Zwei für mich, einer für dich

  • Text und Illustration von Jörg Mühle
  • Moritz Verlag 2018  www.moritzverlag.de
  • gebunden
  • Fadenheftung
  • Format: 17,5 x 24,5 cm
  • 32 Seiten
  • ISBN 978-3-89565-357-5
  • 12,95 € (D), 13,40 € (A)
  • Bilderbuch ab 4 Jahren

V E R T E I L U N G S G E R E C H T I G K E I T

Bilderbuchbesprechung  von Ulrike Sokul ©

Gerechtes Teilen ist ein kindliches Alltagsthema, das durch eine abstandnehmende Betrachtung eine gewisse Entspannung erfahren kann. In Jörg Mühles Bilderbuch „Zwei für mich, einer für dich“ wird die Auseinandersetzung um gerechte Verteilung von Bär und Wiesel anschaulich und witzig vorgeführt.

Der Bär findet im Wald drei Pilze und trägt sie nach Hause. Dort nimmt das Wiesel die Pilze vorfreudig in Empfang und brät sie mit Gewürzen und Petersilie in der Pfanne.

Dann setzen sich die beiden an den tischtuchkarierten Tisch. Der Bär teilt dem Wiesel einen Pilz zu und sich selbst zwei, da er groß sei und viel essen müsse. Das Wiesel findet diese Aufteilung ungerecht und argumentiert, daß es mehr Pilze brauche, weil es klein sei und noch wachsen müsse.

Text und Illustration von Jörg Mühle © Moritz Verlag 2018

Beide finden immer neue und subjektiv durchaus plausible Argumente dafür, daß sie den gerechtfertigteren Anspruch auf die größere Pilzportion haben. Das lebhafte Argumente-Ping-Pong eskaliert, die beiden Freunde schreien sich wütend an, spießen abwechselnd den dritten Pilz auf ihre kampfbereiten Gabeln und bemerken dabei nicht, daß sich ein Fuchs anschleicht. Gerade als das Wiesel dem Bären die Freundschaft kündigen will, schnappt sich der Fuchs den dritten Pilz, verspeist ihn einfach und zieht sich winkend zurück.

Text und Illustration von Jörg Mühle © Moritz Verlag 2018

Empört schauen Bär und Wiesel dem Fuchs nach, kommen zur Besinnung, wünschen sich guten Appetit und lassen sich die beiden verbliebenen Pilze wohlschmecken.

Dann holt das Wiesel sogar noch Nachtisch: Drei leibspeisenverdächtige Walderdbeeren sind aufzuteilen …

Das Buch läßt offen, ob die beiden inzwischen gelernt haben, wirklich zu teilen, oder ob der Gerechtigkeitswettkampf nun wieder von vorne losgeht. Dies eröffnet dem Kind und dem Vorleser interessanten Gesprächsstoff und die Frage nach Ideen, wie man denn drei angemessen durch zwei teilen könnte.

Dieses Bilderbuch bietet reichlich familiären, kinderalltagstauglichen Identifikationsstoff und läßt Kinder mit heiterer Distanz auf einen Streit schauen. Als unbeteiligter Zuschauer ist solch eine Auseinandersetzung lustig und kann kindliche Betrachter durchaus zur Selbstreflexion animieren und konstruktive Lösungen finden lassen.

Die Argumentationsdialoge zwischen Bär und Wiesel sind wahrlich köstlich und ausgesprochen lebensnah, die Zeichnungen spiegeln ebenso die Streit- dynamik wie auch das wiederhergestellte harmonische Einvernehmen der beiden Freunde mit lebhaftem körpersprachlichen Ausdruck. Selten war es so vergnüglich, Lesezeuge eines Streits zu werden.

Hier entlang zum Buch und zur LESEPROBE auf der Verlagswebseite:
https://www.moritzverlag.de/Alle-Buecher/Zwei-fuer-mich-einer-fuer-dich.html

Der Autor und Illustrator:

»Jörg Mühle, geboren 1973 in Frankfurt am Main, studierte Illustration in Offenbach und Paris. Seit 2000 ist er Diplom-Designer und illustriert Bücher und Magazine. Er ist Mitglied der Frankfurter Ateliergemeinschaft labor, hat eine Tochter im besten Kinderbuchalter und wohnt fußläufig zum Moritz Verlag. Seine Pappbilderbücher übers Hasenkind erfreuen Kinder von Stockholm bis Tokio.«

Querverweis:

Hier entlang zu den putzigen Hasenkind-Pappbilderbüchern von Jörg Mühle:
Tupfst du noch die Tränen ab?

Und nachfolgend zu Megumi Iwasas Kinderbuch „Viele Grüße, deine Giraffe“, welches den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 erhalten hat und von Jörg Mühle illustriert wurde.
Viele Grüße, deine Giraffe

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39 Kommentare zu “Zwei für mich, einer für dich

  1. Ach, wie rührend – das Buch, die Illustrationen und Deine Rezension. Ich kann mir gut vorstellen, dass es selten „so vergnüglich“ war, „Lesezeuge eines Streits zu werden.“ Schon die Bilder, die Du uns gezeigt hast, verdeutlichen das sehr prägnant.

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  2. …. das Buch sollten wohl manch Erwachsene unterm Weihnachtsbaum finden … bezweifle aber, dass es was bringen würde … hoffe aber, dass dieses Buch vielen Kindern als Gutenachtgeschichte gaaanz oft vorgelesen wird, damit es sich ins Gedächtnis einbrennt … !!

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    • In der Tat dürften auch manche Erwachsene noch Nachhilfeunterricht im gerechten Teilen brauchen. Gleichwohl ist ein Bilderbuch für den kindlichen Geist als Anregung zur Selbstreflektion zum Thema Gerechtigkeit und miteinander Teilen zweckmäßiger.
      Erwachsene können ja ein Achtsamkeitsseminar buchen, um den Samen der liebenden Güte zu bewässern … 😉

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  3. Die Zeichnungen sind allerliebst 🙂 Wenn zwei sich streiten, wird der dritte wohl satt – oder so 😉 Herzlichen Dank für die schöne Bücherauswahl. Mit schmunzelnden Grüßen von hier! Die Balkonfee

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  4. Liebe Ulrike, ich finde Kinderbücher, welche mit schönen Geschichten lehrreich sind, grundsätzlich gut, weil Kinder solchen Märchen lieber zuhören als ihren Eltern oder auch Onkeln 😉 Danke für die zauberhafte Vorstellung!

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    • Da kann ich Dir nur zustimmen, lieber Arno.
      Ein Bilderbuch erscheint einem Kind wahrscheinlich wesentlich neutraler als eine Geschichte, die man ihnen als Eltern oder Onkel in erzieherischer Absicht auftischt. 😉
      Lieben Dank für Deinen zugeneigten Kommentar!

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  5. Mir fiel dabei Aesop’s Fabel vom Fuchs und dem Raben ein, wo es zwar nur einen und nicht zwei Verlierer gibt, aber egal ob Streit oder Schmeichelei… einer freut sich immer. 😀
    Ich kenne solche Kämpfe nicht, auch nicht die Tochter als Einzelkind, beim Enkelfratz mit demnächst Geschwisterchen kann ich dann Beobachtungen machen. Er meinte zwar gleich als er die Nachricht davon hörte: dann muß ich ja meine Spielsachen teilen, dann will ich lieber keinen Bruder oder Schwester , seine Besorgnis schlug aber sofort in Fürsorge um und er mußte das kleine Wesen mit Luftiküssen versorgen, damit es damit gut schläft. 🙂
    Es ist auch ein Buch für den Kampfplatz Kindergarten.
    Dir einen lieben Abendgruß vom Dach, Karin

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    • Liebe Karin,
      vielen Dank für Deine Rückmeldung und Deinen herzigen Erfahrungsbericht zur Teilungsbereitschaft kleiner Menschenwesen. 😀
      Dieses Bilderbuch kann auf jeden Fall in diversen familiären und institutionellen Einsatzgebieten zur Anwendung kommen.
      Mit einem herzlichten Gutenachtgruß von mir zu Dir
      Ulrike

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  6. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist der Fuchs ein heißer Kandidat für den Friedensnobelpreis. 😉 [Vielleicht stibitzt er ja eine der Erdbeeren auch noch – dann wäre dieses Problem auch gleich gelöst.]
    Das ist ja ein endloses Thema, bei dem sich die Erbitterung der direkt Beteiligten und die Erheiterung unbeteiligter Beobachter hübsch die Waage halten. 😀 Die Geschichte ist in Text und Bildern sehr gelungen. In der Praxis dürfte es wohl so sein, dass es dem Lesepublikum leichter fallen wird, sich über die Geschichte zu amüsieren als daraus die entsprechenden Lehren für das eigene Leben zu ziehen. 😉 Aber so ein Buch nur einmal zu lesen wäre ja auch schade. 😀

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    • Verbindlichen Dank für Deine lebenserfahrene Resonanz. 🙂
      Als unbeTEILigter Beobachter ist eine solche Teilungszene gewiß ebenso vergnüglich wie es für die beTEILigten Streithähne mißvergnüglich ist. Zwar würde ich dem Fuchs nicht gleich den Nobelpreis verleihen, dennoch kann eine Intervention durch Dritte eine entspannende Ablenkung hervorrufen.
      Wie sehr sich die Betrachtung und Lektüre dieses Bilderbuch-Fallbeispiels auf die eigene Lebenspraxis auswirkt, dürfte sehr inDIVIDuell 😉 ausfallen. 😀

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