Mach die Biege, Fliege!

  • Text und Illustrationen von Kai Pannen
  • Tulipan Verlag Februar 2017  www.tulipan-verlag.de
  • 104 Seiten
  • Format: 24,5 x 17 cm
  • gebunden, Fadenheftung
  • 15,00 € (D), 15,50 € (A)
  • ISBN 978-3-86429-339-9
  • ab 4 Jahren zum Vorlesen
  • ab 8 Jahren zum Selberlesen


HERAUSSPAZIERT!

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Stubenfliege Bisy und Hausspinne Karl-Heinz leben seit dem letzten Weihnachtsfest in einträchtiger Wohngemeinschaft zusammen. Wie es zu dieser außergewöhnlichen Freundschaft kam, erfährt man aus dem ersten Band „Du spinnst wohl“ (siehe meine Besprechung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/11/27/du-spinnst-wohl/ ).

Es genügt zu wissen, daß Karl-Heinz Bisy zuliebe Vegetarier geworden ist und daß die Temperamente der beiden Freunde sehr unterschiedlich sind. Bisy ist quirlig, gesellig, vorwitzig, unternehmungslustig, hat ein flottes Mundwerk und kennt sich mit der Welt außerhalb des Hauses aus. Karl-Heinz ist einzelgängerisch, schüchtern, schwerfällig, vorsichtig, hat gerne seine ungestörte Ruhe und scheut Veränderungen.

Bisy wird nach den langen Wintermonaten frühjahrsmunter und sehnt sich nach mehr Aufregung und Spannung, aber Karl-Heinz hockt lieber gemütlich auf seinem Sofa und will sich von Bisy nicht zu neuen Abenteuern animieren lassen. Beide schmollen und fragen sich, ob sie auf Dauer noch zusammenpassen.

Der gnadenlos-gründliche Frühjahrsputz der Menschen zwingt die beiden zur Flucht nach draußen. Karl-Heinz reagiert zögerlich auf die Attacken von Staubwedel, Putzbürsten und Wischlappen und liest erst noch einmal in seinem „Haushaltsratgeber für Krabbeltiere“ nach, was es mit dem sogenannten Frühjahrsputz auf sich hat, und gibt sich der Illusion hin, noch ein sichereres Plätzchen im Hause zu finden.

Bisy drängt Karl-Heinz zur Eile und schwärmt ihm von der großen, weiten Welt des Gartens vor, von Freiheit, Frischluft und Pflanzenfülle. Erst als das Dröhnen des Staubsaugers immer näher kommt, rafft sich Karl-Heinz widerwillig auf und folgt Bisy zum Fenster und von dort aus in den Garten.

Auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen für ein neues Wohnnetz krabbelt der naturbanausige Karl-Heinz zum ersten Mal in seinem Leben durch Wiesengras, hört es überall rascheln und flüstern und wird von Bisy über die Lebensgefahr durch Vögel aufgeklärt. Das Wetter ist feuchtkalt und windig, und Karl-Heinzens Laune ist nicht sehr wetterfest.

Sie begegnen einer revierverteidigenden Wespenkönigin, hilfsbereiten Kellerasseln, einer Truppe preußischer Ameisensoldaten und einem Regenwurm, der das feuchte Wetter als ganz vorzüglich lobt und vor einer Aufheiterung des Wetters warnt.

Illustration © Kai Pannen Tulipan Verlag 2017

Schließlich finden sie eine Buchenhecke, in deren Geäst Karl-Heinz ein unkonventionelles Netz knüpft. Die Regenwolken verziehen sich, und die Sonne scheint auf das neue Heim der ungleichen Freunde. Kaum haben sie sich „häuslich“ eingerichtet, da kreuzt eine griesgrämige Blattwanze auf und verlangt eine Baugenehmigung.

 

Bisy macht sich über das beamtische Gehabe lustig, und Karl-Heinz überlegt, ob er sich eine Ausnahme im vegetarischen Speiseplan erlauben könne – natürlich nur bei nervigen Mitinsekten, zumal Blattwanze doch ziemlich nach Gemüse klinge.

Illustration © Kai Pannen Tulipan Verlag 2017

Während Bisy einen größeren Erkundungsausflug unternimmt und beinahe von einer Libelle gefangen wird, macht Karl-Heinz in der obersten Etage der Buchenhecke Bekanntschaft mit Constanze, einer molligen, kapriziösen Schmetterlingsraupendiva, die ihn „dicker Herr Spinnerich“ nennt.

Außerdem entdeckt Karl-Heinz in der näheren Umgebung den Bonbonmarkt der  Blattläuse. Sie fabrizieren aus süßen Pflanzensäften  Ahorndrops, Birkenlutscher, Efeuschlotzer, Fliederbonschen, Holunderpastillen, Kirschstangen, Ligusterheckenkamellen, Rosengutsle … So langsam findet Karl-Heinz das Leben in der Wildnis ganz attraktiv.

Illustration © Kai Pannen Tulipan Verlag 2017

Er strickt für Bisy einen Wespenanzug, damit er keine Angst mehr vor Libellenangriffen haben muß, und  Bisy bastelt für Karl-Heinz ein Skateboard für seine körperliche Ertüchtigung.

Illustration © Kai Pannen Tulipan Verlag 2017

Bisy organisiert heimlich eine Geburtstagsfeier für Karl-Heinz, es gibt heftigen Streit, ja, sogar Freundschaftsverrat wegen Constanze. Bisy zieht aus dem Netz aus und sucht vergeblich eine anderweitige Bleibe. Nach einigem Hin und Her und lehrreichen zwischeninsektischen Erfahrungen finden die beiden jedoch wieder zueinander.

Illustration © Kai Pannen Tulipan Verlag 2017

Und das mit der Baugenehmigung klappt dann übrigens auch noch!

Sowohl zeichnerisch als auch sprachlich wartet „Mach die Biege, Fliege!“ mit einfühlsamen, farbenfröhlichen, phantasievollen und witzigen Details auf. Die 23 Einzelkapitel sind zwischen drei bis fünf Seiten lang und großzügig illustriert. Der Lesespaß dürfte somit für Vorlesenehmer, Vorlesegeber und Selbstleser garantiert sein.

Die Beziehungsdynamik zwischen den beiden schrägen Insektentypen speist sich aus ihren sehr unterschiedlichen Charakteren, ihrer gegenseitigen Anhänglichkeit und den Reaktionen der Mitwelt auf ihre ungewöhnliche Verbindung. Vordergründig ist dies amüsant, skurril und oft situationskomisch. Zwischen den Zeilen enthält diese Geschichte indes gänzlich unaufdringlich eine Riesenportion beispielhafter Toleranzübung, kommunikativer Kompetenz und Herzensbildung.

 

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:
https://tulipan-verlag.de/mach-die-biege-fliege/

Und als Hörbuch gibt es den versponnenen Spaß (2 CDs zu 14,95 €)  auch noch:
http://www.headroom.info/neu-2-cds-mach-die-biege-fliege.html

 

Der Autor und Illustrator:

»Kai Pannen wurde am Niederrhein geboren. Er studierte Malerei und Film in Köln und arbeitet seitdem als Illustrator und Trickfilmer. In den letzten Jahren hat er zahlreiche Bücher für verschiedene Verlage illustriert. An der Animation School Hamburg war er Dozent für Animation und Storyboard. Daneben betätigt er sich als Produzent für animierte Kinder-Kurzfilme. Kai Pannen lebt mit seiner Familie in Hamburg.«
Mehr auf www.kaipannen.de.

Querverweis:

Hier entlang zum ersten Band mit Bisy und Karl-Heinz: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/11/27/du-spinnst-wohl/

 

Leselebenszeichen-Datenschutzerklärung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/datenschutzerklaerung/

25 Kommentare zu “Mach die Biege, Fliege!

  1. Liebe Ulrike Sokul,

    jetzt MUSS ich mich als Autor dieser Geschichte, nach so einer wunderbaren Zusammenfassung des Buches, auch mal kurz „einmischen“. Ich freue mich hyperspinnnetzinsektofliegig über so viel Zuspruch zu Bisy und Karl-Heinz. Dass die beiden die Herzen so vieler Leser gewinnen konnten, hatte ich mir beim Schreiben gar nicht vorzustellen gewagt. Das hilft mir sehr, da ich Bisy und Karl-Heinz derzeit für den dritten Band zuhöre und zuschaue, um alles aufzuschreiben und abzuzeichnen.

    Herzlichen Dank für diese kräftige Dosis zusätzlicher Motivation,
    Kai Pannen

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    • Lieber Herr Pannen,
      welch eine Ehre für meine Buchbesprechung und für mich, daß Sie sich hier selbst zu Wort melden!
      Das wiederum motiviert mich zum Schreiben von Rezensionen …
      Herzerfreuten DANK für Ihre begeisterte Resonanz auf die Resonanz. 😉
      Außerdem freue ich mich, daß Sie schon eine weitere Fortsetzung schreibzeichnen.
      Ich fände es übrigens ganz toll, wenn im nächsten Band ein oder auch mehrere Glühkäferchen mitspielten …
      Insektophile Grüße
      Ulrike Sokul

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  2. Hallöchen, liebe Ulrike, das ist die süßeste *Liebesgeschichte*, von der ich je gelesen habe.
    Ich habe von Beginn bis Ende Deiner augenzwinkernden Rezension gelächelt, gekichert, mich köstlich amüsiert und meine Mundwinkel wollten sich in den oberen Regionen meines Gesichtes für immer niederlassen 🙂
    Das unkonventionelle Netz von Karl-Heinz erinnert mich heftig an die Häkeldeckchen meiner Tante, die auch eigengefertigt waren *prust*
    Und dann diese Blattwanze, die nach der Baugenehmigung fragt … ach, ach
    Das muß doch sein, dieses Buch, liebe Ulrike, meinst Du nicht auch?

    Herzlichst Bruni

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    • Meine liebe Bruni,
      es freut mich sehr, daß meine Buchsprechung sich so erhebend auf Deine Mundwinkel auswirkt. 🙂
      Ja, die spaßigen Anspielungen auf menschliche Gemütlichkeit (Spitzendeckchen & Co) und Verwaltungsböhen sind ganz köstlich.
      Ich kann dieses heiter-weise Kinderbuch nur wärmstens empfehlen!
      Abendsonnige, mundwinkelerhobene Grüße von mir zu Dir

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  3. „Haushaltsratgeber für Krabbeltiere“ und die ganzen Begriffe für Süßigkeiten sind einfach nur schön und fantasieanregend 🙂 Die vielen zauberhaften Zeichnungen lassen sogleich einen kompletten Film vor dem inneren Auge ablaufen über den sich jedes Kind freuen dürfte. Im Gegensatz zu dem vielen Schrott der heute die „KinderTVkanäle“ bevölkert eine wirklich gute Alternative Kindern mit Spaß etwas über Freundschaft beizubringen. Dazu eine wirklich inspirierte Buchbesprechung und schon ist das Kaufverlangen da, um Kinder zu beglücken (na ja und sich selbst). Dankeschön liebe Ulrike 🙂

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    • Lieber Arno,
      verbindlichen Dank für Deine freudige Zustimmung! 🙂
      Dieses Buch ist WIRKlich voller Phantasieköder, die zum Weiterspinnen animieren.
      Der Autor ist Illustrator und Trickfilmer und produziert animierte Kinder-Kurzfilme. Allerdings kenne ich seine Filme nicht, hoffe jedoch, daß sie an die heitere Herzensbildungsqualität seiner Bücher herankommen.
      Sonnige Grüße 🙂

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  4. Danke, dass Du uns auch die Fortsetzung der Begegnung der beiden vorstellst. Das liest sich sehr amüsant und lädt zum „Nachlesen“ ein. Schön finde ich, dass auf diese süße Art gezeigt wird, dass man trotz Unterschieden miteinander leben und Spaß haben kann.
    Wünsche Dir ein lesefreudiges Wochenende.

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    • Ja, die Fortsetzung dieser herzlich-schrägen Freundschaftsgeschichte lohnt eine gemütliche Nachlese. Du hast korrekt erfasst, daß dieses Kinderbuch in Wort und Bild zeigt, wie man, trotz großer Wesensunterschiedlichkeiten, zu einem lebendigen und bereichernden
      Miteinander finden kann.
      Vielen Dank für Dein positives Echo!

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  5. Liebe Bücherfee, da machst Du uns aber den Mund wässrig :-). Blattlaus-BonbonMARKT mit wundervollen Bonbon-Geschmacksrichtungen, „Beziehungsdrama“ mit wundervoller Versöhnung, Entdeckungsreisen in neue Welten, Flugkrimi mit Bisy in Lebensgefahr und sogar das Bauamt klopft an. Und all das zauberhaft und ausdrucksstark eingebettet in Wort und Bild. Klingt nach einer farbenfrohen herzlich-rasanten Geschichte mit allen Zutaten die zum Leben gehören. Und ich hab‘ mich ganz besonders über die Fortsetzung der Geschichte gefreut :-). Liebsten Dank für die Buchkredenzung 😘🌟🌟🌟

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  6. Da dürfte sich diese skurrile Wohngemeinschaft wohl alsbald um ein Mitglied erweitern. Der Lachmuskelkater könnte zum Dauergast werden. 😀 🐈 Dafür bürgen nur schon diese unvergleichlichen Illustrationen. Zum einen die schönen Details, wie das herrliche Astgabelskateboard oder der liebevoll „aufgeknüpfte“ Goldfisch. Ganz fein finde ich auch, dass durch solche Details der Charakter der Protagonisten unterstrichen wird. Karl-Heinz besitzt zwar, wie auf einem Bild zu sehen ist, für jeden Fuß einen Pantoffel – im Alltag scheinen aber nie sämtliche Füße bepantoffelt zu sein. 😉 Oder die verbeamtete Blattwanze: Kurze Hosen, Sandalen…und weiße Socken! 😳 Und inhaltlich geht es in einer verwandten Tonart weiter. Allein die Vorstellung, dass eine Fliege aus einem Spinnennetz „auszieht“… Oder die Idee mit dem Wespenkostüm… Da ist das Sattlachens kein Ende. Es dürfte gar nicht so einfach sein, im ersten Durchgang die zwischenzeiligen Lebensweisheiten auch noch mitzubekommen. Aber das ist wohl nicht weiter schlimm. Das Buch riecht ohnehin ganz deutlich nach wiederholter Lesefreude. 🌟

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    • Deine detailverliebt-aufmerksamen Betrachtungen zu den hier vorgestellten Insektengesellen freuen mich sehr.
      Die phantasievollen und witzigen Einfälle Kai Pannens gehen wirklich Hand in Hand, da er Autor und Illustrator in einer Person ist. Da weiß man gar nicht, ob der „Pinsel“ dem „Schreibstift“ folgt oder umgekehrt. 🙂
      „Mach die Biege, Fliege!“ ist auf jeden Fall gut für mehrfache Lektüren geeignet und gewinnt – nach dem Ausklang des Lachmuskelkaters – an Tiefe.
      Herzensdank für Deine mitfreudige Resonanz! :mrgreen:

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      • Ja, diese zahlreichen feinen Details – daran bin ich schon beim ersten Band hängen geblieben wie die Fliege im Spinnennetz. 😉
        Das hat bestimmt seine Vorteile, wenn Text und Bilder im gleichen Kopf geboren werden – da kann er beides subtil ergänzend miteinander verweben. Auch das dürfte ja ein weiterer Wiederlesensgrund sein, da sich ja möglicherweise nicht alle Feinheiten in der ersten Leserunde offenbaren. 🐝🌺🐝

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!