Der Nachtgärtner

  • von Terry Fan und Eric Fan
  • Originaltitel: »The Night Gardener«
  • Übersetzung aus dem Englischen von Edmund Jacoby
  • Verlagshaus Jacoby & Stuart    August 2016   www.jacobystuart.de
  • gebunden, Fadenheftung
  • 48 Seiten
  • Format: 21,6 x 30,5 cm
  • 14,95 € (D), 15,40 € (A)
  • ISBN 978-3-946593-03-4
  • Bilderbuch ab 5 Jahren
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B L Ä T T E R T I E R E

Bilderbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Dieses feine Bilderbuch mit seinem geheimnisvoll-märchenhaften Titelbild ist eine Einladung zum Träumen, und Träume sind bekanntlich ein guter Dünger nicht nur für Nachtgärtner, sondern auch für die Gestaltungskräfte des eigenen Lebens.

Ein Baum, dessen Laubkrone zu einer weisen Eule geformt ist, ein kleiner Junge, der andächtig vor dem Eulenbaum steht, die ganze Szenerie eingetaucht in nächtlich-vollmondliche, kühle Grüntöne. Dazu die silbernen Lettern der Buchbeschriftung und eine angenehm griffige Papierqualität – das ist ein stilvoller und verheißungsvoller Bilderbucheinstieg.

William lebt in einem Waisenhaus in der ergrauten, angestaubten Kleinstadt Grimloch. Er sitzt auf einem abgesägten Baumstamm im Vorgarten dieses Waisenhauses und zeichnet mit einem Stock eine Eule in den Gartenboden. Unauffällig geht ein älterer Herr mit einer Leiter und einer großen Umhängetasche vorbei. Das einzig Auffällige an ihm ist ein grünes Blatt, das aus der Brusttasche seines Jacketts hervorlugt.

In der folgenden vollmonderleuchteten Nacht packt der ältere Herr seine Tasche aus, und wir bekommen ein Sortiment von Gartenscheren zu sehen, die er sorgfältig prüft. Seine Leiter steht bereits angelehnt an einem Baum. Auf der folgenden Bilderbuchseite erkennen wir, daß er an einem der großen Bäume im Garten des Waisenhauses arbeitet.

Am nächsten Morgen entdeckt William den Baum, dessen Krone sich in die Gestalt einer Eule verwandelt hat. William ist völlig hingerissen und kann sich kaum sattsehen; er spürt, daß dies der Anfang einer weitreichenden, erfreulichen Lebensveränderung ist.

Jeden Tag finden sich neue in Tierskulpturen umgestaltete Baumkronen: eine Katze, ein Kaninchen, ein Papagei und sogar ein kleiner Elefant. William ist nicht der einzige, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Viele Menschen bewundern die Baumkunstwerke, und nach und nach wird die Welt farbenfroher und die Stadtbewohner mitteilsamer. Die Menschen lächeln, plaudern, tragen bunte Kleidung – kurz: Die Stimmung wird einfach besser.

Als der geheimnisvolle Nachtgärtner sein Meisterwerk – einen Drachen aus zwei miteinander verbundenen Baumkronen – geschaffen hat, feiern die Bewohner von Grimloch ein ausgedehntes Freudenfest. So geschieht es, daß sich auch William erst weit nach Sonnenuntergang auf den Heimweg macht, und dabei beobachtet er einen älteren Herrn, der eine Leiter auf der Schulter trägt. William schöpft Verdacht und folgt dem Herrn, der auf dem Weg zum Stadtpark ist. Freundlich wendet er sich William zu und sagt, daß er angesichts der vielen Bäume im Park gut und gerne ein wenig Unterstützung brauchen könne.

Die ganze Nacht arbeitet William nun mit dem Nachtgärtner an der Verwandlung der Baumkronen in vielerlei Tiergestalten. William schläft schließlich erschöpft ein, und der Nachtgärtner setzt ihn behutsam am Fuße eines Baumstammes ab. Als William von den fröhlichen Stimmen der Kinder, die mit ihren Eltern durch den Park spazieren, erwacht, findet er eine Gartenschere, an deren Griff ein Schildchen hängt: „Für William“.

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Illustration von Terry Fan © Verlagshaus Jacoby & Stuart 2016

Im Herbst lösen sich die Tiergestalten mit dem Fallen der Blätter auf, und im Winter ist den kahlen Baumstämmen nicht mehr anzusehen, welche Blättertierverkleidung sie im Sommer trugen. Gleichwohl ist die ganze Stadt nachhaltig verwandelt, das emotionale Klima freundlicher, und William tritt im nächsten Sommer mit dem größten Vergnügen sein geheimes Erbe als Nachtgärtner an …

In diesem Buch wird fast alles von den feingezeichneten, atmosphärischen Bildern erzählt. Der leise Text erscheint beiläufig, gibt kleine Hinweise in einfachen Worten, die mehr andeuten als ausplaudern, und dies paßt schön zu den ausdrucksstarken Bildern, die sehr gut und traumzauberhaft für sich selbst sprechen.

Im Bilderbuch „Der Nachtgärtner“ zeigt sich anschaulich die Überwindung von Trübsinn und Einsamkeit durch die Schönheit der Natur und die Gestaltungskraft des Träumens. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ist dies ein lobenswerter und schöner Hinweis auf die Macht der Selbstwirksamkeit bei Alltäglichkeiten und Wundern.

Hier entlang zum Buch und zur Leseprobe auf der Verlagswebseite:

Der Nachtgärtner


Die Autoren und Illustratoren:

»Eric Fan ist ein Künstler und Schriftsteller, der in Toronto, Kanada, lebt. Er studierte Illustration, Bildhauerei und Film am Ontario College of Art and Design. Er hat ein ausgesprochenes Faible für mechanische Uhrwerke und unmögliche Träume.«
Mehr auf: http://www.krop.com/opifan64/

»Terry Fan hat am Ontario College of Art and Design in Toronto, Kanada, seine Ausbildung erhalten. Seine Kunst ist eine Mischung aus traditionellen Tusche- oder Graphitzeichnungen und digitaler Technik. Er verbringt seine Tage und Nächte damit, magische Illustrationen zu kreieren.« Mehr auf: http://www.krop.com/terryfan/#/

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65 Kommentare zu “Der Nachtgärtner

  1. Seufz, wieder so ein zauberhaftes Buch in Wort und Bild und von dir so wunderbar beschrieben. Die Einladung zum Träumen, zum phantasievollen Sehen, die Natur, die die Menschen glücklich macht…wie schön ! Und wie hier schon erwähnt wurde: dein Händchen für diese traumhaften Bücher !!! Aber feengeeignete Bücher müssen ja ihren Weg zur Bücherfee finden 🙂 Ich werde mir die Bäume jetzt auch noch mal genauer ansehen. Wer weiß, was der Nachtgärtner hier schon alles hinterlassen hat ?! Auch wenn er schon William hat, kann er sicher an allen Orten der Welt weitere Helfer gebrauchen. Ich pack schon mal meinen Brotbeutel für heute Nacht 🙂 Herzensgrüße von Almuth

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    • Danke für Deine großzügigen Komplimente, liebe Almuth!
      Es freut mich, daß Du Dich so gut und gedankenspielvergnügt auf die Geschichte des Nachtgärtners einläßt… 🙂
      Herzensgrüße von mir zu Dir
      Ulrike

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      • Der Nachtgärtner kommt mir irgendwie sehr entgegen 🙂 Besonders mit seinen kreativ-phantasievollen Baum“haar“schnitten 😉 Ein leises Blätterweben von mir zu dir, Almuth

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  2. Liebste Ulrike, ich sehe das natürlich genauso wie alle meine Vorkommentatoren, Du hast wieder ein wunderbares Buch gefunden. Was mir besonders gefällt, dass dieses verträumte Kind ein Junge ist.
    Es gab bisher kein Buch, dass mir missfallen hätte (manches wäre mir vielleicht gefährlich geworden mit all den Kräutern und so ;-)) Baumkronengrüße von mir zu DIr…..ich schaue mir übrigens seit Tagen Bäume genau an !

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    • Liebstes Sternchen,
      es freut mich sehr, daß wir eine solch harmonische Buchbeziehung pflegen!
      Verträumte Jungs sind eine feine Angelegenheit – im Bilderbuch und auch in Wirklichkeit. Ich kenne da sogar noch einige erwachsene Exemplare … 🙂
      Ich habe heute einen sonnigen Schneespaziergang zu meiner alten Lieblingsbuche unternommen und lange zu ihr aufgeschaut. Dabei habe ich zwei Vogelnester entdeckt, die im Sommer unsichtbar waren.
      Naturverbundene Grüße von mir zu Dir!

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  3. Dieser Nachtgärtner hat’s mir angetan! Einerseits durch Deine mitreißende Vorstellung des Buchs und dann durch seine Poesie des Gartenschnitts!!! Das erinnert nicht an Versailles und Parks, sondern entstammt echt dem Reich der Phantasie! Ich bin überzeugt, er kann vom Schneiden nicht lassen, wird noch so manchen mit seinem Schnitt und seinem Lächeln anstecken, und hat noch so manche Schere zu verschenken! 🙂 Liebe Grüße, Petra

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    • Liebe Petra,
      hab‘ Dank für Deinen engagierten und lobreichen Kommentar!
      Ich interpretiere den Nachtgärtner so, daß es weniger darum geht, Bäume tatsächlich gärtnerisch zu beschneiden, sondern darum, mehr als das Offensichtliche zu sehen und die Phantasie wohltuend WACHSEN zu lassen. :mrgreen:

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  4. „Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ist dies ein lobenswerter und schöner Hinweis auf die Macht der Selbstwirksamkeit bei Alltäglichkeiten und Wundern.“
    … WENN AUCH die Verschnipselung der BÄUME die Ausnahme bleiben dürfte, zum GLÜCK wohl auch bleiben wird, denn die BÄUME haben jeder seine erhabene AUTHENTIZITÄT und die ist WUNDER-schön.
    Bleibt ja noch HOLZ: vom Meer angeschwemmtes, vom BAUM herabgefallenes oder andere Materialien wie BLÄTTER, MOOS, ZWEIGLEIN und auch weggeworfenes in der UMWELT.

    DANKE und GRÜSSE von LUISE

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  5. Liebe Ulrike,

    was für ein schöner, feinsinniger Beitrag zu diesem sehr besonderen Bilderbuch. Ich werd es mir bestellen, eine Weile nicht mehr hergeben und dann an meinen Enkel verschenken. Der ist 5 – und ich mag ohne Anlass-Geschenke eh am liebsten.

    Alles andere zu Deinem schönen Text und zum Buch wurde bereits in den anderen Kommentaren gesagt und ich erspare Dir die Redundanz und mir weiteres mühsames Tippen.

    Ganz liebe Grüße
    Kai

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    • Lieber Kai,
      es freut mich sehr, daß Du wieder soweit auf dem Damm bist, daß Du Deine Kommentarstimme erklingen lassen kannst.
      Anlaßfreie Geschenke sind ebenfalls ganz nach meinem Gusto – sowohl als Gebende wie als Empfangende.
      Ich danke Dir für Deine geneigte Aufmerksamkeit und Dein reges Interesse an diesem besonderen Bilderbuch.
      Herzensgruß von mir zu Dir

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  6. Eine zu schöne Geschichte für die Kleineren und vielleicht auch schon größeren, die so gerne mehr Lachen und Lächeln in den Gesichtern der Erwachsenen sehen möchten.

    Diesen Nachtgärtner würde ich zu gerne mal auf seinen Verschönerungsgängen begleiten *lächel*, aber er hat ja nun schon William

    Herzlichst Bruni

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  7. … „Ich pflanze ein Lächeln“… das trifft auf dich so was von zu Ulrike… dieses Buch trifft das nachteulige Blumenmädchen in’s Buchseitenmark der Fantasie… verträumte Vollmondgrüsse an eine Bücherfeenkönigin!!!

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  8. Oh, das klingt nach einem wunderschönen Bilderbuch – einladend zum Träumen…
    Und sehr schön von dir beschrieben, liest sich selbst schon als schöne Geschichte. Schreibst du eigentlich auch, also nicht nur hier auf dem Blog? Geschichten meine ich?

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    • Schön, daß Dich meine Empfehlung so traumhaft anspricht.
      Danke für Deinen Lesebesuch und Deine Wertschätzung meines Schreibstils!
      Ich werde in Kommentaren immer wieder danach gefragt, ob ich auch „eigene“ Geschichten schreibe. Bisher NOCH nicht … es gibt da einige Geschichtenkeime, aus denen etwas wachsen könnte. Das ginge dann wahrscheinlich in Richtung naturpoetisch-märchenhaftes Kinderbuch.

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  9. Dein feines Händchen für die Auswahl dieser zauberhaften Literatur ist genauso wichtig wie deine liebevollen Beschreibungen der Inhalte. Ich finde die Idee Bäume in Tiere zu verwandeln einfach magisch gut und ist toll für die Fantasie von Kindern und Erwachsenen die mit offenen Augen durch die Natur gehen! Danke liebe Ulrike ❤

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    • Lieber Arno,
      ich danke Dir für Dein fein kombiniertes Kompliment zu meiner Bilderbuchbesprechung.
      Bücher, welche die Fantasie und eine vielschichtigere Wahrnehmung fördern, anregen und beiSPIELhaft „vorleben“, gehören für mich zuverlässig zu einer gelungenen Herzensbildung! 🙂

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  10. Bereits das Cover ist ja phänomenal (und auf der Gewebeseite des Verlags gibt’s das erst noch als Download in prima Qualität). Erstens die wunderschön gezeichnete Baum-Eule. Und überhaupt diese kühl-herzerwärmende Stimmung. Und unsere Bücherfee hat natürlich, passend, auf den Vollmond gewartet, um diese Rezension zu veröffentlichen. 🙂
    Nun muss ich zwar einräumen, dass ich mich für solche in Form geschnittenen Bäumchen und Büsche, wie man sie oft in Parks sieht, nie wirklich begeistern konnte. Aber das ist ja hier nicht der Punkt. Hier geht es ja darum, mit Phantasie und dem Willen, etwas zu verändern, aus Trostlosigkeit Freude zu zaubern. Und dass dieses Vorgehen nachhaltig wirkt und die äußerlich herbeigeführten Änderungen überdauert, setzt dieser schönen Geschichte die Krone auf. Spontan fällt mir dazu der Titel eines Buchs von Thich Nhat Hanh ein: «Ich pflanze ein Lächeln.» Und ich bin mir sicher, dass mit diesem wunderbaren Buch mehr als nur ein Lächeln „gepflanzt“ wird. Und zwar kein oberflächliches Totenkopfgrinsen, sondern Herzenslächeln. In diesem Sinne: Herzensdank, liebe Bücherfee, für eine weitere wundervolle Bücherentdeckung. 🙂

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  11. Liebe Ulrike,
    vielen Dank für eine wieder einmal gute Buchauswahl und tolle Besprechung! Ich hatte das Buch auf meiner Merkliste, hatte bislang aber nie eine Möglichkeit, selbst einen Blick hinein zu werfen oder mehr darüber zu erfahren. Nun weiß ich, dass mir hier eine sehr außergewöhnliche Geschichte bevorsteht – wie so oft beim wundervollen Verlagshaus Jacoby & Stuart. 🙂

    Viele Grüße
    Kathrin

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    • Liebe Kathrin,
      vielen Dank für Dein lebhaftes Interesse und Deine Begeisterung.
      Das Verlagshaus Jacoby & Stuart verfügt über einen guten Riecher für außergewöhnliche Bücher, das finde ich auch.
      Ich hatte letztes Jahr im Mai auf der Pressebörse im Literaturhaus Köln die Gelegenheit gehabt, mir das Bilderbuch schon vorab anzusehen, und obwohl es gewiß nicht das einzige attraktive Bilderbuch war, hatte es sich mir unvergeßlich eingeprägt.
      Bibliophile Grüße von
      Ulrike

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