Untu und das Geheimnis des Lichts

  • Illustration von Pirkko-Liisa Surojegin
  • Text von Nora Surojegin
  • Originaltitel:»Untu ja sydäntalven salaisuus«
  • Aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen
  • Verlag Urachhaus, August 2020  www.urachhaus.com
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 20 x 26,5 cm
  • 120 Seiten
  • 20,00 € (D), 20,60 € (A)
  • ISBN 978-3-8251-5207-9
  • Kinderbuch ab 6 Jahren

 

L I C H T K R E I S E

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Untu ist ein kleines Männchen, das in einer moosbewachsenen Hütte am Ufer des Meeres wohnt. Er hat die Weltmeere bereist, viel erlebt und manches Abenteuer über-standen, befreundet ist er mit einer einbeinigen Mantelmöwe namens Klüwer.

Neuerdings treibt ihn eine neue Sehnsucht um, denn er hat am Strand eine Weihnachts-karte gefunden, auf der von einem freudigen, lichtvollen Fest im tiefsten Winter die Rede ist. Was Weihnachten eigentlich sei, weiß Untu nicht, aber er will sich unbedingt auf die Suche nach diesem vielversprechenden „Licht der Winternacht“ machen. Er berät sich mit Klüwer, der auch nur weiß, daß dieses Licht wohl hoch im Norden, bei Völkern mit seltsamen Bräuchen zu finden sei, die mit der Polarnacht in Verbindung stehen.

Illustration von Pirkko-Liisa Surojegin © Verlag Urachhaus 2020 aus: „Untu und das Geheimnis des Lichts“

Da schon Herbst ist, macht sich Untu gleich am nächsten Tag auf den langen Weg in den Norden. Unterwegs trifft er einen Dachs, der Untus Frage nach der Beschaffenheit von Weihnachten zwar nicht beantworten kann, ihn jedoch gerne zu einem schmackhaften Apfelessen und einem warmen Übernachtungsplatz in der Dachshöhle einlädt.

Später trifft Untu den ehrfurchtgebietenden Waldgeist Kekri, dessen geheimnisvolle Wegbeschreibung ihn zum niedlichen und umtriebigen Volk der Muppel führt. Diese freundlichen Muppel bieten Untu großzügig ihre Gastfreundschaft an, die er gerne und dankbar für einige Tage annimmt. Die kleinen Muppel leben in harmonischer Gemein-schaft mit den großen Dämmerlingen, einer sehr, sehr, sehr langsamen Spezies, die – von Pflanzen, Pilzen und Flechten überwachsen – beschaulich vor sich hin dämmert und sehr viele Geschichten kennt, aber leider nur sehr, sehr, sehr langsam spricht. So kostet es Untu viel Geduld, von den Dämmerlingen etwas mehr über Weihnachten zu erfahren; immerhin konkretisiert sich nun der diffuse Weihnachtsbegriff um den Julbock oder Frostgreis, auch der Alte der Weihnacht genannt, der in den Fjells im Norden zu finden sei.

Illustration von Pirkko-Liisa Surojegin © Verlag Urachhaus 2020 aus: „Untu und das Geheimnis des Lichts“

Auf seinem Weg zu den Fjells begegnet Untu noch anmutigen Blattfeen, einem großen alten Bären, schelmischen Schneelonttis, die ihn hilfsbereit mit Schneeschuhen aus-statten, und Pauno Polterbart, der zum Volk der Wunnen gehört, und Untu auf seinem Schlitten mitnimmt und zur Rast in sein Haus einlädt. In Paunos Dorf wird die Kunst der Gastfreundschaft zudem mit einem reinigenden Saunagang ergänzt, und Untu macht dort die Bekanntschaft mit dem hauseigenen Sauna-Wisperling, der für die gute Qualität der Aufgüsse verantwortlich ist. In Paunos Dorf sprechen alle schon voller Vorfreude vom bevorstehenden Fest des Mittwinters, vom Schmücken der Häuser, festlichen Speisen und Kinderspielen, und Untus Vorstellung von Weihnachten bekommt noch etwas mehr sinnliche und zwischenmenschliche Substanz.

Ausgestattet mit maßgeschreinerten Skiern reist Untu vom Dorf der Wunnen weiter in den Norden. Er muß einen dunklen Traum überwinden, erfährt den Schutz eines Wolfs-rudels und wird schließlich von einer Rentierherde zum Alten der Weihnacht geführt.
Dieser sitzt an einem Lagerfeuer und singt gerade den traditionellen Joik-Gesang der Samen.

Untu betrachtet staunend die hochgewachsene, kraftvolle Gestalt mit dem weißgrauen Bart und einer Kopfbedeckung, aus der zwei geschwungene Hörner herausragen. Herz- lich lädt der Alte der Weihnacht Untu ein, mit ihm am Feuer zu sitzen und Krähen- beerentee zu trinken. Auf die Frage, ob er der gesuchte Alte der Weihnacht sei, antwortet er gelassen, daß dies einer von vielen Namen sei, die man ihm gegeben habe, manche nennten ihn auch Frostgreis oder Julbock.

Sie sprechen über Weihnachten, und Untu fragt zunächst noch immer nach einer äußerlich deutlich sichtbaren, überwältigenden Lichterscheinung, die die dunkelste Winterzeit erleuchten solle; doch der Alte der Weihnacht zeigt ihm, daß zu Mittwinter zwar das Ende der Dunkelheit und das Wachsen des Lichts gefeiert werde, es jedoch wesentlich darum gehe, das Licht in den Herzen zu entzünden.

Illustration von Pirkko-Liisa Surojegin © Verlag Urachhaus 2020 aus: „Untu und das Geheimnis des Lichts“

»Freunde versammeln sich, um das Ende der Dunkelheit zu feiern. Die liebevollen Festvorbereitungen und alten Traditionen, in Freundschaft überreichte Geschenke und fröhliche Erinnerungen – all das verbreitet Freude und Licht mitten im tiefen Winter. Kaamos, die Dunkelheit, geht vorüber, und neues Licht breitet sich in der Welt aus. Genau jetzt ist Weihnachten.« (Seite 107)

Diese märchenhafte Geschichte vermittelt eine faszinierende vorchristliche Weihnachts- bzw. Wintersonnenwendstimmung, die mit interessanten mythischen Charakteren und elementarer, wilder Naturkraft aufwartet.

Hier gibt es keinen rotbemantelten Weihnachtsmann mit Sündenregister und einem Sack voller Geschenke und keine Krippe mit Jesuskind und Engelschor, sondern eine einfühlsame Ahnung davon, wie in vorchrist- licher Zeit die Wintersonnenwende wahrgenommen wurde und wie sie vielleicht in weniger kunstlichtverschmutzten Gegenden noch heute wahr- genommen werden kann. So vermittelt Untus Geschichte beiläufig einen lebhaften Eindruck nordischer Bräuche, Weihnachtstraditionen und nordischer Landschaften, einschließlich des zauberhaften Schauspiels des Nordlichts.

Untu ist ein warmherziger, sanftmütiger und tapferer Charakter, der auf seiner Reise vielen unterschiedlichen Wesen freundlich, höflich und unvor- eingenommen begegnet und dessen Güte meistens erwidert wird. Unter- wegs singt er stets fröhliche selbstgedichtete Lieder, die seine Beobachtun- gen und Erfahrungen spiegeln und kommentieren.

Die schönen, naturmagisch-vielschichtigen Illustrationen von Pirkko-Liisa Surojegin begleiten und bereichern die märchenhafte Erzählung harmo- nisch und geben dem Erlesenen anschauliche Gestalt.

Der Autorin Nora Surojegin gelingt das schriftstellerische Kunststück, zugleich einfach und komplex zu erzählen. Die Landschaft und die Ver- änderungen der Jahreszeitenstimmung vom bunten Blätterabschiedstanz des Herbstes über den tiefverschneiten Winter bis hin zum Erscheinen der Nordlichter werden in einem poetisch-atmosphärischen Stil dargeboten, die Dialoge sind unkompliziert und lebendig und die emotionalen Schattierung- en vielfältig. Augenzwinkernder Humor, unaufdringliche Weisheit und feinsinnige Naturverbundenheit erfüllen jedes Kapitel mit erfreulicher Lebensbejahung.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch-4-bis-8-Jahre/Untu-und-das-Geheimnis-des-Lichts.html

 

Die Illustratorin:

»Pirkko-Liisa Surojegin, geboren 1950 in Kuopio, Finnland, studierte Grafikdesign an der Kunst- und Designuniversität Helsinki, ist seit 1981 freiberufliche Illustratorin und Auto-rin. Für ihre stimmungsvollen, fein ausgearbeiteten Bilder in Lehrbüchern, Bilder- und Märchenbüchern sowie dem Nationalepos Kalevala ist sie in Finnland so berühmt wie beliebt.«

Die Autorin:

»Nora Surojegin, geboren 1979, Tochter der berühmten Illustratorin und ebenfalls Grafikdesignerin, hat mit dem Text für die Geschichte von Untu  ein gelungenes Debut als Autorin gefeiert.«

 

Musikalische Zugabe:

Wer eine Kostprobe des Joik-Gesangs kennenlernen möchte, kann sich unter den nachfolgendem Link zu »Jon Henrik Fjällgren – Daniel’s Jojk«  wohlbekömmlich einhören:

und bei Maestro Random Randomsen sowohl einhören als auch informativ einlesen: https://randomrandomsen.wordpress.com/2017/11/23/jon-henrik-fjaellgren-%e2%80%a2-daniels-joik/

 

 

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Petronella Apfelmus, Band 7

  • Hexenfest und Waldgeflüster
  • von Sabine Städing
  • mit Illustrationen von Sabine Büchner
  • Boje Verlag, September 2019   www.boje-verlag.de
  • gebunden mit LESEBÄNDCHEN
  • 208 Seiten
  • 13,00 € (D)
  • ISBN 978-3-414-82546-9
  • Kinderbuch ab 8 Jahren zum Selberlesen
  • ab 5 Jahren zum Vorlesen

ZAUBERHAFTE  GASTGEBERIN

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Die Apfelbaumhexe Petronella Apfelmus ist ganz aus dem Apfel-Häuschen angesichts der Aufgabe, das Fest der diesjährigen Walpurgisnacht auszurichten. Außerdem ist sie für den „Goldenen Hexenzopf“ nominiert worden, was in Hexenkreisen als sehr ehren- volle Auszeichnung gilt, da es eine Vorbedingung dafür ist, eines Tages auch in den Hexenrat aufgenommen zu werden.

Wer mit den Gegebenheiten rund um Petronella Apfelmusens Apfelgarten und ihre fleißigen Apfelmännchen sowie ihre Freundschaft mit den Zwillingen Lea und Luis noch nicht vertraut ist, möge sich bitte zu meiner Besprechung des ersten Bandes bemühen, um sich kundig zu machen: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/01/07/petronella-apfelmus/

Zu Petronellas Spezialitäten gehört es, daß sie sich nach Belieben und Bedarf vergrö- ßern oder verkleinern kann. Dazu benutzt sie eine magische Strickleiter: Wenn sie diese apfelbaumaufwärts klettert, wird sie so klein, daß sie bequem in einem Apfel wohnen kann, klettert sie hingegen apfelbaumabwärts, nimmt sie eine menschliche Größe an. Für unterwegs hat sie außerdem ein Döschen mit silbernen Apfelkernen, mit denen sich ebenfalls zauberhaft verkleinern oder vergrößern läßt.

Neben der sorgfältigen Pflege der alten, seltenen Apfelbäume betreibt Petronella auch eine regelmäßige Sprechstunde für kranke und verletzte Tiere. So kümmert sie sich trotz der vielen organisatorischen Arbeiten für das Hexenfest fürsorglich um eine verletzte Haselmaus, die ihre Schwanzspitze in einer Mausefalle eingebüßt hat.

Lea und Luis sind zwar enttäuscht, daß sie als Menschenkinder nicht am Walpurgis- nacht-Hexenfest teilnehmen dürfen, gleichwohl helfen sie gerne bei den Vorbereitungen mit und stapeln mit Feuereifer Bruchholz für das große Hexenfeuer auf, denn laut Hexenverordnung dürfen bestimmte festliche Vorarbeiten tatsächlich nicht mit Hilfe von Zauberei ausgeführt werden.

Illustration von SaBine Büchner © Petronella Apfelmus Band 7, Boje Verlag 2019

Der Festplatz ist eine große Wiese, die sich direkt an den Apfelgarten anschließt. Dieses Areal wird von Petronella mit einem Zauberschleier vor unbefugten Blicken geschützt; wenn alle Hexengäste eingetroffen sind, kommt noch ein undurchdringlicher Bannkreis hinzu, der mit folgendem Zauberspruch gezogen wird:

»Regenwand mit Blitz und Donner,
schütze Festplatz, Baum und Feen.
Lass nur magische Geschöpfe
durch dein Zaubertürchen gehn.«
(Seite 100)

Nun, ganz so undurchdringlich ist der Bannkreis dann aber doch nicht. Denn Lea und Luis gelangen mit Hilfe von Petronellas Cinderella-Zauber doch noch heimlich auf das Fest. Sie bestaunen die hübschen Marktstände, die allerlei Zauberzutaten feilbieten, und die zahlreich anwesenden unterschiedlichen Hexentypen und Zauberer. Die miß- günstige, klatschsüchtige und intrigante Hexe Hexobine Höckerbein, deren unange- nehme Bekanntschaft die Zwillinge in einer früheren Episode bereits gemacht haben, ist auch unter den geladenen Gästen.

 

Illustration von SaBine Büchner © Petronella Apfelmus Band 7, Boje Verlag 2019

Ausgerechnet gegen diese Hexobine Höckerbein muß nun Petronella Apfelmuß zum Wettkampf um den „Goldenen Hexenzopf“ antreten. Die Prüfung besteht darin, den zuvor vom Hexenrat raffiniert in der magischen Welt versteckten „Goldenen Hexenzopf“ wiederzufinden und zum Festplatz zurückzubringen. Beide Hexen bekommen einen rätselhaften Zettel, auf dem Ortsangaben zu entschlüsseln sind. Lea hilft Petronella bei dieser Entschlüsselung der seltsamen Buchstabenfolgen, während sich Hexobine und ihr Hilfszauberer damit schwertun. Dies verschafft Petronella einen kleinen Vorsprung beim Zugang zur magischen Welt.

Illustration von SaBine Büchner © Petronella Apfelmus Band 7, Boje Verlag 2019

Durch Kristallkugeln verfolgen das Hexenpublikum und die Zwillinge gespannt, wie sich die Suche der beiden Hexen gestaltet. Hexobine arbeitet, wie es ihre Unart ist, mit fiesen Tricks und Rücksichtslosigkeit und bringt Petronella durchaus in die eine oder andere Bedrängnis; doch schließlich findet Petronella in einem Feenhügel den „Goldenen Hexenzopf“ und wird bei ihrer Rückkehr feierlich empfangen und geehrt.

Endlich kann der vergnügliche Teil des Hexenfestes beginnen, und Lea und Luis tanzen begeistert mit ums Hexenfeuer.

Die Autorin erzählt diese Geschichte in einem einfühlsam-augenzwinkern- den Stil, mit spannender Dramaturgie, lebhaften Dialogen, phantasievollem Abwechslungsreichtum und amüsanten Zauberspruchreimen. Die knuffigen Schwarz-weiß-Illustrationen von Sabine Büchner greifen den heiteren Tonfall auf und übertragen ihn in text- und detailgetreue Szenerien mit wiedererkennungseffektvollen Charakterzeichnungen.

Auch der siebte Band der Petronella-Reihe bietet wieder märchenhaften Stoff für die kindliche Herzensbildung. Ebenso anschaulich wie unauf- dringlich-spielerisch werden hier zwischenmenschliche Werte wie Empathie, Freundschaft, Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Mit- und Lebensfreude sowie Naturverbundenheit vermittelt.

 

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.luebbe.de/boje/buecher/kinderbuecher/petronella-apfelmus-hexenfest-und-waldgefluester/id_6615088

Hier entlang zum Hörbuch und zur Hörprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.luebbe.de/luebbe-audio/hoerbuecher/kinderbuecher/petronella-apfelmus-hexenfest-und-waldgefluester/id_6615120

 

Die Autorin:

»Sabine Städing wurde 1965 in Hamburg geboren und hat sich schon als Kind gerne Geschichten ausgedacht. Nach ihren drei Büchern rund um das Mädchen Magnolia Steel, das herausfindet, dass sie eine Hexe ist, schreibt sie inzwischen Bücher für jüngere Kinder. Auch in ihrer aktuellen Buchreihe steht mit Petronella Apfelmus wieder eine Hexe im Mittelpunkt.« http://www.sabinestaeding.de/

Die Illustratorin:

»Sabine Büchner, geb. 1964, studierte Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration in Wuppertal und Animation an der HFF in Babelsberg. 2006 erhielt sie das Troisdorfer Bilderbuchstipendium und ist seitdem als freie Illustratorin für verschiedene Verlage tätig. Mit ihren so liebevollen wie witzigen Bildern hat sie Petronella Apfelmus und ihrer Welt vom ersten Band an einen ganz eigenen Zauber verschafft.«

 

Hier entlang zu den sechs vorherigen Petronella-Apfelmus-Bänden:

Band 1: Verhext und festgeklebt
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/01/07/petronella-apfelmus/
Band 2: Zauberschlaf und Knallfroschchaos
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/03/25/petronella-apfelmus-band-2/
Band 3: Schneeballschlacht und Wichtelstreiche
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/12/11/petronella-apfelmus-band-3/
Band 4: Zauberhut und Bienenstich
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2018/06/04/petronella-apfelmus-band-4/
Band 5: Hexenbuch und Schnüffelnase
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2018/10/03/petronella-apfelmus-band-5/
Band 6: Schnattergans und Hexenhaus
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/10/30/petronella-apfelmus-band-6/

 

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Weihnachten auf der Lindwurmfeste

  • oder
  • Warum ich Hamoulimepp hasse
  • von Hildegunst von Mythenmetz
  • Aus dem Zamonischen übertragen von Walter Moers
  • Illustriert von Walter Moers und Lydia Rode
  • PENGUIN Verlag  November 2018  www.penguin-verlag.de
  • gebunden mit Schutzumschlag
  • 112 Seiten
  • Format: 17 x 24 cm
  • durchgehend vierfarbig illustriert
  • LESEBÄNDCHEN
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A), 21,90 sFr.
  • ISBN 978-3-328-60071-8

M Y T H E N M E T Z S C H E S   I N T E R M E Z Z O

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Da ich nicht voraussetzen darf, daß alle meine geneigten Leserinnen und Leser lese-lückenlos in Walter Moers‘ Zamonien-Welt zu Hause sind, möchte ich gerne einige auf-klärende Informationen vorausschicken, die das Verständnis des hier besprochenen Werkes erleichtern mögen.

Der fiktive Kontinent Zamonien zeichnet sich durch seine faszinierende, märchenhafte und phantasievolle Daseinsformenvielfalt aus. Zu einer dieser Daseinsformen gehören die Lindwürmer, die auf der Lindwurmfeste, einer kegelförmigen Felsformation im Westen Zamoniens, zu Hause sind. Die Lindwürmer sind aufrechtgehende, zweibeinige, intelligente Echsen, die von den Dinosauriern abstammen und in Zamonien ein sehr zivilisiertes und kultiviertes Leben führen. Sie haben eine Lebenserwartung von 1000 Jahren sowie eine starke Neigung zu Literatur und Schriftstellerei. Deshalb bekommt jedes Kind einen Dichtpaten zur Seite, der über literarische Bildung, poetische Inspirationstalente und anfängliche Schreibversuche der kleinen Lindwürmchen wacht.

Hildegunst von Mythenmetz ist der wohl berühmteste und literarisch produktivste Lindwurm der Lindwurmfeste; sein Dichtpate war Danzelot von Silbendrechsler, der Hildegunst von seinem Sterbebett aus gewissermaßen testamentarisch in sein erstes großes Abenteuer schickt, welchselbiges man in seinem Roman „Die Stadt der träumenden Bücher“ nacherlesen kann.

Die Artenvielfalt Zamoniens führt zu einer Vielzahl von speziesspezifischen Feier- und Festtagen. So feiern die Holzgnome das Borkenfest, die Gurkenzwerge das Essigfest, die Nebelheimer den Trompaunenvollmond, die Venedigermännlein eine Mandolinen- woche, die Buchlinge ihr Silvester-Ormen … – und die Lindwürmer feiern alle Jahre wieder Hamoulimepp.

Das vorliegende, für mythenmetzsche Verhältnisse kurze Buch, streng genommen ist es ein ausführlicher Brief an seinen Freund, den dreigehirnigen Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer aus der Bücherstadt Buchhaim, ist Mythenmetz‘ Abrechnung mit dem zamonischen Fest Hamoulimepp. Dieses dreitägige Fest wird auschließlich von den Lindwürmern gefeiert und hat seltsame Ähnlichkeiten, aber auch Unähnlichkeiten mit unserem Weihnachtsfest.

Neben zahlreichen Belagerungen, die die Bewohner der Lindwurmfeste im Verlaufe ihrer Geschichte schon erleiden mußten, gibt es den alljährlichen, festlichen Ausnahmezustand „Hamoulimepp“. Mit diesem Fest sind einige Bräuche und Zeremonien verbunden, denen Mythenmetz ausdrücklich kritisch bis ablehnend gegenübersteht.

Es gibt eine das Fest legitimierende Legende mit mehr oder weniger glaubwürdigen Haupt- und Nebenfiguren, dazu Geschenkestreß und Dekozwang, umweltschädlichen Verpackungswahn, unglaubliche Materialverschwendung durch die bemalten Hamouli- meppbäume, welche in Ermangelung von Nadelbäumen aus tannbaumförmigen Felsen- spitzen der Lindwurmfestesubstanz bestehen, und eine musikalische Beschallrieselung, für die das Wort Musik eigentlich nicht erfunden worden ist.

Ja, auch die Lindwürmer lassen ihre Kinder anscheinend von einem mythischen Wesen beschenken, selbstverständlich nur, wenn die Kleinen das ganze Jahr über brav waren und immer auf ihren Dichtpaten gehört haben. Im unwahrscheinlichen Falle der Unfolg-samkeit drohen Schläge mit der Hamoulirute, die aus gebündelten Brenndisteln besteht – eine „pädagogische Einschüchterungsmethode“, die Mythenmetz nicht ganz zu Unrecht in Frage stellt.

Hinzu kommt, daß man den Lindwurm-Kindern erst den Glauben an märchenhafte Wesen wie den Hamouli, den Mepp und die Hamoulimeppwurmzwerge eintrichtert, nur um sie dann ab einem gewissen Alter aufklärerisch damit zu desillusionieren, daß es diese Figuren garnicht gibt. Dieser brutale Verlust der kindlichen Unschuld und des märchenhaften Vertrauens ist ein Trauma, das Hildegunst von Mythenmetz seinen Erziehungsberechtigten niemals verzeihen konnte.

Mythenmetz läßt kaum ein gutes Haar an den Hamoulimepp-Feierlichkeiten und zählt nur vier Aspekte auf, die ihm zusagen:

  1. Die Lindwurmfesteschneckengedichte: Dabei werden anläßlich des Festes die Gehäuse der Lindwurmfesteschnecken mit Gedichten beschrieben, die man dank der langsamen Bewegungsweise gemächlich mitlesen kann, wenn man einer solch poetisierten Schnecke über den Weg läuft. Außerdem stehen solcherart beschrif- tete Schnecken unter Artenschutz, was der Vermehrungsrate dieser zamonischen Delikatesse wohlbekommt.
  2. Der Bücher-Räumaus: Hier stellt jeder Bewohner der Lindwurmfeste seine aussortierten Bücher wettergeschützt vor die Türe, damit die Passanten sich nach Leselust und -Laune gänzlich unkommerziell davon bedienen dürfen.
  3. Das Festessen: Nun, das Essen ist auf der Lindwurmfeste schon sehr zamonisch-speziell, ich nenne hier nur stellvertretend die Trilobitensuppe; indes ist die Wirkung gemeinsamen, üppigen, mehrgängigen Schlemmens und die damit verbundene gemütliche, gedankenlähmende, bewegungsverlangsamende Trägheit ein universelles Phänomen, das keiner weiteren Erklärung bedarf.
  4. Das Feuerlose Feuerwerk: Dieses Spektakel erfreut einerseits durch seinen leisen, explosionsfreien Auftritt und anderseits mit seiner wunderbaren Farbenpracht. Es wird aus Lindwurmschuppenmehl hergestellt, welches aus den leuchtendsten Farbpigmenten besteht, die Sie und ich leider noch nie gesehen haben.

Einige Abschweifungen zu zamonischen Pflansekten, Edelsteinen, Rostigen Gnomen, Türen, Tellergerichten usw. werden an passenden Stellen sowohl im Fließtext unter- gebracht als auch im Anhang auf den sechzehn Taxonomischen Tafelns farbenfroh illustrativ dargestellt.

„Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ ist ein vergnüglich-bissiger Lesehappen für zwischendurch, die Textmenge ist überschaubar und die graphische Gestaltung sehr attraktiv. Der Fließtext erscheint auf pergamentfarbenen Briefbögen, die kontrast- effektiv auf fast, aber nicht gänzlich schwarzem Seitenhintergrund aufliegen. Die großformatige, bordeauxrote Texttypographie mutet handschriftlich an, ist dabei jedoch erfreulich klar und lesefreundlich.

Die anhängenden Taxonomischen Tafeln sind kunterbunt illustriert und geben einen anschaulichen und amüsanten Einblick in die exotisch-skurrile, phantastische Gedanken- und Lebenswelt der zamonischen Lindwürmer.

Schutzumschlag und Einband üben mit ihrem feingerillten Papier einen haptischen Reiz aus, ein Lesebändchen rundet die sorgfältige Buchausstattung vorzüglich ab.

Das Buch enthält zudem eine achtseitige Leseprobe des für Frühjahr 2019 zu erwarten-den Romans „Der Bücherdrache“. Dies stimmt mich vorsichtig lesevorfreudig; vorsichtig deshalb, weil Moers alias Mythenmetz schon des öfteren die Geduld seiner Lesege- treuen mit verheißungsvollen Romanankündigungen auf eine harte und ausdauernde Warteprobe gestellt hat. Ich sage dazu nur (für die bezüglich der Buchling-Tradition Leseeingeweihten): „Möge er prangen!“

 

Hier entlang zur Buchausgabe und LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Buch/Weihnachten-auf-der-Lindwurmfeste/Walter-Moers/Penguin/e546137.rhd

 

Zum dazugehörigen Hörbuch:

Weihnachten auf der Lindwurmfeste
von Walter Moers
Hörbuch

ungekürzte Lesung von Andreas Fröhlich
erschienen im Hörverlag November 2018 www.hoerverlag.de
1 CD
Laufzeit: 1 Stunde und 8 Minuten
Pappklapphülle mit Begleitheft und 16 taxonomischen Tafeln
14,99 € (D), 16,90 € (A), 21,90 sFr.
ISBN 978-3-8445-3061-2

„Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ kann ich auch zum Belauschen sehr empfehlen!
Andreas Fröhlich erweist sich auch bei dieser Brieflesung als virtuoser Interpret des dramaturgisch-eloquenten, köstlich-selbstherrlichen und phantasieempfindsamen Hildegunst von Mythenmetz. Subtil, sonor, nuancenreich, pointiert und schelmisch gibt er ihm lebhafte, akustische Gestalt.

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Hoerbuch/Weihnachten-auf-der-Lindwurmfeste/Walter-Moers/der-Hoerverlag/e546249.rhd

 

Der Autor:

»Der Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz ist der bedeutendste Großschriftsteller Zamoniens. Berühmt wurde er durch seine 25-bändige Autobiographie «Reiseerinnerungen eines sentimentalen Dinosauriers», ein literarischer Bericht über seine Abenteuer in ganz Zamonien und vor allem in der Bücherstadt Buchhaim.

Sein Schöpfer Walter Moers hat sich mit seinen phantastischen Romanen, weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus, in die Herzen der Leser und Kritiker geschrieben. Alle seine Romane wie «Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär», »Ensel & Krete«, «Die Stadt der träumenden Bücher», «Der Schrecksenmeister» und zuletzt «Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr» waren Bestseller.«

Die offizielle Zamonien-Website mit weiteren Infos www.zamonien.de

Die Mitillustratorin:

»Lydia Rode lebt, malt und zeichnet in Berlin. Ihre Aquarelle für „Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr“ sind ihre ersten veröffentlichten Illustrationen.«

Der Vorleser:

»Andreas Fröhlich wurde 1965 geboren und hatte bereits mit sechs Jahren seinen ersten Hörspielauftritt. Seine wohl bekannteste Rolle ist die des Bob Andrews für die Hörspielserie „Die drei Fragezeichen“. Andreas Fröhlich lebt in Berlin und arbeitet als Schauspieler, Synchron- und Hörspielsprecher, Synchronregisseur sowie Dialogbuchautor.«

 

Hier entlang zu meinen Rezensionshuldigungen einiger Vorgängerwerke Walter Moers‘ alias Hildegunst von Mythenmetz:

Zum ersten Zamonien-Roman: Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär

https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/12/25/die-13½-leben-des-kaptn-blaubar/
zum zweiten: Ensel & Krete
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/02/05/ensel-und-krete/
zum dritten: RUMO
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/05/28/rumo/
sowie zum siebten Streich: Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/11/01/prinzessin-insomnia-der-alptraumfarbene-nachtmahr/
und zum neunten Zamonien-Roman: Der Bücherdrache
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2019/04/10/der-buecherdrache/

 

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Das Decamerone

  • von Giovanni Boccaccio
  • Aus dem Italienischen von Karl Witte
  • Hörbuch gelesen von
  • Gert Westphal, Beate Lenders, Ingeborg Kallweit,
  • Thessy Kuhls, Steffy Helmar, Maria Körber,
  • Inken Sommer, Monika Söhnel, Christian Rode,
  • Uwe Friedrichsen, Ernst-August Schepmann und Joachim Nottke
  • Produktion: NDR 1984
  • Textauswahl und Texteinrichtung : Hanjo Kesting
  • Laufzeit: 11 Stunden, 47 Minuten
  • erschienen am 2.12.2013 bei »der Hörverlag«     http://www.hoerverlag.de
  • (zum 7oo. Geburtstag Boccaccios)
  • 10 CDs in Pappklappschachtel
  • 39,99 € (D), 44,90 € (A), 52,90 sFr.
  • ISBN 978-3-8445-1172-7
    Das DECAMERONE Hörbuch

EINE  KULTIVIERTE  AUDITÜRE

Hörbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Sprachkunst und Sprechkunst finden sich in diesem Hörbuch zu beiderseitigem, befruchtendem Entzücken vorzüglich zusammen!

Wohlan denn: Es ist mir ein Fest, vom Genusse dieses Klassikers Kunde zu geben. Obwohl ich mich ansonsten in meiner Lektürewahl nicht vom Mittelalter verlocken lasse, mache ich für große Klassiker gerne eine Ausnahme.

Giovanni Boccaccios Decamerone gilt als maßgebliche Stilikone der Novellengattung und als literarischer Geschichtenfundus, aus dem sich viele nachfolgende Schriftsteller von Shakespeare über Swift bis Lessing bedient haben.

Der Titel Decamerone lautet übersetzt Zehntagewerk. Zehn junge Menschen vornehmer Abstammung fliehen im Jahre 1348 vor der Pest, die sich in Florenz gnadenlos aus- breitet, auf ein Landgut. Dort wollen sie das Leben feiern und der Bedrohung der tödlichen Seuche entkommen sowie für eine Weile Abstand zu Angst und Trauer gewinnen. Es sind sieben junge Damen und drei junge Herren, die freundschaftlich und verwandtschaftlich miteinander verbunden sind.

Täglich wird eine oder einer aus der Gruppe zur Königin bzw. zum König des Tages gewählt und mit einem Lorbeerkranze gekrönt. Dieses Oberhaupt bestimmt einen Themenkreis, zu dem alle zehn je eine Geschichte erzählen sollen, so daß am Ende ein Fundus von 100 Geschichten entsteht.

Behaglich und bequem bedient vom Seneschall des Landgutes, umgeben von lieblich-idyllischer Natur und nur unterbrochen von Schlaf und heiterstem spielerischen Müßiggang, werden vielerlei und vielfältige Geschichten erzählt: glückliche und unglückliche Liebesgeschichten, Geschichten von Rache und Vergebung, Gier und Großzügigkeit, Hochmut und Demut, Gefahren und Rettungen, Lohn und Strafe, Eifersucht und Treue, Tugend und Laster, Willkür und Gnade, Eitelkeit und Edelmut.

Dies geschieht in einer schönen, sehr stilvollen Sprache, mit filigran ziseliertem Satzbau, so daß eine Geschichtenschatztruhe erdichtet wird, mit feinen Intarsien aus Poesie, Humor, Sinnlichkeit, Komik, Tragik, Lebensfreude, Liebeslust, Glück und Leid, Seufzern und Tränen, Körper und Seele, Weisheit und Dummheit, Wahrheit und Lüge, Sein und Schein – kurz: vielgestaltig, lebensbunt und mitmenschlich.

Selten habe ich es mehr bedauert, die italienische Sprache nicht zu beherrschen. Wieviel musikalischer muß das Original klingen, wenn schon die Übersetzung ins Deutsche (von Karl Witte) so sprachbeflügelt erscheint.

Der Personenreigen, der in diesen Erzählungen auftritt, kommt aus allen Gesellschafts- schichten, wir treffen Adlige und Bauern, Herren und Diener, Mönche und Kardinäle, Nonnen und Äbtissinnen, Ärzte, Richter, Kaufleute, Handwerker, Ritter und Jungfrauen.

Boccaccio spart nicht mit deutlichen Hinweisen auf die kirchliche Doppelmoral. Er exemplifiziert dies mit deftigen Szenen, in denen Vertreter des geistlichen Standes die Gelegenheiten zu unkeuschen Vergnügungen oder raffgierigen Bereicherungen gerne, eifrig und raffiniert ausnutzen.

Erstaunlich ist der demokratische und humanistische Gehalt so mancher seiner Aussagen und Beschreibungen. Ich hatte nicht erwartet, von einem vor 700 Jahren geborenen Schriftsteller Sätze wie die folgenden zu hören:

Ich aber ziehe den Mann, der des Reichtums entbehrt, dem Reichtume vor, der des Mannes entbehrt.“
„Doch Armut beraubt niemanden des Adels, sondern nur des Besitzes.“

Hinzu kommt, daß er diese Worte Frauen in den Mund legt, die sich einen Mann oder Geliebten erwählt haben, der nicht standesgemäß ist. Das klingt überraschend modern. Auch mit seinem Bekenntnis zu irdischem Glücksanspruch ist Giovanni Boccaccio seiner Zeit weit voraus.

In der vorliegenden Hörbuchlesung wird uns eine Auswahl von 46 Novellen aus dem Decamerone vorgestellt.

Alle Sprecher und Sprecherinnen dieser – bisher vollständigsten – Lesung des Decame- rone treffen ganz wunderbar und sehr fein nuanciert den schelmisch-burlesken sowie den empfindsamen Tonfall Boccaccios. Besonders hervorzuheben sind der »König der Vorleser« Gert Westphal, der die Rahmenhandlung liest und die besondere Gestimmtheit des Decamerone ganz unvergleichlich evoziert, und Uwe Friedrichsen, der – frivol, kecklich und augenzwinkernd – die Rolle des Dioneo spricht.

Ich habe mir diesen fast zwölf Stunden währenden Erzählreigen lächelnden Mundes und hingegeben lauschend vergnüglich einverleibt. Besonders großes Gefallen fand ich an den erlesenen Liebeslektionen, die von zeitlosem Reiz sind und auch noch nach 700 Jahren delikaten Genuß bereiten.

 

PS:
Verpackung und Inhalt harmonieren gut miteinander, die 10 CDs liegen in einer feinen Pappschachtel, geschmückt mit einem Gemälde von Sandro Botticelli (Portrait der Simonetta Vespucci). Das beiliegende Informationsheftchen liefert sinnvolles Hintergrundwissen zu Werk und Rezeption des Decamerone und zu Boccaccios Biographie.

Nur das Inhaltsverzeichnis hätte ich mir ausführlicher gewünscht, es listet nur die Erzähltage auf, jedoch nicht die einzelnen Novellen; das macht ein Wiederfinden bestimmter Textpassagen mühsam. Ich habe mir selbst ein handschriftliches Register angelegt, was eine geringe Anstrengung war, wenn man bedenkt, daß Giovanni Boccaccio das 1000-seitige Decamerone gut 100 Jahre vor der Erfindung des Buchdrucks geschrieben hat. Gerne habe ich dem Meister auf diese Weise die Ehre gegeben.

 

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Hoerbuch/Das-Decamerone/Giovanni-Boccaccio/der-Hoerverlag/e441217.rhd

Der Autor:

»Giovanni Boccaccio (1313 – 1375) wuchs in Florenz auf und absolvierte in Neapel eine kaufmännische Lehre. Aus Widerwillen gegen den Kaufmannsberuf begann er ein Jurastudium, das er jedoch nicht abschloss. In Neapel verkehrte er am Hof des Königs. 1340 kehrte Boccaccio nach Florenz zurück und arbeitete dort als Richter und Notar. Unterbrochen von zahlreichen Reisen mit seinem Freund Petrarca und Aufenthalten in Mailand, Venedig, Neapel und Rom verbrachte er den Rest seines Lebens zurückgezogen auf seinem Landgut bei Certaldo unweit von Florenz

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