Der Tigerbericht

  • übermittelt und erläutert von Shunryu Suzuki-roshi
  • aufgeschrieben und erzählt von Dietrich Wild
  • Bilder von Holde Wössner
  • Sheema Medien Verlag 2004   http://www.sheema-verlag.de
  • illustrierte Buchausgabe, gebunden
  • 72 Seiten
  • 5 Abbildungen
  • Lesezeichen
  • mit 2 Audio-CDs
  • 29,70 €
  • musikalische Begleitung: Al Gromer Khan
  • ISBN 978-3-931560-17-1
    buchcover_tigerbericht

BÜCHER  ZU  LESEN  HEISST  AUCH  BÜCHERN  ZU  LAUSCHEN

Buchbesprechung von Ulrike Sokul ©

Beim Tigerbericht, der in Kombination von Textbuch und Hörbuch vorliegt, bietet sich die Gelegenheit, je nach Neigung lesend zu lauschen oder lauschend zu lesen. In jedem Falle werden sich die KonZENtration, die erfrischende Weite und die weise Gelassenheit dieser Geschichte wohltuend offenbaren.

Der Erzähler erzählt, wie er bei einer einsamen Wanderung durch die Wüste Sinai an einer Oase rastet und einem Meister begegnet. Zunächst wird er ohne Worte unterrichtet, durch freundliches, achtsames Wahrgenommensein und alltägliche Verrichtungen: Wasser holen, Feuer machen, Teetrinken, Lächeln, Verbeugungen und durch einfaches miteinander Schweigen. Ein Dialog entsteht erst, nachdem der Wanderer sich vollkommen der Stille hingegeben hat. Danach vermittelt ihm der Meister gleichnishaft anhand des Tigerberichtes den Wesenskern der Lehre des Zen-Buddhismus.

„Der Tiger tut das, was er tut, ganz. Er geht nicht zur Tränke, ehe er durstig ist. Er geht nicht vom Bach fort, ehe sein Durst gestillt ist. Auch wenn er sichert, tut er dies ganz und mit allen Sinnen. Er kratzt sich nicht am Hintern, während er wittert. Er pinkelt nicht, während er lauscht. Er tut stets das eine oder das andere. Er ist ganz und gar einfach. Und doch erlebt der Tiger alles, was er erlebt, mit einer vielen Menschen unvorstellbaren Intensität.“

„Wenn dein Geist groß und weit ist und gähnend leer, dann ist darin Platz für alles, was immer geschieht. Wenn er aber klein ist und eng und möbliert mit Wissen und Erinnerungen und Befürchtungen, dann ist darin vor lauter solchem Gerümpel kein Platz mehr für das Neue. Das Jetzige. Das Lebendige. Das Wahre.“

 „Der Tiger ist über die fünf Sinne mit der Außenwelt in Verbindung und sie mit ihm. Er ist ganz und gar in der Welt, und diese Welt ist in ihm, denn er ist vollkommen leer. Kein Tigerstolz. Keine Tigerbiografie. Kein Tigerkindheitstrauma. Kein Tigerzukunftsprojekt. So ist er mühelos bemüht zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu fühlen und zu denken, was ist.“

Die schmucklose Sprache ist von einer poetischen und philosophischen Präzision, die Inhalt und Form zu einer stillen Harmonie vereint und gerade durch das Weglassen übergewichtigen Wortgepäcks eine Ruhe und kontemplative Präsenz hervorzurufen vermag, die den Leser – weit über jedes Wort hinaus – zuhören lehrt.

Für mich ist diese Wirkung stärker, wenn ich der angenehm sonoren Stimme des Erzählers (der Autor liest selbst und macht das wirklich gut) folge und einfach lausche. Beim Hinhören füge ich mich dem besinnlichen Tempo, der untermalenden Musik, den Atempausen… Dies ist eine reinigende Erfahrung, die sich durch Wiederholung nicht verschleißt, sondern vertieft.

Der Tigerbericht ist eine gute Medizin, wenn man mal wieder in komplizierten Gedankengebäuden herumirrt und sich selbst zu ernst und das Leben zu schwer nimmt. Er räumt die Gedanken auf, klärt und leert den aufgewühlten Geist, schärft die Sinne und erinnert mit unaufdringlicher Eindringlichkeit an das Wesentliche: an das Dasein und Dabeisein im Jetzt und an die heilsame Selbstvergessenheit im reinen Tun.

Wer bin   i c h   noch, wenn das Lesen liest und das Hören hört?   I c h   werde leichter, die Egobetonung verschwindet und gibt dem Leben Raum.

So einfach ist das!

 

Weitere Informationen auf der Verlagswebseite:
http://www.sheema-verlag.de/verlagsprogramm/der-tigerbericht/


»Shunruy Suzuki-roshi,
geboren 1904 in Shonganji, einem ländlich-armen buddhistischen Tempel bei Tokio, ging im Alter von 55 Jahren mit seiner Familie nach Kalifornien, wo sich rasch Schüler aus  aller Welt im Zen-Center von San Francisco um ihn scharten. Er starb am 4. Dezember 1971.«

»Dietrich Wild,  geb. 1942, der Übermittler des “Tigerberichts” stieß im Dezember 1975 im berühmt chaotischen Anglia Bookshop in München auf den bis dahin einzigen Text aus Suzuki-roshi´s Denken, das Buch “Zen Mind, Beginner`s Mind”. Während der Lektüre fasste er den Entschluss, nach Kalifornien zu gehen und Suzuki-roshi´s Schüler zu werden. Im Dezember 1979 reichte das Geld für die Reise: im Zen-Center in San Francisco bat er, den Meister sehen zu dürfen. Das sei unmöglich, sagte man ihm: Suzuki-roshi sei seit acht Jahren tot.
Für den Autor änderte sich also nichts: Shunryu Suzuki-roshi hatte ihn all die Jahre angeleitet mit seinen Unterweisungen für den in jedem Augenblick des Alltags praktizierten Zen: Alles ist Zen, ohne Tempel, ohne Mönchskostüm, ohne Firlefanz – nichts Besonderes! Immerwährender Anfänger, schrieb er im Winter 1985/86 nach mehreren Aufenthalten in der Abgeschiedenheit des Sinai, den “TIGERBERICHT” auf. Dietrich Wild lebt zurückgezogen in einem Zen-Kloster in Japan.«

»Al Gromer Khan, geboren 1946, wurde in die Imdad Khani-Gharana, die legendäre Dynastie der Sitarspieler aufgenommen, die bis ins Indien der Moguln zurückreicht. Seinen eigenen Stil hat er aus der vornehmen Tradition von Ustad Vilayat Khan entwickelt. Er ist der Schöpfer der kontemplativen Paisley Music

16 Kommentare zu “Der Tigerbericht

  1. Liebe Ulrike

    Danke für deinen Besuch auf meinem Blog. Deine Empfehlung werde ich mir beim nächsten Buchhandlungbesuch gönnen. Tiere und ganz kleine Kinder zeigen uns den richtigen Weg. Bei Kindern finde ich schade, dass es ihnen aberzogen wird. Danke für den Tipp.

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    Gisela

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    • Liebe Gisela,
      vielen Dank für Deinen Lesebesuch und Deine positive Rückmeldung auf meinen Hinweis zum Tigerbericht.
      Auch Dir ein schönes, herzerfülltes Wochendene und liebe Grüße von mir zu Dir

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  2. Liebe Ulrike
    heute habe ich meinen Tigerbericht bei meinen Bücher-Mädels geholt. Und schon beim Aufschlagen und lesen der ersten Seite schwappte seine Energie herüber. Es ist ein feines, zartes, liebevolles Buch, das dich aus der eigenen Welt nimmt und dir gibt…nachher lese ich weiter.
    Vielen herzlichen Dank…ich habe eine Perle neben mir liegen, dank deiner Empfehlung.
    Sei herzlichst gegrüsst, auf bald
    Erika

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  3. Eine wundervolle, zauberschöne Buchbesprechung, liebe Ulrike, die ich gleich zweimal las und nun werde ich mir dieses Büchlein bestellen, denn ein solches MUSS ich haben, unbedingt besitzen! *lächel*
    Dir einen feinen Sonntag 🙂
    Herzliche Grüße
    Finbar

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    • Lieber Finbar,
      dies ist eine Anschaffung, die sich unbedingt lohnt. Du bekommst mit dem TIGERBERICHT ein heilsames VADEMECUM für das ganze Leben.
      Sonntägliche Sonnenuntergangsgrüße 🙂
      von Ulrike

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