Hanf

HANF
BEWUSSTSEINSERWEITERND

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Ute Woltrons Buch ist eine Hommage an den Hanf. Elegant mäandert sie zwischen kulturhistorischen und botanischen Hanfbetrachtungen, persönlichen Hanfanbau- erfahrungen, Hanfzubereitungen und den segensreichen natürlichen Heilwirkungen des Hanfs.

Wußten Sie, daß die Gutenberg-Bibel auf Hanfpapier gedruckt wurde, daß Karl der Große seinen Bauern den Hanfanbau ausdrücklich gebot und diese ihre Steuern mit Hanfsamen zahlen durften, daß das Zeitalter der Segelschiffe von den witterungsbe- ständigen und reißfesten Segeln und Tauen aus Hanffaser beflügelt wurde? Wußten Sie, daß es – belegt durch archäologische Funde in China – bereits zwischen 800 und 400 vor unserer Zeitrechnung Hanfttextilien und sogar noch ältere Hanfpapiere gab? Wußten Sie, daß die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten des Cannabis die Linderung von Asthma, Migräne und Übelkeit, chronischen Schmerzen, Grünem Star, Multipler Sklerose, Polyarthritis, Tinnitus u.v.a. umfassen?

Ich möchte fast wetten, daß Sie dies nicht wußten, sondern stattdessen so wie ich mit der dramatisch-propagandistischen Warnung vor Hanf bzw. Cannabis/Marihuana als fatale Einstiegsdroge, Abstieg in unweigerliche Kriminalität und unausweichliche Sucht vertraut sind. Wie kam es dazu, daß eine Pflanze, die der Menschheit seit Jahrtausenden als schnellwachsender, robuster Fasermateriallieferant, Futter-, Heil- und Nahrungs- mittel diente, dermaßen in Verruf geriet und kriminalisiert wurde?

Der Kreuzzug gegen die „Droge“ Hanf begann Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA, pflanzte sich von dort aus weltweit propagandistisch fort und führte dazu, daß auch der Anbau von Hanfsorten, welche über keinen nennenswerten, psychoaktiven THC-Gehalt verfügen, wie beispielsweise Faserhanf, verboten wurde.

Als sich im Jahre 1937 die American Medical Association gegen das Verbot von Hanf aus-sprach und den medizinischen Wert des Marihuanas betonte und eine weitere Studie zu dem Ergebnis kam, daß der Genuß von Marihuana keine gefährlichen persönlichkeits- verändernden Wirkungen habe, bezeichnete der lobbygelenkte oberste politische Drogenbekämpfer, Harry Jacob Anslinger, diese Studien als unwissenschaftlich, veran- laßte eine Gegenstudie und verbot kurzerhand für die Zukunft weitere Studien zur Wirkungsweise von Cannabis.

Das acht Jahrzehnte währende Verbot von Hanf ist ein lehrreiches Beispiel für eine welt-weite politische und mediale Diffamierungskampagne im Interesse wirtschaftlicher Profiteure aus Baumwollfarmern, Papier- und Pharmakonzernen. Der schnellwach- sende Hanf und die wesentlich haltbareren Produkte, die sich aus seinen Fasern herstellen lassen, standen in Konkurrenz zu den vergleichsweise minderwertigen und kurzlebigen Produkten aus Zellstoff und Baumwolle.

Erst seit den 90er Jahren werden die Hanf-Verbote gelockert, medizinische Anwendung-en schrittweise zugelassen und der Anbau von Faser- und Futterhanf – behördlich kon-trolliert – genehmigt. Es bedurfte mutiger Ärzte und Patienten, deren letzter Heilungs-ausweg Cannabis war, um Hanf nach und nach zu rehabilitieren und wieder salonfähig zu machen.

Eine Studie der WHO aus dem Jahre 1997 kommt zu folgendem Ergebnis:

„Es gibt gute Gründe festzustellen, dass Cannabis nicht dieselben Risiken für die öffent-liche Gesundheit mit sich bringt wie Alkohol und Tabak, selbst wenn genauso viele Men-schen Cannabis benutzen wie jetzt Alkohol trinken oder Tabak rauchen.“ (Seite 116)

Man könnte fast sagen, daß die Autorin Ute Woltron von der Hanfpflanze höchstper-sönlich dazu aufgefordert wurde, sich unvoreingenommen mit ihr zu beschäftigen. Eines Tages tauchte in einem ihrer Gartenbeete eine Hanfpflanze auf. Sie ließ die Pflanze wachsen und gedeihen und begann, sich theoretisch und praktisch in das Thema Hanf zu vertiefen und Stoff für ihr Buch zu sammeln.

Die Autorin bettet die aufklärenden botanischen, gesellschaftspolitischen, juristischen, kulinarischen, kulturhistorischen und medizinischen Sachinformationen zum Hanf in einen lebendigen, mit köstlichen Anekdoten gewürzten literarischen Erzählton, der die Lektüre sowohl inhaltlich als auch stilistisch zu einem spannenden, sinnlichen, ja, sogar ausdrücklich Hanfappetit weckenden Genuß macht.

Und zum Abschluß kann ich hier wieder meinen lobeshymnischen Refrain zur buch- gestalterischen Materie der Reihe NATURKUNDEN singen. So ist auch der Band „Hanf“ (NATURKUNDEN Nr.61) aus schmeichelgriffigem Papier für Einband, Vorsatzblätter und Buchseiten hergestellt. Die Typographie ist satt und lesefreundlich, der lindgrüne Kopf-schnitt ist farblich fein abgestimmt mit der Farbgebung des Bucheinbandes; die Faden-heftung erscheint diesmal interessant farbkontrastisch in violett und die zahlreichen alten und neuen Illustrationen sind ebenso schön wie aussagekräftig.

Hier finden wir den harmonischen Einklang zwischen substanzieller innerer und äußerer Buchqualität, wie sie für die von Judith Schalansky herausgegebene Reihe NATURKUNDEN Standard ist. Da kommt Sammellust auf!

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/hanf.html?lid=4

Die Autorin:

»Ute Woltron, geboren 1966 in Neunkirchen, studierte Architektur in Wien und arbeitet als Journalistin zum Thema Wirtschaft, Architektur und Reisen. Zu ihren Veröffentlich-ungen zählen u. a. Menschen sind auch nur Gärtner: Freche Gartengeschichten (2009) sowie 99 Genüsse, die man nicht kaufen kann – Selbstgemachte Köstlichkeiten aus Natur & Garten (2011).«

Die ungekürzte Hörbuchausgabevollendet gelesen von Frank Arnoldist im April 2020
bei DAV (der Audio Verlag https://www.der-audio-verlag.de/ ) erschienen.

  • 3 CDs in Pappklappschuber
  • Laufzeit: 3 Stunden, 29 Minuten
  • 20,00 €
  • ISBN 978-3-7424-1512-7

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.der-audio-verlag.de/hoerbuecher/hanf-ein-portrait-woltron-ute-978-3-7424-1512-7/

hanf-ein-portrait-woltron-ute-9783742415127-HÖRBUCH

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/