Einfach Mensch sein

  • Von Tieren lernen
  • von Sy Montgomery
  • aus dem Amerikanischen von Heide Sommer
  • Originaltitel: »How to Be a Good Creature. A Memoir in Thirteen Animals«
  • mit Illustrationen von Rebecca Green
  • und einem Nachwort von Donna Leon
  • DIOGENES Verlag  März 2019   http://www.diogenes.ch
  • in Leinen gebunden
  • mit Schutzumschlag
  • 208 Seiten
  • 22,00 € (D). 22,70 € (A), 30,00 sFr
  • ISBN 978-3-257-07064-4

BIOGRAPHISCHE  TIERSCHAU

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Sy Montgomery ist durch ihre Arbeit als Wissenschafts- und Umweltjournalistin weit in der Welt und der Natur herumgekommen. Für das vorliegende Buch „Einfach Mensch sein“ berichtet sie von verschiedenen Tieren, die ihr auf Expeditionen begegnet sind, und von Tieren, die ihr Privatleben geteilt und begleitet haben. Dabei geht sie lebens- chronologisch vor.

Mit der Scotchterrier-Hündin „Molly“ beginnt der Reigen tierischer Freunde, ja, Familien-mitglieder. Sy Montgomery bekam im zarten Alter von drei Jahren von ihren Eltern diesen Welpen geschenkt, und die innige Kind-Hund-Beziehung begründete ihre lebens-lange Tierliebe. Während es Montgomerys Mutter lieber gewesen wäre, wenn ihre Tochter mehr „Mädchenhaftigkeit“ entwickelt hätte, strebte Sy Montgomery nach mehr „Hündchenhaftigkeit“, bewunderte Mollys Fähigkeiten und ihre Wildheit und wollte so weit wie menschenmöglich daran teilhaben.

Viele Jahre später „adoptierte“ die Autorin ein Ferkel, einen sogenannten „Kümmerling“, der kränkelte und nur halb so groß wie seine Geschwister war. Gemeinsam mit ihrem Mann päppelte sie das kleine Sorgenkind, nannte es Christopher Hogwood, und nach fünf Jahren wog das Schwein, das einst in einen Schuhkarton gepaßt hatte, mehr als siebenhundert Pfund. Begeistert erzählt Sy Montgomery von der speziesübergreifenden Kontaktfreudigkeit Christopher Hogwoods und schwört, daß sie die kommunikativen Nuancen seines Schweinegrunzens verstehen konnte.

Auch in der Wildnis geht die Autorin nahe an Tiere heran. Während einer Expedition in Australien gelingt es ihr, mit geduldiger Ausdauer und langsamer Gewöhnung das Ver- trauen von drei wilden Emus zu gewinnen und sich ihnen bis auf einen Meter Entfern- ung zu nähern und sogar an ihrem Schlafplatz zu verweilen. Stets ist sie mit weit geöffnetem Herzen und allen Sinnen bei den Tieren und voller Dankbarkeit für das lebendige Wissen, das sich in ihnen offenbart.

Egal ob es um ihre häuslichen Hühner geht oder um Vogelspinnen, um seltene Baum- kängurus, einen Oktopus, ein vorwitziges Wiesel oder diverse Hunde – stets begegnet sie jedem Lebewesen auf Augenhöhe oder, besser gesagt, auf Herzenshöhe.

Die den Text begleitenden verspielten Zeichnungen von Rebecca Green spiegeln gekonnt die überaus zärtlich-zugewandte und fürsorgliche Naturperspektive der Autorin.

Dieses Buch wird naturverbundene Tierfreunde unmittelbar ansprechen. Die Autorin unterscheidet nicht zwischen possierlichen und weniger possierlichen Tieren. Sie öffnet ihr Herz gewiß weiter und konsequenter für alle Tiere als der durchschnittliche Mensch.

Die achtsame Berührung mit Tieren verbindet uns Menschen wieder mit dem wilden Herzen des Lebens und lehrt uns Respekt, Staunen und natürliche Demut. Ob sich Sy Montgomerys extrem intensive Mensch-Tier-Verbundenheit einer quasi-religiösen Über-höhung nähert, die zwischenmenschliche Beziehungen eher erschweren mag, sollte jeder Leser selbst entscheiden. Unstreitig sind indes die zutiefst beeindruckenden lebhaften Tierportraits.

Mit ihren ebenso berührenden wie biologisch-informativen, sinnlich-stimmungsvollen, tiereinfühlsamen Beschreibungen vermittelt sie anschaulich und glaubhaft, daß Tiere über Charakter, Individualität und Seelenstärke verfügen und daß wir, wenn wir uns wirklich auf sie einlassen, von ihnen ergänzende Wahrheiten erfahren können, die unser Leben bereichern und inspirieren.

„Eine Spinne kann die Welt mit ihren Füßen erschmecken. Vögel sehen ungeahnte Farbnuancen. Eine Grille kann mit den Beinen singen und mit den Knien hören. Ein Hund kann Töne wahrnehmen, die weit über den Frequenzen des menschlichen Hörvermögens liegen, und spürt, wenn man verärgert ist, noch ehe man es selber weiß.“ (Seite 10)

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.diogenes.ch/leser/titel/sy-montgomery/einfach-mensch-sein-illustriert-von-rebecca-green-9783257070644.html

 

Die Autorin:

»Sy Montgomery, geboren 1958 in Frankfurt am Main, ist die Autorin des Bestsellers Rendezvous mit einem Oktopus. Zur Recherche für ihre Bücher war sie mit Piranhas, rosa Delphinen, Zitteraalen und Schneeleoparden unterwegs – um dann die wahren Wunder der Natur vor dem eigenen Fenster zu entdecken. Montgomery lebt in New Hampshire.
2019 wurde sie mit dem „Award for Environmental Excellence“ der Antioch New England Graduate School, Fachbereich Umweltwissenschaften für herausragende Beiträge für Umwelt und Nachhaltigkeit gewürdigt.«

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53 Kommentare zu “Einfach Mensch sein

  1. Daß Tiere ein ganz geheuriges Spektrum an Sinnesleistungen aufweisen, ist mir bekannt.
    Kürzlich las ich, daß Bienen über ihr Haarwerk das Vorhandensein von Nektar auf bestimmten Blüten erkennen kann – übers elektrische Feld! Sie schwebt also nach meiner Vorstellung in einem Feld mit Tälern und Buchten und kann so zoelgerichtet die nächste ertragreiche Blüte ansteuern. Das funktioniert ähnlich wie unser Hörsinn (mit den Hörhaaren im Innersten des Ohrs).
    Und das alles schafft so ein Insekt mit z. Teil nur eine Million Neuronen.

    Was uns von all diesen Tieren trennt, ist Bewusstsein, das Konzept eines Ichs und einem Rechnergehirn, das Wissenschaft und Philosophieiche „kann“.

    Von den Tieren kann man wohl Gleichmut lernen, auch das Nicht-im-Kopf sein und vieles mehr?!

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    • @kopfundgestalt | 17.07.2019 um 08:45

      Stimme zu und ich merke nur „Wir haben glaub ich noch Einiges zu lernen“

      Selbst Bäume haben eine Kommunikationstechnik, die unglaublich fein ist.
      Bin immer wieder angetan von dem Film „Das Geheimnis der Bäume“ von dem Franzosen (Name leider entfallen) und der Stimme von Bruno Ganz. Der zeigt uns, wie schön und lebendig dieser Organismus Baum, bzw. Wald ist, wie gut alles aufeinander eingestimmt ist.

      Aber der Mensch meint ja überall seine „ordnenden“ Pfötchens reinstecken zu müssen anstatt der Natur ihre Welt zu lassen.

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    • Vielen Dank für Deinen ergänzenden Hinweis auf die „Nektarantennen“ der Bienen.
      Ich denke, daß Tiere sehr wohl über Bewußtsein verfügen, aber es könnte ein verbundeneres, ganzheitlicheres Bewußtseinsniveau sein als beim egozentrisch-kopfüberbetonten Menschen.
      So wie die Menschheit gegen das Leben und gegen die Natur handelt, kann man doch sehr anzweifeln, ob Menschen überhaupt bei Bewußtsein sind.

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      • Es gibt ein Buch „Karriere Mensch“ von Wolf Schneider, in der er sinngemäss sagt: Die Agressivität, die uns ursprünglich neue Wege hat erkunden lassen (Ackerbau, Tierjagd mit Hunden, Völkerwanderung ect), die schadet uns zum jetzigen Zeitpunkt sehr.

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  2. Schönes Buch, hört sich „tierisch“ gut an.
    Vielleicht komm ich morgen an einem Buchladen vorbei, dann werd ich mal schauen, ob es dort vorrätig ist… allerdings braucht’s noch ein bissl mit dem Erwerb, bin grad ein bissl knapp mit Monetärem 😉

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  3. Es muß ein wundervolles Buch sein, von einer Frau, die den Tieren so nahe kommt wie die meisten von uns niemals im Leben.
    Eine Vorliebe habe ich für Tiere mit Fell, aber grundsätzlich mag ich fast alle und nur den Schnaken rücke ich zuleibe und kenne keine Gnade.

    Ganz herzlich, Bruni, nun mit einem neuen Lesetipp von Dir im Kopf, liebe Ulrike

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  4. Liebe Ulrike, auch mir gefällt der Begriff Herzenshöhe, trifft es doch gemeinhin die Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Aber an diesem Buch ist meiner Meinung nach besonders, dass nicht nur die typischen Sympathieträger behandelt werden sondern auch Außenseiter aus menschlicher Sicht. ☺
    Tierliebende Grüße, Barbara

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    • Dieses Buch ist gewiß nach Deinem naturverbunden und tierfreundlichen Lesegeschmack, auch wenn ich bei Sy Montgomery manchmal den Eindruck habe, daß ihr Tiere mehr bedeuten als Menschen.
      Herzliche Grüße von mir zu Dir

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      • Diesen Eindruck hast Du ja auch schon in Deiner Rezension angedeutet. Ich muß Dir gestehen, daß es mir manchmal ähnlich geht, weil ich so zynisch bin, was die Menschheit angeht. Von daher könnte ich eine solche Einstellung gut nachvollziehen.

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      • Dann wäre das folgende Zitat wohl ganz in Deinem Sinne: „Unter hundert Menschen liebe ich nur einen, – unter hundert Hunden neunundneunzig.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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      • Das ist ein nettes Zitat, liebe Ulrike, vielen Dank dafür. So negativ meine Einstellung an manchen Tagen auch ist, muß ich mich immer daran erinnern, daß es einen Unterschied gibt zwischen der Menschheit als solcher, die mich sehr frustriert, und einzelnen Menschenkindern, die mich immer wieder daran erinnern, daß ich den Glauben an das Gute am Menschen doch nicht aufgeben soll. 😊
        Ich wünsche Dir noch ein schönes Wochenende.
        Herzliche Grüße,
        Tanja

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  5. Mir hat auch Dein Ausdruck mit der Herzenshöhe sehr gefallen, liebe Ulrike, und ich habe schon das Buch mit dem Oktopus gern gelesen und werde mir dieses auch vormerken.
    Habe Dank für Deine immer wieder so besondere Vorstellung Deiner Lektüre und sei herzlich in Deine Nacht gegrüßt, Karin

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    • Herzlichen Dank für Dein wertschätzendes Echo, liebe Karin.
      Es freut mich, daß Dir die Formulierung „Herzenshöhe“ zusagt; mir schien es einfach passend für die Art und Weise, wie sich die Autorin Tieren annähert.
      Das Buch „Rendezvous mit einem Oktopus“ von Sy Montgomery habe ich zwar noch nicht gelesen, aber es leselockt mich sehr.
      Mit einem grillenzirpenden Gutenachtgruß von mir zu Dir

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  6. Ob Tiere auch nur Menschen sind, oder ob sie vielleicht gar die besseren Menschen sind – das ist doch die ewige Frage… 😉
    Aber ganz ungescherzt finde ich, dass dieses Buch ganz offensichtlich einen ausgesprochen und ganz buchstäblich tier-freundlichen Ansatz zeigt, den ich persönlich sehr begrüsse. 🙂 Denn es ist doch so, dass Tiere zwar oft eine wichtige Rolle im Leben von Menschen spielen. Aber es ist eben häufig genau das: sie haben eine Rolle zu spielen. Das bedeutet dann, dass die Menschen den Tieren auf Basis eines bestimmten Bildes begegnen, das sie sich von dieser Tierart gemacht haben. Das wirkliche Wesen der Tiere, und folglich auch viele ihrer Bedürfnisse, bleiben dabei unberücksichtigt. Den verschiedenen Lebewesen auf Herzenshöhe zu begegnen, scheint mir ganz essentiell. Und da haben wir noch viel Luft nach oben. Vor diesem Hintergrund heiße ich das von dir hier vorgestellte Buch herzenswarm willkommen. 🙂

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    • Herzensdank für Deine tierliebe Resonanz und Deine bedenkenswerte heitere Fragestellung ob Tiere auch nur Menschen sind … 😉
      Den buchstäblich tierfreundlichen Ansatz der Autorin finde ich ebenfalls sehr begrüßenswert. Die Herzenshöhe, auf der sie allen tierischen Wesen entgegenkommt, ermöglicht – genau wie Du es kommentierst hast – eine wechselseitig WIRKliche Begegnung.
      Ganz gewiß ist in Hinsicht auf den besseren, gütigeren und achtungsvolleren Umgang mit Tieren noch sehr, sehr, sehr viel Luft nach oben. Die Lektüre dieses Buches kann also durchaus neue Bewußtsseinsweichen dafür stellen, Tieren auf deutlich mehr Herzenshöhe zu begegnen. :mrgreen:

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