MEHR GRÜN!

  • Ein Dschungelbuch zwischen Kahlschlag und Stadtbegrünung
  • von Ulrich Holbein
  • Akt 77, thinkOya 2014                            http://www.think-oya.de
  • 96 Seiten, Broschur
  • 10 €
  • ISBN 978-3-927369-82-5
    MEHR GRÜN!9783927369825

B L Ä T T E R W A L D

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Ulrich Holbein blättert uns mit seinem Buch „MEHR GRÜN!“ eine erbaumliche und gedankenrankenreiche Lektüre auf: Eine Dendrochronologie, welche nicht die hölzernen Jahresringe aufzählt und ausdeutet, sondern die menschlich-zivilisatorische Beanspruchung von Wäldern und Bäumen umkreist.

„Die Maxime der Zivilisation hieß: Weniger grün! Sechs Wochentage lang randalierte man als Naturbeherrscher, um sonntags die beherrschte Natur mit Naturverbundenheit zu belästigen.“
(Seite 52)

Der Autor vagabundiert mit konzentrierter Eloquenz durch Baummythologie, Weltgeschichte, Naturmystik, Ökologie, Märchen und Sagen und wandert von der Antike über das biblische Paradies bis in gegenwärtige exklusive Privatparadiese. In diesem Potpourri finden sich Holzfäller und Schamanen, Baumhasser und Baumverteidiger, Baumseele und Naturgeistverkitschung.

Kultiviert und spöttisch kritisiert er baumfeindliches und grünneidisches Menschentun, und in der Liste der Bäumschänder wimmelt es – historisch und mythologisch überliefert – von Philosophen, Heiligen und Herrschern. Doch auch heutigentags braucht man nicht weit zu gehen, um in „Frau Saubermanns“ dressiertem Garten „Teppichboden-Ästhetik“ zu betreten.

Darüber hinaus sieht Ulrich Holbein Parallelen zwischen der zähmenden Beschneidung menschlicher Körperbehaarung – insbesondere des männlichen Bartes – und der Baumbeschneidungs- und Rasenmähzwanghaftigkeit durchschnittlicher Garteninhaber.

Ich fand es z.B. sehr interessant und amüsant, zu erfahren, daß der Apfelbaum sich schöpfungsgeschichtlich die Ehre der verdaulichen Erkenntnisvermittlung mit der Bananenpalme und dem Feigenbaum zu teilen hat – ganz abgesehen von der Frage, wie sich Adam und Eva ihre Blöße mit einem Apfelbaumblatt hätten bedecken können sollen.

Nach vollbrachter Abrechnung mit diversen naturfeindlichen menschlichen Verhaltensauswüchsen und einer gebündelten, geistreich-vorwitzigen Kulturkritik endet das Buch mit einem „aufbauenden“ Kapitel über Weidenbaumarchitektur.

Da grünt denn doch noch eine Hoffnung auf eine bessere Beziehung zwischen Baum und Mensch.

„Jetzt fehlen praktisch nur noch Autos aus Holz, denen lebendige Weidenzweige hinterherwehen – und grasbewachsene Bademäntel.“ (Seite 90)

Im Anhang von „MEHR GRÜN“ gibt es eine Liste mit baumfreundlichen Webseiten.
Ganz besonders beeindruckend, inspirierend und herzergrünend finde ich die
„Stiftung Waldgartendorf, Konstantin Kirsch“:
http://www.naturbauten.com

Der Autor:

Ulrich Holbein, Jahrgang 1953, lebt als universalgelehrter Literaturkauz und Öko-Dandy im hessischen Knüllwald. Die Süddeutsche Zeitung verglich ihn mit dem jungen Jean Paul, Walter Benjamin und Arno Schmidt. 2012 wurde er mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.

PS:
Eine lustige Nebensache möchte ich noch erwähnen: Beim Impressum ist das copyright –Zeichen seitenverkehrt gedruckt, und dahinter steht folgerichtig „copyleft“. Ich habe Freude an solchen kleinen Originaltäten, und da ich weiß, daß nur wenige Leser auch das Impressum lesen, weise ich darauf hin, das Impressum ausnahmsweise einmal zu beäugen.

PPS:
Stellenweise finde ich den Text ein wenig zu fremdwortwuchernd, doch angesichts seiner schönen Wortschöpfungen (Ökochonder, Rasurgärten, hummeldurchbrummelt) will ich diesbezüglich nicht so streng sein. Ich wette jedoch mit Ihnen, daß Sie spätestens auf Seite 71 zum Fremdwörter-Duden greifen müssen – wahrscheinlich hat der Autor diesen kurzen Absatz über „Philosophische Wurzeln“ aber auch nur mit stilistischem Augenzwinkern formuliert.

PPPS:
thinkOya Akt: ›Akt‹ (von lat. agere, handeln) steht für Aktion, Ereignis, Handlung. Als philosophischer Begriff bezeichnet ›Akt‹ eine realisierte Wirklichkeit im Gegensatz zur ›Potenz‹, einer (noch) nicht manifesten Möglichkeit. In der Reihe » thinkOya Akt« erscheinen Aufklärungs-, Streit- und Flugschriften, die zu konkreten Handlungen anstiften. Jeder Band ist eine Ideenwerkstatt zu den drängenden Herausforderungen unserer Zeit. Im Weiterdenken und Aktivwerden der Leserinnen und Leser können diese Ideensamen zu konkreten Utopien heranreifen.

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Haben Bäume Rechte?

  • Plädoyer für die Eigenrechte der Natur
  • von Christopher D. Stone
  • Originaltitel: »Should Trees Have Standing?«
  • Übersetzung aus dem Englischen von Hanfried Blume
  • Akt 112, thinkOya 2014                      http://www.think-oya.de
  • 128 Seiten, Broschur
  • 10 €
  • ISBN 978-3-927369-81-8
    9783927369818.jpg Haben Bäume Rechte

N A T U R G E R E C H T I G K E I T

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Die amerikanische Originalausgabe von „Haben Bäume Rechte“ ist im Jahr 1972 erschienen. Die Neuauflage dieses Klassikers des Umweltrechts ist nun in deutscher Übersetzung bei thinkOya erschienen. thinkOya ist ein Imprint der Drachen Verlag GmbH in Kooperation mit der Zeitschrift »Oya – anders denken. andersleben« http://www.oya-online.de/home/index.html .

Der Autor, Christopher D. Stone, ist Professor emeritus an der University of Southern California. Er studierte Rechtswissenschaften in Harvard und Yale und ist Experte für Eigentumsrecht und Internationales Umweltrecht. Er zählt zu den weltweit bedeutendsten Fürsprechern der Rechtsfähigkeit der Natur.

In der Einleitung seines Buches schreibt er: „Ich möchte hier den ernsthaften Vorschlag unterbreiten, den Wäldern, Ozeanen, Flüssen und anderen sogenannten Naturobjekten – ja, der natürlichen Umwelt insgesamt – eigene Rechte zu verleihen.“ (Seite 12)

Zwar gibt es Gesetze zum Schutze der Natur… Umweltschutzorganisationen sowie Bürgerinitiativen und Privatpersonen können z.B. eine Papiermühle wegen Wasserverschmutzungen verklagen, aber rechtliche relevant sind allein die menschlichen Interessen an sauberem Wasser, mögliche menschliche Gesundheitsgefährdungen oder kommerzielle Einbußen wegen schwindender Fischbestände. Der betroffene Fluß an sich hat jedoch keinen Unterlassungsanspruch und keinerlei Klage- oder Entschädigungsrecht.

Christopher D. Stone plädiert für die Installation von Rechtsvertretern, die sich – ähnlich der Vormundschaft bei nicht geschäftsfähigen Menschen – im Sinne des Wohlergehens und Schutzes der betroffenen Naturobjekte für deren Rechte einsetzen und Gefahren von ihnen abwenden.

Ist es so undenkbar, der Natur auf diese Weise eine juristische Bedeutung, Stimme und Eigenrechte zu verleihen? Ist es nicht längst überfällig?

Christopher D. Stone gewährt uns einen kurzen, lehrreichen Rückblick in die Rechtsgeschichte und beschreibt anschaulich, wie selbstverständlich es einst war, Sklaven, Frauen und Kindern keine Eigenrechte einzuräumen, und sie der Gnade und Willkür der weißen, männlichen und erwachsenen Rechtsinhaber auszusetzen. Bezogen auf Sklaven, Frauen und Kinder gab es einen gesellschaftlichen Bewußtseinswandel und dementsprechend neue Gesetze und Rechtmäßigkeiten.

Der Autor betrachtet ausführlich die rechtspraktischen Aspekte der wünschenswerten Legitimation von „Naturgerechtigkeit“. Anschließend geht er auf ethische, psychische und sozialpsychologische Seiten der Thematik ein, und er weist darauf hin, daß die Ausdehnung der Eigenrechte der Natur eine deutliche Reduktion des menschlichen Rechtes auf Ausbeutung, Mißachtung und Verwertung der Natur impliziert. Kurz – er verabschiedet sich und uns vom Wirtschaftswachstumswahn und seinen lebensleeren, falschen Versprechungen.

„Ein Großteil des sogenannten materiellen Komforts bedeutet nicht nur eine Übersteigerung der biologischen Bedürfnisse – er steht diesen sogar diametral entgegen.“ (Seite 67)

Angesichts der komplexen, wechselseitigen Lebens- und Stoffkreisläufe der Natur ist es lebenswichtig, die Erde als ganzheitlichen Organismus wahrzunehmen und zu respektieren. Christopher D. Stone spricht sogar von einer „Planetarisierung des Bewusstseins“:

„Und weil Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit von der Gesundheit der Umwelt abhängen, werden sich die beiden Ziele so häufig wechselseitig fördern, dass man auf die Entscheidung verzichten kann, ob unsere grundlegende Handlungsmaxime darin liege, ›unser‹ Fortkommen zu betreiben oder das eines neuen ›Wir‹, das die Umwelt mit einschlösse.“
(Seite 62)

„Haben Bäume Rechte?“ ist ein sehr vordenkerisches und weise-weitsichtiges Buch, das jetzt noch aktueller und notwendiger ist als vor 42 Jahren.

Als dieses Buch1972 erschien, war ich acht Jahre alt und beweinte den alten Kirschbaum, den Nachbarn gefällt hatten, um mehr Licht für ihre Erdbeerpflanzen zu bekommen. Für mich war dieser Baum kein bloßes Objekt, sondern eine natürliche „Bezugsperson“, die ich liebend gerne verteidigt hätte.

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
http://think-oya.de/buch/haben_baeume_rechte.html

PS:
thinkOya Akt: ›Akt‹ (von lat. agere, handeln) steht für Aktion, Ereignis, Handlung. Als philosophischer Begriff bezeichnet ›Akt‹ eine realisierte Wirklichkeit im Gegensatz zur ›Potenz‹, einer (noch) nicht manifesten Möglichkeit. In der Reihe » thinkOya Akt« erscheinen Aufklärungs-, Streit- und Flugschriften, die zu konkreten Handlungen anstiften. Jeder Band ist eine Ideenwerkstatt zu den drängenden Herausforderungen unserer Zeit. Im Weiterdenken und Aktivwerden der Leserinnen und Leser können diese Ideensamen zu konkreten Utopien heranreifen.