Meisterfälscher

KÄFER   KIND   UND   KUNST                                                    

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Marvin der Künstlerkäfer und James das Wohlstandsscheidungskind leben zusammen in einer Wohnung in NY. Also James wohnt mit seiner Mutter Mrs. Pompaday  und ihrem zweiten Ehemann in der Wohnung, und Marvin wohnt mit seiner liebevollen Käfergroßfamilie in einer feuchten Ecke im Schrank unter der Spüle in einer Wandaushöhlung.

James ist bei den Käfern sehr beliebt, weil er sie nicht jagt und auch nicht verpfeift, obwohl er sie gelegentlich bei ihren Nahrungssammelaktionen beobachtet. Zum 11. Geburtstag bekommt er von seinem Vater ein Tuschemalset geschenkt.

Die Käfer beschließen, James auch ein kleines Geschenk zu überlassen, und wählen aus ihrer Schatzkiste eine besondere 5-Cent-Münze aus, die Marvin nachts an exponierter Stelle im James‘ Kinderzimmer plaziert. Neugierig klettert der Käfer auf den Schreibtisch und findet dort das geöffnete Tintenfäßchen und Papier.

Der vorwitzige Krabbler tunkt zwei seiner Vorderbeinchen in die Tinte und zeichnet die Straßenszene, die er beim Blick aus dem Fenster sieht. Völlig selbstvergesssen vollendet er ein sehr feines, detailreiches und präzises Bild und wird von James dabei entdeckt. James ist total begeistert und entzückt von Marvins Kunstwerk, und die beiden freunden sich an.

Als Mrs. Pompaday das Bild sieht, denkt sie, ihr Sohn hätte es gemalt, überschüttet ihn mit der zuvor entbehrten Aufmerksamkeit und veranstaltet ein großes Tamtam um die außerordentliche künstlerische Begabung ihres Sohnes.

Da die feinstrichelige Zeichnung an Dürers Miniaturzeichnungen erinnert, erlaubt sie, daß James mit seinem Vater ins Metropolitan Museum geht, um einer Dürerspezialistin vorgeführt zu werden. Er soll nun eine Kopie einer Dürerzeichnung anfertigen, die dazu dienen soll, einen vom FBI fingierten Kunstraub zu inszenieren.

Dazu soll die Fälschung mit einem Mikrochip versehen werden, um den illegalen Sammler aufzuspüren, der sich bereits andere Düreroriginale auf illegalem Wege beschafft hat.

James und Marvin arbeiten gut zusammen, die Kopie wird perfekt, und James bekommt soviel Lob und Anerkennung wie noch nie. Allerdings hat er kein gutes Gefühl dabei, weil er sich bewußt ist, nicht um seiner selbst willen beachtet zu werden. Als seine Mutter die erste Zeichnung von Marvin für 4000,– Dollar verkaufen will, gibt es Käferknatsch.

Und dann geht Marvin auch noch im Museum verloren, und die Ereignisse überstürzen sich. Statt der Fälschung wird das Original entwendet, nur Marvin ist Zeuge und hat für so kurze Beinchen viel zu leisten, um die Angelegenheit aufzuklären. Aber der Käfer weiß sich sehr klug und kreativ zu helfen, und zusammen mit James gelingt die Rettung des Originals.

Nebenbei bricht sich James noch den Arm und hat so eine glaubwürdige Erklärung für das plötzliche Schwinden seines Talents.

Schließlich bekommt Marvins Straßenszenenzeichnung, hübsch gerahmt, einen Ehrenplatz im Kinderzimmer, und James organisiert für seinen  besten Freund Malutensilien in Käferformat.

Und „Beim Skarabäus! “ –  sowohl Menschenkind wie Käferkind haben viel über die Kunst der Freundschaft gelernt.

Marvin sah zu James auf. Er wurde erfüllt von der warmen Welle eines Gefühls, das er bisher noch nicht kannte. Es war mehr als Glück. Mehr als Zuneigung und Dankbarkeit. Es war etwas Tieferes. Es war das Gefühl, genau für das angesehen und geliebt zu werden, was man war.(Seite 310)

 

Die Autorin:

»Elise Broach, geboren 1960, wuchs in den Vereinigten Staaten von Amerika und England auf und studierte Geschichte in Yale. Schon ihr erstes Kinderbuch Shakespear’s Secret, wurde ein großer Erfolg und unter anderem für den Edgar Allen Poe Award nominiert.
»Meisterfälscher« wurde von der amerikanischen Buchbranchen-Zeitschrift Publisher’s Weekly als eines der besten Kinderbücher 2008 empfohlen.«

Querverweis:

Dieses insektophile Kinderbuch ergänzt sich gut mit den Abenteuern des kleinen, silberfischigen Helden „Hugo, streck die Fühler aus“ von Lena Avanzini : https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/08/14/hugo-streck-die-fuehler-aus/
und mit den Bewährungsproben eines tapferen Bombardierkäfermädchens:

Das Supertalentier


sowie mit den bemerkenswerten Abenteuern eines Marienkäfers in der 3D-Bilderbuchinszenierung auf 2D-Papier „Louis, Lotte und das Licht“: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/08/17/louis-lotte-und-das-licht/

 

48 Kommentare zu “Meisterfälscher

  1. *lach* und ich dachte schon, als ich nur diesen Titel las, ach, Ulrike stellt ein Buch über diese berühmten Fälscher vor, die ich insgeheim so sehr bewundere, aber weit gefehlt, es handelt sich um ein zaubersüßes Kinderbuch, in dem es um eine ungewöhnliche und ungewöhlich liebenswerte Freundschaft geht – zwischen Menschenkind und Käferkind.
    Und das ganze in eine bestimmt sehr spannende Handlung eingebunden.
    Klingt toll und ist ganz bestimmt auch toll für Erwachsene zu lesen. Ich darf ja, denn ich bin schon mehr als 10 Lenze jung *g*

    Herzliche Strahlegrüße aus dem Regen von Bruni

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    • *mitlach*
      Da haben wir etwas gemeinsam, liebe Bruni.
      Ich bewundere die Kunstfälscher auch „unheimlich“! Kennst Du den interessanten Film über Wolfgang Beltracchi „Die Kunst der Fälschung“?
      Ich bin ehrlich hingerissen …

      Zurück zu Elise Broachs Meisterfälscher, in dem die Kunst der Freundschaft kultiviert und auch noch – äußerst spannend – ein Kunstdiebstahl aufgeklärt wird.
      Ich hatte viel Herzensfreude an dieser Lektüre.
      Herzliche und ebenfalls regentropfige Grüße
      Ulrike

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      • ja, ich kenne ihn. Hingerissen ist der richtige Ausdruck. Ein Könner, ein genialer Mann.
        Wer schafft so etwas? Nur einer, der kann, wirklich kann und um alle die winzigsten Kleinigkeiten weiß, auf die es ankommt! Einer, der die Gier nutzte und sie alle an der Nase herumführte.

        Liebe Gutenachtgrüße von Bruni

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  2. Ach, einen solch süßen Käfer müsste man haben! Der einem geschäftig die Bilder malt, für die man dann nur noch das Lob zu ernten braucht. Ob diese Heinzelmännchen-Käferart wohl bei Amazon auf Lager ist? Ich nehme notfalls auch ein gebrauchtes Exemplar.

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  3. Hallo.
    Wirklich toll, was Du so alles für uns ausgräbst. – Als Augenmensch, der ich bin, war ich durch das Buchcover neugierig geworden, weil ich diese Art von Illustration mag. Die Inhaltsangabe hat mir dann noch mehr gefallen. 😉 Vielleicht…

    Ich „liebe“ ja das „Intellektuelle“; das steht bei mir immer auf so einem „Altar“, daß ich nur ja nicht…Und solche Bücher, wie dieses, sind mir eben sehr viel näher. 😉

    Liebe Grüße,
    Frank

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  4. Ein unverfälschtes Meisterwerk hat die Bücherfee gewiss wieder für uns ausgegraben. Der Ausdruck ‚Fälscher‘ weckt zwar Gedanken an gemeines Getier. Aber dieser Verdacht wird sehr bald in sanften Schlummer gewiegt. Irgendwie ist eine Verwandlung erkennbar – eine kafkaeske Stimmung scheint aber nicht zu herrschen. Schaut nach einer phantasiereich-skurrilen Geschichte aus. Aberwitzig, aber witzig. Nicht nur im Sinne von lustig, sondern gewitzt mit einer nicht moralinsauren Moral verbunden. Sehr schön. 🙂
    Käferkrabbelige Kutenachtgrüße 😉

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  5. Käferknatsch………allein für dieses Wort lohnt es sich schon ! Ich habe auch oft beobachtet, dass Kinderfreundschaften oft nicht ausgeglichen sind, ich denke, ein solches Buch macht nachdenklich und bringt Kinder zum Reflektieren, wenn man sie ordentlich mit der Nase draufbringt 😉 Und wieder hast Du ein wundervolles Buch gefunden, liebe Ulrike……Käferknatschlose Grüße, Ann

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    • Liebe Ann,
      ich mag Alliterationen sehr und Käferknatsch bot sich einfach an.
      „Meisterfälscher“ ist ein erfreulich musisches, zwischen(käfer)menschliches und durchaus detektivisch-spannendes Kinderbuch.
      Ebenfalls käferunknatschige Grüße von Ulrike

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      • ich wusste immer schon, dass Sprache lebt, aber bei Dir macht sie Luftspruenge, Salti…Seifenblasen….irgendwann werden Deine Wortschoepfungen Allgemeingut und in vielen Jahren werden Sprachwissenschaftler den Ursprung suchen, warum die deutsche Sprache ihre Kaelte verloren hat……und wir alle hier koennen sagen. ..wir wissen es… wir waren dabei! …….;-) und kein bisschen kaeferknatschig!

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      • Ein solches Riesenlob muß ich mir erst mal genüßlich auf der Zunge zergehen lassen. Hmmm … köstlich!
        Die besondere Ironie des Schicksals ist dabei, daß ich herkunftsfamiliär einen komplett, hundertprozentigen sogenannten „Migrationshintergrund“ habe.
        Es wäre mir eine Ehre, an der Herzenserwärmung der Deutschen Sprache mitzuwirken.
        Beflügelte Grüße 🙂

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      • Ich kann das ganze Migrationsgedöns nicht so nachvollziehen, bin ich doch eine lebende Migrantin und habe mehr in meinem Leben ausserhalb Deutschlands gelebt als in Deutschland………an Dir erkennt man doch, wie toll Migrationshintergrund sein kann…..keiner spielt hier besser mit der deutschen Sprache als Du….ich glaube schon, dass Du Einfluss auf die deutsche Sprache durch Deine Beiträge hast! Migrationserprobte Grüße an meine Lieblingssprachspielerin, Ann

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  6. Hallo Ulrike!

    Vielen Dank für deine Rezension! Mir war das Buch noch gänzlich unbekannt, was schade ist, denn es klingt nach einer sehr aufregenden, amüsanten, aber auch lehrreichen Geschichte. Großartig! Auf jeden Fall eine sehr außergewöhnliche Geschichte mit einzigartigen Protagonisten. Die Lust zum Lesen hast du geweckt!

    Viele Grüße
    Kathrin

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    • Danke für Dein lebhaftes Interesse, liebe Kathrin.
      Deine kommentarliche Bucheinschätzung kann ich nur bestätigen.
      Ich fische mir oft „Außenseiter“ aus dem Büchermeer und gebe ihnen gerne eine Bühne auf meiner Webseite.
      Abengruß von mir zu Dir

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Sie dürfen gerne ein Wörtchen mitreden, wenn's konveniert!