Wenn mein Mond deine Sonne wäre

  • von Andreas Steinhöfel
  • Eine musikalische Lesung
  • mit dem Autor und dem Duo Salzbauer
  • Silberfisch, Oktober 2019  https://www.hoerbuch-hamburg.de/
  • 1 CD in Pappklapphülle
  • Laufzeit: ca. 63 Minuten
  • 12,00 € (D), 13,50 € (A)
  • ISBN 978-3-7456-0138-1
  • Hörbuch ab 8 Jahren

WEISST  DU  NOCH?

Hörbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Der neunjährige Max vermißt schmerzlich seinen Großvater. Zwar besucht er ihn regel- mäßig im Altenheim, aber das ist nicht die gewohnte innige Nähe, und da der Großvater dement wird, befürchtet Max zudem, daß er ihn eines Tages nicht mehr erkennen und liebhaben könne.

Eines Morgens ist Maxens Sehnsucht nach dem Opa so überwältigend, daß er be- schließt, heimlich einen Ausflug mit ihm zu unternehmen. Von seinen Besuchen im Heim kennt Max den Zahlencode, mit dem man die Türe nach draußen öffnen kann, und so spaziert er einfach ganz selbstverständlich ins Altenheim und findet den Großvater in guter Verfassung in seinem Zimmer (bei Dementen gibt es bessere und schlechtere Tage hinsichtlich des Erinnerungsvermögens). Der Opa erkennt Max sofort und fragt, warum er denn schon so früh zu Besuch käme. Max sagt, daß er einen Überraschungsausflug mit ihm machen möchte, und der Großvater ist dieser Idee sogleich zugeneigt.

Max geht, vom Pflegepersonal unbemerkt, mit seinem Opa zur Außentür, tippt den Zahlencode ein, und schon sind die beiden draußen – allerdings in Begleitung einer weiteren Heimbewohnerin, des feingliedrigen Fräuleins Schneider, einer ehemaligen Tanzlehrerin, die einfach mit durch die Tür geschlüpft ist.

Zu dritt eilen sie zur Bushaltestelle und fahren aus der Stadt hinaus zum „Blumental“. Max hat einen Ort gewählt, der seinem Opa etwas bedeutet. Im Blumental gibt es eine besonders schöne Blumenwiese; auf dieser Wiese hatte der Großvater einst die Groß- mutter zum ersten Mal geküßt und ihr einen Heiratsantrag gemacht.

Die drei Ausreißer genießen die Atmosphäre, die die Sommerwiese ausstrahlt. Max unterhält sich mit seinem Großvater, und beide beobachten Fräulein Schneider bei ihrem spontanen anmutigen Sonnentanz.

Max gesteht seinem Großvater, daß er Angst davor habe, daß er ihn eines Tages ver-gessen könne. Der Großvater erinnert Max daran, was er ihm über den Mond erklärt habe: Der Mond ist immer da, aber je nach Stellung zur Sonne ist er für uns unsichtbar – darauf solle Max vertrauen.

Daran hält sich Max auch tapfer, nachdem der Suchtrupp aus Maxens Mutter, zwei Pflegern und zwei Polizisten die Ausreißer schließlich zurück gebracht hat.

Andreas Steinhöfel findet in diesem Hörbuch immer den richtigen Ton. Dies dürfen wir hier sogar buchstäblich nehmen. Am Anfang dieser Geschichte standen nämlich zwei klassische Musikstücke: „Ein Sommertag, op. 65a“ von Sergej Prokofjew und „Jeux d’en-fants, op. 22“ von Georges Bizet. Zu den dreizehn Einzelstücken dieser Musik entwickelte Andreas Steinhöfel die dreizehn Kapitel von „Wenn mein Mond deine Sonne wäre“.

Jedem Kapitel folgt ein Musikabschnitt, der das Handlungstempo und die emotionale Gestimmtheit spiegelt. Die Musik illustriert das Geschehen akustisch und vertieft das weite Spektrum der zuvor angesprochenen Empfindungen und Beobachtungen. Je häufiger man dieser Kombination aus Text und Musik lauscht, desto „mitsprechender“ erscheint die Musik. Musik und Worte geben sich hier wechselwirksam Raum zum Nachklingen und Nachspüren.

An die Geschichte schließt sich ein erhellendes Gespräch zwischen Andreas Steinhöfel und den Musikern des Duos Salzbauer an. Der Autor erzählt, wie sich für ihn die Ge-schichte von Max und seinem Großvater aus dem Hören der Musikstücke entwickelt hat, und die Musiker erklären, wie sie die Musikstücke, die für ein großes Orchester komponiert wurden, angemessen auf zwei Instrumente (Klavier und Saxophon) reduzieren mußten und gleichwohl dem Original weitgehend treugeblieben sind.

„Wenn mein Mond deine Sonne wäre“ ist eine warmherzige Geschichte mit berührend-authentischen Charakteren, lebendigen Dialogen, virtuoser Dramaturgie und einem ebenso schelmischen wie zärtlichen Blick auf Alter und Kindheit, Erinnern und Vergessen. Die gelungene Kombination von klassischer Musik und Text wahrt eine tänzerische Balance zwischen Leichtigkeit und Schwere und träufelt Trost in die Melancholie. Andreas Steinhöfels poetisch-literarisches Sprachniveau befindet sich auf feinfühlig-zugeneigter Herzenshöhe mit Kindern, was zudem auch durch seine einfühlsame Vorlesestimme und seine gelassen-klare Vortragsweise zum Ausdruck kommt.

 

»Und während du erzählst, Sommer um Sommer, Jahr um Jahr, liegen deine kleinen jungen Hände in großen alten Händen, und wenn du schweigst, spüren deine Augen den Venen und Sehnen dieser fleckigen Hände nach, die über dich gewacht, die dich behütet und getröstet haben – Sommer um Sommer, Jahr um Jahr, seit du denken kannst.«

 

Hier entlang zum Hörbuch und zur HÖRPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.hoerbuch-hamburg.de/hoerbuecher/steinhoefel-wenn-mein-mond-deine-sonne-waere-5043/

Der Autor:

»Andreas Steinhöfel gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. Insbeson-dere für seine Kinderbücher, die Steinhöfel oftmals selbst fürs Hörbuch liest, wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit der Corine, dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie dem Erich Kästner Preis für Literatur. Andreas Steinhöfel arbeitet zudem als Übersetzer, Rezensent und Drehbuchautor.«

Die Musikanten:

»Silvia Salzbauer hat an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim Musik studiert und arbeitet als Klavierlehrerin und Pianistin. Ihr Mann Thomas Salzbauer ist Saxofonist und belegte 2018 den 2. Platz beim 36. Deutschen Rock & Pop Preis in der Kategorie »Bester Instrumentalsolist«. Gemeinsam leitet das Ehepaar die »Integrative Musikwerkstatt« in Biedenkopf. Seit 20 Jahren treten sie als Duo Salzbauer auf und spielen meditativen und intensiven Jazz. «

 

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21 Kommentare zu “Wenn mein Mond deine Sonne wäre

  1. Schon der Titel klingt wundervoll, liebe Ulrike,
    und ich bin überzeugt davon, daß mir dieses Hörbuch sehr gefallen könnte, würde ich nicht viel lieber diese feine Geschichte als Buch lesen…

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  2. Ich bin immer wieder fasziniert, wie unverfänglich und offen Kinder mit Demenz umgehen. Sie wagen Fragen zu stellen und haben weniger Berührungsängste als Erwachsene… und zarte Feinfühligkeit fühle ich beim Lesen deiner Hörbuchvorstellung. Liebe Grüße. Priska

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    • Vielen Dank, liebe Priska,
      für Dein aufmerksames Leseecho.
      Kinder gehen wohl eher ganz konkret und unbefangen mit Demenz um und sprechen ihre diesbezüglichen Empfindungen unmittelbarer aus als Erwachsene.
      In der vorliegenden Geschichte wird eine solche kindliche Perspektive und Verhaltensweise glaubwürdig und feinfühlig sowie mit liebevollem Humor dargestellt. 🙂

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  3. Liebe Ulrike, von Andreas Steinhöfel stehen schon etliche Bücher im Regal: u.a. Die Mitte der Welt, die Honigkuckuckskinder, aber ein Hörbuch besitze ich nicht von ihm (ich bin ja kein so großer Hörbuchfan – kommt erst, wenn die Augen schlechter würden -:))). Ihn selber lesen zu hören – darauf freue ich mich und ich danke Dir sehr für diese Vorstellung. Den richtigen Ton zu treffen für dieses Thema, ist gar nicht so leicht.
    Kinderbücher sind IMMER auch für Erwachsene, weil sie daraus viel lernen können, auch über die eigenen Kinder und das Kind in sich.
    Ist auch etwas für Falks Hörbert, den er heiß und innig liebt.
    Einen herzlichen Gruß zu Dir (Du warst wieder nicht in meinem Reader), Karin

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    • Liebe Karin,
      hab‘ Dank für Deine zugeneigte Rückmeldung.
      Ich schätze die Bücher von Andreas Steinhöfel auch sehr, besonders die Rico-und-Oskar-Reihe.
      Da Du bisher (noch) keine Hörbuchfreundin bist, könnte Dir der Einstieg bei „Wenn mein Mond Deine Sonne wäre“ durch die begleitende klassische Musik versüßt werden.
      Außerdem hat Andreas Steinhöfel eine sehr angenehme warme Stimme und er liest seine Texte mit angemessener und nuancierter Gefühlsladung.
      Ich finde ebenfalls, daß Kinderbücher fast immer auch für Erwachsene geeignet sind. Das ist einer der Gründe, warum ich mich nach wie vor, auch als nicht-mehr-Buchhändlerin, mit lebhaftem Vergnügen und Neugier auf Kinderbücher einlasse und sie gerne weiterempfehle.
      Herzensgruß von mir zu Dir,
      Ulrike

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  4. Es ist schon faszinierend, welche Kleinode du immer wieder ausgräbst. Was für ein wundervolles Buch, keineswegs nur für Kinder. Deine Besprechung hat zuerst tiefe Trauer ausgelöst, aber nicht eine solche, die verzweifeln lässt. Eher eine Art Melancholie, die unter Tränen eben auch liebevolle Dankbarkeit auslöst, geliebte Verstorbene im Leben gehabt zu haben.
    Mein jüngster Sohn war 9, als sein Opa, mein Vater starb, der älteste 21. Sowohl mein Kinder als auch ich haben ihn schmerzlich vermisst. Noch heute sprechen wir oft über ihn und das, was wir durch ihn gelernt haben, mit ihm zusammen erlebt haben. Sowohl er als auch meine eigenen Großeltern sind noch und bleiben präsent, sowie eben auch die Gestirne, die da sind, ob wir sie sehen oder nicht. Wir spüren, auch durch das gemeinsame Gedenken, ihre Gegenwart und erbitten und erhalten ihren Rat in schwierigen Situationen.
    Nichts verschwindet, es ändert nur seinen (Aggregat)Zustand.

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    • Herzensdank, liebe Caroline,
      für Deine Wertschätzung meiner Buch- und Hörbuchauswahl und für Deine persönlich-familiäre Rückmeldung zum Thema.
      Ja, nichts verschwindet, es findet nur ein Wechsel der Daseinsform statt, so sehe ich es ebenfalls.

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  5. Bemerkenswert. Das ist nun gewiss nicht jedermanns Sache: eine heiße Kartoffel mit viel Fingerspitzengefühl anzufassen. Das Thema „demente Großeltern“ ist ja leider eines, dem Kinder gar nicht so selten begegnen. Und dieses Thema mit einer gewissen Leichtigkeit anzugehen, ohne es dabei auf die leichte Schulter zu nehmen – das ist kein geringes Unterfangen. Ganz großartig finde ich die Idee musikalischer Untermalung mit einem auf zwei Instrumente reduzierten „Orchester.“ Das ist ja fast schon etwas wie ein „Leitmotiv“ beim Umgang mit dementen Menschen: dass bei extremer Reduktion der Ausdrucksmittel das Wesentliche immer noch fast uneingeschränkt ausgedrückt werden kann. Man muss es nur erkennen. Ich denke, dass Kinder dies auch ganz intuitiv erfassen können. Wenn man sie lässt…

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    • Verbindlichen Dank für Deine einfühlsame und zustimmende Leseresonanz auf meine Hörbuchempfehlung.
      Deine feine Formulierung „… dieses Thema mit einer gewissen Leichtigkeit anzugehen, ohne es dabei auf die leichte Schulter zu nehmen – …“ charakterisiert Andreas Steinhöfels‘ ErzählWEISE sehr gut.
      Auch Deine feinsinnigen Betrachtungen zur leitmotivischen Verbindungsebene zwischen reduzierten musikalischen und menschlichen Ausdrucksmitteln finde ich sehr bemerkenswert.
      Kinder sind, sofern sie nicht schon zwangsverformt und eingenormt wurden, meist näher an der intuitiven Wahrnehmung des Wesentlichen.

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      • Ja, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Kinder hier sozusagen einen „Heimvorteil“ haben, weil sie dem „Zuhause der Seele“ auf ganz natürlich Weise noch näher sind als viele Erwachsene. Allerdings zeigt das Prokrustesbett moderner W€rtvor$tellungen heute erschreckend früh seine Wirkung. Wohl dem, dessen inneres Kind da nur temporär untertaucht und nicht gänzlich absäuft…

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      • Sollte es dereinst einen Wettbewerb für den weltbesten Wortspielmeister geben, werde ich Dich sofort nominieren. 😉
        Alleine schon Deine Kreation „W€rtvor$tellungen“ ist Gold wert!
        Und wie gut, daß Bücher/Hörbücher, wie das hier vorgestellte, dem einen oder anderen inneren Kind ein Paar rettende Schwimmflügel verleihen kann.

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      • 😀
        Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Kinderbücher sehr oft auch Erwachsene ansprechen.
        Dem inneren Kind könnte man durchaus eine Art „Walverwandtschaft“ attestieren: es kann durchaus für einige Zeit abtauchen – aber man muss doch aufpassen, dass ihm nicht die Luft ausgeht…

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