Stille Nacht (Lied)

  • Ein Lied geht um die Welt
  • Text von Brigitte Weninger
  • Illustrationen von Julie Wintz-Litty
  • NordSüd Verlag  September 2018    www.nord-sued.com
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 21,5 x 28 cm
  • 48 Seiten
  • durchgehend farbig illustriert
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A), 19,90 sFr.
  • ISBN 978-3-314-10445-9
  • Bilderbuch ab 4 Jahren

EIN LIED IN DUNKLEN ZEITEN

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Das berühmte Weihnachtslied „Stille Nacht“ feiert dieses Jahr sein 200jähriges Jubiläum – Grund genug sich zu besinnen, wie es entstand und den Weg aus dem kleinen Ort Oberndorf (bei Salzburg) in die weite Welt antrat.

Winter 1818: Am Morgen des Heiligen Abends besuchen zwei Kinder, Lukas und Lisa, den jungen Hilfspfarrer Joseph Mohr. Sie möchten gerne mit ihm zur Chorprobe in die Kirche gehen. Die allgemeine Not ist groß, denn die Auswirkungen des Vulkanausbruchs von Tambora beeinträchtigen durch Aschewolken die Sonneneinstrahlung, was zu Jahren ohne Sommer, zu Ernteverlusten und durch viele Niederschläge zu Hochwasser geführt hat. Viele Menschen aus Oberndorf haben keine Arbeit und wenig zu essen.

Die Kinder werden von Pfarrer Mohr freundlich empfangen, mit einem Stück Brot ver-sorgt, und dann warten sie gemeinsam auf den Lehrer Franz Xaver Gruber, der Orgel und Gitarre spielen kann. Bald kommt er, und nun gehen sie zusammen in die festlich geschmückte Kirche.

Lukas betätigt eifrig die Blasebälge der Orgel, und Lehrer Gruber beginnt zu spielen. Doch es kommen nur mißtönende Klänge aus dem Instrument, das offenbar durch die feuchte Kälte in der Kirche gelitten hat. Da eine kurzfristige Reparatur nicht möglich ist, wird nach einer musikalischen Alternative gesucht.

Lisa regt an, daß sie ein besonderes Lied singen sollten, und Gruber findet, daß es ja nicht unbedingt ein Kirchenlied sein müsse. Da sagt Pfarrer Mohr schüchtern, daß er einmal ein Gedicht geschrieben habe, das von der Heiligen Nacht handele, und Gruber meint, er solle es schnell herholen.

Nun wird Pfarrer Mohrs Text von Gruber laut vorgelesen, und alle finden Gefallen an den schönen Worten. Der Lehrer Gruber nimmt seine Gitarre und komponiert eine Melodie zum Text. Einige Stunden später ist die Notenschrift fertig, und Gruber kopiert den Text und die Noten für den Kirchenchor.

Am späten Abend findet die Weihnachtsmesse statt. Alle Kirchenbesucher sind trotz der schweren Zeiten freudig-gespannt auf die Überraschung, die Pfarrer Mohr und Lehrer Gruber angekündigt haben.

Mohr und Gruber stellen sich vor den Altar, Mohr spielt die Gitarre, und beide beginnen, das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ zu singen, und als der Chor miteinfällt, schließen sich alle dem Gesang an. Viele Menschen sind gerührt und empfinden Trost und Hoffnung. So kann ein Lied in dunklen Zeiten Licht spenden.

Ein Jahr später hört der Tiroler Orgelbaumeister Carl Mauracher, der zur Reparatur der Orgel nach Oberndorf gekommen ist, das Stille-Nacht-Lied und bittet um eine Abschrift. Zunächst von Sänger zu Sänger und Herz zu Herz weitergereicht, wird das Lied 1833 gedruckt, und so kann es noch bessere Verbreitung finden.

Inzwischen ist das Lied „Stille Nacht“ längst weltbekannt und wurde in 300 Sprachen übersetzt. Selbstverständlich werden der Liedtext und die Notenschrift von „Stille Nacht“ auch in diesem Bilderbuch wiedergegeben.

Brigitte Weninger erzählt die Geschichte des Weihnachtsliedes in einfachen Worten. Es gelingt ihr ebenso, den historischen Kontext wie die zwischenmenschlichen Bezüge einfühlsam und anrührend nachzuerzählen. Die stimmungsachtsamen Aquarellbilder von Julie Wintz-Litty sprechen eine zärtliche Sprache, die sehr fein mit dem Text von Brigitte Weninger harmoniert.

Die zugewandten Umgangsformen, die Pfarrer Mohr und Lehrer Gruber den Kindern gegenüber pflegen, vermitteln eine warmherzige Grundstimmung von Geborgenheit, und die spannende, ja, schicksalhafte Entstehung des Liedes hat eine zeitlos überirdische Note.

 

Hier entlang zum Buch und zur großzügigen LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://nord-sued.com/programm/stille-nacht/

Eine interessante filmische Dokumentation zur Entstehungsgeschichte des Liedes gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=hy44st3OGVg

 

Die Autorin:

»Brigitte Weninger, geboren 1960 in Kufstein, Österreich, arbeitete 20 Jahre lang als Kindergartenpädagogin, bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Sie hat mehr als 60 Bücher veröffentlicht, die in 40 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden sind. Daneben engagiert sie sich besonders für die Lese- und Schreibförderung und die Erzählkultur.« http://www.brigitte-weninger.at/

Die Illustratorin:

»Julie Wintz-Litty, geb. 1971 in Frankreich. Nach dem Abitur studierte sie Illustration und Kunst in Lyon. Während ihres Studiums machte sie diverse Praktika in Lyon und Paris und nahm mit ihren Arbeiten an Ausstellungen teil. Julie Wintz-Litty arbeitet heute als freie Illustratorin und lebt in Frankreich.« http://julie-wintz-litty.eklablog.com/

 

Zur Einstimmung nun noch etwas zum LAUSCHEN, mit Herzensdank an Maestro Beat  https://randomrandomsen.wordpress.com/ , der mir diesen Link harmonisch zugespielt hat:

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/

 

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Wenn ich in die Schule geh, siehst du was, was ich nicht seh

  • von Julie Völk
  • Gerstenberg Verlag  Juni 2018    http://www.gerstenberg-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 25,2 x 30 cm
  • 32 Seiten
  • durchgehend farbig illustriert
  • 16,95 € (D), 17,50 € (A), 21,90 sFr.
  • ISBN 978-3-8369-5669-7
  • Bilderbuch ab 4 Jahren

SCHULE  DES  SEHENS

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Mit Julie Völks Bilderbuch „Wenn ich in die Schule geh, siehst du was, was ich nicht seh“ betreten wir eine erstaunliche und vergnügliche Schule des Sehens.

In Zeiten digital-beschleunigter Wisch-und-weg-Aufmerksamkeit bietet Julie Völks Bilderbuch einen äußerst betrachtenswerten Gegenpol. Da ihre Bilderbücher reine Bildgeschichten ohne jeden Begleittext sind, erschließen sich die vielfältigen Erzählfäden nur mit geduldiger Entdeckungsneugier, meditativer Langsamkeit und detailverliebter Verknüpfungsbegeisterung.

Zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, verabschieden sich von ihren Eltern und machen sich zu Fuß auf den Weg zur Schule. Der Blick in die gemütliche Küche zeigt diverse Zutaten, die auf einen musisch-künstlerischen Haushalt schließen lassen. Man sieht einen Becher mit Pinseln, Bücher, eine Gitarre und in einer Ecke zwischen Wand und Küchenschrank eine Schultüte mit Musiknotendekor. Eine schwarze Katze mit weißem Gesicht lugt possierlich hinter einem Türflügel hervor.

Durch die geöffnete Flügeltür erblickt man ein herbstlich getöntes Birkenwäldchen, das die Kinder auf der nächsten Doppelseite Hand in Hand durchqueren. Wenig später holen sie ein Nachbarmädchen ab, dessen Eltern eine kleine Flußfischerei betreiben. Nach der Überquerung  des Flusses  kommen die Kinder an einem Bauernhof vorbei, auch dort schließt sich ein weiterer Mitschüler an.

Lachend und verspielt herumstaksend, nähern sich die vier Kinder der Stadt, in der schon von weitem erkennbar ein Zirkus gastiert. An der am Stadtrand gelegenen Autowerkstatt werden ein Paar Zwillingsmädchen abgeholt, an den Zirkuswohnwagen ein weiterer Junge. Die Kinder passieren eine Bäckerei, eine Zoohandlung und Wohn- häuser, und so wächst die Kinderschar und wird immer bunter. Schließlich sitzen sechsundzwanzig Kinder im Klassenraum schauen und uns erwartungsvoll an …

Illustration Julie Völk © Gerstenberg Verlag 2018

Julie Völk reichert diesen alltäglichen Schulweg mit einfühlsam-zwischenmenschlichen und verspielt-phantasievollen Feinheiten an. So taucht auf fast jedem Bild ein winziges zwerglich-menschliches Wesen auf, das den Kindern heimlich folgt und schließlich auch mit seinen ungefähr 40 cm Körpergröße mit im Klassenzimmer sitzt bzw. steht, da es nur im Stehen über die Tischplatte hervorlugt.

Auch die schwarzweiße Katze aus dem künstlerischen Haushalt ist den Kindern, mal mehr mal weniger sichtbar, bis in die Schule gefolgt. Wo sie sich später im Klassenraum verbirgt, werde ich jedoch nicht verraten, das müssen Sie und ihre Mitguckkinder schon selber herausfinden.

Jede erneute „Lektüre“ des Bilderbuches erschließt andere Perspektiven und Details. So läßt etwas ein Junge unterwegs seinen roten Turnbeutel stehen. Eines der Zwillingsmäd-chen, das seinen Schultornister vergessen hat und noch einmal nach Hause zurückläuft, bringt auch diesen Turnbeutel wieder mit und wird entsprechend freudig von dem Jungen in Empfang genommen. 

Illustration Julie Völk © Gerstenberg Verlag 2018

Der Lehrer – leicht erkennbar an seiner ledernen Aktentasche – hat sich verschlafen und rennt eilig zur Schule und verliert bei seinem Sprint lose Blätter, so daß man stets die Spuren seines Wegs und schließlich auch die seiner Ankunft und Anwesenheit mitverfolgen kann.

Die Wohnaccessoires der verschiedenen Haushalte, in die wir Einblick bekommen, bieten Charakterisierungszugaben, mit deren Deutung man sich lange und unter- haltsam beschäftigen kann.

Ich bin jetzt fünfmal mit den Bilderbuchkindern augenfußläufig zur Schule gegangen und habe jedesmal eine weitere amüsante Einzelheit und einen neuen Zusammenhang gefunden.

Mit oberflächlich-kurzfristigen Bildschirmklick-Sehgewohnheiten findet man sich jedoch keineswegs in diese leise sprechenden Bilder hinein. Nur langsames, verweilendes Hinschauen führt zu Einsicht, erschließt beim wiederholten Betrachten und Blättern nach-und-nach-gemach Details, Querverbindungen, Handlungsabläufe und Schlußfolgerungen sowie Pointen.

Julie Völks Bilderbuch „Wenn ich in die Schule geh, siehst du was, was ich nicht seh“ mutet nostalgisch an. Man fragt sich unwillkürlich, wie viele Kinder heute, angesichts der zwanghaften Übermotorisierung, noch zu Fuß zur Grundschule gehen und Erfahrungen sammeln, wie die Kinder aus dem vorliegenden Bilderbuch.

Dieses Bilderbuch ist eine wahre Augenweide voller lebensbereichernder Facetten und vermittelt mit seinen warmherzigen Szenerien und ebenso einfühlsamen wie schelmischen Details eine wünschenswerte Entdeckung und Wertschätzung der Langsamkeit.

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.gerstenberg-verlag.de/Kinderbuch/Bilderbuch/Wenn-ich-in-die-Schule-geh.html?noloc=1

Die Illustratorin:

»Julie Völk, geboren 1985 in Wien, wuchs im ländlichen Niedersachsen auf. Sie studierte an der HAW in Hamburg Illustration. Ihr Debüt Das Löwenmädchen ist gleich mit dem Nachwuchspreis Serafina und dem Troisdorfer Bilderbuchpreis ausgezeichnet worden. Für ihr zweites Buch Guten Morgen, kleine Straßenbahn! erhielt sie den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Die Künstlerin lebt mit ihrer Familie in Niederösterreich.« www.julievoelk.de

Querverweis:

Hier entlang zu zwei weiteren Bilderbüchern  von Julie Völk:
„Guten Morgen, kleine Straßenbahn!“
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/09/04/guten-morgen-kleine-strassenbahn/
„Stille Nacht, fröhliche Nacht“
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/12/18/stille-nacht-froehliche-nacht/

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