Was man von hier aus sehen kann

  • von Mariana Leky
  • Roman
  • Dumont Buchverlag Juli 2017   http://www.dumont-buchverlag.de
  • gebunden
  • mit LESEBÄNDCHEN
  • 320 Seiten
  • 20,00 €
  • ISBN 978-3-8321-9839-8

B U C H S T A B E N G I R L A N D E N

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Was für eine wunderbare, transparente Prosa, eine generationenumarmende, sehr schneckenpostlangsame Liebesgeschichte, so warmherzig, gefühlvoll-nachdenklich, heiter-tiefsinnig und sprachschön, daß man diesen Roman nach der ersten Lektüre sofort noch einmal lesen möchte!

Die Geschichte beginnt im August 1983, als die Ich-Erzählerin zehn Jahre alt ist. Luise lebt in einem kleinen Dorf im Westerwald. Sie wohnt mit ihren Eltern im ersten Stockwerk des windschiefen Hauses von Luises verwitweter Großmutter Selma. Selma selbst wohnt im Parterre, und Luise übernachtet oft und gerne bei ihr.

Luises bester Freund ist der gleichaltrige Martin, der später Gewichtheber werden möchte und bevorzugt Luise zum Trainieren hochhebt. Selmas bester und ältester Freund ist der Optiker, der schon seit Jahrzehnten heimlich-unheimlich in Selma verliebt ist und der eine wachsende Sammlung angefangener, unabgeschickter Liebesbriefe an Selma pflegt.

Selma und der Optiker kümmern sich warmherzig und zugewandt um Luise und Martin. Sie sind es, die ihnen geduldig das Schnürsenkelschleifenbinden, Fahrradfahren und Schwimmen beibringen.

Im örtlichen Eiscafé üben die Alten mit den Kindern anhand der Eiskarte und der Zuckertütchenhoroskope das Lesen. So sind Luises erste selbstentzifferte Worte „Eisbecher Heimliche Liebe“  und die astrologische Charakterisierung des Sternzeichens Löwe.

Wenn Luise gewollt oder ungewollt sich selbst oder andere belügt, fallen stets zuverlässig Dinge von der Wand: Handharken, Makramee-Eulen, Lesetafeln, Pfannen, Schilder usw. – dann weiß Luise, daß sich die Wahrheit bemerkbar macht. Dieser eigenwillige Lügendetektor vermittelt Luise immer wieder interessante Erkenntnisse.

Da das Dorf zu klein für eine Schule ist, pendeln Luise und Martin jeden Morgen mit dem Bus ins Nachbardorf, und vom Bahnhof des Nachbardorfes fahren sie mit dem Regional-zug in die Kreisstadt zur Schule. Die viertelstündige Zugfahrt nutzen sie als spielerische Gedächtnisübung; Martin hat nach und nach alle auffälligen Landmarken auswendig gelernt und zählt sie Luise mit geschlossenen Augen, streckensekundengenau auf, was besonders bei verschneiter Landschaft reizvoll ist.

Das Dorf wird von einem übersichtlichen Soziotop bevölkert.  Da sind noch Luises Vater, der im Dorf als Arzt praktiziert, Luises Mutter, die einen Blumenladen mit dem Namen „Blütenrein“ führt, Alberto, der Inhaber des Eiscafés, Selmas abergläubische Schwägerin Elsbeth, Martins Vater, die traurige Marlies, der Einzelhändler, der Postbote, einige Bauern und sonstige Randfiguren sowie ein großer Hund namens Alaska.

Eine weitere tragende Rolle spielt das Okapi. Es ist zwar nur ein geträumtes Okapi, aber es hat in jeder Hinsicht eine nachhaltige Wirkung. Selma hat in ihrem Leben dreimal von einem Okapi geträumt, und jedesmal ist innerhalb von 24 Stunden jemand Nahes aus dem Dorf gestorben.

Nun hat Selma wieder von einem Okapi geträumt. Sie ist bemüht, dieses Omen gegenüber Luise herunterzuspielen, aber das funktioniert ganz und gar nicht. Die Nachricht über Selmas Okapitraum macht sehr schnell die Runde im Dorf. Alle Menschen sind beunruhigt und liegen mehr oder weniger auf der Lauer: Schlägt das Herz normal? Könnte einen heute eine friedliche Kuhherde überrennen? Drohen Dachziegel, Äste oder schwere Lampen vom Himmel zu fallen? Welche Wahrheit muß noch unbedingt ans Licht, bevor es vielleicht zu spät ist? Wegen der zu lüftenden Wahrheiten werden viele Briefe geschrieben und mündliche Geständnisse gemacht, die ohne die Aussicht auf den Tod weiter im Verborgenen geblüht hätten …

Zwölf Jahre später macht Luise in der Kreisstadt eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Bei einem Wochenendbesuch im Dorf läuft ihr am Waldrand der buddhistische Mönch Frederick, der gerade Gehmeditation praktiziert, über den Weg. Frederik ist Gast im „Haus der Einkehr“, einem zum Seminarhaus umfunktionierten Hof. Die beiden kommen etwas holperig und zugleich seltsam vertraut ins Gespräch, und Luise faßt sich ein Herz und bittet Frederik um seine Telefonnummer.

Fredrik lebt in einem buddhistischen Kloster in Japan. Es wird viele Ungewißheiten, Freiräume, Verstockungen, Selbstreflexionen und ausführliche Briefgespräche sowie den regelmäßigen Pulsschlag von zahlreichen Selma-Geburtstagsfeiern brauchen, bis sich Luise und Frederik wiedersehen und das Gleichgewicht der Herzen endlich erreicht ist.

Wir lesen hier keine rosa Liebeszuckergußromanze, sondern gefühlsechte, menschenkenntnisreiche, reife Herzensqualität. Die Geschenke und Verluste des Lebens gehen in diesem weisen Roman harmonisch Hand in Hand, Gefundenes wird verloren und Verlorenes wird gefunden, Vertrauen umarmt Verletzlichkeit.

Mariana Leky charakterisiert und inszeniert ihre Figuren mit einer bewunderns- werten psychologischen Tiefenschärfe und einem feinen Sinn für Humor. Eine überaus zärtliche, sinnlich-schwebende Sprachmelodie und augenzwinkernde Verspieltheit erleichtert die Schwerkraft des Schicksals.

Mariana Lekys Roman wartet nicht nur mit einer der schönsten und längsten Liebeserklärungen auf, die ich je gelesen habe, sondern mit lebensechten Originalen, die man nicht so schnell vergißt, ja, die man nach Beendigung der Lektüre sogar ausdrücklich vermißt.

 

Als Leselockhäppchen folgen nun noch drei  Zitate:

»„Du gehst selbstverständlich trotzdem zur Schule“, sagte Selma, die immer wusste, was ich dachte, als hingen meine Gedanken in Buchstabengirlanden über meinem Kopf… « (Seite 18)

»„Sind noch alle da?“ fragte ich.
Selma und der Optiker sahen sich an, und dann erfand Selma die Welt zum zweiten Mal.
„Nein“, sagte sie. „Es sind nicht mehr alle da. Aber die Welt gibt es noch. Die ganze Welt minus eins.“ « (Seite 122)

»Er schaute auf seine Hände, als läge meine Frage dort, als hielte er sie, damit wir sie von allen Seiten betrachten konnten.« (Seite 198)

 

Hier entlang zum Buch und zur aussagekräftigen LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
http://www.dumont-buchverlag.de/buch/leky-was-man-von-hier-aus-sehen-kann-9783832198398/

 

Die Autorin:

»Mariana Leky studierte nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Bei DuMont erschienen der Erzählband ›Liebesperlen‹ (2001), die Romane ›Erste Hilfe‹ (2004) und ›Die Herrenausstatterin‹ (2010) sowie ›Bis der Arzt kommt. Geschichten aus der Sprechstunde‹ (2013). Sie lebt in Berlin und Köln. Mit ihren ersten Erzählungen gewann sie den Allegra Preis 2000. Für den 2001 bei DuMont erschienenen Erzählband ›Liebesperlen‹ wurde sie mit dem Niedersächsischen Literaturförderpreis und dem Stipendium des Landes Bayern ausgezeichnet. 2005 wurde sie für ihren Roman ›Erste Hilfe‹ mit dem Förderpreis für junge Künstler in der Sparte Dichtung/Schriftstellerei des Landes NRW ausgezeichnet.«

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Brief an D.

  • Geschichte einer Liebe
  • von André Gorz
  • Originaltitel: »Lettre à D. Histoire d’un amour«
  • Übersetzung ins Deutsche von Eva Moldenhauer
  • btb Verlag  März 2009   http://www.btb-verlag.de
  • Taschenbuch
  • 112 Seiten
  • 7,00 € (D), 7,20 € (A), 9,90 sFr.
  • ISBN 978-3-442-73875-5

ALTE  LIEBE  UNVERBLÜHT

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Mit der Reife vertieft sich die Einsicht. So bemerkt André Gorz angesichts des bevorstehenden 82. Geburtstages seiner Frau Dorine, daß er ihr und ihrer langjährigen liebevollen Begleitung in seinen autobiographischen Schriften keineswegs angemessen gerecht geworden ist. Dies wird nun mit dem „Brief an D.“ korrigiert.

„Ich muss die Geschichte unserer Liebe rekonstruieren, um sie in ihrem ganzen Sinn zu erfassen. Denn sie hat es uns ermöglicht, zu werden, was wir sind, durch einander und für einander.“ (Seite 6/7)

Andächtig erzählt André Gorz von ihrer ersten Begegnung in Lausanne, der nachfolgenden scheuen Annäherung und schwärmt von Dorines Schönheit und Stärke. Beide stammten aus Familien mit entzweiten Eltern. Dorine hatte ihre Eltern schon früh verloren. André Gorz war durch seinen Internatsaufenthalt in der Schweiz mit sechzehn Jahren von seiner österreichischen Familie getrennt worden. Erst nach dem Krieg nahm er wieder distanzierten Kontakt zu ihr auf, fühlte sich seiner Herkunftsfamilie jedoch nicht verbunden.

Dorine war gebürtige Engländerin, und die Sprache ihrer Liebe blieb zeitlebens Englisch, obwohl sie ihr gemeinsames Leben in Frankreich verbrachten. Dorine zeigte Interesse daran, Deutsch zu lernen, doch André Gorz weigerte sich, jemals wieder ein einziges Wort in dieser Sprache auszusprechen.

Das junge Paar verdiente mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt mit Gelegen-heitsjobs (Übersetzungen, Englischstunden, Sekretariatsdienste), und schließlich ziehen sie von Lausanne nach Paris. André bekam verschiedene journalistische Aufträge und schrieb sein erstes autobiographisches Buch „Der Verräter“. Dorine saß für Maler Modell, arbeitete als Fremdenführerin und als Altpapiersammlerin.

Dorine selbst betonte ihrem Mann gegenüber mehrfach: „Einen Schriftsteller lieben heißt lieben, dass er schreibt.“ (Seite 36) Dankbar würdigt André Gorz, daß seine Frau seinem intensiven, nächtlichen Schreiben stets mit Geduld und Verständnis begegnet sei und ihn auch bei seinen journalistischen Aufgaben sachdienlich und pragmatisch unterstützt habe.  Gleichwohl ging Dorine ihren persönlichen Interessen und Lektüren nach, besuchte Vorlesungen und pflegte den wachsenden Freundeskreis. Zwischen den Zeilen merkt man, daß sie wohl unbeschwerter Kontakte knüpfen konnte als er.

Nach und nach erreichte André Gorz eine zuverlässige journalistische und sozialphilo-sophisch-schriftstellerische berufliche Stellung und ein mehr als auskömmliches Einkommen. Dennoch bleiben die Ansprüche des Paares bescheiden, die Haltung gegenüber Konsum, Moden, Technik und Wettbewerbseifer kritisch und hinterfragend.

Nach einer zwar nicht geheilten, aber überlebten schweren Erkrankung Dorines beschließen die Beiden, aufs Land zu ziehen. „Die Ökologie wurde zu einer Lebensweise und einer täglichen Praxis, ohne dass sie aufhörte, die Forderung nach einer anderen Zivilisation einzuschließen.“ (Seite 85)

Kurze, fast sachlich erzählte Skizzen des gemeinsamen Lebensweges wechseln sich in diesem Buch mit berührenden Liebeserinnerungen und Liebeserklärungen ab.

Wenn sich André in seinen Selbstvorwürfen ergeht, wird der Text angestrengt intellektuell-nacherklärererisch und angesichts seiner sonstigen Eloquenz umständlich tastend. Er braucht lange, bis er vom abstrakten Theoretisieren zum lebendigen Dasein vordringt und dem Herzen Vorrang  vor dem Kopf einräumt.

Sein Rückblick auf mehr als ein halbes Jahrhundert gemeinsamen Lebens ist voller Achtung, Bewunderung und Verehrung für seine Frau.

„Du hast mir Dein ganzes Leben und alles, was Du bist, geschenkt; ich möchte Dir in der Zeit, die uns noch bleibt, alles von mir schenken können.“ (Seite 88)

Die dezent-zurückhaltende, mit sinnlichen Details sparsam umgehende Darstellung erweckt den glaubwürdigen Eindruck einer über all die Jahre lebendig gebliebenen Liebesverbundenheit.

Mehr kann man nicht verlangen!

 

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Brief-an-D./Andre-Gorz/btb-Taschenbuch/e273123.rhd

PS:
Der eigentliche Text mißt nur 88 Seiten, die sich daran anschließenden Seiten enthalten ein erläuterndes Personenverzeichnis und einige – hilfreiche – Worterklärungen, die der historisch-philosophischen Einordnung dienen.

Der Autor:

»André Gorz (1923–2007), geboren in Wien, verbrachte die Kriegsjahre in der Schweiz und ließ sich nach Kriegsende in Paris nieder. Er arbeite mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir an der Zeitschrift „Les Temps modernes“, war Redaktor bei „L’Express“, später bei der Wochenzeitung „Le Nouvel Observateur“, die er 1964 zusammen mit Jean Daniel gegründet hatte.
In seinen Buchpublikationen profiliert sich Gorz als Theoretiker der Arbeiterselbstverwaltung und der politischen Ökologie. 1958 erschien die Autobiografie »Der Verräter« (dt. 1980), zu der Sartre das Vorwort schrieb. Dort erscheint bereits seine Frau Dorine unter dem Namen Kay. Das vorliegende Buch ist gewissermaßen die Fortsetzung (und was Kay/Dorine betrifft auch Korrektur) dieser Autobiographie fünfzig Jahre danach. Und jetzt ist es auch Gorz‘ Vermächtnis. Gorz hat die Entstehung der deutschen Ausgabe noch bis in die Details begleitet, er hat die Übersetzung in dieser Form autorisiert und das Personenverzeichnis redigiert; er und seine Frau fanden das Büchlein, als sie es in Händen hielten, »wunderschön«.
André Gorz und seine schwerkranke Frau Dorine nahmen sich am 24. September 2007 gemeinsam in ihrem Haus in Vosnon in Frankreich das Leben.«

Für mehr Informationen über die sozialkritischen Schriften André Gorz‘ und seinen Lebensweg lohnt ein Blick auf folgenden Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Andr%C3%A9_Gorz

Die Übersetzerin:

»Eva Moldenhauer, 1934 in Frankfurt/Main geboren, ist seit 1964 als Übersetzerin tätig. Sie übersetzte u.a. Claude Simon, Jorge Semprun, Agota Kristof, Jean Paul Sartre und Lévi-Strauss. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. 1982 mit dem „Helmut-M.-Braem-Preis“ und 1991 mit dem „Celan-Preis“. 2005 wurde sie für ihre Neu-Übersetzung von Claude Simons „Das Gras“ für den „Preis der Leipziger Buchmesse“ nominiert.«

Querverweis:

Hier entlang zu den Liebesbriefen, die Dylan Thomas einst an die Frauen seines Lebens schrieb: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/08/02/die-liebesbriefe-dylan-thomas

 

 

 

 

 

Was wir lieben: in 366 Tagen

  • Ein Notizkalender für 2016
  • mit Liebeserklärungen für den Alltag
  • von Daniela Spinelli und Birte Spreuer
  • 368 Blatt auf 2 Papieren
  • verpackt in einer Sammelbox
  • Format 9 x 13,5 cm
  • Verlag Hermann Schmidt 2015        http://www.verlag-hermann-schmidt.de
  • 16,80 €
  • EAN 42 6017281 054 8
    Was wir lieben 2

W A C H K Ü S S E R

Kalenderbesprechung von Ulrike Sokul ©

Die von Daniela Spinelli und Birte Spreuer vom Kiosk Kollektiv www.kioskkollektiv.com zusammengetragenen Liebeserklärungen an den Alltag sind feine alltägliche Wachküsser. Dieser Tagesabreißkalender bietet eine begeisternde Tagesration für Herzdenker und Gedankenfühler. Blatt für Blatt und Tag für Tag finden sich Liebesanlässe zum Schmunzeln, zum Entdecken, Entzücken, Erstaunen, Verrücken, Beglücken, Besinnen, Lächeln und einfach Dankbarsein.

Die Kopfzeile der Kalenderblätter enthält die kalendarischen Daten und die Fußzeile eine Liebeserklärung an den Alltag – dazwischen bleibt Freiraum und Spielraum für eigene Notizen, Vorsätze, Resümees oder Ergänzungen.

Oft stimmt man freudig zu, manchmal widerspricht man, und niemand hindert einen daran, selbst kreativ zu werden, ein Wort zu streichen und durch ein persönlich passenderes zu ersetzten oder hier und da ganz eigene Sätze zu formulieren oder eine vorgefundene Liebeserklärung nach individuellem Belieben weiterzuspinnen. Man muß nicht jedes Blatt mitlieben, aber es gibt mehr als genug Liebeserklärungen, die ich sofort unterschreiben würde.

Der 9 x 13,5 cm große Kalenderblock ist klebegebunden, damit man die Blätter leicht abzupfen kann, die Kalenderblätter sind im Monatswechsel weiß und ziegelrot und die Beschriftung (Tabac Sans von Tomáš Brousil) dementsprechend schwarz auf weiß und schwarz auf ziegelrot. Das ganze Werk erscheint verpackt in eine praktische Pappsammelbox, so hat man auch gleich eine Vorratsablagemöglichkeit für die bereits abgeblätterten Tage. Sie können aus den abgerissenen Blättern aber auch Papierflieger falten, ihre Pinnwand damit tapezieren, sie zu Konfetti verarbeiten, sie als Orakelspruch verwenden oder sie an passende Menschen weiterreichen – das ist Ihr Wiederverwertungsspielfeld.

Nachfolgend will ich einige Blätter für Sie aufblättern und zitieren:
Der 1. Januar 2016 beginnt mit „einfach loslaufen“, und das Jahr klingt am 31.Dezember 2016 aus mit der „Gewissheit, dass diese Liste nie enden wird“.

Dazwischen lieben wir es, „wenn doch noch Schokolade da ist“ und „wenn Dinge auf Anhieb funktionieren“. Während wir „Gedankensaltos“ meistern, können wir „mit den Fingern am Ohrläppchen knispeln“ und anschließend „im Kino das ganze Popcorn vorm Film essen“.

Zwischen „Zwielicht“ und „Firlefanz“ läßt sich die „treffende Metapher finden“, und wir können „uralte Wörter wieder kultivieren“ sowie andächtig „im Antiquariat stehen und die Vergangenheit riechen“ und vielleicht sogar „Spuren wirklicher Liebe finden“.

Wenn wir „Muskelkater vom Lachen haben“, dürfen wir uns gelassen dem „dolce fare niente“ hingeben und besserwisserisch behaupten, „dass alles mit Zitronen besser ist“ und daß „Monotasking“ eine Form der „ausgleichenden Gerechtigkeit“ sein kann.

Naturverbundene Zeitgenossen, die „sich mit dem Nasssein abfinden und eins mit dem Regen werden“, haben gewiß auch etwas übrig für „Freiluftzähneputzen“.

Polyglotte Persönlichkeiten, die gerne „fremde Sprachen sprechen“ harmonieren bestimmt mit „Menschen, die miauen“.

Der eine mag „sich dem Blues hingeben“, der andere lieber „überraschenden Küssen“.

Ich finde, „vor Überwachungskameras Walzer tanzen“ ist eine ganz wunderbare Art des zivilen Ungehorsams.

Diesen Kalender mit seiner konstruktiven Alltäglichkeit, seiner Liebe zum beredten Detail, seinen Dankbarkeitsimpulsen und seiner eindeutigen Klarheit lege ich Ihnen gerne ans Herz.

Ob Sie Ihr Jahr 2016 dementsprechend mit der besseren Wahrnehmung von Liebenswertigkeiten und persönlichen „Liebeserklärungen an den Alltag“ füllen, das liegt in Ihrer Hand …

Und wenn Sie dem nachfolgenden Link folgen, können Sie sich den Kalender aus verschiedenen Perspektiven anschauen:
http://www.typografie.de/shop/index.php/de/was-wir-lieben.html

 

Was wir lieben 1

 

Vom Elefanten, der wissen wollte, was Liebe ist

  • Text von Leen van den Berg
  • Illustrationen von Kaatje Vermeire
  • Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
  • Gerstenberg Verlag 2014    http://www.gerstenberg-verlag.de
  • gebunden, Fadenheftung
  • Format 33,5 cm x 23,5 cm
  • 32 Seiten, 14,95 €
  • ISBN 978-3-8369-5772-4
  • Bilderbuch ab 5 Jahren
    Vom Elefanten Titelabbildung

L I E B E S E R K L Ä R U N G E N

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Dieses Bilderbuch eignet sich für Kinder und Erwachsene gleichermaßen, denn den Wortschatz der Liebe zu erweitern, lohnt sich in jeder Altersstufe.

Vielerlei Tiere, einige Menschen, Apfelbäume, Steine, Scheeflocken und sogar Schneewittchen treffen sich zu einer Versammlung, um über eine Frage zu reflektieren, die der Elefant auf dem Herzen hat: »Woher weiß man, dass man jemanden liebt?«

Alle Versammelten – außer der protokollführenden, bebrillten Ameise – haben eine Antwort auf die Frage des Elefanten. Die Antworten sind variantenreich, und sogar Sonne, Mond und Sterne sowie Wolken, Wind und Meer geben ihrer Liebeserfahrung Ausdruck:

»Wenn ich meine Liebste sehe, werde ich rot«, flüsterte der Apfel verlegen.
»Wir schmelzen füreinander«, gurrten die Schneeflocken.
»Ich denke noch alle Tage an ihn«, sagte die Großmutter, »auch wenn er schon eine ganze Zeit nicht mehr da ist. Jede Woche suche ich ein schönes Gedicht aus. Das lese ich dann an unserem Lieblingsort.«

Der Elefant bedankt sich für die dargebotenen „Liebeserklärungen“ und macht sich liebesbeflügelt auf den Weg zu seiner Liebsten.

Die Ameise ist erleichtert, daß die Versammlung zu Ende ist und daß sie nicht noch mehr »Unsinn « aufschreiben muß, denn sie kann sich mit dem Thema Liebe nicht anfreunden, dafür hat sie »keine Zeit«, aber wahrscheinlich ist sie einfach noch nicht von der Liebe berührt worden. Während die anderen – liebeserfahrenen – Teilnehmer fast alle paarweise den Versammlungsort verlassen, hetzt die Ameise los und liefert nur kurz das Protokollbuch bei Herrn Schildkröte ab.

Die Illustrationen von Kaatje Vermeire sind in einem Malcollagenstil gestaltet, mit sehr dezenten Farben und feinen Schraffuren sowie vielen liebevollen und entdeckenswerten Details. Die vielschichtige Mischtechnik und die durchscheinende Verträumtheit der bildlichen Darstellung entsprechen der poetischen und zärtlichen Sprache, in der hier die vielfältige Einzigartigkeit des Liebesempfindens zu Wort kommt.

Vom Elefanten Innenabbildung

Illustration von Kaatje Vermeire © Gerstenberg Verlag 2014

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
http://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=detailansicht&url_ISBN=9783836957724

 

DIE  AUTORIN  UND DIE  ILLUSTRATORIN:

»Leen van den Berg, 1956 in Brüssel geb., studierte Geschichte in Leuven und Psychologie in Brüssel. Seit 1995 veröffentlicht sie Kinderbücher. Van den Berg war einige Jahre Dozentin für Kreatives Schreiben in den Niederlanden. Heute gibt sie Schreibkurse in Belgien, Südafrika und Surinam.
Kaatje Vermeire, 1981 in Gent geb., studierte Grafik- und Werbedesign sowie Freie Grafik an der Akademie in Gent. 2007 erschien ihr erstes Bilderbuch. Inzwischen werden ihre Bücher in zahlreichen Ländern veröffentlicht

 

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