Autoren:

»Kirsten Brodde ist Deutschlands profilierteste Kritikerin der Textilindustrie. Sie leitet die globale Detox-Kampagne von Greenpeace, die sich mit den Umweltschäden der über-hitzten Modebranche beschaäftigt. Ihr Buch „Saubere Sachen“ (2008) ist ein Standartwerk zum Thema Ökomode.«

»Alf-Tobias Zahn ist Blogger und arbeitet als Kommunikationsberater und Projektleiter bei „Studio GOOD Berlin“. Er bloggt und schreibt seit Jahren über Grüne Mode. In seinem Blog GROSS∆RTIG https://www.grossvrtig.de/ stellt er grüne Schätze mit Substanz und Stil vor.«

 

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