Seit wann ist die Erde rund ?

  • Wie sich die Völker unseren Planeten vorstellten
  • Text & Illustrationen von Guillaume Duprat
  • Originaltitel: »Le Livre des Terres imaginées«
  • Aus dem Französischen von Stephanie Singh
  • KNESEBECK Verlag 2009 www.knesebeck-verlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 26 x 27 cm
  • 64 Seiten mit 60 Illustrationen
  • 22,00 €
  • ISBN 978-3-86873-135-4
  • Sachbilderbuch ab 8 Jahren

W E L T B I L D E R

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Wir wissen, daß unsere Erde ein rundlicher Planet ist, der im Weltall kreist und Teil eines Sonnensystems ist. Aber in früheren Zeiten, an anderen Orten und bei anderen Völkern war (und ist) das durchaus anders.

Das Sachbilderbuch „Seit wann ist die Erde rund?“ erweitert unseren Horizont um andere Weltbetrachtungen und Erdkörpererklärungen, die oft poetisch-mythisch-religiös inspiriert, manchmal kurios, manches Mal jedoch auch erstaunlich nahe an unserer modernen, an alltägliche Satellitenbilder gewöhnten Perspektive sind.

Guillaume Duprat blättert uns vielfältige Erdgestalten auf: Inselwelten, Wasser- und Luftwelten, unterirdische, bergige, birnenförmige, eckige, dreieckige, flache, kreisför-mige, linsenförmige, scheibenförmige, gewölbte, hohle und kugelrunde Welten.

Die Inselwelten ruhen oft auf einer Riesenschlange, auf einem Wasserbüffel, auf einer Riesenschildkröte oder auf Elefantenrücken. Nach einer Sage der Tartaren schwimmt die Erde auf dem Rücken eines riesigen Fisches durchs Meer. So hat man auch gleich eine plausible Erklärung für Erdbeben, denn wenn eines der Tiere sich bewegt oder kratzt, wackelt die Erde zwangsläufig mit.

Im 11. Jahrhundert v. Chr. erklärten die taoististischen Chinesen die Erde als viereckig und schwer (Yang) und den Himmel als rund und leicht (Yin). Drachen in vielen Farben leben an den Grenzen der Erde, und einer davon, ein Grünfarbener, ist dafür zuständig, Wolken zu speien. Die alten Ägypter (um 1800 v. Chr.) stellten sich die Erde quadratisch vor, und bei den Azteken wiederum war die Erde flach und kreuzförmig.

Persische, babylonische, afrikanische, indianische, christliche, muslimische, hinduis- tische, buddhistische, asiatische, russische und europäische Vorstellungen von der Gestalt der Erde sind in diesem wahrlich weltläufigen Buch versammelt. Einleuchtend ist, wie maßgeblich dabei die lokalen landschaftlichen Bedingungen und mythisch-religiösen Systeme sinnvoll miteinander verknüpft wurden und ein wechselwirksam sich selbstbestätigendes Weltbild etablieren konnten.

Im antiken Griechenland glaubte man aufgrund der Beobachtung von Mondfinster- nissen und des kreisförmigen Erdschattens, der dabei sichtbar wird, daß die Erde eine Kugel sei. Auch Platon (5. Jahrhundert v. Chr.) und Pythagoras teilten diese Ansicht und stellten sich die Erde unbeweglich im Raum schwebend vor. Platon stellte zudem Spekulationen zur Landgröße und zum einstigen Standort des versunkenen Atlantis an und vermutete das Vorhandensein weiterer unbekannter Kontinente.

Der Astronom und Mathematiker Ptolemäus (Griechenland, 2. Jahrhundert) fand eine Methode, um den kugelförmigen Körper der Erde auf einer flachen Landkarte darzustellen.

Die Vorstellung der Erde als Kugel führte zu Überlegungen, wie das Erdinnere beschaffen sein könnte. Leonardo da Vinci (Italien, 15. Jahrhundert) vermutete, daß das Erdinnere mit Wasser gefüllt sei, Galileo Galilei (Italien, 17. Jahrhundert) vermutete einen gigan-tischen magnetischen Stein. Athanasius Kirchner (Deutschland, 17. Jahrhundert) nahm an, daß es im Inneren der Erde ein Kanalsystem mit Feuer oder Wasser gebe.

Isaac Newton (England, 17. -18. Jahrhundert) bezweifelte die kugelrunde Form der Erde und vertrat die Ansicht, die Erde sei durch ihre Eigenrotation an den Polen abgeflacht, und somit sei die Erde nicht ganz rund, sondern elliptisch geformt. Mehrere damalige Forschungsreisen und Vermessungen bestätigten Newtons Ansicht, die bis heute Gültigkeit hat.

Das letzte Kapitel bringt uns schließlich auf den gegenwärtigen Stand des Wissens über unsere Erde. Die abschließende Doppelseite verschafft durch eine Zeittafel von 1000 v. Chr. bis zum Jahr 2000 einen schnellen Überblick über die vorgestellten Weltbilder und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre geographische und historische Einordnung.

Die ansprechenden farbigen Illustrationen von Guillaume Duprat verleihen den vielfältigen Erdvorstellungen lebhafte und faszinierende Gestalt. Diverse Aufklappseiten vermitteln Entdeckerlust und spannende, zusätz- liche Perspektiven. Das ausgewogene Verhältnis zwischen Textinformation und Bildmaterial erschließt Kindern ebenso spielerisch wie konzentriert weltbewegendes Wissen.

 

Auf www.cosmologik.wordpress.com  finden wißbegierige Eltern zudem ein ausführliches – allerdings französischsprachiges – Literaturverzeichnis der Quellen, aus denen Guillaume Duprat für die Gestaltung seines Buches geschöpft hat. Ein solcher Hinweis ist bei Kindersachbüchern leider eher selten, weshalb er hier lobend erwähnt sein soll.

 

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.knesebeck-verlag.de/seit_wann_ist_die_erde_rund/t-1/701

 

Der Autor und Illustrator:

»Guillaume Duprat wurde 1973 in Paris geboren und arbeitet als Illustrator und Autor. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Kinderbücher geschrieben. Bei Knesebeck erschienen zuletzt seine erfolgreichen Bücher Wie laut war eigentlich der Urknall? und Was sieht eigentlich der Regenwurm?«  http://www.cosmologik.wordpress.com

 

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23 Kommentare zu “Seit wann ist die Erde rund ?

  1. Das finde ich ja toll, dass es solche Bücher gibt – und dass Du sie uns vorstellst. Ich finde es ganz wichtig, dass die Kinder (und bei der Gelegenheit wohl auch wir Erwachsenen) immer wieder mit der Entwicklung von Vorstellungen konfrontiert werden, und so auch sehen können, wie sich das Wissen entwickelt, welche Wege und Irrwege es nimmt, worauf es aufbaut. Ich glaube, ich setze das mal schon sicherheitshalber auf die Liste möglicher Weihnachtsgeschenke für die langsam älter werdenden Kinder, die zu beschenken sind 😉

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    • Vielen Dank für Deine leselebhafte Begeisterung!
      Ich stimme Dir zu, daß der Rundumblick auf die vielfältigen Vorstellungen und Erkenntnisse über die Gestalt der Erde und die Wandelbarkeit des menschlichen Wissensvermögens für Kinder und für Erwachsene wichtig und lehrreich sind.
      Irrwege und Umwege führen tatsächlich auch zur Weiterentwickung des Wissens, was angesichts behaupteter absoluter Wahrheiten vielleicht ein wenig mehr Toleranzspielraum ermöglicht.

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  2. Das scheint mir ein wahrer Schatz zu sein! Von einem solchen vorgestellt, lächel! Klingt sehr nach meinem Geschmack! Vielen Dank für die tolle Anregung und frühlingszarte Grüße von hier!

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  3. Dass die Erde einst sooo verschieden gesehen wurde, überrascht mich jetzt! Auch dass sie in der Vorstellung so verschiedene Form und anderen Inhalt angenommen hat, ist erstaunlich.
    Und hab ich das richtig verstanden, dass man die Erdkugel auch jetzt noch eher als Ellipse sieht?
    Hab Dank für all die spannenden Schilderungen! Und natürlich noch einen herrlichen Ostertag! Herzliche Grüße, Petra

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    • Vielen Dank, liebe Petra,
      für Dein lebhaftes Interesse. Die Formenvielfalt der Erdvorstellungen war auch für mich überraschend und spannend.
      Heute betrachtet man die Erde als Globus mit abgeplatteten Polen. Ich zitiere:
      „Die Erde ist keine ganz runde Kugel, denn am Äquator ist sie etwas breiter. Der Unterschied zwischen dem Erddurchmesser am Äquator und dem Erddurch-messer an den Polen beträgt 21 Kilometer. Grund dafür ist die Fliehkraft: Weil sich die Erde um sich selbst dreht, wird sie leicht zusammengedrückt.“
      Sonnige Abendgrüße von mir zu Dir

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  4. Das Buch gibt sicherlich einen feinen irdischen Rundumblick, liebe Ulrike, von innen und von außen… über die Jahrhunderte hinweg hat sich da ja eine Menge getan …
    Dankeschön für’s Zeigen und Präsentieren! 🤗
    Herzliche Ostergrüße vom Lu

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  5. Das dürfte eine Fundgrube für Jung und Alt sein und zum regen Gedankenaustausch anfeuern. Alte Mythen, Geschichten, auch die Bibel gehört dazu, müssen heute neu mit Kindern diskutiert werden und vermutlich können auch die Erwachsenen viel aus diesem Buch lernen.
    Dir einen lieben Gruss und sei bedankt für diese Vorstellung, Karin

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    • Liebe Karin,
      „Seit wann ist die Erde rund?“ ist ein wissenswertvoller Fundus für Kinder und auch für Erwachsene. Ich denke, daß man über die im Buch aufgezeigten Welt- bilder sehr gut ins Gespräch zwischen Jung und Alt findet und Kindern eine AHNUNG der Vielseitigkeit menschlichen Wissensvermögens vermitteln kann.
      Vielen Dank für Dein Leseinteresse und einen lieben Gruß auch von mir zu Dir 🙂

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  6. Liebe Ulrike, egal wie man zu den verschiedenen Wahrheiten steht, eines wird jedem Kind klar. Es gibt nicht nur eine Wahrheit. Und Wissen entwickelt sich. Also mit gefällt es ausgesprochen gut. Frohe Ostern mit einer runden Erdansicht. Herzliche Grüße, Barbara

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  7. Das scheint mir eine besonders umfangreiche Sammlung der erdbezogenen Ansichts-Sachen zu sein. Kindliche Entdeckerlust ist in einem solchen Umfeld freilich bestens aufgehoben. Denn die teils abenteuerlichen Vorstellungen von anno dunnemals sind ja mindestens so spannend wie das, was heute offiziell gewusst wird. Und wenn diese Ansichts-Sachen vielleicht doch öfters der Wirklichkeit nicht in allen Teilen gerecht geworden sein mögen, mag darin immerhin doch auch das eine oder andere Körnchen Weisheit verborgen sein, das unser heutiges Wissen geflissentlich übersieht. 😉

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    • Herzlichen Dank für Dein differenziertes Leseecho. Du bringst die Faszination dieses Sachbilderbuches gut auf den Punkt, denn der Spannungsbogen zwischen alten poetischen Vorstellungen und modernen wissenschaftlichen „Beweisen“ für die Gestalt der Erde ist beträchtlich. Und das Bemühen um die Erklärung des einst noch Unerklärlichen zeigt bei aller Mythenhaftigkeit durchaus wissenswerte Weisheitskörnchen. 😀

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    • Liebe Christiane,
      dieses Buch lohnt zumindest einen beschaulichen Leseaufenthalt, bei dem Du gewiß einige interessante Erdbetrachtungperspektiven kennenlernen kannst.
      Dir ebenfalls liebe Grüße und schöne Feiertage
      Ulrike :mrgreen:

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  8. Liebe Ulrike, dieses Bibu haben wir verschlungen, x-mal betrachtet und viel darüber philosophiert. Nachdem Ostern jetzt seit Teenietagen der Söhne ohne Hasen abgeht, hast du mir eine Riesenfreude mit dieser Besprechung gemacht und wir haben das Buch wieder rausgekramt. Es erweitert den Horizont und beflügelt. Besonders, wenn man um die ebenso faszinierenden Fakten weiß um die Entstehung unseres Planeten. Ein wenig historische „Magie“ fasziniert immer. Schöne Restfeiertage.

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    • Liebe Thursday,
      verbindlichen Dank für Deine begeisterte und bestätigende Resonanz und Deinen Bericht aus der Vorlese- und Betrachtungspraxis mit diesem wissenwertvollen Kinderbuch. Dieses Sachbilderbuch verfügt in der Tat über faszinierende historische „Magie“, wie Du so treffend bemerkt hast.
      Auch Dir schöne Restfeiertage.

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