Die wundersamen Abenteuer von Pippa Katzenöhrchen

  • von Martine Glaser
  • mit Bildern von Eline van Lindenhuizen
  • aus dem Niederländischen von Meike Blatnik
  • Gerstenberg Verlag Januar 2016     http://www.gerstenberg-verlag.de
  • Format: 16 x 21,5 cm
  • gebunden
  • 240 Seiten
  • 14,95 e (D), 15,40 € (A), 19,40 sFr.
  • ISBN 978-3-8369-5891-2
  • ab 8 Jahren zum Selbsterlesen
  • ab 5 Jahren zum Vorlesen
    Die wundersamen Abenteuer von Pippa Katzenöhrchen

ZAUBERGLÜCK  UND  ZAUBERPECH

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Einzigartigkeit spielt in diesem Kinderbuch eine wichtige Rolle. Das kleine Mädchen Pippa hat ganz besondere Ohren: Sie laufen spitz zu wie bei einer Katze, und sie haben einen feinen Haarflaum. Ihre Eltern haben Pippa deshalb direkt nach der Geburt den Kosenamen Pippa Katzenöhrchen gegeben.

Als Pippa nach der Einschulung von einigen Kindern wegen ihrer Ohren aufgezogen wird, stellt sie sich nach einer Phase der Verunsicherung vor den Spiegel, betrachtet ihre Ohren von allen Seiten und sagt sich selbstbewußt: „Ich bin Pippa Katzenöhrchen und mich gibt es nur einmal: Alle blöden Quälgeister können mir mal den Buckel runterrutschen.“ (Seite 8)

Eines Tages langweilt sich Pippa; ihre Mutter ist konzentriert damit beschäftigt, einen Tisch anzustreichen, und Pippa bequengelt sie damit, doch bitte mit ihr den Jahrmarkt zu besuchen. Die Mutter weist darauf hin, daß sie viel zu tun habe, und Pippa weist darauf hin, daß sie mit ihren Katzenöhrchen schon die ganze Zeit die fröhliche Musik höre und unbedingt zum Jahrmarkt müsse. Genervt sagt die Mutter, daß sie sich wünsche, Pippas Öhrchen würden verschwinden.

Zu beider Schrecken erfüllt sich dieser Wunsch augenblicklich. Während ihre Mutter erschüttert mit dem herbeigerufenen und ratlosen Doktor spricht, schwingt sich Pippa wütend auf ihr Fahrrad, um sich auf die Suche nach ihren Ohren zu machen. Denn ohne ihre Katzenöhrchen fehlt ihr ein wesentliches Element ihres Selbstverständnisses.

Sie begegnet einem Zauberer, Magister Hippolytus Weißlein, der sich nach einem Zauberunfall den eigenen Körper weggezaubert hat, und hilft ihm pfiffig dabei, sich wieder an den Zauberspruchversprecher zu erinnern und den richtigen Umkehrzauber-spruch zu finden. Nur Pippas Ohren kann der Zauberer nicht wieder herbeizaubern. Magister Weißlein schenkt Pippa zum Abschied und als Dank für ihre Hilfe fünf Zauberkraft-Pillen, die sie beim erfolgreichen Bestehen der folgenden Abenteuer unterstützen.

Pippa lernt sprechende Schlangen kennen, die es gar nicht seltsam finden, daß sie keine Ohren hat, denn Schlangen haben auch keine Ohren und kommen gut damit zurecht.

Nach einer Flugreise – dank Zauberflugpille – muß Pippa auf dem Boot von Hermann dem Rächer notlanden. Hermann will Wale vor Walfängern retten, und Pippa hilft ihm gerne und tatkräftig dabei. Anschließend transportiert Hermann Pippa zur nächsten Hafenstadt und teilt sein letztes bißchen Geld mit ihr.

In der fremden Stadt muß sich Pippa alleine durchschlagen; sie trifft auf einige wenig vertrauenerweckende Menschen, und ihre Sehnsucht nach der Geborgenheit ihres Zuhauses wird immer größer.

Als sie schon ganz verzweifelt ist und nicht weiß, wo sie nachts schlafen soll, begegnet sie einem freundlichen Jungen namens Pablo, der sie mit zu sich nach Hause nimmt. Sie teilt sich ein Bett mit Pablos Schwester, und beim Frühstück lernt Pippa Pablos Mutter und seine sieben Geschwister kennen. Pablos Vater malt wunderschöne Bilder, aber er ist ein unbekannter Künstler, und die Familie ist arm. Doch Pippa gelingt es, zusammen mit Pablo und dank einiger glücklicher Zufälle, dem unbekannten Maler zu sensationeller Bekanntheit zu verhelfen.

Bereichert um ermutigende Lebenserfahrungen und neue Freundschaften, kehrt Pippa schließlich glücklich nach Hause zurück. Und die Ohren? Nun, soviel sei hier verraten: die Katzenöhrchen kommen auch wieder zurück.

Denn, wie Magister Weißlein raten würde: „Alles, was du brauchst, trägst du bereits bei dir. Die besten Lösungen kommen von innen, nicht von außen.“ (Seite 63)

Die Autorin, Martine Glaser, erzählt Pippas Geschichte in einfacher, eingängiger und schelmisch-witziger Sprache, und die zahlreichen, begleitenden Schwarz-weiß-Zeichnungen von Eline van Lindenhuizen geben die jeweilige Handlung angemessen wieder.

Ich konnte indes beim Lesen mit Pippa nicht richtig warm werden. Die emotionale Ebene und die Figurenzeichnung bleiben – für mein Empfinden – zu oberflächlich, und auch der Handlungsverlauf erscheint mir zu konstruiert; selbst die durchaus phantasievollen Details wirken auf mich in ihrer Darstellungsweise seltsam nüchtern und unterkühlt. Die sehr direkte Artikulation aller Emotionen, dieses sofortige Stimmungsausplaudern, ohne daß zuvor zwischen den Zeilen erzählerisch eine Stimmung erzeugt wurde, verhindern genau die zauberhaften Erzählnuancen, die der Geschichte märchenhaftes Herzblut eingeflößt hätten.

Für mich ist „Die wundersamen Abenteuer von Pippa Katzenöhrchen“ kein Herzensbuch, sondern einfach nur ein nettes Buch.

 

Die Autorin:

»Martine Glaser wollte eigentlich Malerin werden. Ein Ferienjob nach ihrem Kunststudium bescherte ihr jedoch eine Anstellung im sozialen Wohnungsbau. Hier war sie bis 2007 tätig, zuletzt in leitender Funktion. Seitdem arbeitet sie freiberuflich als Schriftstellerin für Kinder und Jugendliche und als Journalistin für verschiedene Radiosender und Magazine. Die wundersamen Abenteuer von Pippa Katzenöhrchen ist ihr erstes Buch, das auf Deutsch erscheint.»

Die Illustratorin:

»Eline van Lindenhuizen, geboren 1983 in Meppeln, lebt in Kampen. Nach einem Illustrationsstudium an der Minerva Academy in Groningen arbeitet sei als freie Illustratorin. Neben Zeichnen und Malen liebt sie Bücher und Flohmärkte.

Die Übersetzerin:

«Meike Blatnik, geboren 1974, studierte Neuere deutsche Literatur und Philosophie in Berlin. Seit Studienende arbeitet sie in der Presseabteilung eines Berliner Verlages und übersetzt vornehmlich Kinder- und Jugendbücher aus dem Niederländischen.«

 

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34 Kommentare zu “Die wundersamen Abenteuer von Pippa Katzenöhrchen

  1. Liebe Ulrike,
    Ich habe meiner Enkelin gestern von Pippa Katzenöhrchen erzählt in abgewandelter Form (konnte mich nicht an alle Details erinnern, ausserdem ging es um Geschichten ausdenken und erzählen) und sie war völlig von der Geschichte fasziniert. Erst solche Ohren zu haben, geärgert zu werden, sie los zu sein und sie am Ende wieder haben zu wollen und zu bekommen. Ich fand meine anderen erzählten Geschichten sehr viel schöner, aber diese kuscheligen Öhrchen gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf….Ich war sehr erstaunt ……vielleicht erleben die Kinder die Geschichte anders, nur mal so als Feedback einer 5 jährigen ;-)) Allerliebste Grüße, Ann

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    • Liebe Ann,
      die Katzenöhrchen waren das Element, welches mich als Idee fasziniert hat. Aber die Art und Weise der geschriebenen Umsetzung wurde diesem märchenhaften „Versprechen“ meiner Ansicht und Leseerfahrung nach nicht gerecht.
      Gleichwohl mag dies in den Ohren Deiner Enkelin und in Worten aus Deinem Mund ohnehin noch eine ganz andere Qualität haben.
      Ich danke Dir für Deine Buchbesprechungs-Nacherzähltestlesungen … 🙂

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  2. ach, das ist ja interessant, liebe Ulrike.

    Du hast das Gefühl, der wundersamen Geschichte mit den Katzenöhrchen fehle es ein klein wenig an Tiefe?
    Zu konstruiert würde bedeuten, daß hier krampfhaft nach einem kindgerechten verzauberten Thema gesucht wurde, das dementsprechend auch umgesetzt ist.
    Hm, da würde jetzt nur selbst lesen helfen, sich versuchen, ein eigenes Bild zu machen, oder aber, es das Enkelchen tun zu lassen *lächel*

    Mal sehen, ich überlege noch.

    Liebe Grüße in die Nacht von Bruni

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  3. Vielen Dank für deine aussagekräftige Rezension, liebe Ulrike. Schon beim Lesen dachte ich: Nein, das ist nichts für meine Sammlung geliebter Bilderbücher – zu viel, zu konstruiert, zu wenig angefüllt… Und dann las ich deinen letzten Absatz. 😉

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  4. Na dann such‘ ich mir mal ein anderes Buch zum Vorlesen…. Gefühle benennen („wütend, fröhlich,…“) ist bei Büchern für 3 jährige ganz schön aber so langsam möchte ich was vorlesen, was auch für mich stimmig ist. Und da würde ich vermutlich mich auch daran stoßen, wenn die Stimmungen und ihre Grundlagen nicht beschrieben werden.
    Wie immer eine wunderbar geschriebene Rezension mit einer gern beachteten Lese-Warnung!
    Bücherfreundschaftlichen Gruß von
    Anja

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  5. hmmm, liebe Ulrike…..Deine Rezension war aber so spannend geschrieben, dass ich im ersten Moment ganz verwirrt war, mir gefiel die Idee…und jetzt nicht mehr 😉 Du musst wirklich nicht bei jeder Rezension einen Freudentanz aufführen, es reicht, wenn ich das mache 😉 Allerliebste Grüße, Ann

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    • Liebe Ann,
      mir ging es mit der Lektüre so ähnlich: Mir gefiel die Idee, aber die Ausführung und die „Gefühlssprache“ gefielen mir deutlich weniger. Und dies wollte und konnte ich hier nicht verschweigen.

      Könnte ich bitte eine Filmaufnahme von einem Deiner Rezensions-Freudentänze bekommen? 😉

      Herzensgruß von mir zu Dir ❤

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      • Liebste Ulrike, vielleicht lag es auch an der Übersetzung, wer weiss…..irgendwann zeige ich Dir den Tanz…..aber alle Varianten habe ich noch nicht durch!……..Allerliebste Grüße direkt aus der Mitte meines Herzens….zack…❤

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  6. Huch! Verschwundene Katzenöhrchen. Mir stockt der Atem. Das Herz steht still. Kalter Schweiß rauscht mir in eisigen Sturzbächen den Buckel hinunter. Der Gast will sich mit Grausen wenden…
    Nichtsdestotrotz war es ein Genuss, diese Rezension zu lesen. Ein sehr lebendiges Bild mit viel fein instrumentierter Sprachmusik. Mir gefallen die Ideen dieses Buches ausgesprochen gut. Und dank dem Hinweis auf den tendenziell ‚gefriergetrockneten’ Erzählstil können potentielle Leserinnen und Leser, denke ich, sehr gut abschätzen, ob sie mit dieser Betriebstemperatur was anfangen können.

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    • Die Ideen gefielen mir auch gut, aber dem Erzählton ist es nicht gelungen, sich in mein Herz zu schreiben.
      Irgendwie spricht dieses Buch nicht meine Sprache.
      Gleichwohl vertraue ich auf die Souveränität meines Publikums, sich trotz meiner subjektiven Einwände, auf dieses Buch einzulassen, wenn es sich davon angesprochen fühlt.

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    • Ich meinte das durchaus ernst, auch wenn es nach deiner Einschränkung (Sprachstil und generell Erzählweise) nicht so scheint. Die Geschichte, so wie du sie beschrieben hast, lockt dennoch. Vielleicht jetzt gerade, um selbst zu empfinden, wie und warum sich Geschichte und Erzählweise so haarsträubend in die Quere kommen.

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      • Liebe Michèle,
        das wird gewiß ein interessanter Leseversuch, und ich bin gespannt, wie es auf Dich wirken wird.
        Ich rate ja auch garnicht von diesem Buche ab …

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  7. Aber Deine Rezension zu lesen, war wieder ein wahrer Genuss, wenn auch das Buch kein Herzensbuch ist. Aber es muss schließlich auch solche geben, um das Wertvolle eines Herzensbuches richtig genießen zu können. Vielen Dank.

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    • Das ist eine ausgewogene Betrachtungsweise, die ich teile.
      Es darf Abstufungen und Schattierungen geben, und ich muß nicht bei jeder Besprechung einen Freudentanz aufführen.
      Danke für Deine aufmerksame Resonanz, liebe Belana Hermine.

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    • Nun, meine Bewertung ist natürlich unbestechlich subjektiv.
      Da wir einen ähnlichen oder jedenfalls einen harmonierenden „Bücherherzensgeschmack“ haben, paßt es schon.
      Danke für Deinen Lesebesuch, liebe Wanja, und ebenso sonnige Grüße von mir zu Dir! 🙂

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      • Ja, das ist wahr! Ich vertraue Dir da einfach voll und ganz :))). Es ist einfach eine Gefühlssache und ich freue mich immer, bei Deinem Blog wie auf einen Besuch bei Dir vorbeizukommen und freundschaftliche Verbundenheit zu spüren:). Einen entspannten Abend!

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!