Der größte Raubzug der Geschichte

  • Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden
  • von Matthias Weik und Marc Friedrich
  • Überarbeitete und aktualisierte Taschenbuchausgabe
  • Bastei Lübbe, April 2014   http://www.luebbe.de
  • 383 Seiten
  • 11,00 €
  • ISBN 978-3-404-60804-1
    1_6_0_5_3_9_4_978-3-404-60804-1-Weik-Der-groesste-Raubzug-der-Geschichte-org

KAPITALVERBRECHEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Das ist Aufklärung im besten Sinne: sachlich, engagiert, leicht zugänglich und sogar humorvoll formuliert, zudem spannend und wirklich wissenswert, nicht bloß flüchtig informativ, sondern ganzheitlich betrachtet und wirklichkeitsnah.

So anschaulich und begreiflich, wie mir in diesem Buch Zahlen und Diagramme präsentiert wurden, da habe sogar ich das kleine Einmaleins mit den vielen Nullen des Geldes begriffen.

Im ersten Kapitel lernen wir den elementaren Unterschied zwischen „gedecktem Geld“ und „ungedecktem Geld“. Bei gedecktem Geld bestehen die Münzen aus werthaltigem Edelmetall, und für jede Papiergeldnote muß bei der Zentralbank ein realer Sachwert (z.B. Gold oder Silber) hinterlegt sein. Dieser „Goldstandard“ beschränkt die Herausgabe von Papiergeld durch die Zentralbank auf die wirklich vorhandenen Vermögenswerte, und eine inflationäre Geldvermehrung – wie sie gegenwärtig praktiziert wird – ist gar nicht möglich und auch nicht erlaubt. Im System des gedeckten Geldes kann man also – gesetzlich garantiert – einen Geldschein gegen den entsprechenden Gold oder Silberwert einlösen.

Ungedecktes Geld (auch FIAT-Geld genannt) ist Geld, das per Staatsbeschluß aus dem Nichts (ungedeckt) in unbegrenzter Menge erschaffen bzw. durch die Notenpresse gedruckt wird. In diesem – unserem heutigen – Geldsystem haben die Münzen einen unerheblichen Materialwert, und weder für die Münzen noch für die Banknoten existiert ein hinterlegter realer Wert, und dementsprechend besteht auch keinerlei Rechtsanspruch auf Einlösung des FIAT-Geldes in z.B. Gold oder Silber. Das ungedeckte Geldsystem funktioniert auf der Basis von Vertrauen.

Der Austausch von Waren und Dienstleistungen durch Vermittlung von Papiergeld geht so lange gut, wie von allen Marktteilnehmern an die Glaubwürdigkeit des Geldwertes geglaubt wird. (Daß der Kapitalismus eine Religion ist, hat der Kabarettist Volker Pispers ja auch schon sehr pointiert formuliert.)

Im ungedeckten Geldsystem haben Geschäftsbanken zwei Möglichkeiten, sich Geld zu beschaffen. Sie nehmen einen Kredit bei der Zentralbank auf und müssen dafür z. Z. sehr niedrige Zinsen zahlen, die – sofern die Zentralbank Gewinn erwirtschaftet – dem Staatshaushalt und damit dem Gemeinwohl dienen. Die zugeteilte Geldmenge richtet sich nach dem Liquiditätsbedarf und der Gesamtmenge der von den Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegten Mindestreserven an Eigenkapital.

Die zweite Möglichkeit der Geldvermehrung aus dem Nichts geschieht durch Kredit- vergabe an die Geschäftsbankkunden. Entgegen der naiven und wahrscheinlich immer noch allgemein verbreiteten Auffassung verleihen die Banken nicht die Spareinlagen ihrer Kunden an Kreditnehmer, sondern das der Bank gegebene Geld dient lediglich dem gesetzlich vorgeschriebenen einprozentigen Mindestreservesatz (seit Januar 2012, zuvor waren es noch „astronomische“ zwei Prozent) bei der EZB.

So werden aus 100 Euro, die z.B. auf Ihrem Girokonto „ruhen“ 10 000 Euro Buchgeld, das die Bank mit gefräßigen Zinsen als Kredit verleiht. Dieses gerierte Buchgeld für die Kreditvergabe und auch Ihr hoffentlich positiver Kontostand sind jedoch nichts weiter als ein Zahlungsversprechen.

Buchgeld ist jedoch – im Gegensatz zum Bargeld – kein gesetzliches Zahlungsmittel und unterliegt keiner gesetzlichen Annahmepflicht, wird jedoch im Wirtschaftsleben allgemein akzeptiert.“  (Seite 31)

Jetzt erkennen wir auch, welch Eigennutz und Tarnvorrichtung hinter der Vorliebe der Banken für den bargeldlosen Zahlungsverkehr steckt. Es gibt schlicht und einfach gar nicht so viel Bargeld, wie es Buchgeld gibt. Die Autoren vergleichen das multipel multiplizierte Buchgeld mit einem ungedeckten Scheck, der, wenn er von einer Privat- person ausgestellt wird, als Betrug geahndet würde. Wenn indes Banken das gleiche machen, ist es ein Geschäftsmodell zur Geldschöpfung aus dem Nichts. Dieses Geld wiederum verleihen die Banken mit unbescheidenen Zinsen an Unternehmen, an unseren Staat und an uns.

Doch das reichte der Finanzindustrie noch lange nicht; die Geldsucht gewisser Interessengruppen bahnte sich international ihren Einfluß auf die Gesetzgebung, setzte die Deregulierung der Finanzmärkte durch und entzog sie einer demokratischen Kontrolle.

Als historische Stichworte nenne ich hier nur die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer im Jahre 1990 unter der Regierung Kohl und die Aufhebung der Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken (Glass-Steagall Act) im Jahre 1999 unter dem damaligen US-Präsidenten Clinton.

Nun wird das Buch von Matthias Weik und Marc Friedrich richtig spannend, ihre scharfsinnige Beschreibung der Finanzkrise liest sich wie ein Krimi. Um den Rahmen meiner Buchbesprechung nicht zu überdehnen, kann ich hier nur Stichworte auflisten: abstrus-spekulative Finanzprodukte, Derivate- und Verbriefungsmarkt, CDO-Geschäfte, Leerverkäufe, Bilanzregeln mit der Lizenz zum Schummeln, die Fehlfunktionen des Euro, die Verflechtungen deutscher Banken mit amerikanischen Subprime Immobilien- krediten, kreditunwürdige Kredite, das obszöne Boni-System, die Interessenskonflikte der Rating-Agenturen, hochdotiertes Bäumchen-wechsel-dich-Personal zwischen Banken, Beratungsfirmen und Politik, eine skrupellose Finanzlobby, die sich erfolgreich in die Gesetzgebung einmischt, Bad-Banks, Banken-Rettungsschirme auf Kosten des Steuerzahlers usw.

Die Autoren finden klare, zusammenfassende Worte: „…das Motto der Finanzindustrie: Verluste werden sozialisiert, Gewinne werden nach wie vor privatisiert.“ ( Seite 98)

Wurden die Banken nach Rettung vor dem Finanzkollaps durch Staatsgarantien, Steuergelder und die damit zwangsläufig verknüpfte massiv erhöhte Staatsver- schuldung nun demütig, bescheiden, risikoscheu, nachhaltig-haushälterisch und kaufmännisch-klug?

Diese Frage wird von den Autoren mit einem klaren Nein beantwortet – im Gegenteil: Die Banken verteilen das „Spielgeld“ des Staates kaum noch für den Investitionsbedarf des Mittelstandes, sondern sie spekulieren weiterhin mit absolut anti-sozialen (z.B. Nahrungsmittelspekulation) und unnachhaltigen Finanzprodukten, und sie wehren sich gegen die Einführung einer klitzekleinen Finanztransaktionssteuer von 0,01 bis 0,05 Prozent. Man bedenke: Jeder andere Händler und Dienstleister in unserem Wirtschafts- system ist gesetzlich verpflichtet zwischen sieben und 19 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt zu zahlen.

Bei der gegenwärtig florierenden Konjunktur in Deutschland handelt es sich um einen sogenannten „Crack-up-Boom“ und nicht um ein neues Wirtschaftswunder. Das bedeutet: Wir haben einen Aufschwung auf Pump, der nur dank künstlicher Finanz- spritzen und Markteingriffe ermöglicht wird. Dies ist ein verantwortungsloses Spiel auf Zeit, welches nur das Mindesthaltbarkeitsdatum der Re-GIER-ung des Kapitalismus ausdehnt.

Wir erinnern uns: Die letzte Krise entstand durch niedrige Zinsen und zu viel billiges Geld.
Es wird also die Krise mit den gleichen Mitteln bekämpft, mit welchen sie ausgelöst und befeuert wurde: historisch niedrige Zinsen und eine nie zuvor da gewesene Liquiditäts- schwemme. So langsam hat auch der Letzte verstanden, dass dies zu Inflation führt.“
(Seite 183)

Nach einer aufschlußreichen Besichtigung der Staatsverschuldung Deutschlands und der drohenden Immoblilienblase Chinas, geht die Besichtigungstour weiter zu Ländern, denen der Staatsbankrott droht: USA, Argentinien, Portugal, Italien, Spanien, Irland, Griechenland und Großbritannien.

Der Staat bekommt Geld durch Steuereinnahmen und Abgaben seiner Staatsbürger (also von jedem von uns). Und der Staat kann sich durch den Verkauf von Staatsanleihen Geld beschaffen. Wer kauft die meisten Staatsanleihen? Banken und Versicherungs- gesellschaften.

„Somit »verleiht« eine staatliche Institution (Bundesbank als Miteigentümerin der EZB) mit der Stellung einer obersten Bundesbehörde einem privaten Unternehmen (Bank) zu einem niedrigen Zinssatz Geld, damit diese das Geld zu einem wesentlich höheren Zinssatz zurück an den Staat, Unternehmen und seine Bürger verleiht. Nicht nur das, in Zeiten finanzieller Unsicherheit haben Banken keinerlei Interesse, das Geld an irgendjemand anderen als den Staat zu verleihen. Denn hierfür bürgen schließlich alle Bürger mit ihrem Hab und Gut.“
(Seite 275)

Für den Kauf von Staatsanleihen müssen Banken übrigens noch nicht einmal die einprozentige Eigenkapitaleinlage bei der EZB hinterlegen.

Kleiner Exkurs zu den Steuerungeheuerlichkeiten in unserem „reichen“ Lande:
1996 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, und In den letzten 20 Jahren ist der Steuersatz für sehr Reiche (Jahreseinkommen über 1,5 Millionen Euro) von 42,1 auf 33,7 Prozent gesunken. Der Steuersatz von Superreichen (Jahreseinkommen über 174 Millionen Euro) ist von 43,6 Prozent auf sage und schreibe 23,7 Prozent gesunken.“ (Seite 284)

Einkommen aus Arbeit wird im Vergleich zu leistungslosem Einkommen aus Kapitaler- trägen rücksichtslos besteuert.

Der einzige Lichtblick:In Deutschland gibt es sogar eine Millionärsinitiative, die sich für eine Vermögensabgabe einsetzt, da sie der Ansicht ist, daß der Staat die Reichen zu sehr schont.

Vorteile ziehen aus unserem Finanzsystem also nur diejenigen, deren Zinseinnahmen die Zinszahlungen übertreffen. Je mehr das Vermögen bei den Profiteuren des Systems wächst, desto größer werden logischerweise bei der Verlierermehrheit die Zinslasten.
Der kontinuierliche Vermögenszuwachs der wenigen Reichen und Superreichen ist ausschließlich möglich dadurch, dass laufend den unteren und mittleren Schichten direkt oder indirekt Vermögen entzogen wird.“
(Seite 288f.)

Und zu Recht fragen die Autoren weiter und regen zum Nachdenken darüber an: „…wieso steigen Steuern und Abgaben kontinuierlich und warum werden Staatsausgaben, welche dem Gemeinwohl dienen, gekürzt – Zinszahlungen jedoch nicht?“

Unser Finanzsystem basiert auf dem Zinseszins, dies führt anfänglich langsam und später immer rasanter zu exponentiellem Wachstum. Der erworbene Zinsertrag wird stets neu mitkapitalisiert und zusätzlich verzinst. Ein schädlicher Nebeneffekt ist der Zwang zu stetem Wirtschaftswachstum, da das Geld ja Rendite abwerfen und sich vermehren soll. Die Begrenztheit natürlicher Rohstoffe wird dabei gerne ignoriert, schließlich zählen nur erfolgreiche Quartalszahlen und nicht die Nachhaltigkeit oder gar Enkeltauglichkeit der Finanzspekulationen.

Je mehr Schulden der Staat und auch die privaten Konsumenten machen, umso mehr werden wir alle direkt oder indirekt zu Sklaven des Zinseszinses. Eine maßlose Finanzoligarchie und ihre Profiteure enteignet uns, betreibt den Ausverkauf des Gemeinwohls und verwandelt unsere Demokratie schleichend in eine Finanzfeudal- herrschaft.

Die Autoren listen im abschließenden Kapitel des vorliegenden Buches klar und plausibel auf welche Kapitalanlagen angesichts von Krisenzeiten noch sinnvoll sind und welche nicht. Sachwerte sind Trumpf: Gold und Silber bleiben werthaltig, wenn Buchgeld und Bargeld nur noch digitale Recheneinheiten und Konfetti sind.

Eine selbstgenutzte, schuldenfreie Immobile in guter Lage schützt vor Mietpreis-steigerungen, aber nicht vor möglichen Zwangsabgaben oder Grundsteuererhöhungen.

Auch Aktien, Aktienfonds, Bankguthaben, Sparbücher, Sparpläne, Kapitallebensver- sicherungen, Riester-Rente, Staatsanleihen und Immobilienfonds können Sie ungetrost abhaken.

Noch haben Sie die Gelegenheit, Ihre Papierwerte in Realgüter umzuwandeln und somit Ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die größte Blase aller Zeiten – die Staatsanleihenblase – platzen wird. Kurz davor wird ein unvorstellbarer »Run« auf Realgüter stattfinden, und folglich werden die Preise explodieren.“ (Seite 328)

Nota bene: Geldscheine können sich in Scheingeld verwandeln!

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.luebbe.de/luebbe-sachbuch/buecher/politik-und-gesellschaft/der-groesste-raubzug-der-geschichte/id_3344073

 

Über die Autoren:

»Matthias Weik befasst sich seit über zehn Jahren eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Arbeits- und Studienaufenthalte in Südamerika, Asien und Australien ermöglichten ihm tiefe Einblicke in das Wirtschaftsleben fremder Nationen. In Deutschland war er für einen großen Automobilkonzern tätig. Gemeinsam mit Marc Friedrich hält Matthias Weik seit mehreren Jahren Seminare und Fachvorträge bei Unternehmen, an Universitäten, Fach- und Volkshochschulen.«

»Marc Friedrich studierte INTERNATIONALE BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE und beschäftigt sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Während eines Aufenthalts in Argentinien erlebte er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst mit. Mit Stationen in Großbritannien, der Schweiz und den USA sammelte er zahlreiche und wertvolle Arbeitserfahrungen

Sie haben Fragen, Anregungen oder Kritik: http://www.Friedrich-Weik.de

 

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/

2 Kommentare zu “Der größte Raubzug der Geschichte

  1. Das klingt ja sehr interessant. Besonders auch,wenn man sich ansonsten nicht so sehr mit dem Finanzsystem auskennt. Ich habe gerade in Deutsch „Literatur“…man sieht mal wieder, dass diese neue Blickwinkel eröffnet und zum Nachdenken anregen kann.

    Gefällt 1 Person

    • Es wird sogar noch interessanter, wenn in drei Tagen meine Besprechung des zweiten Buches von Weik und Friedrich (DER CRASH IST DIE LÖSUNG) erscheint. Ökonomischen Nachhilfeunterricht haben wir wohl fast alle noch ziemlich nötig.

      Gefällt 1 Person

Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!