Alle sehen eine Katze

  • von Brendan Wenzel
  • Originaltitel: »THEY ALL SAW A CAT«
  • übersetzt von Thomas Bodmer
  • NordSüd Verlag 2018   http://www.nord-sued.com
  • Format: 28 x 23 cm
  • gebunden, Fadenheftung
  • 44 Seiten, durchgehend farbig illustriert
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A), 19,90 sFr.
  • ISBN 978-3-314-10405-3
  • Bilderbuch ab 4 Jahren

A U G E N S C H E I N

Bilderbuchbesprechung  von Ulrike Sokul ©

Brendan Wenzel eröffnet uns mit seinem Bilderbuch „Alle sehen eine Katze“ spannende Perspektiven und andersgeartete Sichtweisen.

Zunächst sehen wir eine Katze aus der menschlichen bzw. kindlichen Perspektive, und der Anblick erscheint uns selbstverständlich und vertraut. Während die Katze durch die Welt streift, wird sie von verschiedenen anderen Tieren gesehen. Doch in den Augen dieser Tiere, die über unterschiedliche Sinnesspezialisierungen verfügen, variiert das Aussehen der Katze beträchtlich.  

Brendan Wenzel illustriert mit diversen Zeichenmaterialien (Acrylfarben, Bunt- und Graphitstiften, Kreiden, Kohle, Wasserfarben und Papierschnipseln) und deren Kombi-nation das unterschiedliche sinnliche Wahrnehmungsspektrum verschiedener Tiere und verknüpft dieses zusätzlich mit einem emotionalen Blickwinkel.

So sieht die Biene mit ihren Facettenaugen deutlich weniger räumlich, und auch die Farbwahrnehmung und Bildschärfeauflösung weicht von menschlichen Sehgewohn- heiten ab. Die Schlange wiederum sieht die Katze als Infrarotbild, und der Regenwurm übersetzt  die Vibrationen, welche die Katze durch ihre Fortbewegung auf dem Boden erzeugt, in ein unterirdisches Katzenkörperbild.

In den Augen der Maus ist die Katze ein zähne- und krallenbewehrtes Ungeheuer und in den Augen des Flohs eine riesige Landschaft aus Fell.

„Die Katze ging durch die Welt mit ihren Schnurrhaaren, Ohren und Pfoten“ – dieser wiederholte Refrain führt durch die visuellen Variationen tierischen Sehvermögens und die Begegnungen der Katze mit Hund, Fuchs, Fisch, Maus, Biene, Vogel, Floh, Schlange, Stinktier, Wurm und Fledermaus sowie schließlich auch zu ihrer eigenen optischen Spiegelung in einer Wasseroberfläche.

Anschaulich inszeniert Brendan Wenzel mit seinen Illustrationen, daß die menschliche Sichtweise nur eine von vielen möglichen ist. Dies weckt Neugier auf die besonderen Fähigkeiten der tierischen Mitgeschöpfe und dürfte viele Fragen zu den Details dieses anderen Wahrnehmungsvermögens nach sich ziehen.

Diese hintergründigen zoologischen Sachfragen beantwortet der sparsame Begleittext zwar nicht, aber die dynamische, abwechslungsreiche Bildersprache öffnet dem geneigten – kindlichen und erwachsenen – Betrachter gleichwohl buchstäblich die Augen für andere Wahrnehmungsmöglichkeiten und Sichtweisen und lehrt uns staunen.

 

Hier entlang zum Buch, zur LESEPROBE und zum unbedingt sehenswerten Buchtrailer auf der Verlagswebseite: https://nord-sued.com/programm/alle-sehen-eine-katze/

 

Der Autor & Illustrator:

»Brendan Wenzel studierte am New Yorker Pratt Institute. Seine besondere Vorliebe gilt der Darstellung von Tieren. Er arbeitet mit verschiedenen Magazinen und Umweltorgani-sationen zusammen. 2017 gelang ihm der internationale Durchbruch mit dem Buch »They All Saw a Cat«, das in die Ehrenliste der Caldecott-Medaille aufgenommen wurde. Brendan Wenzel lebt im Bundesstaat New York.«  https://brendanwenzel.info/

 

 

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34 Kommentare zu “Alle sehen eine Katze

  1. Ich wünsche mir öfter, die Welt mal mit anderen Augen sehen zu können. Ich glaube das wäre für unser Bewußtsein revolutionär.
    Es ist sicherlich wertvoll, Kindern das Verständnis zu vermitteln, daß unsere Sichtweise nicht die einzige ist, obwohl ich befürchte, daß mit jeder neuen Generation die Nabelschau noch extremer wird. Ich hoffe, ich täusche mich, aber wenn ich so beobachte, wie völlig selbstverliebt einige Kinder sind, wird meine pessimistische Perspektive nur bestätigt. ☹

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    • Vielen Dank für Deine perspektivisch-aufgeschlossene Rückmeldung. Ich teile Deinen Wunsch, die Welt auch mit anderen Augen sehen zu können und vermute ebenfalls, daß dies eine enorme Horizonterweiterung für unser Bewußtsein wäre.
      Deine Bedenken wegen der zunehmenden kindlichen Nabelschau verstehe ich, aber ich wage diesbezüglich keine Prognose.
      Und ich kenne auch einige Beispiele von Kindern und Jugendlichen, denen die natürlichen Mitlesewesen wirklich am Herzen liegen, und die sich lebhaft gerade für deren ANDERSSEIN interessieren und begeistern.

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      • Du hast recht, auf das Positive anstatt auf das Negative hinzuweisen, liebe Ulrike. Das sollte ich auch mehr tun, obwohl es mir heutzutage schwer fällt. Vielleicht muß ich das alles einfach mit anderen Augen sehen. 😊

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      • Liebe Tanja,
        vielleicht war es schon immer und nicht nur heutzutage wichtig, sich auf die Hoffnungsschimmer zu konzentrieren, ohne dabei blauäugig-naiv zu sein und ernsthafte Bedrohungen unserer Lebensgrundlagen und des zwischenmenschlichen MITEINANDERS zu ignorieren. 🙂

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  2. Das ist doch klar, dass ich mir dieses Buch selber schenke für meine Sammlung an Katzenbüchern. Was das Katzenglöckchen anbelangt würde ich es, wenn ich brütende Vögel im Garten, auf dem Balkon o.ä. hätte, nur dann einsetzen und nur so lange bis die Jungen ausgeflogen sind, ansonsten finde ich es grausam den Katzen gegenüber.
    Es gab Zeiten, da war jede gefangene Maus ein Segen für die Menschen und wie soll ein Tier unterscheiden: das darf ich, das darf ich nicht?
    Auf das neue Buch freue ich mich auch schon, Unvernunft der ich bin -:))
    Dir einen herzlichen Gruß vom Dach, Karin

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    • Liebe Karin,
      hab‘ Dank für Deinen den Katzen zugeneigten Kommentar und Deine differenzierten Betrachtungen zum Thema Katzenglöckchen. Es scheint mir ein sehr gangbarer Weg, Katzen nur zur Brutsaison mit Warnglöckchen auszustatten.
      Gerne trage ich mit meinen Buchverlockungen dazu bei, daß Deine Katzenbüchersammlung wächst. 😉
      Herzliche Grüße aus dem sanften Sommerregen von
      Ulrike

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  3. In Zeiten von „entweder – oder“, „Daumen hoch oder runter“ , „schwarz oder weiß“ ein wichtiges Buch, um sich anderer Sichtweisen zu öffnen, den eigenen Horizont zu erweitern und Toleranz zu üben. Super!!!

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    • Schön, daß Dir die Idee des empfohlenen Bilderbuches gefällt.
      Katzen in natura sind mir persönlich auch lieber, doch werden den Tierchen solche Dekorationen vom „Halter“ aufgehalst.
      Ich denke, mit einem Halsglöckchen sollen Vögel vor der Annäherung einer Katze akustisch gewarnt werden. Ob das funktioniert, weiß ich allerdings nicht.

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      • Ja, genau das meine ich Ulrike – sie bekommen Glöckchen und damit sollen die Vögele und Mäusle vor den samtenen, lautlosen Meistern auf Katzenpfötchen gewarnt werden. Sicher löblich, doch was ist mit dem Katzenfrust …
        Und weiter noch gedacht: wo verschließen wir die Augen vor dem „natürlichen“ in der Natur und kaufen – ganz global gedacht – Nutella wohl wissend dass Orang – Utan dadurch seinen Lebensraum verliert (Palmfett), und kaufen Fleisch und wissen doch um die katastrophalen Lebensbedingungen derjenigen, die für uns in Zuchtstationen ihr Leben geben. Doch wenn das Vöglein im Garten gewarnt wird ist’s ja wieder ausgeglichen, oder? … ja, das ist jetzt sicher zu ausufernd wo es doch „nur“ um ein schönes Bilderbuch geht – doch die Details haben es mir eben angetan … ;-( und ich bin selbst ja auch ratlos …

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      • Liebe Susanne,
        hab‘ Dank für Deine bedenkenswerten Fragestellungen, welche das Katzenglöckchen bei Dir ausgelöst hat.
        Es ist immer eine Gratwanderung, wenn sich Menschen in die Natur einmischen.
        Gäbe es überhaupt so viele Katzen, wenn sie nicht als Haustiere gehalten würden?
        Gewiß sind sie wohlgenährt und haben es nicht nötig zu jagen, aber der Jagdtrieb gehört zu ihrem Naturell. Andererseits holen sich auch die niedlichen Eichhörnchen gelegentlich Vogelküken.
        Ich habe zwar auch schon einmal spontan einen Ohrenkneifer aus einem Spinnennetz befreit, aber meist mische ich mich nicht in die natürlichen Nahrungskettenabläufe ein.
        Ich persönlich kaufe und verspeise schon seit Jahrzehnten kein Nutella & Co. und auch kein Fleisch mehr, weil ich immer in großen Zusammen-hängen denke und ich es tunlichst vermeide, solche zerstörerischen Wirtschaftskräfte mitzufinanzieren.

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  4. Ja, das muss ein interessantes Buch sein, das du wieder schmackhaft präsentierst! Ich war einmal in München in einer Ausstellung, die eigens darum ging und die Sehensweise verschiedener Tiere wiedergab. Das war damals voll neu für mich und es hat mich lange beschäftigt, wie wir alle die Welt ganz verschieden filtern. Kinder sind da voll zu begeistern. Ganze Klassen besuchten das und die Atmosphäre war sehr lebendig. Das Buch wäre also auch ein schönes Geschenk. Danke, liebe Bücherfee! Ganz herzlich, Petra

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    • Verbindlichen Dank, liebe Petra,
      für Deine zugeneigte Resonanz und Deinen Bericht über eine Ausstellung, die dem Thema des vorgestellten Bilderbuches entspricht. Dies bestätigt meine Einschätzung, daß man Kinder mit „tierischen“ Perspektiven begeistern kann.
      Herzliche Grillenzirpengrüße von Deiner Bücherfee Ulrike

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  5. Sehr fein!! Auch für mich derzeit ein großes Thema. Die Änderung der Perspektive/Ansicht, was sie bewirkt und wie sie zum Staunen bringen kann. Dies schon Kindern vermittelt, kann die Toleranz enorm fördern.

    Beste Grüße,
    Syntaxia

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    • Vielen Dank für Deine interessierte Rückmeldung, liebe Syntaxia.
      Kindern andere/fremde Perspektiven zu erschließen und spürbar zu machen ist gewiß eine praktische Methode, um Toleranz wachsen zu lassen.
      Sonnige Grüße von mir zu Dir 🙂

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  6. Das ist faszinierend. 🐲 Solche Annäherungen sind meines Erachtens überaus wertvoll – und man kann auch gar nicht früh genug damit anfangen. Naturgemäß können wir die Welt nie gänzlich hündisch, bienisch, oder fledermäusisisch wahrnehmen. Dennoch ist jeder Versuch, dies zu tun, ein bedeutender Gewinn für alle Beteiligten. So ist die in diesem Buch thematisierte optische Wahrnehmung ein wunderbarer Einstieg in die Welt unterschiedlicher Lebens- und Erlebensformen. Im Idealfall (möglicherweise gar nicht selten) wird die so geweckte Neugier bald über rein optische Aspekte hinausgehen und in ein wachsendes Verständnis für die tatsächlichen Bedürfnisse anderer Lebensformen münden. 🙂

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    • Herzlichen Dank für Deine zugeneigte Resonanz und Deine weisen Betrachtungen zu naturgemäßen Wahrnehmungsgrenzen und Warhnehmungseinfühlungen. Faszination und Neugier sind stets die Eintrittspforten zu einem tieferen Naturverständnis und zu einem erweiterten Wahrnehmungsraum, der uns eine Annäherung an andere Spezies in ihren „Lebens- und Erlebnisformen“ ermöglicht. 🙂

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  7. Liebe Ulrike,
    DAS ist ein Buch so ganz nach meinem Geschmack. Die Idee ist so simpel und doch genial.
    Ich mag Bücher, die zum Gespräch führen. Hier wird sich ihnen eine völlig neue Welt eröffnen.
    Das Motto seiner Uni, die er besuchte und sich dort der feinen Künste widmete, lautete:“Be true to your work and it will be true to you.“
    Ich finde, dass er das perfekt umgesetzt hat. Liebe Grüße, Barbara

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!