Der Weihnachtskarpfen

  • Text von Rita Törnqvist-Verschuur
  • Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch
  • Illustrationen von Marit Törnqvist
  • Verlag Urachhaus, August 2016  www.urachhaus.com
  • Auflage 2017
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 22 x29,5 cm
  • 32 Seiten
  • 16,00 €
  • ISBN 978-3-8251-7986-1
  • Bilderbuch ab 5 Jahren

ES  MUSS  NICHT  IMMER  KARPFEN  SEIN

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Thomas verbringt die Winterferien bei seinem Großvater in Prag. Die Gesellschaft des Enkels soll dem kürzlich verwitweten Großvater die Festtage erhellen. Am Tag vor Heiligabend wollen die beiden den traditionellen Weihnachtsbaum und den traditio- nellen Weihnachtskarpfen kaufen gehen.

Um des Großvaters Kräfte zu schonen, teilen sie sich diese Aufgaben. Der Großvater will den Baum besorgen, und Thomas wird auf dem Markt einen Karpfen auswählen.

Die lebenden Karpfen werden in großen Wasserbottichen angeboten und Thomas ent-deckt schnell einen Karpfen, der ihm gefällt. Er gibt ihn auch gleich einen Namen und verspricht ihm, daß er in der Badewanne mit Thomas‘ Segelboot schwimmen dürfe. Die Fischhändlerin steckt den lebenden Karpfen in eine Plastiktüte, und Thomas versucht während des Bezahlens zu übersehen, daß ein anderer Kunde lieber einen toten Karpfen kauft und welch blutige Handlung dafür notwendig ist.

Illustration von Marit Törnqvist © Verlag Urachhaus 2016

Eilends macht sich Thomas auf den Heimweg und wässert unterwegs mehrfach seinen Karpfen in der Tüte. Er verläuft sich und muß den Karpfen vor einer Katze, einer Gans, einer Gruppe von Schwänen und einem Hund beschützen. Doch schließlich finden die beiden wohlbehalten zurück.

Illustration von Marit Törnqvist © Verlag Urachhaus 2016

Der Großvater empfängt den Enkel an der Wohnungstür, und sie füllen für den Karpfen die Badewanne mit Wasser. Thomas spielt noch eine Weile mit dem Karpfen, und dann ist Schlafenszeit.

 

Illustration von Marit Törnqvist © Verlag Urachhaus 2016

Am nächsten Tag backt Thomas gemeinsam mit seinem Großvater karpfenförmige Kekse, und sie basteln aus Walnußschalenhälften kleine Kerzenschiffe. Sie lassen die Kerzenschiffchen auch in der Badewanne schwimmen, damit der Karpfen sie sehen kann.

Als der Großvater Thomas schließlich auffordert, eine Stunde draußen zu spielen, ahnt Thomas, was währenddessen geschehen soll, und er fleht deshalb seinen Großvater an, eben dies nicht zu tun.

Der Großvater beruhigt seinen Enkel und schickt ihn gleichwohl für eine Stunde in den Hof zum Spielen. Thomas ist voller Sorge um seinen Karpfen und vergißt darüber sogar seinen Wunschzettel. Schließlich ruft ihn der Großvater zum Abendessen herein, und auf dem Küchentisch steht ein Aquarium mit dem lebenden Karpfen.

Illustration von Marit Törnqvist © Verlag Urachhaus 2016

Thomas ist glücklich und tanzt zusammen mit seinem Großvater ein Freudentänzchen. Sie essen Suppe und Brot, der Großvater entzündet die Kerzen am Weihnachtsbaum, einträchtig musizieren sie gemeinsam und packen dann ihre Geschenke aus. Empathisch lenkt der Großvater Thomas dahin, zu erkennen, was wohl das schönste Geschenk für den Karpfen sei, und so wird der Karpfen am nächsten Tag in die Freiheit, sprich: in die Moldau entlassen.

Rita Törnqvist-Verschuur erzählt in „Der Weihnachtskarpfen“ mit ruhigem, stimmungsvollem Tonfall von weihnachtlicher Vorfreude, inniger fami- liärer Bindung und Vertrautheit, von Mitgefühl, Zugewandtheit und vom Loslassen.

Die schönen Illustrationen (Aquarelle) von Marit Törnqvist ergänzen den Erzähltext harmonisch um eine attraktive architektonische Prager Stadt- kulisse und das gemütliche Interieur der großväterlichen Altbauwohnung. Für die Beziehung zwischen Thomas und seinem Großvater findet sie eine mimisch und körpersprachlich warmherzig-ausdrucksvolle Darstellung.

Thomas geht trotz seines zarten Alters sehr einfühlsam mit seinem alten Großvater um, und der Großvater bricht lieber mit einer Tradition, als das Herz seines Enkelkindes zu brechen. In der herzerwärmenden Unmittel- barkeit des kindlichen Mitgefühls mit einem anderen Geschöpf zeigt sich, wie uns die kindliche Perspektive Gewohnheiten in einem anderen Licht erscheinen lassen können.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.geistesleben.de/Lesen-was-die-Welt-erzaehlt/Bilderbuch/Der-Weihnachtskarpfen.html

 

Die Autorin:

»Rita Törnqvist-Verschuur wurde 1935 in Amsterdam geboren. Im Alter von 12 Jahren zog sie mit ihrem Vater nach Schweden, wo sie die Landessprache studierte, Astrid Lindgrens Bücher ins Niederländische übersetzte und bald selbst zu schreiben begann. Seit 1971 lebt sie wieder in den Niederlanden.«

Die Illustratorin:

»Marit Törnqvist wurde 1964 in Uppsala, Schweden geboren. Mit fünf Jahren zog sie mit ihrer Familie in die Niederlande. Sie studierte Malerei in Amsterdam und veröffentlichte 1995 ihr erstes Buch. Ihr Name ist untrennbar mit dem Astrid Lindgrens verbunden, deren Bücher sie illustrierte. Marit Törnqvist lebt in Amsterdam und Südschweden.«

 

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46 Kommentare zu “Der Weihnachtskarpfen

  1. Jetzt habe ich mir Ihren in Ruhe angeschaut und bin beeindruckt. Danke für die wunderbaren Buchbesprechungen und Vorschläge die Bücher zu kaufen, zu lesen und sie vorzulesen und auch zu verschenken. Einen lieben Gruß von einem Bücherwurm(würmin?).

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  2. Hach, Ulrike, ich mag die Illustrationen von Marit Törnqvist einfach. Hab erst kürzlich ein paar neue Lindgren-Schätze mit ihren Illustrationen auf dem Flohmarkt erstanden. Dieses hier kenne ich noch nicht. Wird für nächstes Weihnachten vorgemerkt. Da ist meine Räubertochter dann auch alt genug, um die Inhalte zu verstehen.

    Liebe Grüße
    Steffi

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    • Liebe Steffi,
      vielen Dank für Deine ausdrückliche Begeisterung für die Illustrationen von Marit Törnqvist.
      Wie erfreulich, daß meine Bilderbuchempfehlung das nächste Weihnachtsfest Deiner kleinen Tochter bereichern wird.
      Herzensgruß von mir zu Dir

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  3. Ulrike! Was für eine tolle Buchvorstellung! Vielen Dank dafür. Das Buch wäre mir sonst glatt durch die Lappen gegangen!

    Ich las am Anfang immer Krapfen, statt Karpfen und habe mich dann über den Fisch in der Wanne gewundert… Ich glaube, ich gehe jetzt mal kochen, damit mir das nicht wieder passiert!

    Herzlichst,
    Barbara

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    • Liebe Barbara,
      vielen Dank für Deinen Lesebesuch und Deine Bilderbuchbegeisterung!
      Ich habe beim Schreiben meiner Rezension auch einmal Krapfen anstelle von Karpfen geschrieben. Vielleicht schwang da bei mir (und Dir) auch ein unterschwelliger Appetit auf Weihnachtsplätzchen mit. 😉

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      • Liebe Ulrike,
        da bin ich mir sehr sicher, dass sich der Krapfen aufgrund meiner Gebäckliebe aller Art freudianisch im Lesen Deines Beitrags breit machte!
        Eine schöne Adventswoche, wünsche ich Dir!
        Barbara

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  4. Die Bilder sind wirklich zauberhaft und laden zum Verweilen ein. Bei der Stelle mit dem Aquarium für den Karpfen mußte ich lachen und hätte zu gerne das Bild dazu gesehen. Das Aquarium dürfte wohl Bildsprengende Ausmaße gehabt haben 😉 Eine schöne, herzerwärmende Geschichte.

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    • Herzlichen Dank für Dein Bilderverweilen und Deine zugeneigte Rückmeldung.
      Ich hätte auch das Bild mit dem Aquarium zeigen können, es wäre nicht zu groß gewesen, aber vier Innenabbildungen fand ich doch ausreichend, um den Appetit auf dieses Bilderbuch zu wecken. 😉

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  5. Eine ausgesprochen liebenswerte Weihnachtserzählung, liebe Ulrike, die Du ganz wundervoll zusammengefasst hast. Vielleicht werde ich in vier Jahren genau dieses Büchlein vorlesen, denn dann könnte das neu ankommende Enkelkindchen wohl gespannt zuhören.
    Ganz herzlich , Bruni, die niemals einen Karpfen verspeisen würde, vor allem keinen, der vorher in meiner Badewanne schwimmen durfte.

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    • Es freut mich, liebe Bruni,
      daß Dir meine empfehlende Zusammenfassung dieser Weihnachtsgeschichte so sehr zusagt, daß Du dieses Bilderbuch schon für Dein zukünftiges Enkelchen einplanst. Das nenne ich organisatorischen Weitblick!
      Mir käme übrigens auch niemals ein Karpfen über die Lippen.
      Kerzenlichte Grüße von mir zu Dir

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  6. Welch anrührende kleine Weihnachtsgeschichte…ich hätte den Großvater knuddeln können.
    An Karpfen hab ich gruselige Erinnerungen, der schmeckte grausig.
    Aber Vati wollte in einem Jahr unbedingt „Karpfen blau“ zubereiten… nun ja, ich glaube auch ihm hat dieser muffig schmeckende Fisch wenig zugesagt.
    Da waren uns Lachs und Forelle schon lieber.

    Wir sind auf dem Dorf aufgewachsen, wo Fleisch nicht verpönt war.
    Alles was im Stall war, kam auch irgendwann auf den Tisch, das wussten wir Kinder.
    Trotzdem waren wir traurig wenn ein Hase auf einmal „weggelaufen“ war… so nannte Oma das für uns.

    Mittlerweile versuche ich mich in der Kunst veganen Lachs, veganes Mett und veganen Thunfischsalat zu erschaffen… bin noch in der Übungsphase was den Lachs angeht.

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  7. Schön, wenn Bücher für alle Beteiligten ein HappyEnd haben und dabei nicht den Zeigefinger erheben, sondern einfühlsam uns auf sehr inneren Ebenen berühren. Herzlichen Dank für dieses schöne Buch und die sensible Rezension dazu.

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    • Verbindlichen Dank für Deine zugeneigte Resonanz.
      Ja, bei dieser Geschichte überstrahlt das Angerührtsein vom unwillkürlichen kindlichen Mitgefühl erfolgreich jeden moralischen Zeigefinger, das sehe ich wie Du.

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  8. Liebe Ulrike, Karpfen gab es bei uns glücklicherweise nie, sonst hätten wir einen großen Teich anlegen müssen 😉 Eine sehr schöne Geschichte und deine Rezension habe ich geradezu verschlungen. Liebe Grüße, Annette

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    • Liebe Annette,
      es freut mich, daß Dir meine Empfehlung ebenso gut gefällt wie das empfohlene Werk. 🙂
      Karpfen gab es bei uns auch niemals, weil meine Mutter diese Speise schon in ihrer eigenen Kindheit schrecklich fand.
      Herzensgruß von mir zu Dir

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  9. Wunderschöne Zeichnungen und eine sehr gefühlvolle Geschichte. Danke für die Vorstellung liebe Ulrike. Übrigens gab es bei uns nur ein einziges Mal Karpfen! Danach wollten alle wieder zum Traditionsgericht zurück, doch was das war, weiß ich nicht mehr genau 😉 Liebe Vorweihnachtsgrüße aus Marburg!

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    • Hab‘ Dank, lieber Arno,
      für Deine ganzheitliche Zustimmung zu meiner Bilderbuchempfehlung.
      Wenn es bei Euch nur ein einziges Mal Karpfen gab, wird das andere Traditionstieropfer wohl eine Gans gewesen sein.
      Bei uns gab es früher weder Karpfen noch Gans, sondern stattdessen Lammbraten. Aber das ist lange her, inzwischen gibt es bei uns alltäglich und festtäglich nur noch vegetarische Genüsse. 🙂
      Kerzenlichte Grüße von mir zu Dir

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  10. Liebe Ulrike… Du hast mich damit direkt in meine Berliner (Kindheits-)Wohnung entführt. Ich schließe mich Barbara an: auch wir hatten einen Karpfen in der Badewanne, auch unser Karpfen überlebte das Fest nicht. Die Weihnachtsgans (Auguste… wie sonst???) bei meiner Oma in Sachsen hatte da mehr Glück: sie überdauerte einige Jahre später aufgrund des kindlichen Protestes das Fest lebend… liebe Grüße. Birgit

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    • Liebe Birgit,
      vielen Dank für Deine mitgeteilten Kindheitserinnerungen, die immerhin für die Weihnachtsgans gut ausgegangen sind.
      Schön, daß Du Dich in diesem Bilderbuch sogleich zuhause fühlen kannst.
      Mit einem herzlichen Gutenachtgruß
      Ulrike

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  11. Das ist eine bezaubernde Weihnachtsgeschichte. Vor allem natürlich auch durch diese nicht ganz traditionskonforme Wendung. Die schöne Geschichte mag ja durchaus als Anregung dienen, sich einige Gedanken darüber zu machen, was denn eine stimmige Weihnachtsfeier im Wesentlichen ausmacht.
    Ganz bemerkenswert sind hier auch die Illustrationen, die nicht nur sehr stimmungsvoll wirken, sondern auch eine bewundernswerte Fülle an Details aufweisen. Eine schöne Einladung, das Buch wieder und wieder zu betrachten und bisher unentdeckte Feinheiten und Kleinheiten aufzuspüren.

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  12. Das ist ein wundervolles Buch, liebe Ulrike. Ich habe Deine Zusammenfassung gerade regelrecht verschlungen. Auch in meiner Familie war der Karpfen Weihnachtstradition. Jedes Jahr schwamm er in der Badewanne meiner Großeltern. Ich habe ihm auch immer einen Namen gegeben.
    Meine Großeltern waren leider nicht so empathisch wie der Großvater in diesem Buch.

    Für mich ist dies eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte, voller Liebe, Empathie und Respekt.
    Begeisterte Grüße, Barbara

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    • Liebe Barbara,
      hab‘ Dank für Deine ausdrückliche Begeisterung und die Beschreibung Deiner weihnachtskarpfigen Kindheitserfahrung.
      Dieses Bilderbuch hat in der Tat eine sehr liebevolle Ausstrahlung, die hervorragend zum Fest der Liebe paßt.
      Herzensgruß von mir zu Dir ❄ 💖 ❄

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!