- Tagesabreißkalender
- Autor: Dr. Maik Goth
- Harenberg Verlag https://harenberg-kalender.de/
- Blockbindung
- 640 Seiten
- Format: 11 x 14 cm
- 14,99 € (D/A)
- ISBN 978-3-8400-2893-9

ETYMOLOGIE – spannend wie ein Krimi
Kalenderrezension von Ulrike Sokul ©
Mit dem Tagesabreißkalender „DUDEN Vergessene Wortschätze“ reisen wir auf Wörterflügeln durch Raum und Zeit und bereichern ebenso historisch-nostalgisch wie amüsant-geistreich unseren Wortschatz.
Lang ist es her, daß Fotos mit der Pocketkamera gemacht wurden, für Tele- fonate noch ein stationärer Fernsprechanschluß gebraucht wurde, Filme nur im Lichtspieltheater zu sehen waren und Jugendliche sich beeumelten. Noch länger – also weiland – ist es her, daß soignierte Menschen wonniglich in Gemächern mit feinen Draperien wohnten und sich Galan und Huldin ins Antlitz schauten, um in einer Liaison zusammenzufinden.
Auf der Vorderansicht jedes Kalenderblattes steht ein altmodisches Wort, das den zahlreichen neuaufgenommenen Stichwörtern aus dem Duden weichen mußte, und auf der Rückseite erlesen wir die Herkunft, den Be- deutungswandel und die Verwendung des angesprochenen Wortes sowie die eine oder andere interessante oder heitere Anekdote, die sich damit verbindet.
Dank dieser wortwörtlichen Tagesdosis können mithin bemerkenswerte Begriffe vor dem Vergessen bewahrt werden und buchstäblich wieder ins Gespräch kommen.
Von den mehr als 300 Wörtern dieses Kalenders waren mir (Jahrgang 1964) verhältnismäßig wenige gänzlich unbekannt, woraus ich schließe, daß diese kalendarische Wortsammlung je nach Generationenzugehörigkeit mehr oder weniger „altmodisch“ klingt. Doch selbst noch vertraute Wörter be- kommen durch die etymologische, linguistische und historische Herleitung deutlich mehr Tiefenschärfe und Substanz.
Viele deutschsprachige Wörter wurzeln selbstverständlich im Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen oder sie entstammen Martin Luthers bibelüber- setzerischen Wortschöpfungen. Nicht wenige sind auch lateinischen, griechischen oder jiddischen Ursprungs.
Und dann gibt es sogar Wörter, die nur eine scheinbare Entlehnung aus einem anderen Sprachraum sind. So klingt das Wort „paletti“ zwar ausge- sprochen italienisch, aber es gibt gar kein entsprechendes italienisches Wort. Eine solche linguistische Unerklärlichkeit wird mit dem Fachbegriff „Allogenismus“ bezeichnet.
Dieser Kalender bietet anregende, interessante und kurzweilige Erkennt- nisse für sprachliebhaberische Wortspieler und eloquente Wortgespielin- nen. Kundig, eingängig und vergnüglich vermittelt er auch dem nicht- akademischen Lesepublikum die entdeckungsfreudige Spannung wortge- schichtlicher Spurensuche.
Wem bisher noch nicht hinlänglich bewußt war, wie hoffnungsvoll alt- modisch ich bin, wird dies angesichts dieser Kalenderbesprechung nicht mehr überlesen können.
Derohalben geruhe ich, nicht nur die mir gar nicht altmodisch, sondern geläufig erscheinenden Worte regelmäßig weiter zu nutzen, sondern mir die zuvor noch nicht bekannten und besonders genehmen aus dem Kalender zu pflücken und meinem Wortschatze bereichernd hinzuzufügen. So wird mir beispielsweise hinkünftig bei passender Gelegenheit vorzüglich das schmackhafte Schimpfwort „Piesepampel“ munden.