Zwitschernde Fische

  • von Andreas Séché
  • Roman
  • ars vivendi verlag  2012   www.arsvivendi.com
  • gebunden
  • mit Schutzumschlag
  • 168 Seiten
  • 16,90 € (D), 17,40 € (A)
  • ISBN 978-3-86913-106-1

ZWISCHEN  DEN  ZEILEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Bereits das Wort LekTÜRE enthält eine Türe, gewissermaßen eine Portalüberschrift, die den aufmerksamen Betrachter darauf hinweist, daß Lesen buchstäblich in eine Geschichte – oder bei Sachbüchern in ein Wissensgebiet – hineinführt.

Buchhändler empfehlen und verkaufen ihren Kunden demnach ein papiernes Mischwesen aus Dauereintrittskarte und Tür, und das Lesen ist dabei der Universalschlüssel; eine Vorstellung, die mir als Buchhändlerin schon immer sehr gefallen hat.

„Zwitschernde Fische“ ist ein federleichtes und herzenstiefes Buch, das wach macht für die Wegweiser der Inspiration, die, wenn man aufgeschlossen dafür ist und gerne hinter die Dinge schaut, sogar im Alltag wohnen und auf Entdeckung und Würdigung warten.

Yannis, unser Romanheld, ist ein junger Mann, der Bücher und Buchhandlungen liebt und für den jeder neue Buchkauf ein Festakt ist, den er zunächst gebührend mit einem guten Frühstück beginnt: „ … Lesen ist ja nichts anderes als Essen mit den Augen.“
(Seite 9)

Buchhandlungen und Stadtparks, findet Yannis, bieten eine ideale Kulisse, um der Traumfrau zu begegnen. Er hat einige wunderschöne, ebenso romantische wie verwegene Gesprächseröffnungsideen (die übrigens ausgesprochen unwiderstehlich- empfehlenswert sind) in seiner Sehnsuchtsvorratskammer gestapelt, aber er ist bisher zu schüchtern gewesen, um seine Worte und Gesten auch in die Tat umzusetzen.

Auf dem Weg zum Buchladen macht er Rast auf seiner Lieblingsparkbank im Athener Stadtpark und denkt darüber nach, ob die Kellnerin aus seinem Lieblingscafé, in die er still, leise und heimlich verliebt ist, ihn aus Zuneigung oder aus professioneller Grund-haltung stets so freundlich anlächele. Diese Frage bleibt unbeantwortet, und Yannis macht sich gedankenversunken wieder auf den Weg.

Doch er verläuft sich und findet sich plötzlich vor einem altmodischen Buchladen mit beinahe undurchsichtigem Schaufenster wieder, in einer Gasse, die seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Yannis kommt es fast vor, als sei diese Buchhandlung ein Überbleibsel aus dem Athener Buchhändlerviertel, das vor zweittausendfünfhundert Jahren existiert hat.

Neugierig berührt Yannis den silbernen Drehknauf der verwitterten, hölzernen Eingangstür, die daraufhin langsam und bedächtig aufschwingt. „Es sind schon Kinder durch Türen gegangen und als Erwachsene zurückgekehrt. Hinter Türen können Narren zu Weisen werden, Ziellose zu Menschen mit einer Bestimmung und Ungläubige zu Gläubigen.“ (Seite 17)

Yannis begegnet in den Räumen hinter dieser Türe der geheimnisvollen und sehr attraktiven Lio, und in Verbindung mit Lio kommt es zu zauberhaften neuen Lebens-weichenstellungen…  „Die Haut um ihre Augen offenbarte ein gelachtes Leben und einen Menschen, der sich wenig um die feinen Falten der Erkenntnis scherte.“ (Seite 27)

Der Roman „Zwitschernde Fische“ handelt davon, wie das Leben in Geschichten einfließt und wie gelesene Geschichten das Leben beeinflussen, ja, wie für den inspirations-empfänglichen Menschen in der Tat alles miteinander in geheimnisvoller Korrespondenz steht.

Neben seinem eigenen Geschichtenverlauf weckt dieser Roman beiläufig Leselust auf zahlreiche weitere Bücher. Die angeregten Gespräche, die Lio und Yannis über Klassiker der Weltliteratur führen, die Betrachtungen interessanter bis krimineller schriftstellerischer Hintergrundgeschichten sowie die berühmten Anfangssätze, die sie sich wechselseitig vorlesen, machen abwechslungsreich Appetit auf mehr. „Geschichten sind das Gewürz der Wirklichkeit.“ (Seite 168)

Andreas Séchés Sprache hat einen besonderen melodischen Klang, eine zärtlich-atmende, lebendige Anziehungskraft, die den geneigten Leser sogleich in die Geschichte hineinverführt. Die dramaturgisch geschickt eingewobenen, schimmernd-changierenden Schnittstellen und Reflexionen zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie leibhaftige literarische Anspielungen bewirken – den Musen sei Dank – eine außergewöhnlich traumwandlerische LekTÜRE.

 

Hier entlang zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://arsvivendi.com/Buch/Search/9783869131061-Zwitschernde-Fische

 

Wer gerne die wunderbaren Gesprächseröffnungsideen nachlesen möchte, schaue bitte unter folgendem Link nach, dort auf CHRINOLOS Webseite habe ich mich nämlich auf den ersten Leseblick in dieses Buch verguckt: https://seelenglimmern.com/2018/02/11/hier-konnte-in-einsamkeit-zweisamkeit-erbluehen/

 

Hier entlang zum Buchtrailer:

 

Der Autor:

»Andreas Séché, geboren 1968, schrieb als Journalist für Tageszeitungen und war zwölf Jahre lang Redakteur bei einer Zeitschrift in München, bevor er in seine Heimat, das Rheinland, zurückkehrte. Heute lebt er als Schriftsteller am Niederrhein. Bei ars vivendi sind bisher seine Romane Namiko und das Flüstern (2011), Zwitschernde Fische (2012) und Zeit der Zikaden (2013) erschienen.« http://andreas-seche.de

 

Querverweis:

Wechselwirkungen zwischen Literatur und Leben sind ein unermüdliches und spannendes Thema für Romane. Von einer solchen literarischen Spurensuche, ihren heiter bis wolkigen zwischenmenschlichen Verstrickungen, nebst schelmischen Bezügen zu verlegerischen Buchvermarktungsstrategien, handelt auch „Das geheime Leben des Monsieur Pick“ von David Foenkinos: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2017/05/01/das-geheime-leben-des-monsieur-pick/

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/

45 Kommentare zu “Zwitschernde Fische

  1. Eigentlich fängt für mich ein Buch an ein Buch zu sein wenn es mind. 400 Seiten hat. Aber bei diesem Buch habe ich eine Ausnahme gemacht und es hat einen Ehrenplatz im Regal bei meinen anderen Lieblingsbüchern bekommen. Schade, dass die Geschichte nicht länger ist, aber jeder Satz ist ein Schatz für sich.

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    • Liebe Heike,
      Deine Neigung zu umfangreichen Büchern teile ich durchaus. Gleichwohl gibt es diese wohlformulierten kleinen Kostbarkeiten wie „Zwitschernde Fische“, bei denen die Tiefe ein Ausgleich für die geringe Seitenzahl ist.
      Herzensdank für Deine zugeneigte Resonanz!

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  2. Frohe Ostern, liebe Uli 🙂 Deine Wortübersetzung „LekTÜRE“ ist genial. „Nicht Fisch, nicht Fleisch“ denke ich mir bei der Buchvorstellung. Das Coverfoto passt so gar nicht zum Titel. Vielleicht ist aber das Buch spannend geschrieben.

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    • Es freut mich, liebe Ragna,
      daß Dich meine Wortwahrnehmungperspektive der LekTÜRE begeistert.
      Ich finde es interessant, daß so viele Kommentatoren eine solch starke Irritation wegen des Titelbildes und des Titelwortlautes äußern. Ich habe das einfach so hingenommen und nach der Lektüre, weiß man schließlich, daß auch ein Kaninchen durch die Geschichte hoppelt. 😉
      Frohe Ostergrüße von mir zu Dir 🍀

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  3. Ein verwirrendes Cover zum Buchtitel 🙂 , doch Verwirrung regt die Gedanken oftmals sehr an und eine Buchhandlung in einem Viertel, das vor mehr als 2.000 Jahren ein Buchhändlerviertel gewesen sein will, die möchte ich zu gerne finden.
    Hier muß sich Magisches verbergen und schon bin ich über die Schwelle getreten, liebe Ulrike, und finde, was ich liebe, Papierenes, fein gebunden und Geschichten verheißend.

    Lächelnde Grüße von Bruni

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    • Die ungewöhnliche zoologische Kombination von Titelfoto und Titelwortlaut erregt jedenfalls viel Aufmerksamkeit, wie man schon an den Vorgängerkommentaren lebhaft ablesen kann … 🙂
      Verbindlichen Dank, liebe Bruni,
      für Dein Hereinspazieren und Deine magische Leseerwartungsvermutung,
      die sich ausgesprochen harmonisch an die Handlung des Romans anschmiegt.

      Nachtaktive Grüße von Ulrike

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  4. Liebe Ulrike,

    ich finde es ganz wundervoll, was du über diesen Bücherschatz schreibst. Das Buch habe ich vor Jahren in einer Leserunde, die vom Autor selbst begleitet wurde, entdecken dürfen. Es war quasi Liebe auf der ersten Seite.

    „Ausgerechnet im Buchladen fing er Feuer.“ 💕

    Meine Besprechung dazu hab ich bereits vor 6 Jahren geschrieben. Wow, was für Zeit schon vergangen ist.

    Wo Fische zwitschern..

    Liebe Stöbergrüße
    Steffi

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    • Liebe Steffi,
      es freut mich, daß Dir meine Rezension zusagt und Du als Romanmitwissserin meine positive Einschätzung bestätigst.
      Vielen Dank für den Linkwink zu Deiner zwitscherfischigen Buchbesprechung – solche ergänzenden Lesezugaben finde ich stets bereichernd.

      Harmonische Grüße von mir zu Dir 🍀

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    • Lieben Dank, werte Constanze,
      für Deine lesezugeneigte Rückmeldung.
      Ich kann nur bestätigen, daß Dir mit den „Zwitschernden Fischen“ ein vergnüglich-märchenhafter Lesespaziergang bevorsteht.
      Schöne Osterfeiertage wünscht Dir
      Ulrike

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  5. Da sieht man doch mal wieder, wie viel (bzw. wenig) man althergebrachten Redensarten trauen kann. Denn getreu der Wendung «Nomen est omen» müsste die Literatur eines Andreas Séché doch recht eigentlich aus staubtrockenen Sprachdünen bestehen. 😉
    Wie uns Ulrike Bücherfee wortwebend weissagt, ist dem aber durchaus nicht so. Ich kannte des Menschen bislang nicht. Allerdings macht mir Bücherfeens wortgewandtes Werben den Autor und sein Werk durchaus sehr schmackhaft. 🙂
    Kleine Frage auf der Schwelle zur LekTÜRE: Ist demnach ein LekTOR das Tor, hinter dem törichte Schreiberlinge wortweise werden? 😀

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    • Verbindlichen Dank, werter Maestro,
      für Deine feinsinnig-lesezugeneigte Resonanz und Deine betörenden Komplimente. 🙂
      Trotz des trockenen Nachnamens ist der Schreibstil des Autors keineswegs staubtrocken, sondern ausgesprochen leselebendig.
      Deine polyglott-sprachgewandte, wortverspielte Achtsamkeit überrascht mich zwar nicht, gleichwohl finde ich sie immer wieder bemerkenswert, hocherfreulich und sehr anregend. 🍀
      Kleine Antwort auf der Schwelle zur LekTÜRE: Der LekTOR sollte wohl das TOR sein, das der Veredelung der Manuskripte dient, sofern die törichten Schreiberlinge für Wortweisheit aufgeschlossen sind. :mrgreen:

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  6. Oh, liebe Ulrike,
    vielen Dank für diese Rezension. Das klingt ganz danach, als ob ich gleich noch mal eine Bestellmail an den Buchhändler meines Vertrauens schicken müsste, damit ich es mir vor den Osterfeiertagen noch abholen kann…
    Ich wünsche Dir schöne Ostertage!
    Herzliche Grüße
    von Ryka

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    • Liebe Christel,
      ich werde es schon einstielen, daß Andreas Séché in den Genuß meiner Rezension kommt. Morgen schicke ich ihm meinen Besprechungs-Link …
      Herzlichen Dank für Deine Rückmeldung und für Dein Einverständnis mit dem Link zu Deinem Buchzitat, das mich zu diesem Roman geführt hat. 🙂

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  7. Sehr wundersam: Fische, die zwitschern (fliegende Fische?), auf dem Umschlag ein Hase, und es geht eigentlich um zwei Menschen und Bücher… ? Du hast es wieder einmal sehr spannend gemacht, Ulrike. Hab vielen Dank und sei herrlich verzwitschert gegrüßt. Birgit

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    • Liebe Birgit,
      lieben Dank für Dein lebhaftes Interesse.
      Das Rätsel um die zwitschernden Fische werde ich hier selbstverständlich nicht lösen, das darfst Du Dir gerne selber erlesen.
      Ich kann jedoch verraten, daß tatsächlich auch ein Kaninchen – kein Hase – mitspielt.
      Zwinkerzwitschergrüße von mir zu Dir :mrgreen:

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!