Die schlafenden Geister des Lake Superior

  • Eine Kimberley Reynolds Story
  • von Ben Aaronovitch
  • Originaltitel: »Winter‘s Gifts«
  • Deutsch von Christine Blum
  • Krimi mit magischen Elementen
  • DTV Verlag, April 2023 www.dtv.de
  • Taschenbuch
  • 240 Seiten
  • 11,95 € (D), 12,30 € (A), 16,50 sFr.
  • ISBN 978—3-423-21877-1

Die schlafenden Geister des Lake Superior jpg
G R U S E L W E T T E R

Rezension von Ulrike Sokul ©

Ben Aaronovitch hat bereits mehrere kurze Abzweigungen der Peter-Grant-Serie verfaßt und dabei anderen Charakteren als Peter Grant die Hauptrolle gegeben. Diesmal spielt die FBI-Agentin Kimberley Reynolds diese Rolle. Sie hat – wenn ich mich recht entsinne – Peter im sechsten Band Der Galgen von Tyburn bei Ermittlungen unterstützt, in die abtrünnige amerikanische Möchtegernmagier verwickelt waren.

Wer mit den übersinnlich-magischen Rahmenbedingungen der Serie noch nicht vertraut ist, kann sich unter dem nachfolgenden Link zum ersten Band der Peter-Grant-Serie kundig lesen: DIE FLÜSSE VON LONDON Die Flüsse von London

Special Agent Kimberley Reynolds ist beim FBI für magieverdächtige Kriminalfälle zuständig. Henderson, ein ehemaliger, frühpensionierter FBI-Kollege, der sich nach Nord-Wisconsin, an den Lake Superior, in den kleinen Ort Eloise zurückgezogen hat, bittet telefonisch dringend um professionelle Einschätzung eines gefährlichen lokalen Phäno-mens der Kategorie UC (ungewöhnliche Charakteristika). Obwohl seine Nachricht kryptisch ist, macht sich Kimberley auf den Weg.

Wegen des extrem starken Schneefalls kommt Kimberley mit großer Verspätung in Eloise an und trifft als ersten Ansprechpartner William Boyd, einen attraktiven örtlichen Meteorologen indianischer Abstammung. Gemeinsam betrachten sie die Überreste des einstigen Gemeindezentrums, das am frühen Morgen von einem Eistornado pulverisiert worden ist. Boyd erklärt ihr fachmännisch, daß es für diesen Tornado keine natur- wissenschaftliche Erklärung gebe, und Kimberley ahnt, daß sie es an diesem Ort mit einer sehr geballten magischen Energie zu tun haben wird.

Doch zunächst will sie mit Henderson sprechen, der ja bereits mehr über diese Ange-legenheit weiß. Leider trifft Kimberley keinen Henderson an, und die Durchsuchung seines Hauses zeigt Spuren eines Kampfes sowie auch seltsame Spuren, von denen Vestigia (magisch-atmosphärische Abdrücke magischer Handlungen oder Wesen) aus-strahlen.

Da die Hintertüre geöffnet ist, vermutet Kimberley dort den Fluchtweg und folgt den Spuren im Schnee, bis sie nicht mehr zu erkennen sind. So findet sie immerhin eine Nachbarin, die Hendersons Entführung beobachtet hat. Diese Augenzeugin meint zwar, sie habe das Gesehene geträumt, da die Gestalten, die Henderson aus dem Haus schleppten, dermaßen albtraummäßig aussahen, daß sie unmöglich echt gewesen sein könnten, doch Kimberley weiß es berufserfahrungsgemäß besser.

Nach und nach zeigt sich, daß diese sich plötzlich häufenden magischen Angriffe mit einer verschollenen Expedition in Zusammenhang stehen, die 1843 im Bereich des Lake Superior nach einer „Abscheulichkeit“ suchte. Ein junger Indianerkrieger kam damals ins Expeditionslager und bot an, die weißen Männer über den zugefrorenen See zum Schlupfwinkel dieser Kreatur zu führen. Keiner der Teilnehmer kehrte jemals zurück.

Um diese wiedererwachte rachsüchtige „Malignität“ unbestimmter Herkunft unschäd- lich zu machen, muß sich Kimberley mit viel Eis und Schnee und Stromausfällen herum-schlagen, ihre Thermounterwäsche bei dramatischen Fluchten vor ungelenken Schnee-monsterchimären durchschwitzen, bei einem freundlichen Genius Loci ein indianisches Frühstück nebst magischer Ratschläge genießen und die zuverlässige sowie sehr willkommene charmante Hilfe William Boyds annehmen.

Peter Grant kommt in diesem Kurzroman nur kurz während eines Telefonats zu Wort; dafür stellt sich Kimberley im Verlauf der Handlung häufig und mit unterhaltsamer Selbstironie vor, was Peter in bestimmten Situationen sagen oder wie er reagieren würde.

„Die schlafenden Geister des Lake Superior“ müssen wegen des amerikanisch-ländlichen Handlungsortes auf das gewohnte und beliebte London-Lokalkolorit verzichten und warten stattdessen mit lebhaftem Holzfällercharme und – für meinen Geschmack – viel zuviel sinnlosem Schußwaffengebrauch auf. Dieser Kurzroman eignet sich als spannen- der Leseimbiß – indes: so richtig satt wird man davon nicht. Dafür müssen wir wohl erst auf den 10. Peter-Grant-Band warten …

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://www.dtv.de/buch/die-schlafenden-geister-des-lake-superior-21877

Der Autor:

»Ben Aaronovitch wuchs in einer politisch engagierten, diskussionsfreudigen Familie in Nordlondon auf. Er hat Drehbücher für viele TV-Serien, darunter ›Doctor Who‹, geschrieben und als Buchhändler gearbeitet. Inzwischen widmet er sich ganz dem Schreiben. Er lebt nach wie vor in London. Seine Fantasy-Reihe um den Londoner Polizisten Peter Grant mit übersinnlichen Kräften eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm.«

Hier entlang zu den Vorgängerbänden:

Band 1: DIE FLÜSSE VON LONDON Die Flüsse von London
Band 2: SCHWARZER MOND ÜBER SOHO Schwarzer Mond über Soho
Band 3: EIN WISPERN UNTER BAKER STREET Ein Wispern über Baker Street
Band 4: DER BÖSE ORT Der böse Ort
Band 5: FINGERHUT-SOMMER Fingerhut-Sommer
Band 6: DER GALGEN VON TYBORN Der Galgen von Tyborn
Band 7: DIE GLOCKE VON WHITECHAPEL Die Glocke von Whitechapel
Band 8: EIN WEISSER SCHWAN IN TABERNACLE STREET Ein weisser Schwan in Tabernacle Street
Band 9: DIE SILBERKAMMER IN DER CHANCERY-LANE Die Silberkammer in der Chancary-Lane

Hier entlang zu einer kurzen Peter-Grant-Geschichte, etwas außerhalb der Reihe:
GEISTER AUF DER METROPOLITAN LINE/Eine Peter-Grant-Story Geister auf der Metropolitan Line
Hier entlang zu Ben Aaronovitchs Schreibausflug in deutsche Gefilde:
DER OKTOBERMANN/Eine Tobi-Winter-Story  Der Oktobermann
Hier entlang zu einer Peter-Grant-Kurzgeschichten-Sammlung: 
DER GEIST IN DER BRITISH LIBRARY UND ANDERE GESCHICHTEN AUS DEM FOLLY Der Geist in der British Library
Hier entlang zu einer Abzweigungsgeschichte mit Peter Grants magisch hochbegabter Cousine Abigail und vielen sprechenden Füchsen:
DIE FÜCHSE VON HAMPSTEAD HEATH/Eine Abigail-Kamara-Story
Die Füchse von Hampstead Heath

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14 Kommentare zu “Die schlafenden Geister des Lake Superior

  1. Liebe Ulrike,
    ich wußte nicht, daß Aaronovitch einige Seitensprünge weg aus London gemacht hat. Der Hintergrund dieses Kurzromans hört zwar sich interessant an, doch ich muß gestehen, daß ich nach dem 6. Band der ursprünglichen Serie aufgegeben habe, Peter Grants Abenteuern zu folgen. Und auch wenn es interessant wäre, die Erfahrungen der untergeordneten Charaktere mitzuerleben, ist Schußwaffengebrauch im Exzeß eher ein Grund, dieses Buch nicht zur Hand zu nehmen.
    Trotzdem danke für die Vorstellung und liebe Grüße.
    Tanja

    Gefällt 1 Person

    • Liebe Tanja,
      hab‘ Dank für Deine Rückmeldung. Aaronovitch hat mehrere kürzere „Seitensprünge“ von seiner Peter-Grant-Serie geschrieben, wie Du an den unter der Rezension eingefügen Linkhinweisen sehen kannst.
      Man sollte eine angefangene Romanserie niemals zwanghaft weiterlesen, sondern nur, wenn das Leseinteresse dafür noch vorhanden ist. Manchmal verliert man einfach den Weiterlesedrang und dann läßt man los.
      Herzlich grüßt Dich
      Ulrike

      Gefällt 1 Person

      • Genauso erging es mir mit der Peter-Grant-Serie. Obwohl ich den Charakter sehr interessant und sexy fand und mich manchmal noch frage, was er wohl alles (üb)erlebt. Ausgeschlossen ist es nicht, daß ich mir mal wieder einen Band ausleihe. 😊

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  2. Oh, cool, neuer Stoff in der Reihe 🙂 Ich bin ja sonst nicht so der große Fan von Magier-Erzählungen in den letzten Jahrzehnten gewesen – so hat sich mir der Reiz von Harry Potter bis heute nicht erschlossen – , aber Aaronovitchs Reihe hat es mir dann doch sehr angetan 🙂 Kann ich ebenfalls jedem nur empfehlen 🙂

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    • Vielen Dank für Deine leseerfahrene Zustimmung! 🙂
      Ich lese gerne Romane mit magischen Bestandteilen, und ich mochte damals durchaus auch Harry Potter, doch Ben Aaronovitch bildet – wie ich finde – ein ganz eigenes magische Genre. Der Vergleich zwischen Aaronovitch und Harry Potter, der übrigens in anderen Rezensionen gelegentlich beansprucht wird, hinkt. Meiner Ansicht und Leseerfahrung nach, ist Harry Potter eine gute magische Lektüre für Kinder und Jugendliche und adressiert auch ausdrücklich an diese Alterstufe, während die Peter-Grant-Serie von Anfang an auf ein erwachsenes Lesepublikum zielt.
      Nachtaktive Grüße! 🙂

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  3. Die Flüsse von London liegt zum Lesen bei mir, aber ich kam noch nicht dazu, liebe Ulrike.
    Liegt aber schon in meiner Leserichtung und ich werde daran denken, wenn ich die Mittagsfrau von Juli Franck ausgelesen habe.
    Danke fürs Vorstellen und mich dadurch an meine bevorzugte Lesekost erinnernd. 🙂

    Ganz herzliche Abendgrüße von Bruni an Dich

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  4. Deine Lesebesprechungen sind so außergewöhnlich gut geschrieben. Es ist eine Wonne. Sie bringen mir auch völlig neue Literaturen nahe, die ich von alleine nicht einmal finden würde, selbst wenn ich sie suchte. Vielen Dank. Meine sprachentwöhnten Augen kommen bei dir voll auf ihre Kosten 🙂 ich forsche mal etwas über Peter Grant nach! Viele Grüße!

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    • Verbindlichen Dank , lieber Alexander, für Deine ausdrückliche Wertschätzung meines rezensorischen Stils! 🙂
      Es freut mich, daß meine Buchbesprechungen für Dich Wegweiser zu ungesuchten Lektüren sein können.
      Nachtaktive Grüße! 🙂

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  5. Da ich ein großer Doctor Who Fan bin, sind Ben Aaronovitchs Werke eh spannend für mich.
    Aber ich glaube normalerweise nicht an Zufälle, aber heute Nacht war ich zumindest virtuell am Lake Superior, da ich den Flug einer meiner Söhne verfolgte. Und es war ein ganz eigenartiges Gefühl, ihn jetzt hier zu sehen…. den See meine ich.😅
    Toll, daß diesmal Kimberley das Verbrechen löst. Es war einmal an der Zeit, daß Kimberley Peter kurzfristig ablöst 😉 Liebe Grüße zu Dir, Ulrike 🤩

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    • Vielen Dank, liebe B., für Deine leseinteressierte Rückmeldung.
      Es ist in der Tat ein erstaunlicher Zufall, daß Dir der Lake Superior so kurz hintereinander über den Weg läuft. 😉
      Kimberley bekommt in diesem Kurzroman eine deutlichere Persönlichkeitskontur und man merkt, daß sie Peter Grant gerne als dauerhaften Kollegen mit dabei hätte.
      Mit einem lieben Gutenachtgruß von mir zu Dir 🙂

      Gefällt 2 Personen

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