Thomas Mann: Die große Originalton-Edition

  • Hörbuch
  • LESUNGEN, Reden, Vorträge
  • Sprecher: Thomas Mann
  • Produktion: RRG 1932/SRF, 1952,
  • 1954-1955/SDR, heute SWR,
  • 1950, 1953-1954/ Erika Mann 1950/NWDR, heute NDR,
  • 1953,1955/Deutschlandsender 1954/
  • HR 2001/BR 2003/
  • BBC 1941-1945
  • 17 CDs
  • Gesamtlaufzeit 17 Stunden, 10 Minuten
  • 49,99 € (D), 69,90 sFr.
  • der Hörverlag Mai 2015            www.hoerverlag.de
  • ISBN 978-3-8445-1740-8

    Die grosse Originalton-Edition von Thomas Mann

    Die grosse Originalton-Edition von Thomas Mann

EIN BILDUNGSVERGNÜGLICHER THOMAS-MANN- SCHNUPPERKURS

Hörbuchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Thomas Manns bewundernswerte und genüßliche Sprachbeherrschung zeigt sich nicht nur im schriftlichen Werke, sondern ebenso in seiner Vorlesekunst. Ob er aus seinen Romanen liest, von seinem schriftstellerischen Werdegang erzählt, literarische Vorbilder erwähnt, über Nietzsche philosophiert, seine Musikvorlieben erläutert, mahnende Radioappelle an das Deutsche Volk in Zeiten des Zweiten Weltkrieges verkündet, öffentliche Gespräche führt, Vorträge hält oder aus seinem Leben plaudert – stets ist seine Sprache geschliffen, elegant und harmonisch-wohlproportioniert und die Tonlage seiner Stimme dem Stoffe vollends angemessen.

Die vorliegende Edition enthält Leseauszüge aus folgenden Romanen und Erzählungen:
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Joseph und seine Brüder, Der Erwählte, Der Zauberberg und Doktor Faustus. Die Lesung des Tonio Kröger ist sogar vollständig – ein seltener Glücksfall, aufgenommen vier Monate vor Thomas Manns Tod im Jahre 1955. Die Vorträge (Nietzsches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung, Der Künstler und die Gesellschaft, Mein Wunschkonzert und Meine Zeit) werden vollständig wiedergegeben.

Eine Auswahl der 58 weitsichtigen BBC-Reden „Deutsche Hörer!“ 1941-1945, in denen Thomas Mann in nachdrücklichen Appellen die humanistische deutsche Geistestradition der faschistischen, nationalsozialistischen Barbarei gegenüberstellt und ausdrücklich die verschwiegenen Kriegsverbrechen benennt, zeigen ihn als überzeugten Europäer und Demokraten.

Zwei kurze Berichte der Thomas-Mann-Kinder Golo Mann und Erika Mann erzählen in ebenfalls druckreifem Stile von der häuslichen Ordnung, dem alltäglichen, familiären Tagesablauf und der sehr systematisch-produktiven väterlichen Schreib– und Lesedisziplin sowie seiner strengen Kunstauffassung, mit der sie groß geworden sind.

Eine zweistündige Radio-Dokumentation (HR 2001) des Mann-Kenners und Biographen Hermann Kurzke über Thomas Manns Leben und Werk rundet unser Rendezvous mit dem großen deutschen Erzähler des 20. Jahrhunderts kenntnisreich ab. Im Rahmen dieser Dokumentation hören wir einen bemerkenswerten Wahlaufruf von 1932, in dem Thomas Mann den Nationalsozialismus scharfsinnig analysiert, deutlich kritisiert und vor den belastenden und grausamen historischen, sozialen und psychologischen Folgen dieser aufkeimenden Diktatur warnt. Kein Wunder, daß Thomas Mann 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und seine Vermögenswerte beschlagnahmt wurden. Einer Verhaftung entging er nur, da er sich zu dieser Zeit bereits in der Schweiz aufhielt.1938 emigrierte Thomas Mann nach Amerika. Eine Ehrenprofessur der Library of Congress in Washington bot Thomas Mann Einkommen und Podium.

Als Thomas Mann 1955 in Zürich starb, war er immer noch amerikanischer Staatsbürger. Die junge Bundesrepublik Deutschland hatte sich noch nicht einmal darum bemüht, ihn als Staatsbürger wiederzugewinnen.

Die vorliegende Originalton-Edition bietet dem geneigten Hörer beispielhafte Stichproben und biographische Einblicke, die Thomas Manns Werk und Leben anschaulich skizzieren und sehr dazu einladen, wieder einmal eines oder mehrere seiner Bücher zu lesegenießen.

Was mir an Thomas Mann besonders gefällt, ist, daß er tatsächlich immer etwas zu sagen hat. Selbst wenn ich gelegentlich thematisch nicht übermäßig gefesselt war, verstand er es doch, stets mein Interesse zu wecken, alleine durch die Art, wie er es stilistisch und stimmlich darzustellen vermochte.

Thomas Mann zeigt sich in diesen Hördokumenten fürsorglich-humanistisch, konservativ-demokratisch, sympathisch-selbstironisch, schelmisch-selbstgefällig, behäbig und zugleich verschmitzt sowie immer wieder changierend zwischen bürgerlichem und künstlerischem Lebensbedürfnis und Schicksalsausdruck.

Das 41 Seiten umfassende, der CD-Box beigefügte Textheft ergänzt das Gehörte um Lebensdaten, kurze informative Werknotizen und biographische Erläuterungen.

Gerne habe ich dem alten Meister gelauscht und mich angesichts seines kultivierten Sprachvermögens verneigt.

So, und nun will ich einmal wieder auf Papierfühlung mit dem charmanten Schelm namens Felix Krull gehen, denn die Lesungen aus diesem Romane Thomas Manns haben mir am allervorzüglichsten gefallen.

 

Der Autor:

»Thomas Mann wurde 1875 als Sohn einer Kaufmanns- und Senatorenfamilie in Lübeck geboren. Ohne Abitur und abgeschlossene Ausbildung arbeitete er als Redakteur beim „Simplicissimus“, bevor ihm der Roman „Buddenbrooks“ (1901) und die Erzählung „Tonio Kröger“ (1903) ein Leben als Schriftsteller ermöglichten und ihn schon in jungen Jahren berühmt werden ließen. 1929 erhielt Thomas Mann den Nobelpreis für Literatur, vier Jahre später musste der Schriftsteller aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrieren. Von 1933 an lebte Thomas Mann im Exil, erst in der Schweiz, ab 1938 in den USA. Dort nahm er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1952 kehrte Thomas Mann in die Schweiz zurück, wo er 1955, kurz nachdem er zum Ehrenbürger der Stadt Lübeck ernannt wurde, in Kilchberg bei Zürich starb.«

Und hier gibt es eine Hörprobe:
http://www.randomhouse.de/Hoerbuch/Die-grosse-Originalton-Edition/Thomas-Mann/e472144.rhd

 

22 Kommentare zu “Thomas Mann: Die große Originalton-Edition

  1. Mann wurde ja nicht umsonst der Zauberer genannt. Ich habe seine Sprachmacht schon immer bewundert und auch wenn manche seiner Texte uns heute langatmig und angestaubt anmuten mögen, zeigt Mann doch, was unsere Sprache hergibt. Seine Haltung zu den Nazis – auch wenn er seine Zeit gebraucht hat, um sie zu finden – finde ich eindrucksvoll, auch wenn man da Arroganz heraushören will, dieses: „Wo ich bin ist Deutschland“ sprach den Barbaren eben das Recht ab, für Deutschland zu stehen.

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    • Ich schätze an Thomas Mann, daß er eine Liebesbeziehung zur deutschen Sprache pflegt und kultiviert und – wie Du bereits erwähntest – zeigt, was uns sprachlich möglich sein kann.
      Da ist mir ein bißchen altmodische Arroganz lieber, als diese moderne Anglizismenhörigkeit und die unzähligen Rechtschreibnachlässigkeiten.

      Gefällt 1 Person

    • Liebe Serpil,
      danke für die Ehre der Nominierung.
      Nach reiflicher Erwägung habe ich schon vor einiger Zeit für mich entschieden, daß mir der Kettenbriefaspekt der Blognominierungen nicht wirklich zusagt und deshalb mache ich einfach grundsätzlich nicht dabei mit.
      Außerdem “entblättere” ich mich auf meiner Seite “Über mich” bereits zur Genüge …
      Gleichwohl habe ich gerne Deine Antworten durchgelesen.
      Herzliche Grüße
      Ulrike von Leselebenszeichen

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  2. Der Thomas Mann war sicherlich ein großer Mann, aber auch ein überheblicher Mann mit einer großen Portion Arroganz versehen.

    Vor solchen Fällen der Gattung Mann habe ich mich ein Leben lang ferngehalten, egal wie wichtig für die internationale Literatur…

    …sicher ein tolles Weihnachtsgeschenk für Mann-Fans, ohne Zweifel!

    Liebe Morgengrüße vom Lu

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  3. Stimmt, ich würde ihm auch gern länger zuhören, obwohl mich die Hörprobe jetzt erst mal nicht so zum Jubeln brachte … doch, er kann vorlesen, ja, das ist ein Lob, aber spontan sympathisch ist mir die Stimme nicht. Dennoch danke fürs Drauf-Aufmerksam-Machen, ich werde mal schauen, was meine geliebten Bücherhallen dazu sagen.
    Liebe Grüße
    Christiane

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  4. Einiges von Thomas Manns Werk ist mir vertraut, allerdings habe ich ihn noch nie lesen hören. Dein Hörbuchvorschlag klingt nach einer guten Idee mal reinzuschnuppern ins vorgetragene Wort… Dank deiner ausführlichen Rezension weiß ich ja nun was mich erwartet… 😉

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  5. Liebe Ulrike,
    dss klingt ein bisschen wie ein Weihnachtsgeschenk. Ich persönlich habe ja so meine Schwierigkeiten mit Mann (!) und Werk. Aber wahrscheinlich kenn ich einfach immer noch nicht genug von ihm. Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, dass ich hörenderweise dochnoch einen Zugang zu ihm finde. Wobei mich spontan am meisten die BBC-Reden interessieren.
    Liebe Grüße
    Kai

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    • Lieber Kai,
      die BBC-Reden sind sehr hörenswert, zumal sie mit hinzumontierten nationalsozialistischen Propaganda-Reden abgewechselt werden. Allein der deutliche Unterschied in der Artikulationsweise spricht Bände FÜR Thomas Mann und seine Geisteshaltung.
      Seine Lesungen aus Felix Krull sind überaus heiter und selbstvergnüglich vorgetragen.
      Mit dieser Originalton-Edition erhält man jedenfalls einen facettenreichen akustischen „Einblick“.
      Herzlich grüßt
      Ulrike

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