Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel

  • von Richard Osman
  • Originaltitel: »The Bullet That Missed«
  • Aus dem Englischen von Sabine Roth
  • Band 3 der MORDCLUB-Serie
  • List Verlag, Februar 2023 www.ullstein.de
  • Klappenbroschur
  • 432 Seiten
  • 17,99 € (D), 18,50 € (A), 20,50 € sFr.
  • ISBN 978-3-471-36052-1

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WENN  AUS  FEINDEN  FREUNDE  WERDEN

Rezension von Ulrike Sokul ©
Der letzte Kriminalfall, den das rostig-rüstige Seniorenquartett des Donnerstagsmord-clubs in Zusammenarbeit mit der offiziellen Polizei und dem Geheimdienst erfolg- reich, wenn auch ein wenig unkonventionell, gelöst hat, liegt noch gar nicht allzu lange zurück, da bahnt sich schon ein neuer Fall an. Na gut, es ist eigentlich kein neuer Fall, sondern ein alter ungelöster Mord, der die Amateurdetektive reizt.
Doch für alle, die mit dem Romanpersonal noch nicht auf Du sind, folgt nun eine kleine Vorstellungsrunde oder wahlweise ein Rückblick auf meine Rezension des ersten Bands: Der Donnerstagsmordclub
Joyce Meadowcroft ist eine hervorragende Kuchenbäckerin mit optimistischem Gemüt. Sie war Krankenschwester und ist verwitwet. Inzwischen hat sie sich übrigens Alan, einen sehr zutraulichen Hund, zugelegt.
Elizabeth Best ist eine ehemalige Geheimagentin mit nach wie vor guten, wenn auch informellen Kontakten zum MI 5 und  MI 6. Sie ist mißtrauisch und vorsichtig, was eine logische Begleiterscheinung ihrer Berufserfahrung ist.
Elizabeth ist mit dem sehr umgänglichen Stephen verheiratet, der an Demenz erkrankt ist, aber immer noch hervorragend Schach spielt. Schach spielt er bevorzugt mit Bogdan, dem handwerklichen Universalgenie und waffenkundigen, zielsicheren Außendienstmitarbeiter des Donnerstagsmordclubs.
Der derbe, rauhbeinige Ron Ritchie ist ein ehemaliger Gewerkschaftsführer und entsprechend lautstark und zupackend.
Ibrahim Arif ist der Gegenpol zu Ron Ritchie, was ihrer innigen Freundschaft jedoch nicht im Wege steht. Er war Psychiater und ist sehr elegant, feinsinnig und gebildet. Gelegentlich oder auch aus taktischen Gründen bietet er noch therapeutische Gespräche an.
Alle Mitglieder des Donnerstagsmordclubs verfügen über eine altersweise, todes- mutige Gelassenheit, die sie mit dem lebhaften Genuß von Alltagsfreuden charmanter, freundschaftlicher, kommunikativer, intellektueller und kulinarischer Art kombinieren.
Aus dem Fundus ungelöster Mordfallakten, die Elizabeth „organisiert“ hat, pickt sich Joyce den ungeklärten Mord an der Journalistin Bethany Waites heraus. Die junge Journalistin war vor zehn Jahren einem großen Steuer- und Geldwäschebetrug auf der Spur. Kurz vor der Aufdeckung der Hintermänner fiel ihr Auto von einer Klippe ins Meer. Das Auto konnte geborgen werden, aber es gab keine Leiche, nur noch einige Kleidungsstücke und Blutspuren. Die Ermittlungen verliefen buchstäblich im Sande.
Neben kriminalistischen Ambitionen spielt es für Joyce auch eine beträchtliche Rolle, daß Bethany Waites zusammen mit Mike Waghorn, dem attraktiven und beliebten Journalisten und Moderator der lokalen Fernsehsendung „South East Tonight“, die damaligen Sendungen moderiert hatte. So kann Joyce doch endlich einmal ihren Lieblingsmoderator aus der Nähe anschmachten.
 
Der Donnerstagsmordclub fädelt es ein, daß Mike Waghorn ein Fernsehinterview mit Ron Ritchie macht. Anschließend laden sie Mike zum Essen ein; nach einigen Gläsern Rotwein und raffinierter Gesprächsführung haben sie ihn dafür gewonnen, den zehn Jahre alten Fall neu aufzurollen. Denn die Ermordete  war nicht nur eine Kollegin, sondern auch eine sehr gute Freundin von Mike.
Während der Donnerstagsmordclub nun gemeinsam mit Mike nach möglichen über- sehenen Spuren, Hinweisen und Verdächtigen sucht, über alten Kurzmitteilungen brütet und Namensanagramme und Paßwörter zu knacken versucht, wird Elizabeth von einem geheimnisvollen jungen Unbekannten entführt und dazu erpreßt, Viktor Illjitsch, einen alten Bekannten aus ihrer geheimdienstlichen Vergangenheit, zu ermorden.
Viktor Illjitsch ist ein sehr umgänglicher ehemaliger KGB-Agent, er hat sich längst ins Privatleben zurückgezogen und residiert in einem sehr luxuriösen Penthouse in London. Sein Einkommen bessert er sich freiberuflich u.a. mit Geldwäschegeschäften auf, und genau mit diesen Geschäften steht er in Konkurrenz zu dem unbekannten Entführer. Belassen wir es dabei, daß Elizabeth und Viktor eine einvernehmliche, konstruktive Lösung für dieses Jungspund-Nebenproblem finden und dadurch sogar zur Lösung des Falls Bethany Waites beitragen.
Selbstverständlich mischen auch wieder PC Donna und DCI Chris sowie der Polizei-präsident tüchtig bei den Ermittlungen mit. Ron setzt seinen Flirt mit der patenten Maskenbildnerin Pauline, die er dank seines Fernsehauftritts – zunächst widerwillig, dann erfreut – kennengelernt hat, erfolgreich fort. Und Pauline steuert auch einiges an internen  Informationen zum Verschwinden Bethanys bei.
Wie soll ich es sagen, ohne zuviel zu verraten? Also: Der Fall wird gelöst, fast alle Zusammenhänge gefunden und Schuldige werden entlarvt. Dennoch bleibt die ganze Wahrheit in diesem Falle ein weites Feld.
Auch der dritte Mordclubfall wartet mit einer komplexen und verschlungenen Handlung auf. Es gibt mehr als eine verirrte Kugel, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und eröffnen unvermutet unkonventionelle Möglichkeiten. Beiläufig bekommen wir Einblicke in klassische Geldwäschesysteme und moderne Geldwäsche- methoden mit Kryptowährungen.
Die abwechslungsreiche Beziehungsdynamik zwischen den größtenteils ebenso sympathischen wie originellen Figuren, die schlagfertigen, amüsanten, ironischen, schwarzhumorigen und manchmal auch sehr einfühlsamen Dialoge und gedanklichen Betrachtungen sowie die filmreife Dramaturgie mit ihren spannenden Klippenhänger-Szenenwechseln machen die Lektüre zu einem reizvollen Vergnügen.

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.ullstein.de/werke/der-donnerstagsmordclub-und-die-verirrte-kugel/paperback/9783471360521

Hier entlang zum ersten Band: Der Donnerstagsmordclub
Hier entlang zum zweiten Band: Der Mann, der zweimal starb

Der Autor:

»Richard Osman ist Autor, Produzent und Fernsehmoderator. Seine Serie über die vier scharfsinnigen und liebenswerten Ermittlerinnen und Ermittler des Donnerstagsmordclubs hat ihn über Nacht zum Aushängeschild des britischen Krimis und Humors gemacht. Für sein Debüt Der Donnerstagsmordclub wurde er bei den British Book Awards 2020 zum „Autor des Jahres“ gewählt. Er lebt mit Frau und Katze in London.«

23 Kommentare zu “Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel

  1. Das hört sich wieder unterhaltsam an, wenn frau mal davon absieht, daß es um Mord und andere kriminelle Taten geht. Ich frage mich oft, warum wir so leicht und lässig eine fiktive Person nach der anderen sterben lassen und Vergnügen daran finden, sei es in Romanen oder in Filmen. Das sage ich als Agatha Christie und Arthur Conan Doyle Fan.

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    • Christie löst das Problem meiner Erinnerung nach gern dadurch, dass sie die Mordopfer Unsympathen sein lässt, die es einfach nicht besser verdient haben. In Einzelfällen lässt sie die Täter dann sogar davonkommen, das ist doch so in „Mord im Orient Express“? Rowling, aka Galbraith, ist da ganz anders, in „Troubled Blood“ lässt sie den Leser mit den Detektiven nach und nach aufdecken und miterleben, wie das ist, wenn ein wirkliches und volles Leben ausgelöscht worden ist, und das ist quälend zu lesen, nichts von wegen Vergnügen, man empfindet als Leser bis zum Schluss den Wunsch, das Opfer hätte doch überleben mögen. Das ist literarisch und moralisch brillant aufgebaut, und Welten von Christie’s kunstvollen Puzzlespielen entfernt, in denen das Mordopfer eben doch die unerlässliche Schachfigur ist, die nun einmal geopfert werden muss, sonst geht der Roman ja nicht weiter oder gar nicht erst los. Bei Sayers ist das Mordopfer sogar – sehr britisch – „the inconvenience“, das mit steifer upper lip beseitigt werden muss. Die alten britischen Klassiker waren von vornherein als intellektuelles Vergnügen gedacht, das festen Regeln zu folgen hat, und zu den Regeln gehört eben auch, dass der Tod des Opfers den Leser nicht wirklich betrüben darf, was am Leichtesten damit erreicht wird, dass der Autor den Leser eine persönliche Beziehung zu dem Opfer gar nicht erst aufbauen lässt. Funktioniert auch, soweit ich mich erinnere, in allen Pater Brown Geschichten Chestertons, so waren eben die Regeln, und das Ganze war ein literarisches Spiel, unter ausgiebiger Benutzung des Stilmittels „schwarzer Humor“. Bei Rowling/Galbraith ist in dieser Beziehung Schluss mit lustig, die Wirklichkeit tritt unangenehm nahe an den Leser heran, auch an die Detektivin, die die qualvolle Erinnerung an ihre eigene Vergewaltigung nicht loswerden kann, und die Mordopfer werden sichtbar als Personen, die es einfach nicht verdient haben. Die Detektive schaffen dann zwar Aufklärung, aber Gerechtigkeit herstellen können sie auch nicht mehr, nur noch zum Grab des Opfers gehen und Blumen niederlegen.
      Schreib das natürlich, um einen Hinweis auf Rowling/Galbraith in diese Seite einzuschmuggeln, „Troubled Blood“ ist ein Meisterwerk, ich trau mich zu prophezeien, das wird unter die Klassiker des Genres aufgenommen werden.

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      • Vielen Dank für Deine interessante, informative und beachtenswerte Analyse klassischer englischer Kriminalromane!
        Ebenfalls danke ich für Deine erlesene Erläuterung der Abweichung vom eher amüsanten Krimischema bei den Kriminalromanen von Rowling/Galbraith.
        Wie Du anschaulich beschreibst, verliert man bei diesen Krimis wegen des verletzlicheren und wirklichkeitsnäheren Personals die Distanz und die Grausamkeiten erscheinen schonungsloser und schmerzlicher und nicht im milderen Licht des Cosy-Crimi.

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      • In „Troubled Blood“ geht es um das ungeklärte Verschwinden einer Frau 40 Jahre, bevor der Detektiv mit den Nachforschungen beauftragt wird, und als Leser hofft man bis zum Schluss, es möchte sich doch alles noch zum Guten wenden. Tut es nicht. In den Harry-Potter-Romanen hat Rowling das Böse noch untergehen lassen, wenn auch da schon die Mitmacher und Mitläufer und Helfershelfer ungeschoren davonkommen. Aber bei Galbraith ist das Böse in der Welt und bleibt in der Welt, die Übeltäter sind gerade wegen ihrer Erbärmlichkeit kaum zu greifen. In „The Ink Black Heart“ treten sie auf als verkommene kleine Hetzer in den Asozialen Netzwerken, die sich hinter ihrer Anonymität verstecken. Werden sie daraus hervorgezerrt, sind sie an Jämmerlichkeit kaum zu unterbieten, aber töten und zerstören können sie. Töten und Zerstören ist immer die Macht der Versager, sie können kein einziges Haar erschaffen auf dem Kopf ihrer Opfer, aber töten, das können sie, und dabei denken sie, meine Macht. Solche Figuren holt Rowling/Galbraith auf ihre Seiten, und das ist, wie die Wahrheit meistens, zum Fürchten.

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      • Danke für diese interessante, tiefgehende Erklärung. Und für das Miteinfließenlassen des Romans „Troubled Blood“, von dem ich noch nichts gehört hatte. Meine kurze Internet Recherche zeigte mir aber, daß dieses Buch sowie die Autorin sehr kontrovers diskutiert werden.

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      • So, sag ich jetzt mal, Rowling/Galbraith ist eine der großen Autorinnen unserer Zeit, ihre Sätze sehen sich immer an, als ob man in ein Kästchen mit Juwelen hineinschaut, von oben, überall gleitende und glitzernde Steine in allen Schimmerfarben, das sind die Worte, die schlingen sich umeinander wie listige bunte Schlänglein, voll ständig wechselnder Bedeutungen. Die Figuren und Schauplätze in ihren Romanen sind reich wie in den Romanen von Dickens, labyrinthisch und grässlich und komisch und tragisch und vor allem wahr, wahrer als jede Wahrheit je sein könnte, und das haben die guten Geschichten ja an sich, sie sind erfunden, und die Erfindungen sind wahrer als die Wirklichkeit.
        Was die Kritiker anbelangt, so frage ich immer ganz einfach: Und wer bist du? Was hast du geleistet? – und damit hat sich die Sache auch meistens schon, denn für gewöhnlich pflegen sich die Kritiker hinter ihrer Anonymität zu verstecken, gern auch hinter der selbsternannten Vortrefflichkeit ihrer Gesinnung. Ich denke mir, in den meisten Fällen wird der Kritiker ein unterhaltsbeziehender Arbeitsloser sein, hockend in der Dachkammer im Hause seiner Eltern, in der Nacht hackend in seinen PC, im verdunkelten Zimmer die Kapuze über den Kopf gezogen. Im Asozialen Netzwerk gibt er sich groß, da ist er Aktivist, er leistet selber nichts, er wanzt sich an andere ran. Warum sollte ich mir von solchen Versagern vorbuchstabieren lassen, was von jemandem wie Joanne Rowling zu halten sei? Da les ich lieber selber und bild mir mein Urteil selber.
        Rowling erschafft Werke, und die Kritiker haben dann eine Meinung dazu. Das ist immer das Modell, zuerst muss einer hingehen und etwas erschaffen, damit dann die Kritiker, die Arbeit ist ja gemacht, kritisch groß daran werden können. „Meine Meinung!“ rufen sie dazu, und sie glauben im Ernst, wer kritisiert, ist mehr als der, der macht. Sie halten sich für die berufenen Richter derer, die machen, und fühlen sich beim Richten so richtig groß. Das hat schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts angefangen, damals haben die Zwerge den Kult der „eigenen Meinung“ aufgebracht, des „kritischen Hinterfragens“, ja genau, damals haben die Nichtschwimmer begonnen, das Wasser zu kritisieren. Das Wasser fließt aber dennoch seinen Weg.
        Mein Rat bleibt immer derselbe: skeptisch bleiben, sich sagen, solang ich das nicht selber gelesen habe, warte ich mit meinem Urteil. Der Raum der öffentlichen Diskussion ist der Raum der unverhüllten Lüge. Man muss nicht im Ernst denken, nur weil einer öffentlich sich äußert, müsste er auch schon wissen, wovon er redet. Es ist noch nicht einmal gesagt, dass einer das Buch, das er kritisiert, auch wirklich gelesen hat. Der Raum der öffentlichen Rede ist auch der Raum des Wissens aus achtundzwanzigster Hand. Wenn jemand Rowling kritisiert, sie habe diese oder jene schlimmen Sachen gesagt, so ist nicht anzunehmen, dass er das jemals nachgeprüft hat. Er hat das einfach irgendwo gehört, selbstverständlich irgendwo in den Asozialen Netzwerken, und jetzt schmeißt er mit Dreck, weil er sich dann groß fühlt. Denn wie gesagt, selber erschaffen kann er ja nichts, aber groß sein will er doch auch, der Gernegroß, so behilft er sich damit, Dreck zu schmeißen auf die, die tatsächlich groß sind. Geht so zu in der Welt, muss man realistisch sehen.

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      • Vielen Dank für Dein äußerst engagiertes Plädoyer für Rowling/Galbraith und für Deine berechtigte Kritik an uniformer, kleinkarierter Kritik sowie für Dein Gemahnen an die eigene mündige Urteilskraft.
        Unerläßlich dafür ist das unvoreingenommene Lesen der Primärquelle und hinterfragende Skepsis gegenüber wiederkäuenden literarischen Tugendwächtern und Gender-Gaga-Etikettenschwindlern.

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      • Nur eine kurze Randbemerkung noch, dann halt ich den Mund. Wenn man begeistert ist von einem Autor oder einem bestimmten Text, dann sollte man das auch sagen. Wenn man aber einen Text grottenschlecht findet, muss man das nicht unbedingt öffentlich rauslassen. Denn wenn ich einen Text lobe, mach ich ja nichts falsch, mein Urteil ist schließlich nicht Gottes Wort. Wenn ich aber einen Text schlecht finde, mag das auch an mir liegen, vielleicht hatte ich nur einen schlechten Tag, vielleicht gefällt mir das Thema nicht, und wenn ich mir denselben Text nächstes Jahr noch einmal vornehme, mag er ganz unerwartet zu mir sprechen. Wenn ich das nächste Jahr nicht abwarte, sondern „meine Meinung“ rausposaune und den Text öffentlich runtermache, schade ich dem Autor und tue auch sonst niemandem einen Gefallen, denn wie gesagt, „meine Meinung“ ist nicht Gottes Wort. Es ist hier wie mit lebenden Personen: wenn ich über jemanden etwas Gutes zu sagen weiß, sollte ich das auch tun. Wenn ich über jemanden nur Schlechtes zu sagen weiß, und nicht einmal genau weiß, ob das Schlechte, das ich da weitererzähle, überhaupt stimmt, sollte ich den Mund halten. Der Kritiker sollte weder Lobredner noch Verleumder sein, er sollte die Texte vorstellen, die ihm gefallen, und über die anderen gnädig schweigen – er sollte also genau das tun, was die Herausgeberin dieser Seite tut, und deshalb ist diese Seite ja auch so lesenswert. Und lobenswert.

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      • Erfreut danke ich Dir für die Wertschätzung, die Du meinen Leselebenszeichen gegenüber so ausdrücklich zum Ausdruck bringst! 🙂
        Ja, ich ziehe es vor, Bücher zu empfehlen und eventuelle Kritik konstruktiv zu formulieren. Doch gelegentlich schreibe sogar ich einen Verriß und der kann dann sehr geschliffen und polemisch ausfallen. In meinen Verrissen begründe ich aber auch stets meine Ablehnung.
        Bei Interesse, kannst Du Dich beispielsweise einmal mit meinem Verriß der FEUCHTGEBIETE amüsieren: FEUCHTGEBIETE

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      • Hab die Rezension jetzt gelesen und muss zugeben, das furchtlose Vorlesen hat auch seinen Wert. Ich habe jedoch besonders jene Passage der Rezension bedacht, die von dem kaltschnäuzigen und marktorientierten Kalkül der Autorin redet. Es liegt in der Mechanik der Marktgesetze, dass unter Verkaufsaspekten auch die gereizte Ablehnung willkommen ist, nämlich als Werbung. Will sagen, jede öffentliche Erwähnung des Produkts, oder auch nur des Namens der Autorin, wird Bestandteil des Marketings, und Ablehnung – oder gar Empörung – wird eventuell sogar als Gütesiegel verkauft.
        Rowling – um aufs Thema zurückzukommen – ist nicht bereit, den Transpropagandisten das Feld zu überlassen. Sie meldet sich als öffentlich und mit großem Mut zu Wort. Sie riskiert damit aber, als Kristallisationspunkt einer willkommenen Kampagne zu dienen. Die Transhysteriker können ihre Sache gar nicht verteidigen, sie ist zu offensichtlich absurd, positive Argumente gibt es nicht, die Behauptung, Männer und Frauen gibt es nicht, alles gesellschaftliches Konstrukt, macht sich selbst lächerlich. Indem die Aktivisten nun, statt ihre nicht zu vertretende Sache offensiv zu bewerben, eine schreiende Kampagne gegen „die Feindin“ lostreten, versammeln sie Anhänger hinter sich, die sonst zu dumm sind, über die Inhalte auch nur nachzudenken. Die Anhänger wissen nicht, worum es geht, aber sie wissen jetzt, wogegen es geht, nämlich gegen was ganz Schlimmes, und das Schlimme hat sogar ein Gesicht, nämlich das einer weltberühmten Autorin, die sei „transphob“, und das sei was unvorstellbar Schlimmes. Insofern ist Rowlings Gegenwehr ein Gottesgeschenk für die Aktivisten, das gemeinsame Feindbild sammelt die Scharen. Die Methode ist den Hetzern aller Zeiten und Räume wohlbekannt. Wie bringen wir Anhänger hinter uns? Nicht, indem wir positiv eine Sache vertreten, da geht dann bloß das Diskutieren los, der eine will das, der andere was anderes. Sondern indem wir ein gemeinsames Feindbild aufbauen, eine Schreckpuppe, auf die wir mit Fingern zeigen können! Das bringt die Anhänger hinter uns, und die Anhänger schreien, da ist die Furchtbare, die hat diese schrecklichen Sachen gesagt, und unter tausend Schreiern ist nicht einer, der die Sache selber nachgeprüft hätte.
        Ganz analog gilt, wenn eine Autorin – nehmen wir mal an, wir reden bei Ch.R. von einer – auf Provokation aus ist, so ist die zu erwartende Gegenwehr Teil der Marktstrategie, und das Kalkül ist aufgegangen.
        Es ist nicht einfach, sich in dieser Welt zurechtzufinden.

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    • Hab‘ Dank, liebe Tanja, für Deine Rückmeldung und Deine Frage.
      Die Donnerstagsmordclub-Serie gehört zum Genre des Cosy-Crime, d.h. es gibt zwar einen oder auch mehrere Morde, doch diese werden nicht in ausgeschlachteter Brutalität beschrieben. Und selbst die Mörder sind zwar Mörder, aber sie sind nicht sadistisch oder perfide-perfektionistisch-serienmördermäßig unterwegs, wie es beispielsweise in Thrillern oft der Fall ist.
      So dreht sich die Handlung im vorliegenden Fall hauptsächlich um das zwischenmenschliche Element und um die Lösung eines Rätsels, das nun einmal mit Mord und den dazugehörigen Nebenwirkungen zu tun hat.
      Mein Lesevergnügen liegt also in erster Linie bei der Beziehungsdynamik, der charakterstarken Figurenzeichnung und dem schwarzhumorigen Dialogstil. Die Morde, auch wenn sie nur fiktiv sind, finde ich nicht vergnüglich, aber sie tragen zur Dramaturgie bei und erzeugen Spannung.
      Allerdings ist Deine Frage berechtigt, warum Krimis als Lektüre oder Film unterhaltsam sind, während wohl jeder bei Kontakt mit einem echten Kriminalfall eher Angst, Besorgnis, Hilflosigkeit und Trauer sowie vielleicht sogar Haß und Wut empfinden würde.
      Eine mögliche Erklärung wäre ein generelles menschliches Interesse an menschlichen Absichten, Gefühlen, Motivationen und Entscheidungsspiel- räumen und den damit verbundenen Konsequenzen sowie ein heimliches oder unheimliches Interesse an den Schattenseiten des menschlichen Gefühls- und Handlungsspektrums.

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      • Ich danke Dir herzlich für Deine wohlüberlegte und -ausgedrückten Gedanken, liebe Ulrike. So eloquent hätte ich meine eigene Frage nicht beantworten können. 😊
        Du hast gleichzeitig eine weitere, ungenannte Frage beantwortet, nämlich wie „cozy mysteries“ auf Deutsch heißen, bzw. auf Neudeutsch. Ich wundere mich, etwas, daß Du noch keinen richtigen deutschen Namen dafür erfunden hast. 😊
        Lieben Gruß,
        Tanja

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      • Bestimmt hat schon mal einer eine Übersetzung erfunden, mein Vorschlag wäre „Kuschelkrimis“, und wenn das Übernatürliche mit hineinspielt, „Kuschelgrusel“. Ich denke dabei an die Leserinnen (werden wohl in der Hauptsache weibliche Leser sein), die gerne bei der Lektüre auf der Couch sitzen, Beine angezogen und eine weiche Decke darüber, Leselampe an, sonst dunkel das Zimmer, auf dem Tisch eine frische Kanne Tee, und draußen rütteln Sturm und Regen am Fenster, die dürfen aber nicht rein, und am Fußende der Couch schläft das Kätzchen.

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      • Und ich danke Dir, liebe Tanja, herzlich für Deine Empfänglichkeit für meine Gedanken zur Psychologie des Krimilesens. 🙂
        Cosy-Crime würde ich mit Kuschel-Krimi oder Wohlfühlkrimi übersetzen, aber ich habe mich ausnahmeweise an den hier allgemein üblichen Genrebegriff gehalten.
        Herzlich grüßt
        Ulrike

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      • Danke, liebe Ulrike. Das sind sprachliche Nuancen und Entwicklungen, die ich hier leider nicht so mitbekomme. Deshalb ist es umso wichtiger, daß ich weiterhin aufmerksam Deine Rezensionen lese. 😊📚

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  2. Liebe Ulrike, da ich die beiden Bände 1 und 2 kenne und sie mir ausgesprochen gut gefallen haben in ihrer ganz besonderen Skurrilität,
    werde ich natürlich auch den dritten Band ganz bestimmt gerne lesen.

    Liebe Grüße in Deinen Abend und in die Nacht zum März von Bruni

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