Die Markierung

  • von Fríða Ísberg
  • Roman
  • Originaltitel: »Merking«
  • Aus dem Isländischen von Tina Flecken
  • Hoffmann und Campe Verlag, September 2022 http://www.hoffmann-und-campe.de
  • gebunden
  • 288 Seiten
  • 23,00 €

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T E S T G E S E L L S C H A F T

Rezension von Ulrike Sokul ©

Läßt sich die Wahrscheinlichkeit ethischen Verhaltens durch einen neurologischen Test messen und vorhersagen? Die nahzukünftige Gesellschaft, die Fríða Ísberg in ihrem Roman beschreibt, ist auf dem Weg, einen Empathie-Test zur bürgerlichen Pflicht zu machen. Wer die empathischen Mindestwerte nicht erreicht, bekommt Therapieangebote, um sich zu bessern und später einen erneuten Test zu absolvieren. Auf diese Weise sollen Aggressionen, psychopathologisches Verhalten und Kriminalität vorbeugend vermieden bzw. ausgeschlossen werden.
Wer sich dem Test unterzieht und ihn besteht, wird  entsprechend digital markiert und in ein öffentlich einsehbares Register eingetragen. Auch Firmen, Geschäfte, Restaurants, Schulen, Wohnhäuser, ja, ganze Stadtviertel können sich markieren lassen, um als sichere Orte klassifiziert zu werden.
Unmarkierte Menschen, die den Test ablehnen oder nicht bestanden haben, können dann solche privaten Sicherheitszonen und diverse Bereiche des öffentlichen Lebens nicht mehr betreten oder werden beispielsweise von entsprechend markierten Geschäften nur noch über eine Luke bedient. Denn allgegenwärtige Gesichtsscanner an Eingangstüren, Kameraüberwachungen, smarte Uhren und holografische KI-Assisten- ten erfassen fast lückenlos die Identität und die Bewegungsprofile der Menschen.  
Die abwertende Ausgrenzung und Nötigung, der in diesem Roman unmarkierte Menschen ausgesetzt werden, erinnern – wahrscheinlich nicht von ungefähr – lebhaft an die Diskriminierung, Entrechtung und Schikane, denen Ungeimpfte vor noch gar nicht langer Zeit in unserer Sicherheitsgesellschaft ausgesetzt wurden.
Für eine gesetzliche Markierungspflicht setzen sich diverse Interessensgruppen ein und es gibt selbstverständlich auch eine Antimarkierungsbewegung. Da es in Folge von nicht bestandenen Empathietests zu einigen Selbstmorden von männlichen Jugend- lichen kommt sowie zu Depressionen und Suchterkrankungen in Folge der medika- mentösen Behandlung angeblich unzureichender Empathie, schwanken die gesell- schaftlichen und zwischenmenschlichen Haltungen zur geplanten Sicherheits- architektur.
Die Tests führen zu Ausgrenzung  und Traumatisierung der Empathietest-Versager. So kann ein Betroffener in einen Teufelskreis geraten. Denn eine psychisch belastende Situation und soziale Stigmatisierung können die Fähigkeit zur Empathie erst recht einschränken.
Erschwerend kommt hinzu, daß beispielsweise eine Familie, die in einem markierten Stadtteil lebt, mit einem Familienmitglied, das den Empathietest nicht besteht, in einen unmarkierten Stadtteil umziehen muß, da sie als Sicherheitsrisiko eingestuft wird – ganz zu schweigen davon, daß unmarkierte oder beim Test durchgefallene Menschen kaum noch legale Chancen haben, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz oder eine Wohnung zu bekommen.
Besonders sicherheitsfanatische Kreise streben sogar eine alljährliche Wiederholung des Tests an – also sozusagen ein regelmäßiger Psycho-TÜV, der markiert, ob man zu den „guten“ Menschen gehört oder zu den potentiell gefährlichen.
Die gesellschaftliche Entwicklung und die Spaltung in Befürworter, Kritiker und Opfer des Testverfahrens spiegeln sich in den wechselnden Perspektiven und Erfahrungen verschiedener Charaktere, die alle auf ihre Weise vom Empathie-Test betroffen sind.
Die Autorin verleiht jeder Figur mit einem individuellen eigenen Sprachduktus und Wortschatz sehr lebhafte, ja, geradezu nahbare Gestalt. Argumente für und wider den Empathie-Test werden in zahlreichen Gesprächen, Interviews, Briefwechseln, philoso-phischen Gedankenspielen und auch durch steiflichternde Einblicke in diverse sozial-mediale Stellungnahmen vielseitig dargestellt.
Der gesellschaftliche Druck hin zur Empathie führt auch zu seltsam weichgespülten politisch korrekten Formulierungen, beispielsweise spricht man nicht mehr von Psychopathen, sondern von „Menschen mit moralischen Störungen“.  Eine weitere Nebenwirkung ist die zunehmende Verflachung der Diskussionsfähigkeit, des konstruktiven Streitens:
„Auch andere haben angefangen zu schweigen. Zu schweigen und zuzuhören, zu über-legen, beide Seiten zu verstehen und sich nicht zu trauen, eine Ansicht zu vertreten, weil eine Ansicht Verallgemeinerung ist und Verallgemeinerung Gewalt ist, und deswegen ist es besser, zuzuhören und zu verstehen, anstatt sich zu streiten und recht haben zu wollen.“ (Seite 57)
Der Roman „Die Markierung“ illustriert anschaulich, daß gesundheitsgesetzlich verordnete Empathie nicht wirklich Empathie fördert, sondern viel eher voraus- eilenden Empathie-Gehorsam erzeugt sowie die üblichen Mitläufereffekte, um gesellschaftliche Vorteile und die offizielle Anerkennung als ethisch-qualifizierter Mitmensch. Der im Roman vorgestellte Empathie-Test ist zudem recht simpel gestrickt und wird der Komplexität persönlicher empathischer Grundvoraussetzungen wohl kaum gerecht.  
In diesem Roman haben die Weltverbesserungsideologen das Bedürfnis nach einer Berechenbarkeit von Gut und Böse. Es ist schon mehr als zweifelhaft, einzig die Fähigkeit zur Empathie als relevanten Meßfaktor für ethisches Verhalten zu behaupten, umso fragwürdiger ist der erziehungsdiktorische Therapie-Tugendterror solcher Sicherheitsfanatiker.
Gewiß ist Empathie eine wünschenswerte Eigenschaft, die das zwischenmenschliche und gesellschaftliche Miteinander zu fördern vermag. Indes bedarf es für ein komplexes Miteinander auch Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Individualität, Begeisterungsfähigkeit, Eigeninitiative, Freiheit, Güte, Humor, Mündigkeit, Nonkonformismus, Originalität, Reife, Verbundenheit und Weisheit.
Fríða Ísberg zeigt in ihrem Roman deutlich die Schattenseiten einer Gesellschaft, welche die Freiheit des Individuums einem maßlos überzogenen Sicherheitsbedürfnis opfert und im selbstherrlichen Versuch, Schaden prophylaktisch abzuwenden, selber Schaden anrichtet.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://hoffmann-und-campe.de/products/59741-die-markierung?variant=42798827700451

Hier entlang zu einer weiteren Besprechung von Hauke Harder auf LESESCHATZ: Frida Isberg: Die Markierung

Die Autorin:

»Fríða Ísberg, geboren 1992, ist eine isländische Lyrikerin und Prosaautorin. Ihre Lyrikbände und die Kurzgeschichtensammlung „Kláði“ waren für alle wichtigen isländischen Literaturpreise nominiert, „Kláði“ u.a. für den Literaturpreis des Nordischen Rates 2020. Ihr erster Roman „Die Markierung“ wurde mit dem Literaturpreis des isländischen Buchhandels ausgezeichnet.«

Die Übersetzerin:

»Tina Flecken arbeitet seit vielen Jahren als freie Literaturübersetzerin. Sie hat u.a. Auður Ava Ólafsdóttir, Andri Snær Magnason und Sjón ins Deutsche übertragen. 2021 wurde sie für ihre herausragenden Übersetzungen mit dem isländischen Übersetzungs-preis Orðstír ausgezeichnet.«

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Das Seelenleben der Tiere

  • Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt
  • von Peter Wohlleben
  • Hörbuch
  • Gelesen von Peter Kaempfe
  • Produktion: Der Hörverlag 2016    http://www.hoerverlag.de
  • vollständige Lesung
  • Buchvorlage: Ludwig Verlag
  • 1 mp3-CD
  • Laufzeit: ca. 5 Stunden, 47 Minuten
  • 19,99 € (D), 22,50 € (A), 28,50 sFr.
  • ISBN 978-3-8445-2339-3
    Das Seelenleben der Tiere von Peter Wohlleben

T I E R F Ü H L S A M

Hörbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Peter Wohllebens Buch „Das Seelenleben der Tiere“ ist anschaulich, einfühlsam, informativ, kompetent, naturnah, spannend, sehr wissenswert und voller Respekt für alle zwei-, vier-, sechs- und achtbeinigen Lebewesen.

Dieses Hörbuch öffnet uns Augen, Ohren und Herz für den Empfindungsreichtum und die Glücks- und Leidensfähigkeit der Tiere. Peter Wohlleben, der 2015 mit seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ die Spiegel-Bestsellerliste erobert hat, führt uns in seinem neuen Buch durch Wald und Flur, Weide und Stall, Haus und Hof sowie Stadt und Land.

Sogenannte zwischenmenschliche Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Fürsorge, Altruismus und Dankbarkeit finden sich im Tierreich ebenso wie das gesamte Spektrum der Gefühle, das wir für uns als Zweibeiner gerne beanspruchen.

Der Autor erwähnt und zitiert zahlreiche wissenschaftliche Studien, die inzwischen beweisen, daß Tiere Schmerz, Angst und Trauer, Lust, Liebe und Freude fühlen, daß sie träumen und spielen sowie vorausschauend planen können.

Neben aktuellen Forschungserkenntnissen berichtet er lebhaft von den umfänglichen  persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen, die er mit seinen eigenen Haus- und Hoftieren (Hunden, Hühnern, Ziegen, Pferden und Bienen…) und den Wildtieren (Eichhörnchen, Füchsen, Igeln, Rabenkrähen, Mardern, Rehen, Hirschen, Waldmäusen, Wildschweinen, Waldameisen…) seines  Forstreviers gesammelt hat.

Wir erfahren von aufopferungsvoller Mutterliebe bei Eichhörnchen, treuer Bindungs- liebe bei Raben, vom Reinlichkeitsbedürfnis von Haus- und Wildschweinen, von lügenden Hähnen, heimlich flirtenden Elstermännchen, flunkernden Kohlmeisen, Scham, Reue und Dankbarkeit bei Hunden, Gerechtigkeitsempfinden bei Pferden, individuellen Denkprozessen und Träumen bei schwarmintelligenten Bienen, tierischer Kindererziehung und Abstillung, von ausgeprägter Empathie bei Waldmäusen sowie von außergewöhnlichen artenübergreifenden Adoptionen.

Aus der Vielzahl der beschriebenen wilden Tiere picke ich hier nur exemplarisch die Rabenvögel auf. Kolkraben gehen nicht nur lebenslängliche Partnerschaften ein, sie haben auch ein Repertoire von über achtzig verschiedenen Ruftönen bzw. Raben- vokalen, und sie verfügen über einen Namen, d.h. einen speziellen Erkennungsruf, mit dem sie sich ankündigen und der zur Begrüßung erwidert wird. Dazu paßt, daß diese Vögel auch problemlos den Spiegeltest bestehen und sich selbstbewußt im Spiegelbild erkennen.

Peter Wohlleben stellt die menschlichen Kategorien der Einteilung von Tieren in soge- nannte Nützlinge und Schädlinge immer wieder in Frage und fragt zu Recht, wo wir uns als Menschen denn wohl einzuordnen hätten. Er kritisiert die gegenwärtige grausame Massentierhaltung und die Ignoranz von Politik, konventionellen Bauernverbänden und Konsumenten gegenüber der Schmerzempfindlichkeit und Leidensfähigkeit von Tieren. So dürfen beispielsweise Ferkel noch bis zum Jahr 2019 ohne Betäubung kastriert und Schalentiere lebend in kochendes Wasser geworfen werden, so daß sie einen minuten- langen qualvollen Tod erleiden.

In Anbetracht jahrtausendelanger menschlicher Jagdtraditionen ist es nicht verwun- derlich, daß Wildtiere unsere Nähe scheuen. Sie haben gelernt, daß wir eine tödliche Gefahr für sie sind, und sie verstecken sich vor uns. So sind beispielsweise Rehe, Hirsche und Wildschweine deshalb nachtaktiv, weil Menschen nachts nicht jagen.

Doch da in besiedelten Gebieten nicht gejagt (geschossen) werden darf, entdecken zugleich immer mehr Wildtiere die Stadtlandschaft als Lebensraum, zumal inzwischen die pflanzliche Biodiversität in Städten teilweise größer ist als in den industriell bewirtschafteten öden Monokulturen auf dem Lande. Beispielhaft sei hier nur die zunehmend erfolgreiche Stadtimkerei genannt.

Lehrreich sind im Gegenzug seine Erläuterungen zu den übertriebenen Ängsten, die Stadtmenschen vor Wildtieren hegen. Taucht ein Fuchs im Garten oder Park auf, fürchten die Menschen eine Infizierung mit dem Fuchsbandwurm. Tatsächlich kommt der Fuchsbandwurm in der Natur gar nicht so häufig vor.

Die Infektionskette funktioniert folgendermaßen: Mäuse dienen dem Fuchsbandwurm als Zwischenwirt, befallene Mäuse bewegen sich langsamer und werden leichter vom Fuchs gefangen und gefressen, und ein befallener Fuchs scheidet später mit dem Kot eine beträchtliche Masse Bandwurmeier aus. Es gibt indes auch viele Hunde, die Mäuse fangen und fressen, und diese scheiden dann ebenfalls Wurmeier aus. Somit geht  von Hunden – wenn sie nicht regelmäßig entwurmt werden – eine viel größere Ansteckungsgefahr aus.

Reflexionen über menschliche Liebe zu Tieren und tierische Liebe zu Menschen, über die Art und Weise der Nutzung und Züchtung von Tieren als Arbeitskräfte, Nahrungsmittel-lieferanten und Schmusetier sowie die Infragestellung der niedrigeren Bewertung von instinktivem Handeln im Vergleich zu bewußtem Handeln runden „Das Seelenleben der Tiere“ ab.

Der Hörbuchvorleser Peter Kaempfe trägt den Text mit seiner sonoren Stimme wohlakzentuiert, gekonnt und angenehm eingängig vor.

Anschaulich verbindet Peter Wohlleben viele interessante Einzelheiten zu einer sinnvollen ganzheitlichen Perspektive auf das faszinierende, facettenreiche und anrührende Empfindungsspektrum unserer Mitge- schöpfe. Mit seinen empathischen Erklärungen und Beschreibungen gelingt es dem Autor vorzüglich, den erfahrungsweltlichen Abstand zwischen Menschen und Tieren zu verringern und uns daran zu erinnern, wie innig unsere menschliche Entwicklungsgeschichte mit den Tieren verbunden ist.

Dieses Buch gehört für Leser/Hörer, denen die Daseinsbedürfnisse und Lebensrechte von Tieren etwas bedeuten, zweifellos zu den Nützlingen auf dem Buchmarkt. Daß sich dieses Buch und auch sein Vorgänger „Das geheime Leben der Bäume“ zu Langzeitbestsellern entwickelt haben, erfüllt mich mit Freude. Damit haben mich meine menschlichen Artgenossen endlich einmal positiv überrascht. Ich hoffe sehr, daß eine solche Lektüre/Auditüre einen nachhaltigen Einfluß auf empathisches Empfinden und Verhalten gegenüber Tieren haben wird.

 

Hier geht es zum Hörbuch und zur Hörprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Hoerbuch-MP3/Das-Seelenleben-der-Tiere/Peter-Wohlleben/der-Hoerverlag/e508148.rhd

 

Das Seelenleben der Tiere von Peter WohllebenDie Buchausgabe ist im Juni 2016 im Ludwig Verlag erschienen:
Das Seelenleben der Tiere
Liebe, Trauer, Mitgefühl –
erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt
von Peter Wohlleben
gebunden, mit Schutzumschlag
240 Seiten
19,99 € (D), 20,60 € (A), 26,90 sFr.
ISBN 978-3-453-28082-3
Hier geht es zur Buchausgabe und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.randomhouse.de/Buch/Das-Seelenleben-der-Tiere/Peter-Wohlleben/Ludwig/e498201.rhd

Der Autor:

»Peter Wohlleben, Jahrgang 1964, wollte schon als kleines Kind Naturschützer werden. Er studierte Forstwirtschaft und war über zwanzig Jahre lang Beamter der Landesforstverwaltung. Um seine ökologischen Vorstellungen umzusetzen, kündigte er und leitet heute einen umweltfreundlichen Forstbetrieb in der Eifel, den er zu einem urwaldähnlichen Laubwald zurückgeführt hat. Er ist Gast in zahlreichen TV-Sendungen, hält Vorträge und Seminare und ist Autor von Büchern zu Themen rund um den Wald und den Naturschutz. Im Ludwig Verlag erschien 2015 sein Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“. «  http://www.wohllebens-waldakademie.de

Der Vorleser:

»Peter Kaempfe ist seit 43 Jahren erfolgreicher Theater- und Filmschauspieler. Seine ausdrucksstarke Stimme ließ ihn zum erfolgreichen Kommentarsprecher in mehr als 800 Fernsehdokumentationen für alle deutschen Sendeanstalten werden. Außerdem ist er in über 300 Hörspielen und Hörbüchern zu hören und dazu immer wieder in vielen Live-Lesungen und Solo-Programmen zu erleben.«

Querverweis:

Ergänzend kann ich jedem noch das naturphilosophische, biopoetische Sachbuch „Alles fühlt“ von Andreas Weber sehr ans Herz legen: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/10/01/alles-fuhlt-neuausgabe/

Wer es mit den Tierrechten ethisch noch genauer nehmen möchte, befasse sich mit dem Buch von Hilal Sezgin: „Artgerecht ist nur die Freiheit“: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/03/19/artgerecht-ist-nur-die-freiheit/

Und für eine faszinierende und gelungene speziesübergreifende Perspektive empfehle ich den Roman „Die Bienen“ von Laline Paul: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/05/16/die-bienen/

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Yogan

  • Veganes Leben und Yoga
  • von Dominik Grimm
  • KNAUR MENSSANA Verlag, Oktober 2014 www.mens-sana.de
  • 248 Seiten
  • Klappenbroschur
  • Fadenheftung
  • 14,99 €
  • ISBN 978-3-426-87682-4
    YOGAN

DER  GESCHMACK  VON  LIEBE

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Yoga und vegane Ernährung: Zwei Wege, die sich gut ergänzen und wechselseitig unterstützen. Da Yoga neben den körperlichen Aspekten auch eine Disziplin ist, um mehr Mitgefühl mit allen Lebewesen zu entwickeln, fügt es sich wunderbar zu der weitreichenden Schonung von Natur und Mitgeschöpfen, die mit einem veganen Lebensstil einhergeht.

In Abwandlung der fünf Säulen des Hatha-Yoga des Yogameisters Swami Vishnu- devananda (1927-1993) ordnet Dominik Grimm sein Yogan-Konzept in folgende sechs Säulen:

Asanas (Yogastellungen),
Shavavasana
(Tiefenentspannung),
Pranayamas
(Yogaatemübungen),
Meditation und positives Denken,
das Studium der Schriften sowie
die gesunde Ernährung.“

(Seite 21)

Nach einer kurzen und klaren Einführung in die Yogaphilosophie sowie in die körperlichen und geistigen Dimensionen der Yogapraxis stellt er eine übersichtliche Menge von Yogastellungen, Entspannungs-, Atem- und Meditationsübungen vor. Neben den verständlichen und anschaulichen Übungsanleitungen (teilweise mit Fotos) und Praxistipps gibt er auch ethische yogische Lebensregeln wieder, und diese wiederum verweisen harmonisch auf das vegane Konzept, durch die tierfreie Nahrungsmittel-auswahl Leiden, Grausamkeit, Unfrieden und Mangel in unserer Welt zu verringern.

Bei den Hinweisen zur gesunden, vollwertigen, pflanzlichen Ernährung werden gesundheitliche, ökologische, ökonomische, nachhaltige und soziale Aspekte berück- sichtigt. Es fehlt auch nicht der wichtige Rat zur Supplementierung von Vitamin B 12 und – in der dunklen Jahreszeit – auch Vitamin D. Die glaubwürdigen VEGAN-Etiketten der European Vegetarian Union (EVU) und der Vegan Society werden aufgelistet und abgebildet.

In einem kurzen Kapitel werden einige besonders reichhaltige und gesundheitsförder- liche Nahrungsmittel (z.B. Amarant, Brennessel, Ingwer, Lein, Moringa) vorgestellt und mit einem schnellen Rezept zur Verarbeitung als Smoothie, Creme oder Müsli ergänzt.

Ein wiederkehrender roter Faden dieses lesens- und nachlebenswerten Buches ist die bewußte Betonung der unendlichen Verbundenheit und Nichtgetrenntheit aller Lebens- formen, die Wechselwirkung unseres Handelns mit dem großen Ganzen sowie die einleuchtende Erkenntnis, daß die umfassendere Entwicklung von Empathie und Liebe zu mehr Lebensfreude beiträgt – für uns selbst und für alle anderen Wesen.

Yoga geschieht nicht nur auf der Yogamatte. Yoga und Yogan sind viel mehr als die Beschäftigung mit uns selbst. Die Zeit, die wir mit uns allein verbringen, gibt uns die Kraft und die Energie, die wir benötigen, um Großartiges in der Welt bewirken zu können, Gutes zu tun und mitfühlend mit allen Lebewesen umzugehen. Voller Respekt und Achtung vor dem Leben. Voller Mitgefühl und Liebe. Zu allem und jedem.“ (Seite 65)

Der Autor geht auch auf Leser ein, die den im vorliegenden Buch vorgestellten yoganen Lebensstil über sich selbst hinaus weiter in die Welt tragen wollen. Achtsam regt er dazu an, besonders angesichts nicht- oder noch nicht oder gar nie vegan-motivierter Mitmen- schen Mitgefühl zu haben. Denn missionarischer Übereifer ist nur ein weiteres Egospiel- chen im Weltenrettergewand. Seine Anregungen und Denkanstöße zum sinnvollen Weitersagen und zwanglosen Vorleben persönlicher Ideale zeugen von großer zwischenmenschlicher Reife.

„Yogan“ ist ein durchdachtes, durchfühltes und durchlebtes Buch, es ist sehr differenziert und eingängig formuliert und von ausdrücklicher Ausgewogenheit.

Ich kann es nur von ganzem Herzen empfehlen!

NAMASTÉ…

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.droemer-knaur.de/buch/7985274/yogan

Für weitere Informationen und Aktualisierungen können Sie die folgenden Webseiten des Autors besuchen.
Yogan – Yoga und veganes Leben:   www.yogan-om.de
Yogakasha – Zeit für dich              :   www.yogakasha.de

Der Autor:

»Dominik Grimm, geboren 1986, ist biologisch-technischer Assistent. Durch seine Leidenschaft für das Apnoetauchen kam er zum Yoga und beschäftigte sich während seiner Yoga-Lehrer-Ausbildung immer mehr mit veganer Ernährung.
Er gründete das Label
Yogan und startete den Blog www.yogan-om.de, auf dem er die yogane Philosophie vorstellt und der von vielen Tausenden gelesen wird. Heute gibt er Yoga-Unterricht sowie Yogan-Seminare.«

 

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Pünkelchens Abenteuer

  • von Dick Laan
  • Deutsch von Frank Berger
  • unter Verwendung der Nacherzählung von Lise Gast
  • Illustrationen von Hans Deininger
  • Umschlagillustration von Daniela Drescher
  • Verlag Urachhaus 2006   http://www.urachhaus.com
  •  gebunden, 137 Seiten
  • 12,90 €
  • ISBN 978-3-8251-7540-5
  • zum Vorlesen ab 5 Jahren
  • zum Selberlesen ab 8 Jahren
    9783825175405_3589.png Pünkelchens Abenteuer

H E R Z E R F R I S C H E N D

Kinderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Meine einhundertste Buchbesprechung möchte ich mit meinem geliebten Pünkelchen feiern!

Es ist spannend, nach vier Jahrzehnten Leseabstand ein einst hochgeschätztes Kinder- buch wieder zu lesen: Würde es mir noch immer gefallen? Oder hielte es dem erwachsenen, leseerfahreneren Blick nicht mehr stand?

Damals gab es – neben der ganz großen Stadtbibliothek in Stadtmitte – noch in jedem Stadtteil meiner Heimatstadt Solingen eine Zweigstelle der Stadtbücherei. Wir wohnten in Gräfrath, einem Altstadtviertel: Meine Mutter ging mit mir über Kopfsteinpflaster, am Brunnen auf dem historischen Marktplatz vorbei zu einem Gründerzeithaus, das – ver- glichen mit den Fachwerk- und Schieferhäusern – fast modern wirkte. Ich höre noch das zarte Windspieltürglöckchen, das erklang, sobald man die Türe öffnete und die Schwelle zu zweieinhalb Bücherräumchen überschritt.

Die Auswahl eines Kinderbuches fiel mir angesichts der bunten Fülle schwer; ich war noch eine langsame, ungeduldige kleine Leseanfängerin, aber – Dank der unermüd- lichen Vorleseleistung meiner Eltern – schon eine große, erfahrene Geschichten- und Märchenkennerin.

Eine sehr freundliche, ältere Bibliothekarin empfahl mir den ersten Band der Pünkel- chen-Reihe und traf damit genau meinen Geschmack. So kam es, daß ich einige Wochen lang in Pünkelchen-Büchern schwelgte, solange die Buchreihe reichte. Pünkelchens Abenteuer fühlten sich für mich als Kind einfach richtig an… Fast scheue ich mich, diese Buchtüre nun wieder aufzuschlagen – werde ich als Erwachsene noch hindurchpassen?

Diese Lesezeitreise hat sich ausgesprochen gelohnt, die Wiederlesensfreude begann schon auf der ersten Seite und hörte gar nicht mehr auf. Was für herzerfrischende, liebevolle, sanft-spannende Geschichten und noch dazu en passant ein Lehrbuch für Empathie und Kooperation! Mir ging wahrlich das Herz auf beim Lesen, und ich schmunzelte ununterbrochen vor mich hin.

Pünkelchen ist ein Wichtel, kleiner als eine Kinderhand und schon so alt, daß er selbst nicht mehr weiß, wie alt er eigentlich ist. Er trägt blaue Hosen, ein rotgepünkeltes Hemdchen und auf dem Kopf ein blaues Filzhütchen.

Er lebt im Wald; doch als der Baum, in dem er sein Wohnstübchen hat, gefällt wird, zieht er zwangsläufig in die Stadt um. Dort landet er unsanft auf der Straße und im Regen. Eine freundliche Maus, die „Knabbelchen“ heißt, findet das kleine, weinende Männchen, und als sie erfährt, daß es sein Zuhause verloren hat, lädt sie es zu sich nach Hause ein. So zieht Pünkelchen in ein Mäusenest, daß sich versteckt hinter einer Wand befindet.

Mit großer Neugier und echter Anteilnahme beobachtet Pünkelchen heimlich das Familienleben der Hausbewohner (Vater, Mutter und drei Kinder).

Er freundet sich mit dem Hauskater „Schnurrebart“ an, mit der Hausspinne „Silber- fädchen“, der Stubenfliege „Brummerchen“, der Biene „Honigschnütchen“ und der Wespe „Steckelbein“. Mit der Krähe „Wippsteert“ gibt es schon mal Wertedifferenzen, aber wenn es wirklich ernst wird, kann auch Wippsteert hilfsbereit sein.

Als Pünkelchen einmal an einer Erkältung leidet, holt Wippsteert ihm einige weiche, wärmende Federn für sein Bettchen, Silberfädchen webt ihm ein Halstüchlein, Honigschnütchen spendet etwas Honig, und die Mäuse leisten ihm Gesellschaft – da wird so ein Pünkelchen doch liebend gerne wieder gesund und munter.

Pünkelchen besteht allerlei Abenteuerchen, die alle glimpflich ausgehen: z.B. versinkt er beim Naschen in einer Dampfnudel, oder er rast mit einem roten Spielzeugauto durch die Stube und findet die Bremse nicht, oder er macht einen unfreiwilligen Ausflug mit einem gasgefüllten Luftballon.

Neben seiner Abenteuertätigkeit verrichtet er kleine hilfreiche Heinzelmännchen- dienste für die Familie, bei der er heimlicher Mitbewohner ist: Er repariert zerbrochenes Spielzeug, bringt ein von Wippsteert geklautes Silberkettchen zurück, zieht die stehen- gebliebene Wanduhr wieder auf und schlichtet mit einfühlsamer, kommunikativer Kompetenz den Streit zwischen den kleinen Töchtern und einer Puppe.

Die 28 Kapitel von „Pünkelchens Abenteuern“ sind stets nur vier bis fünf Seiten lang und eignen sich daher gut fürs portionierte Vorlesen und gleichwohl auch fürs ununter- brochene Selberlesen, soweit der kindliche Leseatem reicht. Jede einzelne Geschichte bietet lebhafte Situationskomik, und der Tonfall des Autors ist dabei von wundervoller Gefühlsechtheit.

Die schlichten, anschaulichen Schwarzweiß-Illustrationen von Hans Deininger geben insbesondere Pünkelchens Charakter pfiffig und niedlich wieder.

Pünkelchens Augenzwinkerzwinkern

Illustration von Hans Deininger ©

Daß die Pünkelchen-Geschichten schon etwas älter sind, merkt man spätestens an den – aus heutiger Sicht – bescheidenen Geschenken, welche die Kinder zum Geburtstag bekommen, oder bei der Beschreibung des Koffergrammophons und bei der ziemlich klassisch geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zwischen berufstätigem Vater und häuslicher Mutter.

Doch darüber hinaus haben die Pünkelchen-Bücher einen zeitlosen Geist tiefer Mitmenschlichkeit und Mitgeschöpflichkeit, eine lebenszugewandte Heiterkeit und einen zärtlichen Zauber, der (mich) auch heute noch berührt.

 

Hier entlang zum inzwischen neuaufgelegten und neuillustrierten Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch/Puenkelchens-Abenteuer.html

 

Der Autor:

»Dick Laan (1894 – 1973) sollte eigentlich die Lakritzfabrik seines Vaters übernehmen, wurde dann aber einer der niederländischen Pioniere des Stumm- und Dokumentarfilms. Die Pünkelchen-Geschichten entstanden zwischen 1939 und 1972, wurden in alle Weltsprachen übersetzt und natürlich auch verfilmt.«

Hier entlang zu drei weitere Pünkelchen-Büchern:

Pünkelchen und seine Freunde (Neuauflage 2016)
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch/Puenkelchen-und-seine-Freunde.html
Pünkelchen im Zoo (Neuauflage 2019)
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch/Puenkelchen-im-Zoo-oxid.html
Pünkelchen in Afrika (Neuauflage 2014)
https://www.urachhaus.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Kinderbuch/Puenkelchen-in-Afrika.html

 

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