Als Larson das Glück wiederfand

  • Text von Martin Widmark
  • Illustrationen von Emilia Dziubak
  • Originaltitel: »Huset som vaknade«
  • Aus dem Schwedischen übersetzt von Ole Könnecke
  • Verlag arsEdition, August 2018  www.arsedition.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 288 mm x 222 mm
  • 40 Seiten
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A)
  • ISBN 978-3-8458-2599-1
  • Bilderbuch ab 5 Jahren

L I C H T B L I C K E

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Wenn die eigene Lebenszeiterwartung nur noch kurz ist und der Verlust geliebter Weg-gefährten die Einsamkeit vergrößert, kann dieser Schmerz dazu führen, daß sich ein Mensch dem Leben verschließt. So praktiziert es jedenfalls Larson aus dem vorlie- genden Bilderbuch.

Larson ist alt und verwitwet, seine Kinder sind erwachsen und ausgezogen. Alleine streift Larson durch das große leere Haus und geht ebenso schönen wie wehmütigen Erinnerungen an seine Lieben nach. Jedes Zimmer eröffnet uns einen Einblick in die biographische Vergangenheit Larsons. Während die Räume in der Gegenwart dunkel, angestaubt, muffig, ja, sogar seltsam unterirdisch-höhlenartig erscheinen, sind die Erinnerungsbilder von einem sanften Lichtschein begleitet.

Illustrationen von © Emilia Dziubak, Verlag arsEdition 2018

Gerade als sich Larson zum Schlafen hingelegt hat, klopft es an seine Haustür. Ärgerlich und unwillig steht er auf und schaut nach, wer es da wagt, ihn zu stören. Ein Nachbars-junge mit einem Blumentopf steht lächelnd vor der Tür. Er überreicht Larson den Blu-mentopf, in dem außer Erde noch nichts zu sehen ist, und bittet Larson, während seines Urlaubs den Topf regelmäßig zu wässern, damit seine Blume wachse. Larsons Wider-spruch hört der Junge garnicht mehr, da er schon flugs zum abfahrbereiten Auto seiner Eltern gelaufen ist. Vor sich hin schimpfend stellt Larson den Blumentopf auf den Küchentisch, gießt aber doch etwas Wasser auf die Erde.

Am nächsten Morgen betrachtet Larson beim Frühstück den Topf, entdeckt ein erstes Keimblatt und spürt eine gewisse Neugier, welche Blume denn dort wachsen werde. Plötzlich fällt ihm auf, daß er unbedingt lüften sollte, und er beläßt es nicht nur beim Lüften, sondern putzt auch die schmutzigen Fenster. Endlich kann wieder Sonnenlicht ins Haus dringen, und schon erscheint der Alltag deutlich heller.

Illustrationen von © Emilia Dziubak, Verlag arsEdition 2018

Am Abend fragt sich Larson noch immer, welche Blume in diesem Topf wachsen könnte. Besser gelaunt und geradezu beschwingt beginnt dann der nächste Tag, und zu Larsons Freude taucht sein zuvor entlaufener Kater wieder auf und will offensichtlich auch bleiben. Larson räumt das Haus auf, entstaubt, fegt und beobachtet mit lebhafter Anteilnahme das Wachstum der Pflanze.

Von Tag zu Tag wird die Blume größer, bildet neue Blätter und eine Knospe, und Larson freut sich darüber. Er überlegt sogar, ob er demnächst den Flur mit einer hellgelben Ta-pete neu tapezieren lassen sollte. Larsons frühere Betrübnis und Müdigkeit sind verflo-gen, und genau an dem Morgen, als sich die Blüte öffnet, kehrt der Nachbarsjunge zurück.

Fröhlich lächelt der Junge Larson an und bewundert gemeinsam mit ihm die Schönheit seiner Blume. Dann richtet er dem alten Nachbarn eine Einladung seiner Eltern aus, doch auf ein Glas Wein herüberzukommen. Larson bietet dem Jungen das Du an, und Hand in Hand gehen Larson und der Blumenjunge in strahlendem Sonnenlicht durch den Garten…

Mit diesem Bilderbuch können sich Kinder behutsam der Perspektive eines alten, einsamen und schwermütigen Menschen nähern. In Wort und Bild wird anschaulich dargestellt, wie sich Larson in seinen ausgetretenen Pfaden und Erinnerungen bewegt und der Gegenwart wenig Aufmerk- samkeit schenkt.

Durch die kindlich unbefangene Unterbrechung seiner Verschlossenheit und die unfreiwillige Pflege der Blume keimt auch in Larson langsam wieder neues Leben und vor allem neuer Lebensschwung. So entstaubt und lüftet er nicht nur sein Haus, sondern erfrischt auch sein Gemüt. Da Larson nun das Leben nicht mehr aussperrt, kann er sich neuen Begegnungen öffnen und die Einladung der Nachbarn freudig annehmen.

Der Autor erzählt diese Geschichte in einfachen, berührenden, wesent- lichen Worten, die in den Dialog-Passagen mit zartem Schmunzeln kombiniert werden.

Die Illustrationen von Emilia Dziubak sind von hoher künstlerischer Qualität; sie haben eine starke, beinahe magische Ausstrahlungskraft. Die Mischung aus Andeutung und Präzision erzeugt sehr beredte und viel- schichtige Stimmungsbilder. Dabei sind die feinen Lichteffekte und poe- tischen Details, wie beispielsweise die aus der Erinnerung hereinwehenden Mohnblütenblätter, und die wunderschöne zeichnerische Symbolsprache der Traumsequenzen nachhaltig anrührend und beeindruckend. Die schrittweise Belichtung von Larsons Herz wird illustratorisch kongenial durch die von Seite zu Seite zunehmende Erhellung und Lichtdurch- dringung sichtbar.

Dieses warmherzige Bilderbuch zeigt, wie eine kleine, kindliche Geste buchstäblich den Samen zur Verwandlung in ein altes, einsames Herz legen kann. Wenn dieser Same gewässert und belichtet wird, öffnet sich ein Weg von schattigen Gefühlen hin zu sonnigen Gefühlen sowie zu neuen zwischenmenschlichen Verbindungen.

„Als Larson das Glück wiederfand“ lege ich Ihnen von ganzem Herzen ans Herz!

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.arsedition.de/produkt/als-larson-das-glueck-wiederfand-8035

Der Autor:

»Martin Widmark gilt als einer der bedeutendsten schwedischen Kinderbuchautoren. Seit 2008 sind seine Bücher die beliebtesten Werke in Schwedens Büchereien und schon elf Mal in Folge erhielt Martin Widmark den Children’s Own Award. Seine Bücher sind stetig auf Bestsellerlisten zu finden, bekamen ausgezeichnete Kritiken und wurden schon in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Bevor Widmark ein „Vollzeit-Autor“ wurde, unterrichtete er als Lehrer in einer Mittelschule und Schwedischlehrer für Immigranten. Er schrieb auch einige Lehrbücher.«

Die Illustratorin:

»Nach Emilia Dziubaks Studium an der Posener Akademie der Schönen Künste in Polen erschien im Jahr 2011 mit dem Kochbuch “A Treat for a Picky Eater” ihr erstes Buch für Kinder. In Südkorea kam das Kochbuch in die engere Wahl für den 4. CJ Bilderbuch-Award. Emilia Dziubaks Illustrationen zierten eine Vielzahl von Zeitschriften, wie beispielsweise Art & Business, ebenso die im Verlag Nasza Księgarnia erschienenen Bücher „I Don’t Want to Be a Princess“ und „The Classics for Children“. Bereits zum zweiten Mal wurde Emilia Dziubak für den PTWK-Wettbewerb um das schönste Buch des Jahres nominiert, 2014 erhielt sie den Warschauer Literaturpreis für ihr Buch „Please Give Me a Hug“.«

Illustrationen von © Emilia Dziubak, Verlag arsEdition 2018

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52 Kommentare zu “Als Larson das Glück wiederfand

    • Ja, das hast Du gut erkannt. Wenn Dich schon die wenigen Illustrationsproben sehr bewegen, wirst Du vom Gesamtanblick dieses Bilderbuchs gänzlich hingerissen sein. Es gibt dort eine Doppelseite, die exakt diese von Dir angesprochene Glücksverwurzelung anschaulich illustriert.
      Herzlichen Dank für Deine zugeneigte Resonanz!

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  1. Dieses Buch kommt auf meinen Geburtstagswunschzettel,obwohl ich mit meinen 68 Jahren nicht mehr unbedingt zu den Bilderbuchleserinnen gehöre. Deine Buchvorstellung hat mir Lust darauf gemacht, dies wieder zu ändern. Die Geschichte erinnert mich ein wenig an den „Mann namens Ove“ von F. Backman. Liebe Grüße! Regine

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    • Herzlichen Dank für Deine Rückmeldung, liebe Regine.
      Es gibt Bilderbücher, die inhaltlich und gestalterisch eine generationenübergreifende Aufmerksamkeit verdienen, und „Als Larson das Glück wiederfand“ gehört dazu. Wobei auch rein kindliche Bilderbücher durchaus ihren Reiz für Erwachsene haben können. Also rate ich stets dazu, solch „kindlichen“ Herzenswünschen unbefangen zu folgen.
      Herzlich grüßt Dich
      Ulrike

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      • Ich besitze noch eine Bilderbuch-Sammlung aus alten Zeiten (eigene Kinder, Schule), von der ich mich nicht trennen mag. Larson und das Glück sind dann in guter Gesellschaft. Danke für die Motivation! Liebe Grüße! Regine

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    • Liebe Tanja,
      verbindlichen Dank für Dein Leseecho.
      Dieses Bilderbuch kann nicht das Rezept für die Überwindung jeglicher Art von Alterseinsamkeit bieten, dazu sind die Daseinsgegebenheiten der Menschen zu unterschiedlich. Aber es vermittelt Kindern anschaulich, was Einsamkeit ist und wie schön es ist, sie zu überwinden. Daß dazu eine ungezwungene kindliche Geste in Verbindung mit der Heilkraft der Natur beträgt, erscheint mir sehr plausibel.

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  2. Ich hab die Geschichte vom Topf, in dem eine Blume wächst, täglich ein kleines Stück mehr, mit Freude gelesen, meine aber, die dunkleren Bilder könnten den Kleinen fast ein wenig zu duster sein.
    Ich erinnere mich daran, daß ich mit Vorliebe für meine Kinder Bilderbücher von Annegert Fuchshuber kaufte, die alle wunderschön zu lesen und anzusehen waren, aber eines mochten beide nicht, das Traumfresserchen. Eine tolle Geschichte, aber sie machte den Mädchen Angst. Ich konnte erklären und erzählen, so viel ich wollte, es nutzte nichts…, liebe Ulrike.

    Ganz herzlich, Bruni am späten Abend

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    • Liebe Bruni,
      vielen Dank für Deinen nachtschwärmerischen Lesebesuch und Deine aufmerksame Rückmeldung.
      Die dunklen Bilder hellen sich nach und nach immer mehr auf und zeigen dadurch anschaulich die Erhellung der Lebensgestimmtheit Larsons. Doch selbst die dunklen Bilder nicht nicht düster im Sinne von schaurig oder beängstigend.
      In Hinsicht auf die von Dir beschriebene Abneigung Deiner Töchter gegen das Traumfresserchen, sollte man natürlich Rücksicht darauf nehmen, wenn Kinder ein Bilderbuch oder eine Figur aus diesem als angstauslösend erleben und es einfach lassen, auch wenn der erwachsene Blick es anders wahrnimmt.

      Mit einem herzLICHTen Gutenachtgruß von mir zu Dir 🙂

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      • Aaah, sie hellen sich auf, das wirft nun ein ganz anderes Bild auf dieses tolle Buch, liebe Ulrike.
        Vielleicht hatte ich es auch überlesen …

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  3. Liebe Ulrike, mich rührt das Buch auch sehr. Und die Illustrationen sind einfach zauberhaft!

    (und jetzt noch mal was nebenbei: Deine Texte haben im WP Reader einen anderen Zeilenumbruch als auf deiner Blog-Seite. Das liesst sich dann so: „Ein Nachbars-junge mit einem Blumentopf…)

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    • Liebe Namensvetterin,
      schön, daß Dich meine Bilderbuchempfehlung anspricht!

      Zum nebenbei: Danke für die Informierung. Da ich persönlich nie über den WP-Reader auf meine oder andere Blogbeiträge zugreife, habe ich mir das dortige Layout nicht angesehen.
      Es reicht mir schon, daß ich meine in Word geschriebenen Texte in Hinsicht auf den Zeilenumbruch für das normale Blog-Layout stets nachbessern muß, da werde ich nicht auch noch zusätzlich die WordPress-Reader-Ansicht miteinbeziehen – ich wüßte auch garnicht wie. Mir reicht es, wenn der Zeilenumbruch bei der Blog-Seitenansicht stimmt.

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  4. Liebe Ulrike, bin grad so gerührt von dem Herrn Larson, daß mir tatsächlich ein paar Rührungstränchen herunterkullerten.

    Ich denke mir fast, daß dieses Büchlein vor allem auch für die grossen Kinder in reiferen Lebensjahren gedacht ist.

    Nach deiner Buchvorstellung jetzt bin ich in Gedanken durch meine Räume der Vergangenheit gewandelt und hab nochmal hineingeschaut … spannend !

    Vielen Dank für dieses neue, feine Buch.

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    • Liebe Marietta,
      vielen Dank für Deine gefühlvolle Resonanz auf den Herrn Larson.
      Dieses Bilderbuch paßt meiner Ansicht gleichermaßen für kleine (junge) Kinder und für große Kinder älteren Datums. 😉
      Schön, daß Dich meine Buchvorstellung dazu animiert hat, durch Deine persönlichen Räume der Vergangenheit zu spazieren.

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    • Herzlichen Dank für Deine ausdrückliche Rührung.
      Ja, Kinder und ihre spontanen Gesten haben oft eine herzöffnende Wirkung, das kann ich bestätigen und dies wird auch in dieser Bilderbuchgeschichte demonstriert.

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  5. Ein feinsinnig-lebenskluges Buch ist das, will mir scheinen. Und auch eines, das für verschiedene Lebenslagen taugt. Zum einen kann es – so wird es auch primär gedacht sein – Empathie wecken für Menschen, die in einer lebensläufigen Sackgasse gelandet sind und nicht die lebensfreudige Energie aufbringen, sich da herauszumanövrieren. Es kann aber auch als Spiegel dienen für Menschen, die sich zunehmend in lebensfernen Bahnen bewegen (dies kann ja auch bereits in jüngeren Jahren geschehen). Und das Buch gewinnt noch einiges an Ausdrucksstärke durch die unglaublichen Illustrationen. Das ist reines Zauberwerk. 🙂

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    • Verbindlichen Dank für Deine einfühlsam- feingewiegten Worte, die ich nur zustimmend unterschreiben kann. 🙂
      In der Tat ist „Als Larson das Glück wiederfand“ eine Lektüre, die von Lebensferne zu Lebensnähe animieren kann. Wobei die stärkste und unmittelbarste Animation wohl von den zauberhaften Ilustrationen ausstrahlt.

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  6. Ich weiß, dass kleine Kinder diese Wirkung haben.
    Für all die Erwachsenen, die das nicht erfahren durften und die Kinder, die es erst erleben dürfen, ist es sicher ein wunderbares Buch. Und für mich als Erinnerung.😉
    Danke fürs Vorstellen, liebe Ulrike.

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      • Liebe Ulrike,
        ich habe gerade im Online-Katalog meiner Stadtbücherei nachgesehen: das Buch ist dort verfügbar. Ich habe es auf meine Merkliste gesetzt.
        Durch Dich bin ich wirklich schon auf Bücher aufmerksam geworden, von denen ich anders vermutlich nie erfahren hätte. Besonders Kinderbücher interessieren mich, die ich hier in der Bücherei Schulklassen oder auch Kleinkindern vorlesen kann.
        Ganz lieben Dank dafür!
        Lo

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      • Es ist mir ein ausdrückliches Herzensanliegen außergewöhnliche, ja, wertvolle Kinder- und Bilderbücher zu entdecken und zu empfehlen, und es ist mir eine besondere Herzensfreude, wenn meine Empfehlungen aufgegriffen werden und durch Vorlesen weitere Kreise ziehen. Also habe ich Dir zu danken! 🙂
        Ulrike

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  7. Ein Buch, dass man jungen und uralten Kindern schenken sollte, vor allem jenen, die wirklich einsam sind. Habe Dank für Deine herzenswarme Vorstellung und es wünscht Dir noch einen gemütlichen Abend, Karin

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    • Herzlichen Dank, liebe Karin,
      für Deine einfühlsame Zustimmung zu meiner Buchempfehlung.
      Auch Dir einen gemütlichen Abend!
      Mein gemütlicher Abend findet ja nun am ausgesprochen kommunikativen Blog-Kaminfeuer 😉 statt.

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