Manolito

  • Ein fantastischer Märchen-Roman
  • von Friedrich Hechelmann
  • Knesebeck Verlag September 2017   www.knesebeck-verlag.de
  • gebunden, mit Schutzumschlag
  • Fadenheftung
  • Format: 19,5 x 23,00 cm
  • 176 Seiten
  • mit 10 schwarzweißen Abbildungen
  • und 30 farbigen Abbildungen
  • ISBN 978-3-95728-060-2
  • 29,95 € (D), 30,80 € (A)
  • ab 10 Jahren

LE B E N S K R Ä F T E

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Friedrich Hechelmann ist Maler und Buchillustrator, und er hat für das vorliegende Buch nicht nur zum Pinsel, sondern auch selbst zur Feder gegriffen. Achtsame Liebe zur Natur, Ehrfurcht vor der Schöpfung und eine naturmagisch-poetische Perspektive lassen sich an seinen Bildern ablesen.

Mit seinem Märchen-Roman-Debüt „Manolito“ erzählt Friedrich Hechelmann in Wort und Bild ein modernes Märchen über die Bedrohung der Natur und des Lebens durch menschliche Herzenskälte und Profitgier und über eine mögliche Bewußtseinswende durch heilsame, naturgeistige Lebenskräfte.

Knuth Rabenhorst arbeitet in einem wissenschaftlichen Versuchslabor der Pharma-industrie und führt gehorsam die verlangten Versuche an den „Probanden“ durch. Des Nachts meldet sich bei ihm jedoch angesichts der Qualen der Versuchskaninchen immer häufiger das Gewissen, denn eigentlich ist Knuth ein empfindsamer Mensch – so pflegt er beispielsweise eine Fütter-Freundschaft mit einem dem Raben Kasimir, der ihn regelmäßig auf seinem Balkon besucht.

Doch erst als Knuth seine Anstellung verliert, kommt er ernsthaft  zur Besinnung. In seiner Labor-Kitteltasche findet er den heimlich entflohenen Probanden Nr. 226. Nr. 226 ist nur kichererbsenklein, er hat eine menschliche Gestalt und fleht Knuth an, ihn nicht wieder in das schreckliche Labor zurückzubringen. Knuth läßt endlich sein Mitgefühl zu und verspricht Nr. 226 Schutz und Hilfe und gibt ihm den Namen „Manolito“.

Manolito freut sich, daß er keine Nummer mehr ist, und Knuth freut sich über die anre-gende Gesellschaft Manolitos. Sie diskutieren lebhaft das menschliche, lebensfeindliche Verhalten gegenüber den natürlichen Geschöpfen, und Knuth überlegt sich berufliche Alternativen, da er sich an diesem Zerstörungswerk nicht mehr beteiligen mag.

Während sich Knuth auf Arbeitssuche begibt, erkundet Manolito sein neues Zuhause und freundet sich mit der Hausspinne Liesa und dem Raben Kasimir an. Manolito ist die körperliche Miniaturausgabe eines Menschen, indes hat er die Seele eines Elfen, und deshalb kann er mit allen Tieren sprechen. So erfährt er auch, daß sich immer mehr Tiere auf den geheimen Kontinent Aronia zurückziehen, um der menschlichen Grausamkeit und den durch Umweltverschmutzung lebensverarmten und zerstörten Lebensräumen zu entkommen.

Illustration © Friedrich Hechelmann/Knesebeck Verlag

Der Zugang nach Aronia wurde vor vielen Jahrtausenden von den Elfen hinter einer für Menschen unsichtbaren Wasserwand verborgen. Tiere finden den Weg nach Aronia jedoch instinktiv, und die wenigen Elfen, die noch als Botschafter in der Menschenwelt unterwegs sind, haben selbstverständlich ebenfalls leichten Zugang. Und so landet Manolito nach einer dramatischen Wende unvermittelt in Aronia.

Die Hummelkönigin Klara nimmt Manolito als Flugpassagier auf und zeigt ihm die wilden, menschenleeren Landschaften Aronias, in denen außer den noch in der Menschenwelt existierenden Tieren auch ausgestorbene Tiere und fast vergessene Fabelwesen leben und wirken. Im Herzen Aronias liegt der Elfenwald. Dort erfährt Manolito mehr über seine Herkunft und seine Bestimmung, und er bekommt ein wertvolles Geschenk, das ihm bei der Erfüllung seiner Aufgabe dienlich sein wird.

So groß, weitläufig und verborgen Aronia auch ist, es ist nicht unverwundbar. Die menschliche Gier nach Bodenschätzen unterhöhlt buchstäblich auch dieses Refugium, und es besteht die akute Gefahr, daß Aronias Schutzschleier gelüftet wird. Aronia benötigt elementare Unterstützung, um sich gegen einen Angriff und eine drohende Invasion der Menschen zu verteidigen.

Illustration © Friedrich Hechelmann/Knesebeck Verlag

Der Zentrale Rat der Vereinigten Arten Aronias beauftragt Manolito, die Hummelkönigin Klara, die Grasmücke Mathilde, die Fledermaus Philomena und weitere tierische Ver-bündete zum Meister des Windes zu reisen und um seine Unterstützung zu bitten. Die Bewohner Aronias werden ihr Refugium nicht kampflos den „Paarfüßlern“ – so werden die Menschen von den Tieren genannt – überlassen.

Es wird eine sehr abenteuerliche Reise mit harten Bewährungsproben und mit unverhofft-hilfreichen und inspirierenden Begegnungen. So weiß beispielsweise der Delphin Ody, der sie beim Überqueren des Meeres vor dem Ertrinken rettet, weitsichtige Worte über das Wasser zu sagen:

»Ich weiß es vom Wasser … Es hat die gesamte Geschichte der Erde und seiner Bewohner gespeichert. Dem Wasser kann man nichts vormachen. Was man dem Wasser antut, tut man sich selbst an. Bei Luft und Erde ist es dasselbe. Das haben die Paarfüßler nur bis heute nicht begriffen.« (Seite 111)

Die spannende, märchenhafte Handlungsinszenierung fügt sich wunderbar in die vielfältigen Landschaften, ja, eigentlich Seelenlandschaften, die Friedrich Hechelmann entwirft. Dabei eröffnet er einfühlsam Perspektiven der Tiere auf das Handeln der Menschen.

Die katastrophal-zerstörerischen Folgen lebensabgehobener Naturentfremdung werden deutlich formuliert, indes fehlt es keineswegs an weisen Anregungen zu einem Leben in naturachtsamer, wechselseitiger Verbundenheit.

Friedrich Hechelmanns phantastische Illustrationen bieten der Imagination des Lesers ein einladendes Bühnenbild voll geheimnisvoller Lebenstiefe und poetischer Vielschichtigkeit. Sein Erzählstil ist im Vergleich dazu schnörkellos und präzise sowie in den Dialogpassagen gelegentlich etwas schelmisch. Er benutzt klare Worte und kurze Sätze. „Manolito“ ist ein leseleichter, gleichwohl substanzieller und inspirierender Märchen-Roman für kleine und große Menschen, denen die Natur am Herzen liegt. Ich würde die Lesealtersangabe des Verlages dahingehend korrigieren, daß „Manolito“ eine Lektüre von 10 bis 100 Jahren ist.

Zum Ausklang lasse ich uns gerne die Hummelkönigin Klara ihre Vision ins Ohr summen:

»Ich wollte, die Menschen fänden zu ihrer Bestimmung zurück und gingen achtsam mit der Natur um, würden die Geschöpfe und alles, was lebt, bewahren und lieben. Die Erde wird auch dann kein Paradies sein. Solange der Planet um sich selbst und um die Sonne kreist, wird es Tag und Nacht geben. Jedes Ereignis, jedes Lebewesen wird eine dunkle und eine helle Seite haben. Aber im Kern jeden Lebewesens sollte der Respekt vor dem Geheimnis des Lebens stehen. Wenn es so weit ist, werden auch die Elfen ihre Isolation aufgeben und zu uns zurückkehren, zum Wohle aller.« (Seite 90)

Illustration © Friedrich Hechelmann/Knesebeck Verlag

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.knesebeck-verlag.de/manolito/t-1/594

Querverweis:

Hier entlang zu einer von Friedrich Hechelmann illustrierten Märchensammlung
Das Buch der Märchen:
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/01/28/das-buch-der-maerchen/

 

Der Autor und Illustrator:

»Friedrich Hechelmann wurde 1948 in Isny im Allgäu geboren. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und zählt seither zu den bedeutendsten Malern des Realismus. In der Kunsthalle im Schloss Isny im Allgäu, wo er heute lebt und arbeitet, hat er einen besonderen Ort gefunden, den er durch großes Engagement zu einem kulturellen Zentrum verwandelt hat. In den mit großer Liebe zum Detail restaurierten Räumen des Schlosses stellt er seine Originalwerke aus, darunter auch Buchillustrationen. Denn Friedrich Hechelmann wurde auch als Illustrator zahlreicher Bücher populär, wie Michael Endes Momo (2009), Cornelia Funkes Die Geisterritter (2011) oder Selma Lagerlöfs Nils Holgersson (Knesebeck, 2013). Manolito ist der erste Roman des Künstlers.«
Besuchen Sie Friedrich Hechelmann auf seiner Webseite: www.hechelmann.de

 

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50 Kommentare zu “Manolito

  1. Liebe Ulrike,

    ich habe heute Deine Buchbesprechung gelesen und bin gebannt. Toll, dass Du so wunderschöne Bücher vorstellst, es wäre traurig, wenn solche Schätze in der Masse untergingen! Ich freue mich auf mehr 😉 !
    Lesewütige Grüße

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    • Liebe Marianne,
      es freut mich, daß Dich „Manolito“ anspricht und daß Du offenbar auch gerne außergewöhnliche und besondere Bücher, die eben keine Massenware sind, wertschätzt.
      Harmonische Grüße von
      Ulrike

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  2. OH, ich liebe seit meiner Ausbildung diesen wunderbaren Künstler/Illustrator! Und Hummeln liebe ich auch, ich glaube, ich muss schon mal eine Weihnachtswunschliste anfertigen, das ist ein prima Wunsch. 🙂
    Danke Dir für die schöne Vorstellung
    liebe Grüsse
    Nina

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    • Liebe Nina,
      vielen Dank für Deinen buchigen und hummeligen Begeisterungsausbruch! 🙂
      Es freut mich, wenn ich Dir sinnvollen Stoff für die Weihnachtswunschliste servieren kann.
      Nachtaktive Grüße von Ulrike

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  3. Das hört sich ganz wundervoll an, liebe Ulrike!
    Ein Buch wie für mich geschaffen und da es ab 10 Jahre ist, darf ich es auch schon lesen *schmunzel*. Die Bilder alleine sind schon zauberhaft.
    Manolito *lächel*. Ich hatte als Kind keine Fantasiefigur, die nur für mich sichtbar war.
    (eigentlich komisch und ich frage mich, wieso das so war, hm)

    Ganz herzlich, Bruni

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    • Liebe Bruni,
      schon beim Lesen von „Manolito“ dachte ich mir „Das ist eine Lektüre für Bruni und Lu.“ und – siehe die Kommentare – ihr fliegt beide auf dieses feine Märchen. *freu*

      Bezüglich kindlicher Fantasiefiguren, kann ich noch anmerken, daß ich das Gefühl hatte, daß „mein“ Zwerg mich ausgesucht oder sogar auserwählt hat. Da er mir immer nur zur Dämmerungszeit erschienen ist und im Gegensatz zu den bunten Zwergen in meinen Märchenbüchern gänzlich erdigfarbenschattiert aussah, schließe ich nicht gänzlich aus, daß ich WIRKLICH die Manifestation eines Elementarwesens wahrgenommen habe.
      Einen herzlichten Gutenachtgruß von Deiner Bücherfee Ulrike

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      • *lach*, so ist es wohl wirklich. Du kennst Deine Leser ganz gut, liebe Ulrike
        Solch ein besonderes Wesen ist mir leider nicht begegnet und ich beneide Dich sehr, liebe Bücherfee

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  4. Endlich einmal ein Buch, dass dies wichtige Thema ohne drohenden Zeigefinger darstellt. Dazu das Genre Märchen auszuwählen, finde ich sehr geschickt. LG Ann

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    • Hab‘ Dank für Deine Rückmeldung, liebe Ann.
      Dank der märchenhaften Verpackung wird der drohende Zeigefinger der ökologischen Mahnung durch die dramaturgische Entwicklung der Geschichte und durch die ausdrücklichen Betrachtungsweisen der Märchencharaktere ersetzt. Dieser märchenhafte Zugang zur Dringlichkeit des Mitweltschutzes erreicht wahrscheinlich mehr und leichter viele Leser als ein Sachbuch.

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  5. Liebe Ulrike, ich habe deine mitreißende Buchbesprechung soeben auf meiner Seite rebloggt, mein erster Beitrag dieser Art! Und natürlich hat das auch wieder etwas „Aufwindiges“. Deswegen widme ich sie auch den Kindern im Aufwind, einverstanden? Liebe Grüße, Petra

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    • Liebe Petra,
      selbstverständlich bin ich damit einverstanden, daß Du meine Buchbesprechung rebloggst und sie bei den Kindern im Aufwind einfügst.
      Vielen Dank für Dein buchbegeistertes Echo!
      Herzensgruß von mir zu Dir

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  6. Wer hätte als Kind nicht gerne einen Manolito zum Freund gehabt. Ich hatte einen mannsgroßen unsichtbaren Hasen, der sich immer versteckt hielt, obwohl nur ich ihn sehen konnte. Es war eine schöne Zeit und sicher geht es vielen mit diesem Buch ganz ähnlich liebe Ulrike!

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    • Lieber Arno,
      verbindlichen Dank für Deine feine Resonanz!
      Einen Elfenfreund hätte ich als intensiv-märchengefüttertes Kind sehr gerne gehabt. Ich hatte jedoch einen Gutenacht-Zwerg als Freund, den nur ich sehen und sprechen konnte, und ich bin sehr dankbar, daß meine Eltern diese Wahrnehmung einfach so hingenommen haben. Als ich in die Schule kam, verlor sich leider meine naturgeistige Sehfähigkeit.
      Diese Lebenserfahrung macht mich Büchern wie „Manolito“ stets sehr lesegeneigt – schön, daß es Dir ähnlich geht.

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  7. Das hat die weise Hummel schön gesagt. 🙂 Die Illustrationen sehen wunderbar aus, genauso wunderbar, wie sich deine liebens- und lesenswerte Rezension anhört. Vielen Dank für die Vorstellung dieses Buches, liebste Bücherfee! Es hört sich sehr nach einer zu empfehlenden Grundlektüre für alle Menschen an!!!

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  8. Das ist wieder eine deiner schön verlockenden Buchbeschreibungen, denen ich nicht widerstehen kann – für mich selbst, und auch als Kandidaten für eine Weiterempfehlung fallen mir einige liebe Menschen ein.
    Solche Nils Holgersson-Geschichten liebe ich sehr.

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!