Wie alles begann

  • Die wunderbare Geschichte unserer Erde
  • von Aina Bestard
  • Originaltitel: »Paisatges perduts de la Terra«
  • Aus dem Katalanischen von Ursula Bachhausen
  • Gerstenberg Verlag, Februar 2022
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 34 x 25 cm
  • 80 Seiten mit
  • 6 Klappen und 8 Pergamentseiten
  • 26,00 € (D), 26,80 € (A), 33,40 sFr.
  • ISBN 978-3-8369-6140-0
  • Kindersachbilderbuch ab 8 Jahren

Wie alles begann

ÄONEN UND AUGENBLICKE
EINE IDRDISCHE AHNUNG VON EWIGKEIT

Rezension von Ulrike Sokul ©

Unsere Erde ist 4550 Millionen Jahre alt und hat eine abwechslungsreiche Naturge-schichte hinter sich. Das Sachbuch „Wie alles begann“ vermittelt mit Zeitleisten und fas-zinierenden, großformatigen farbigen Illustrationen einen lebendigen Eindruck davon, wie die Erde, ihre Landschaften, bzw. anfänglich eher ihre „Meerschaften“ und ihre mikrobiologischen botanischen und zoologischen Lebensformen entstanden sind und ausgesehen haben.

Diese Geschichte beginnt, wie könnte es auch anders sein, mit dem Urknall und der Ent-stehung unseres Sonnensystems. Anschaulich in Wort und Bild erklärt die Autorin und Illustratorin, wie die Erdoberfläche zunächst ein Lavameer war, wie sich nach und nach die erste (noch sauerstofflose) Atmosphäre bildete, wie aus den aktiven Vulkanen neben Lava und Gasen auch Wasserdampf an die Oberfläche traten und daraus die ersten Ozeane entstanden. 

Wir erfahren von der Entstehung des Mondes aus dem Zusammenprall der Erde mit einem großen Himmelskörper. Damals befand sich der Mond in deutlich größerer Nähe zur Erde als heute, und seine Oberfläche war noch schwarz.

Im Äon Hadaicum (4550 bis 4000 JM) gab es viele Meteoritenschauer, und die Erdmasse wurde mit der Materie großer abstürzender Himmelskörper angereichert. Erst als die Meteoriteneinschläge endeten, konnte die Erdkruste abkühlen und sich verfestigen. In den Meeren entstanden die ersten mikroskopischen Lebewesen: prokaryotische (Zelle ohne Zellkern) Bakterien, die auch mit extremen Umweltbedingungen zurechtkamen. Fotosynthesefähige Cyanobakterien schieden Sauerstoff aus und reicherten die Atmo-sphäre damit an. Dies war die Sauerstoffrevolution.

So blättern wir weiter zu den ersten Landmassen, die sich aus dem Meer erhoben, zu mehrzelligen Lebensformen (photosynthesefähigen Grünalgen, den Vorfahren unserer Pflanzen), ersten Ökosystemen (Stromatolithen), ersten Kontinenten und Kontinental- verschiebungen. Es folgen Eiszeitalter, in denen die Erde von einer kilometerdicken Eis- schicht bedeckt war; solche Eiszeiten dauerten mehrere Millionen Jahre. 

Nach den Eiszeiten entwickelten sich im Mesozoikum (250 bis 66 JM)  größere und kom-plexere Lebensformen und neue Tierstämme (beispielsweise die Gliederfüßer); die ersten großen Gebirgszüge entstanden, Haie, Riesenfische und Trilobiten bevölkerten die Meere. Die ersten Pflanzen, Pilze und Flechten besiedelten das Land, und schließlich wanderten auch einige Wasserlebewesen an Land, es entwickelten sich Amphibien und Reptilien. Die Pflanzen wurden größer, Bäume, Farne und Riesenschachtelhalme bildeten erste Wälder. Parallel zur evolutionären Entwicklung hin zu Blütenpflanzen und Insektenbestäubung begann das Zeitalter der Dinosaurier und der ersten Vögel.

Durch den Einschlag eines großen Meteoriten kam es zu einem extremen Klimawandel, der ein Massensterben auslöste, welches nur eine von vier Arten überlebte. Die Dinosaurier gehörten nicht dazu. 

Nun bevölkerten vermehrt an verschiedenste Lebensräume anpassungsfähige Säuge- tiere die Erde. Vor 60 bis 70 Millionen Jahren lebten die ersten Primaten, aus denen vor etwa vier Millionen Jahren die ersten Hominiden (Menschenartigen) hervorgingen.

Die Gestalt der Erde und die räumliche Ordnung der Kontinente und Gebirge nähert sich nun dem uns vertrauten Bild. Nach wie vor gibt es Zyklen von Kalt- und Warmzeiten; wir befinden uns gegenwärtig  in einer Warmzeit, in der beispielsweise die Vergletscherung zurückschmilzt.

Einführend erklärt die Autorin zudem, wie man aus Fossilien- und Skelettfunden die Gestalt von prähistorischen Tieren und Pflanzen rekonstruiert und anhand der Sedi- mentschichtung eine Altersbestimmung vornimmt. Die Vorsatzblätter zeigen fein- gezeichnete Versteinerungen einstiger Meeresbewohner.

Die doppelseitigen Panoramabilder laden den Betrachter zu einer anschaulichen Ent-deckungsreise in die erdgeschichtliche Vergangenheit ein, und die transparenten Perga-mentseiten mit ihren detailreichen Darstellungen von Pflanzen und Tieren verfügen ebenfalls über große optische und informative Attraktivität sowie einen leicht drei- dimensionalen Effekt. Die Illustrationen sind von Aina Bestard in Anlehnung an paläontologische Stiche und Lithografien des 19. Jahrhunderts gestaltet, was ihnen ebenso detaillierte Präzision wie nostalgischen Charme verleiht.

Die Texterläuterungen sind kurz, konzentriert und gut verständlich. Die wissen- schaftlich präzisen Bezeichnungen der Erdzeitalter sind zwar nicht allgemein geläufig, aber eine gewisse Wortschatzerweiterung schadet weder jungen noch alten Lesern. Ein Beispiel: Wir befinden wir uns gegenwärtig im Äon Phanerozoikum (von 541 JM bis heute), im Abschnitt Känozoikum (von 66 JM bis heute), im der Unterabschnitt Quartär (von 2,5 JM bis heute).

Der Lebenskalender unserer Erde und ihrer geologischen Zeiträume ist so über- wältigend, dermaßen erfüllt von erstaunlichem Werden und Vergehen und wieder Neuwerden, daß wir Menschlein wie ein flüchtiges Staubkörnchen auf einem Sandkorn erscheinen. Dieses Sachbilderbuch lehrt neben seiner interessanten und spannenden naturwissenschaftlichen Substanz beiläufig auch menschliche Demut angesichts der Lebens-, Schaffens- und Verwandlungskraft unserer Mutter Erde.

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.gerstenberg-verlag.de/Kinderbuch/Sachbuch/Wie-alles-begann.html?noloc=1
Hier entlang zum sehenswerten Buchwerbefilm, welcher, begleitet von passender Naturgeräuschakustik viele Illustrationen zeigt:
https://www.gerstenberg-verlag.de/blog/schule/unterrichtsmaterial-1-4/buchtrailer-zu-wie-alles-begann/

Die Autorin und Illustratorin:

»Aina Bestard ist Illustratorin und Textildesignerin. Bereits als kleines Mädchen lernte sie von ihrem Großvater das Zeichnen. Nach ihrem Grafikdesign-Studium arbeitete sie für große Marken, heute illustriert sie am liebsten Kinderbücher. Ihr neues Buch „Wie alles begann“ wurde bereits in zehn Sprachen übersetzt und mit Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Prix Sorcière in Frankreich und dem Bologna Ragazzi Award (Sparte Sachbuch, Special Mention). Aina Bestard lebt und arbeitet in Barcelona und auf Mallorca.«

Querverweis:

Eine passende thematische Ergänzung bieten die folgenden erzählenden Kindersachbücher von Andreas Pflitsch (Text) und Dirk Steinhöfel (Illustrationen):
Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht/Eine Erzählung über das Geheimnis der Höhlen
Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht
Irgendwo brennt ein Feuer im Eis/Eine Erzählung über Vulkane, Gebirge und die Schätze der Erde
Irgendwo brennt ein Feuer im Eis
Beide Bücher sind zwar inzwischen vergriffen, sie sind jedoch noch leicht antiquarisch zu erwerben.

Für eine kulturhistorische Ergänzung empfiehlt sich außerdem das Sachbilderbuch von
Guillaume Duprat  (Autor & Illustrator): Seit wann ist die Erde rund?
Wie sich die Völker unseren Planeten vorstellten Seit wann ist die Erde rund

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25 Kommentare zu “Wie alles begann

    • Hab‘ Dank, liebe Corinna, für Deine harmonische Resonanz auf das empfohlene Buch und die von mir angesprochene Demut.
      Diese unermeßlichen Zeiträume haben mich schon als Kind mit Staunen und Demut erfüllt. Ich weiß noch, wie ich als Kind einmal im Urlaub im Schwarzwald an einem felsigen Abhang zufällig einen handtellergroßen, gut erhaltenen versteinerten Ammoniten fand. Mein Vater erklärte mir damals, daß diese Tierart schon vor etwa 400 Millionen Jahren im Meer gelebt habe und daß der jetzige Fundort wohl einst ein Meeresboden gewesen sei.
      Da Dein Sohn bereits Interesse an Versteinerungen hat, ist dieses Sachbilderbuch genau das richtige Wissensfutter für ihn.

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  1. Allein die Zeichnungen verlocken das Buch in den Händen halten zu wollen. Aber auch das Wissenswerte.
    Auch die Querverweise klingen spannend – da wird frau schnell wieder Kind und ist wissbegierig.

    …grüßt Syntaxia

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  2. Ganz bestimmt nicht nur für Kinder, liebe Ulrike! Ob mein Enkel von 12 Jahren sich darin vertiefen könnte, weiß ich nicht, obwohl er letztens meinte, daß er sich sehr für Geschichte interessiere. Dies hier ist früheste Frühgeschichte, in der es dann ja schon bald die Saurier gab und die mochte er eine lange Zeit sehr.
    Auf jeden Fall sehr lesenswert, dieses wunderhübsch illustrierte Buch für Kinder und die, die es mal waren 🙂
    Liebe Grüße von Bruni an Dich

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    • Liebe Bruni,
      verbindlichen Dank für Dein gleichermaßen kindliches wie erwachsenes Interesse an meiner Buchempfehlung. „Wie alles begann“ bietet auch für große Leser reichlich neue oder zumindest auffrischende geologische Wissenswertigkeiten und anregend sehenswerte Illustrationen. Dies macht es zu einem Sachbilderbuch, welches durchaus die ganze Familie beleseschäftigen kann.
      Liebe Abendgrüße von mir zu Dir 🙂

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  3. Das Buch hört sich faszinierend an, liebe Ulrike, ebenso wie Deine Zusammenfassung. Vielleicht unterschätze ich 8-jährige, doch scheint mir das Zielalter für so viele wissenschaftliche Informationen und Ausdrücke etwas jung. Was denkst Du?

    Und in unserer homozentrischen Zeit ist es nötig, daran erinnert zu werden, daß „wir Menschlein wie ein flüchtiges Staubkörnchen auf einem Sandkorn erscheinen.“ Demut ist nämlich keine Stärke von vielen sogenannten Homines sapientes.

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    • Liebe Tanja,
      verbindlichen Dank für Dein aufmerksames Leseecho.
      Die erdgeschichtlichen Phasen werden sehr anschaulich und eingängig erklärt, so daß achtjährige Kinder nicht überfordert werden. Lediglich die Fachausdrücke für die Erdzeitalter sind – wie schon erwähnt – nicht so leicht. Doch es kommt meiner Einschätzung nach weniger auf die korrekte Benennung der jeweiligen Phasen an, sondern mehr auf die konkreten Entwicklungsschritte der Gestaltwerdung der Erde.
      Die Altersempfehlungen für Kinderbücher können stets nur eine ungefähre Einschätzung der geistigen Aufnahmefähigkeit von Kindern sein.
      Bei Sachbilderbüchern für Kinder spielt meiner Erfahrung nach eine entscheidende Rolle, ob das Kind neugierig auf das Thema ist. Wenn diese thematische Aufgeschlossenheit und Entdeckungsfreude gegegeben ist, kann der Stoff auch anspruchsvoll bis herausfordernd sein.
      Für meine Buchbesprechung habe ich den Wissensgehalt außerdem sehr konzentriert gebündelt. Im Buch verteilt sich dieses Wissen auf 80 Seiten und ist wesentlich portionierter und durchgehend bebildert.

      Demut scheint mir bei Homines sapientes deshalb keine Stärke zu sein, weil sie für Schwäche gehalten oder fälschlich als Schwäche interpretiert wird. Dabei zeugt echte Demut von wahrer Größe, da man sich nicht künstlich überhöht, sondern sich als kleinen Teil eines größeren Zusammenhangs erkennt und sich einfach in den Kosmos einfügt. 🙂

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      • Danke für Deine Einschätzung bezüglich des empfohlenen Lesealters, liebe Ulrike.

        Und Deinem Paragraphen über menschliche Demut bzw. deren Mangel, muß ich schweren Herzens zustimmen. Es ist mein Herzenswunsch, daß wir uns „als kleinen Teil eineres größeren Zusammenhangs erkennen und in den Kosmos einfügen“, denn nur so können wir die Probleme dieser zeit lösen (verzeih die minimalen Änderungen Deiner Aussage).

        Herzlichen Gruß,
        Tanja

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  4. Ein total schönes und spannendes Buch stellst du uns hier mit großer Begeisterung vor. Und auch wenn es als „Kindersachbilderbuch“ bezeichnet wird, muss man das ja nicht zu eng sehen. Ich bin bekannterweise kein Kind mehr, aber auch ich war ja nicht ganz von Anfang an dabei (obwohl manchmal, gefühlt, gar nicht so viel zu fehlen scheint). 😉 Ganz faszinierend ist die Ausstrahlung der Illustrationen von denen die Verlagsseite ja einige Kostproben bietet. Absolut sehenswert und spannend finde ich übrigens auch den Werkstattbericht.
    Mit einem nostalgischen „Hach! Waren das noch Zeiten“-Gruß 🐻

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    • Es freut mich, daß meine Buchempfehlung und die besondere Art der Illustration so gut bei Dir ankommen und ich danke für Deine zugeneigte Resonanz.
      Dieses Sachbilderbuch ist durchaus auch noch für Erwachsene interessant, sehens- und wissenswert und es kann dementsprechend auch die ganze Familie anregend beleseschäftigen. 😉
      Ja, die illustratorischen Kostproben und auch der Werkstattbericht sind eine gelungene Zugabe, um zu diesem Sachbilderbuch zu verführen.
      Herzensgruß von mir zu Dir 😀

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